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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über den Antrag des F in T, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wr. Neustadt, vom 5. September 1997, Zl. Senat-BN-96-526, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird stattgegeben.
Begründung
Mit hg. Beschluß vom 8. Jänner 1998 wurde das Verfahren betreffend die zur hg. Zl. 97/02/0464 protokollierte Beschwerde eingestellt, weil der Beschwerdeführer dem Auftrag, unter anderem eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides vorzulegen, fristgemäß nicht nachgekommen sei.
Im vorliegenden Antrag wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages begehrt, wobei gleichzeitig eine Ausfertigung des zur hg. Zl. 97/02/0464 angefochtenen Bescheides vorgelegt wurde. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag damit, daß seine Vertreterin fristgerecht der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes nachgekommen sei, eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für die Niederösterreichische Landesregierung beizubringen. Seine Vertreterin habe in ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 1997 auch die Kopie des angefochtenen Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates als Beilage angeführt und habe bei der Unterschrift dieses Schriftsatzes die Beilagen auch kontrolliert. Sie habe sich persönlich davon überzeugt, daß dem Schriftsatz "Nachreichung" u.a. eine vierte Ausfertigung der Beschwerde und auch eine Kopie des angefochtenen Bescheides beigelegen seien. Naturgemäß habe seine rechtsfreundliche Vertreterin das Kuvert an den Verwaltungsgerichtshof nicht selbst abgefertigt, sondern sei diese Abfertigung durch eine verläßliche Kanzleikraft durchgeführt worden, die zwar erst seit 10. November 1997 als Kanzleileiterin beschäftigt sei, jedoch über eine viereinhalbjährige Erfahrung als Rechtsanwaltsmitarbeiterin verfüge. In ihrer bisherigen Laufbahn sei es der Kanzleikraft noch nie passiert, daß sie Beilagen, die einem Schriftsatz beigelegen seien, nicht ins "Kuvert gesteckt" habe. Aufgrund der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage habe in der Kanzlei der Rechtsvertreterin jedoch ein hektischer Betrieb geherrscht, zusätzlich habe die Rechtsvertreterin ihren Kanzleisitz Anfang Dezember 1997 an eine neue Adresse verlegt, sodaß die Kanzleileiterin durch die mit der Verlegung des Kanzleisitzes und den bevorstehenden Weihnachtsfeiertagen verbundene Mehrarbeit erheblich belastet gewesen und ihr offenbar deshalb dieses Versehen passiert sei. Es handle sich jedoch um ein Versehen, das gelegentlich auch einem erfahrenen Mitarbeiter, der sorgfältig und korrekt arbeite, passieren könne, sohin um einen minderen Grad des Versehens. Die Richtigkeit dieser Angaben wurden von der Kanzleiangestellten mit einer eidesstättigen Erklärung bekräftigt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einer Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. die Judikaturhinweise in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seiten 656 ff, insbesondere S. 658, sowie den hg. Beschluß vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0004).
Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt hat die Beschwerdevertreterin im vorliegenden Fall für die rechtzeitige Fertigstellung des ergänzenden Schriftsatzes gesorgt und sich persönlich davon überzeugt, daß dem ergänzenden Schriftsatz die vorzulegenden Beilagen angeschlossen waren. Sie hat diesen Schriftsatz nach Unterfertigung samt Beilagen einer zuverlässigen Kanzleikraft zur Postaufgabe überlassen. Daß die Beschwerdevertreterin nicht auch noch die näheren Umstände der Postabfertigung überwachte, sodaß ihr das Zurückbleiben einer der Beilagen in der Kanzlei entging, begründete jedenfalls kein - dem Beschwerdeführer zurechenbares - Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausginge.
Dem Antrag war somit stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998020063.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
24.09.2008