TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 G314 2226932-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G314 2226932-1/9Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.11.2019,

Zl. XXXX, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt III., zweiter Satz des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 19.12.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem dem Beschwerdeführer (BF) ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein vierjähriges Einreiseverbot erlassen wurde (Spruchpunkt IV.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass der BF kurz nach seiner Einreise strafgerichtlich verurteilt worden sei, sodass seine sofortige Ausreise nach der Enthaftung erforderlich sei. Mangels einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihm zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten.

Der BF erhob gegen den Bescheid eine Beschwerde, mit der er die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheids beantragt. Hilfsweise strebt er den Ausspruch der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung, die Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheids bzw. die Reduktion der Dauer des Einreiseverbots an. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und seine privaten und familiären Bindungen in Österreich, insbesondere das Familienleben mit seiner Lebensgefährtin und seinem minderjährigen Sohn, nicht ausreichend berücksichtigt. Ein volljähriger Sohn des BF beabsichtigte, in Österreich zu studieren; ein weiterer lebe in Deutschland. Die Behörde habe die Taten, die zu seiner Verurteilung geführt hätten, und die Strafzumessungsgründe nicht nachvollziehbar festgestellt. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei und dass sich der BF gegenüber dem BFA kooperativ verhalten habe. Die Dauer des Einreiseverbots sei nicht nachvollziehbar begründet worden.

Das BFA schloss der Beschwerdevorlage eine Stellungnahme an und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der aktuell XXXX BF ist serbischer Staatsangehöriger und spricht Serbisch. Er lebt in Serbien, wo sich auch seine Eltern und sein Bruder aufhalten. Er ist geschieden. Er war in Österreich - abgesehen von Aufenthalten in einer Justizanstalt und in einem Polizeianhaltezentrum - nie melderechtlich erfasst und nie legal erwerbstätig. Ihm wurde keine Aufenthaltsberechtigung erteilt. Eine Schwester des BF lebt in den Niederlanden, ein volljähriger Sohn in Deutschland. Der BF ist mit einer serbischen Staatsangehörigen liiert, die seit 2016 gemeinsam mit dem 2006 geborenen Sohn des BF in Österreich lebt. Auch der 2000 geborene Sohn des BF hält sich in Österreich auf.

Am 25.06.2019 wurde der BF in XXXX festgenommen, weil er bei dem Versuch, hochpreisige Kleidungsstücke zu stehlen, indem er Diebstahlsicherungen mit einem Metallhaken entfernte, von Ladendetektiven betreten wurde. Er wurde noch am selben Abend wieder enthaftet.

Im September 2019 reiste der BF zum Schulbeginn seines jüngsten Sohnes neuerlich in den Schengenraum ein. Am 07.10.2019 stahl er in XXXX eine Hose, indem er die Diebstahlsicherung mit einem Haken entfernte, die Hose unter seiner eigenen Hose anzog und das Geschäft verließ, ohne zu bezahlen. Am 24.10.2019 wurde er in XXXX festgenommen, weil er eine weitere Hose auf dieselbe Art stehlen wollte, dabei aber wieder von Ladendetektiven betreten wurde.

Der BF wurde daraufhin bis 25.11.2019 in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehalten und mit dem Urteil des Landesgerichts für XXXX von diesem Tag wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB zu einer 15-monatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Gesamtwert der Kleidungsstücke, die er stahl bzw. zu stehlen versuchte, betrug fast EUR 1.900. Bei der Strafzumessung wurden der teilweise Versuch und das reumütige Geständnis als mildernd, die Tatwiederholung und die Begehung von zwei Diebstählen während des anhängigen Strafverfahrens dagegen als erschwerend berücksichtigt. Es handelt sich um seine einzige strafgerichtliche Verurteilung in Österreich. In Deutschland und in Serbien war er zuvor wegen versuchten Mordes strafgerichtlich verurteilt worden.

Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde der BF aufgrund eines Festnahmeauftrags des BFA festgenommen, in Schubhaft genommen und am 28.11.2019 nach Serbien abgeschoben. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 25.11.2019 war sein Reisepass abgelaufen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben des BF bei der Einvernahme am 25.11.2019, sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).

Eine Kopie des serbischen Personalausweises des BF liegt vor. Die Feststellungen zu den von ihm begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen basieren auf dem vorgelegten Strafurteil, dem Strafregister und seinen Angaben vor dem BFA. Die Festnamen des BF am 25.06. und am 24.10.2019 ergeben sich insbesondere aus der Vorhaftanrechnung laut Strafurteil00.

Die familiären Verhältnisse des BF ergeben sich aus seinen Angaben und dem ZMR, laut dem die am XXXX geborene XXXX, der am XXXX geborene XXXXund der am XXXX geborene XXXX serbische Staatsangehörige und seit 2016 in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet sind.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich auch gegen den zweiten Satz von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass die Verwaltungsakten dem BVwG erst am 23.01.2020 vollständig vorgelegt wurden.

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil der BF kurz nach seiner letzten Einreise im September 2019 wieder gewerbsmäßig teure Kleidung stahl, obwohl gegen ihn wegen eines derartigen Delikts seit Juni 2019 ein Strafverfahren anhängig und er deshalb auch schon für kurze Zeit festgenommen worden war. Außerdem war sein Reisepass im November 2019 nicht mehr gültig, obwohl bei visumfreien Einreisen von serbischen Staatsangehörigen in den Schengen-Raum das Reisedokument grundsätzlich noch drei Monate über den geplanten Termin der Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten hinaus Gültigkeit besitzen muss (siehe Art 6 Abs 1 lit a Schengener Grenzkodex), sodass der BF bei der Einreise im September 2019 die Einreisevoraussetzungen nicht mehr erfüllte.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Solche Gründe wurden hier nicht vorgebracht. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des BF (Serbien) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 6 HStV handelt. Da der BF bislang in Serbien lebte, erfordern auch seine privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet und in anderen Mitgliedstaaten die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht. Es ist ihm zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten, wo er von seinen in Österreich (bzw. in Deutschland und in den Niederlanden) lebenden Bezugspersonen besucht werden kann. Außerdem kann er den Kontakt über Kommunikationsmittel wie Telefon und Internet aufrecht halten, zumal auch sein jüngster Sohn kein Kleinkind mehr ist.

Der Beschwerde ist derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen; der zweite Satz von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist nicht zu beanstanden.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226932.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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