TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/27 G301 2199092-1

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Veröffentlicht am 27.02.2020
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Entscheidungsdatum

27.02.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

G301 2199092-1/39E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kuba, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 16.05.2018, Zl. XXXX, betreffend Rückkehrentscheidung und befristetes Einreiseverbot, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.07.2019 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Tirol, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 17.05.2018, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kuba zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1, 2 und 4 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn (10) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Mit dem am 13.06.2018 beim BFA, Regionaldirektion Tirol, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid in vollem Umfang. Darin wurde nach Darlegung der Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; eine mündliche Verhandlung durchführen; den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und aussprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG erteilen; in eventu das Einreiseverbot beheben oder dieses wesentlich verkürzen; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behröde zurückverweisen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 25.06.2018 vom BFA vorgelegt.

Mit Beschluss des BVwG vom 02.07.2018 wurde der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 01.07.2019 in der Außenstelle Innsbruck eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Mit dem nach Schluss der Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnis wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides (betreffend Einreiseverbot) teilweise Folge gegeben und dieser Spruchpunkt dahingehend abgeändert, dass sich das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG stütze und dass die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben (7) Jahre herabgesetzt werde; die Spruchpunkte IV. und VI. des angefochtenen Bescheides aufgehoben; gleichzeitig gemäß § 55 Abs. 1 und 3 iVm. § 59 Abs. 4 FPG mit Rechtskraft dieser Entscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen mit Durchsetzbarkeit ab Beendigung des Freiheitsentzuges in Strafhaft festgelegt; sowie im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A.). Gleichzeitig wurde die Revision gegen das Erkenntnis für unzulässig erklärt (Spruchpunkt B.).

Mit dem am 11.07.2019 eingelangten und mit 04.07.2019 datierten Schriftsatz beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Mit Erledigung des BVwG vom 17.07.2019, zugestellt am 17.07.2019, wurde die am 01.07.2019 mündlich verkündete Entscheidung schriftlich ausgefertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0228-14, in Stattgebung der außerordentlichen Revision des BF das angefochtene Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Damit ist das Verfahren neuerlich in den Stand der Beschwerde vor dem BVwG getreten und in diesem Umfang zu erledigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kuba.

Der BF hat im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor dem BFA eine Stellungnahme erstattet, in der der untern anderem angab, er "habe keine Rechte in Kuba" und sei mit lebenslanger Gefängnisstrafe bedroht; er sei in Kuba wegen Propaganda und "Konterrevolution" angeklagt und habe politische Verfolgung zu befürchten; außerdem habe er den Militärdienst verweigert und sei ein Deserteur.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 01.07.2019 gab der BF an, dass sein Onkel 14 Jahre im Gefängnis verbracht habe, nur weil er "anders gedacht" habe als die Regierung; wenn er [der BF] zurückkehre, würden sie ihn wohl festnehmen und ins Gefängnis stecken.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Diese Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Aufhebung des Bescheides (Spruchpunkt A.):

Mit dem im Verfahrensgang angeführten Erkenntnis des VwGH vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0228-14, wurde das am 01.07.2019 mündlich verkündete und am 17.07.2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der VwGH gelangte auf Grund der in seinem Erkenntnis näher dargelegten rechtlichen Erwägungen, auf die hier vollumfänglich verwiesen werden kann, zum Schluss, dass das angefochtene Erkenntnis - zur Gänze - mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet sei. Der VwGH führte dazu aus (siehe Rz 9):

"Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG über die aus der Aktenlage ersichtliche Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Revisionswerber sowie über den von ihm gestellten Verlängerungsantrag kommentarlos hinweggegangen ist. Vor allem aber ist ihm anzulasten, dass es sich - ebenso wie schon zuvor das BFA - nicht mit dem vom Revisionswerber noch ausreichend deutlich geltend gemachten Vorbringen über eine ihm in Kuba drohende Verfolgung (siehe oben Rn. 4 und Rn. 6) überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Insoweit hat zunächst die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit einer Abschiebung des Revisionswerbers nach Kuba keine tragfähige Basis. Das BVwG hat in diesem Zusammenhang aber auch nicht beachtet, dass es mit dem Revisionswerber zu erörtern gehabt hätte, ob er ausgehend von dem vorgebrachten Gefährdungsszenario die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz beabsichtige, zumal es nicht Aufgabe des BFA bzw. des BVwG ist, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme ein Verfahren durchzuführen, das letztlich der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (siehe in diesem Sinn zuletzt VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0133, Rn.9, mit Verweis auf insbesondere VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0157 und 0158, Rn. 11 und 12)."

Dieser Rechtsansicht des VwGH folgend wird daher zunächst die verfahrensrelevante Frage zu klären sein, ob der BF vor dem Hintergrund seines bereits im Verfahren vor der belangten Behörde erstatteten Vorbringens zu einer möglichen Gefährdung oder Verfolgung im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Kuba die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz beabsichtige.

Im gegenständlich angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zwar allgemeine herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur Lage in Kuba getroffen, sich aber mit dem vom BF noch ausreichend deutlich geltend gemachten Vorbringen über eine ihm in Kuba drohende Verfolgung überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Eine solche Auseinandersetzung hat nunmehr aber entweder in einem Verfahren aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz oder - wenn ein solcher Antrag vom BF ausdrücklich nicht gestellt wird - erneut in einem (amtswegig eingeleiteten) Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat, jeweils unter Einbeziehung von aktuellen herkunftsstaatsbezogenen Informationen zur Lage in Kuba, stattzufinden (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157, Rz 12).

Die Klärung der für die jeweilige Sachentscheidung relevanten Frage, in welchem Verfahren - also Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz - das vom BF vorgebrachte Gefährdungsszenario nunmehr inhaltlich zu prüfen sein wird, hat durch ein von der belangten Behörde durchzuführendes Verfahren und nicht - gleichsam erstinstanzlich - im Zuge eines Beschwerdeverfahrens durch das BVwG zu erfolgen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Die (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst und als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG zu nennen (VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003; 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG zur Gänze aufzuheben und der Beschwerde damit stattzugeben.

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2199092.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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