TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/18 G301 2223129-1

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Veröffentlicht am 18.02.2020
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Entscheidungsdatum

18.02.2020

Norm

AVG §78
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §69 Abs2

Spruch

G301 2223129-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Dominikanische Republik, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Alexander FUCHS in Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 06.08.2019, Zl. XXXX, betreffend Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 09.08.2019, wurde der am 11.12.2017 eingebrachte und mit demselben Tag datierte Antrag des rechtsfreundlich vertretenen BF auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 03.08.2012, Zl. XXXX, erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 78 AVG die Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von 6,50 Euro binnen einer Zahlungsfrist von vier Wochen Wochen aufgetragen (Spruchpunkt II.).

Mit dem am 02.09.2019 beim BFA, RD Niederösterreich, eingebrachten und mit 30.08.2019 datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid in vollem Umfang.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 05.09.2019 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Dominikanischen Republik.

Der BF wurde am XXXX05.2011 von Deutschland nach Österreich ausgeliefert. Der BF hatte in Deutschland bis zu seiner Auslieferung eine Strafhaft verbüßt.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts (LG) XXXX vom 18.01.2012, GZ: XXXX, wegen mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels, des Vergehens des Betruges und des Vergehens der Nötigung mit Bedachtnahme auf das Urteil des Landgerichts XXXX(Deutschland) vom 04.11.2009 (unbedingte Freiheitsstrafe von 4 Jahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum Handeltreiben) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. Der vom BF dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) XXXX vom 25.06.2012, GZ: XXXX, nicht Folge gegeben, womit das Urteil mit 25.05.2012 in Rechtskraft erwuchs.

Mit Bescheid der (damaligen) Bundespolizeidirektion (BPD) XXXX vom 03.08.2012, Zl. XXXX, zugestellt am 09.08.2012, wurde gegen den BF gemäß § 65b iVm. § 67 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG (in der damals geltenden Fassung) von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.). Dieser Bescheid erwuchs am 24.08.2012 in Rechtskraft.

Am 11.12.2017 brachte der seit XXXX05.2011 zunächst in Untersuchungshaft und sodann ab 25.06.2012 in Strafhaft befindliche BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes bei der belangten Behörde ein.

Der BF wurde am XXXX10.2019 aus der Strafhaft (Vollzug der unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Jahren) bedingt entlassen.

Der BF wurde am XXXX12.2019 aus Österreich in die Dominikanische Republik abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbedenklichen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich und in Deutschland, zur Auslieferung und Haft sowie zur bedingten Entlassung ergeben sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.

Die Feststellung zur Abschiebung des BF von Österreich in die Dominikanische Republik am XXXX12.2019 beruht auf der Eintragung im Zentralen Fremdenregister (IZR) und dem übermittelten Abschiebebericht der Landespolizeidirektion Wien (OZ 3).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt A.):

Gemäß § 125 Abs. 25 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 - das ist der 1. Jänner 2014 - erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.

Das hier gegenständliche unbefristete Aufenthaltsverbot wurde mit dem oben angeführten Bescheid der BPD XXXX vom 03.08.2012 mit Wirksamkeit ab 24.08.2012 rechtskräftig erlassen und ist auch nach dem 01.01.2014 weiterhin gültig.

Was den Eintritt der Durchsetzbarkeit und den Beginn der Dauer des Aufenthaltsverbotes anbelangt, so richten sich gemäß der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 30 FPG in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), BGBl. I Nr. 145/2017, der Beginn und der Ablauf der Frist von vor dem 1. November 2017 erlassenen und durchsetzbar gewordenen Aufenthaltsverboten nach § 67 Abs. 4 zweiter Satz FPG in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012.

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 87/2012, ist bei der der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist (bezogen auf die Dauer des Aufenthaltsverbotes) beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

Gemäß § 70 Abs. 1 FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

Das gegenständliche Aufenthaltsverbot wurde mit Wirksamkeit vom 24.08.2012 rechtskräftig erlassen. Der BF befand sich ab XXXX05.2011 durchgehend in Haft, wobei ab 25.06.2012 die rechtskräftig ausgesprochene Freiheitsstrafe von 10 Jahren (als Zusatzstrafe) vollzogen wurde. Der BF wurde am XXXX10.2019 bedingt aus der Strafhaft entlassen, wodurch der Freiheitsentzug endete.

Gemäß § 125 Abs. 30 iVm. § 67 Abs. 4 zweiter Satz iVm. § 70 Abs. 1 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 war der Eintritt der Durchsetzbarkeit für die Dauer des Freiheitsentzuges in Strafhaft aufgeschoben.

Die Durchsetzbarkeit des gegenständlichen - unbefristeten - Aufenthaltsverbotes trat somit am 10.10.2019 ein.

Gemäß § 67 Abs. 3 Ziffer 1 FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung konnte ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der mit "Gegenstandslosigkeit und Aufhebung" betitelte § 69 FPG in der Fassung des BGBl. I. Nr. 87/2012 lautete:

"§ 69. (1) Eine Ausweisung wird gegenstandslos, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung (§ 70) nachgekommen ist. § 27b gilt.

(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

(3) Das Aufenthaltsverbot tritt außer Kraft, wenn einem EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen (VwGH 21.07.2011, Zl. 200/18/0898; 24.01.2012, Zl. 2011/18/0267; 30.07.2014, Zl. 2012/22/0112; 26.03.2015, Zl. 2013/22/0297).

Bei der Beurteilung nach § 69 Abs. 2 FPG kommt es darauf an, ob aufgrund einer Änderung der für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgebenden Umstände oder aufgrund einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage davon ausgegangen werden kann, dass die seinerzeitige Annahme, der Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwiderlaufen, nicht mehr aufrechterhalten werden kann (VwGH 06.09.2012, Zl. 2012/18/0032).

Ergänzend ist zur Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach, wenn das Vorliegen einer Gefährdung immer noch zu bejahen und auch sonst die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zulässig ist, der Antrag auf dessen Aufhebung abzuweisen ist, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde die gesetzlich höchstzulässige Dauer (noch) nicht überschritten wurde (VwGH 24.01.2012, Zl. 2011/18/0267). Im Rahmen eines Verfahrens zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist die Möglichkeit, die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen, nicht vorgesehen (VwGH 27.06.1996, Zl. 95/18/0953).

Wenn nach der durch das FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, geänderten Rechtslage gemäß § 67 Abs. 2 FPG idF FrÄG 2011 ein Aufenthaltsverbot nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden darf, weil die Voraussetzungen für ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 3 FPG idF FrÄG 2011 (das ist das Vorliegen einer dort näher definierten schwerwiegenden Gefahr) nicht erfüllt sind und eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht kommt, ist dem Umstand, dass nach derzeitiger Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Fremden erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren die Behörde das Aufenthaltsverbot jedenfalls von Amts wegen (aber auch auf Antrag des Fremden) aufzuheben hat. Demgegenüber ist, wenn das Vorliegen einer Gefährdung immer noch zu bejahen und auch sonst die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zulässig ist, der Antrag auf dessen Aufhebung abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde die gesetzlich höchstzulässige Dauer (noch) nicht überschritten wurde (VwGH 09.11.2011, Zl. 2011/22/0264; 24.01.2012, Zl. 2011/18/0267).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der gegenständliche Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass der BF seit Oktober 2005 in Österreich sei und hier seine Ehefrau und fünf gemeinsamen Kinder leben würden, welche allesamt österreichische Staatsbürger seien. Die Ehefrau befinde sich derzeit im elektronisch überwachten Hausarrest und wohne gemeinsam mit den beiden minderjährigen Kindern in einer Wohnung. Der BF habe auch keine Kontakte mehr in seinem Herkunftsstaat. Der BF habe auch erfolgreich an einer Drogentherapie teilgenommen und sei von seiner Drogensucht geheilt. Die seit XXXX05.2011 andauernde Haft und das erlittene Haftübel hätten dem BF auch das Unrecht seiner Taten deutlich vor Augen geführt. Aufgrund seiner Schuldeinsicht und der absolvierten Drogentherapie stelle der BF daher keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr dar. Der BF sei auch resozialisiert. Das Aufenthaltsverbot stelle einen unzulässigen Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben dar. Überdies leide der BF an HIV und sei auf die medizinische Behandlung in Österreich angewiesen. Im Fall der Rückkehr in die Dominikanische Republik sei dadurch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gegeben. Somit hätten sich maßgebliche Umstände zu Gunsten des BF geändert und seien die einstigen Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen.

Zunächst ist auf den wesentlichen Umstand hinzuweisen, dass der BF den gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes am 11.12.2017 und somit zu einem Zeitpunkt stellte, als er sich noch in Strafhaft befand und eine vorzeitige (bedingte) Haftentlassung noch gar nicht bewilligt worden war. Der BF wurde schließlich am XXXX10.2019, also erst fast zwei Jahre später, bedingt aus der Strafhaft entlassen und hatte bis dahin über acht Jahre in Österreich durchgehend in Haft verbracht. Des weiteren ist festzuhalten, dass sich der BF vor seiner Auslieferung nach Österreich am XXXX05.2011 bereits fast zwei Jahre in Deutschland in Strafhaft befand. Auch die vorliegende Beschwerde wurde am 02.09.2019 und somit auch noch vor der bedingten Entlassung des BF aus der Strafhaft eingebracht.

Bei einem in Strafhaft befindlichen Fremden ist für einen Wegfall einer von diesem ausgehenden Gefährdung in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich (VwGH 28.01.2016, Zl. Ra 2016/21/0013 mwN).

Der seit der bedingten Haftentlassung am XXXX10.2019 verstrichene Zeitraum ist aber jedenfalls als zu kurz anzusehen, um davon ausgehen zu können, dass bei dem nunmehr in Freiheit befindlichen BF ein nachhaltiger positiver Gesinnungswandel in erkennbarer Weise herbeigeführt worden wäre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der BF in seinem Aufhebungsantrag angab, durch das - bis zur Antragstellung am 11.12.2017 verspürte - Haftübel das Unrecht seiner Taten erkannt und eine Drogenentwöhnungstherapie absolviert zu haben.

Konkrete geänderte oder neue Umstände, die nach der Haftentlassung eingetreten wären, wurden im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht. Mit dem am 17.10.2019 und somit nach der Haftentlassung beim BVwG eingebrachten Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters (OZ 2) wurde lediglich mitgeteilt, dass der BF seit seiner Haftentlassung wieder bei seiner Familie in XXXX wohne, über einen aufrechten Versicherungsschutz verfüge, arbeitswillig und auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz sei.

Insgesamt ist somit festzuhalten, dass der BF weder in seinem Aufhebungsantrag noch im weiteren Verlauf des Verfahrens irgendwelche konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, die gerade vor dem Hintergrund seines massiven strafrechtlichen Fehlverhaltens (Betreiben eines organisierten, grenzüberschreitenden Suchtgifthandels mit enormen Mengen an Kokain als Mitglied eines international tätigen Drogennetzwerkes) auf eine wesentliche Änderung seiner persönlichen Lebensumstände oder auf einen mittlerweile vollzogenen nachhaltigen Gesinnungswandel hingewiesen hätten, was wiederum schon nach einer kurzen Zeit nach der Haftentlassung einen gänzlichen Wegfall oder eine entscheidungserhebliche Minderung der vom BF ausgehenden Gefährdung bedeuten würde. Anhaltspunkte, dass die im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes getroffene Gefährdungsprognose nunmehr gänzlich anders zu beurteilen wäre, haben sich nicht ergeben.

So obliegt es gerade dem Antragsteller selbst, jedenfalls schon im Antrag von sich aus jene Umstände darzulegen, die aus seiner Sicht für eine allfällige Aufhebung des Aufenthaltsverbotes relevant sind.

Eine Änderung der für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgebenden Umstände war daher schon auf Grund des Antragsvorbringens nicht einmal ansatzweise anzunehmen.

Die vom BF in Österreich begangenen Straftaten und sein bisheriges persönliches Fehlverhalten beeinträchtigen insgesamt gesehen in hohem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen. Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere der organisierten Suchtgiftkriminalität, stellt jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) dar. Aufgrund der dargelegten Umstände, insbesondere im Hinblick auf die kurze Zeit seit der Haftentlassung, kann auch eine positive Zukunftsprognose nicht erstellt werden.

Es ist daher im Ergebnis der Ansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid beizutreten, dass unter Berücksichtigung aller aufgezeigten Umstände nach wie vor von einer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung durch den BF auszugehen ist und letztlich eine Rückfälligkeit in strafrechtliches Verhalten auch nach erfolgter bedingter Entlassung nicht ausgeschlossen werden kann.

Auch im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung haben sich im Vergleich zu dem im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugrunde gelegten Sachverhalt keine neuen oder geänderten Umstände ergeben, denen zufolge ein Überwiegen des persönlichen Interesses des BF am Schutz des Privat- und Familienlebens gegenüber dem öffentlichen Interesse an der weiteren Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes anzunehmen gewesen wäre.

So ist festzuhalten, dass von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid die familiären Bindungen des BF bereits sowohl bei der Feststellung des für Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes als auch bei der rechtlichen Beurteilung berücksichtigt wurden.

Insoweit im Antrag und in der Beschwerde auf die Beziehung des BF zu seiner Ehefrau und zu den gemeinsamen Kindern und deren Aufenthalt in Österreich hingewiesen wurde, ist entgegenzuhalten, dass auch dieser Umstand allein nicht ausreicht, um vor dem Hintergrund der Gründe, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, eine Rechtswidrigkeit des weiteren Aufenthaltsverbotes zu erblicken. Hierbei ist festzuhalten, dass der BF bis zu seiner bedingten Entlassung XXXX10.2019 über acht Jahre in Haft verbrachte. Auch ist auf den Umstand hinzuweisen, dass die Ehefrau des BF mit demselben Urteil des LG XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden war.

Es erscheint daher auch als zumutbar, dass der BF den familiären Kontakt über diverse Telekommunikationsmittel (Telefon, Internet) von seinem Herkunftsstaat aus und durch gelegentliche Besuche der Ehegattin - nach Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe (derzeit in Form eines elektronisch überwachten Hausarrests) - und der Kinder im Herkunftsstaat aufrechterhält.

In einer Gesamtbetrachtung der dargelegten Erwägungen war somit nicht davon auszugehen, dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des BF geändert hätten, weshalb auch ein Überwiegen der behaupteten persönlichen Interessen an einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Aufrechterhaltung nicht anzunehmen ist. Die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH 03.10.2013, Zl. 2013/22/0083; 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).

Da sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes als rechtmäßig erwiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 69 Abs. 2 und 3 iVm. § 125 Abs. 25 FPG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Beschwerde gegen den Kostenausspruch:

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde der Bescheid in seinem gesamten Inhalt und Umfang angefochten, somit auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des Bescheides, wonach der BF gemäß § 78 AVG eine Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von 6,50 Euro binnen zwei Wochen zu entrichten habe.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, hat die Beschwerde die Gründe zu enthalten, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt. In der vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF verfassten Beschwerde wurden jedoch keinerlei Gründe vorgebracht, aus denen sich die Rechtswidrigkeit dieses Kostenausspruchs ergeben würde.

Da auch sonst nicht ersichtlich ist, weshalb der Kostenausspruch allenfalls rechtswidrig wäre, und sich der Kostenausspruch auch zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften stützt, war die Beschwerde auch insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt II. des Bescheides richtet, als unbegründet abzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Ist der Beschwerdeführer nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt, so kann gemäß § 9 Abs. 5 FPG eine mündliche Verhandlung durch das BVwG unterleiben, wenn der Sachverhalt abschließend feststeht.

Im gegenständlichen Fall ist der BF nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt. Des Weiteren wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 9 Abs. 5 FPG und § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Überdies wurde von keiner der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragt.

3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2223129.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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