TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 G301 2228915-1

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Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G301 2228915-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kolumbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 15.01.2020, Zl. XXXX, betreffend Einreiseverbot, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides

betreffend Einreiseverbot wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich - Außenstelle Wiener Neustadt, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 15.01.2020, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt III.); gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.); sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit dem am 11.02.2020 beim BFA, Regionaldirektion Niederösterreich - Außenstelle Wiener Neustadt, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides betreffend Einreiseverbot. Die übrigen Spruchpunkte blieben unangefochten.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 25.02.2020 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kolumbien.

Der BF wurde am XXXX01.2020 auf dem Luftweg von Österreich nach Kolumbien begleitet abgeschoben und hält sich seitdem nicht mehr im Bundesgebiet auf.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Prozessgegenstand und Prüfungsumfang:

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde ausdrücklich nur der Spruchpunkt IV. des im Spruch angeführten Bescheides betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes angefochten. Die übrigen unangefochten gebliebenen Spruchpunkte sind somit in Rechtskraft erwachsen.

Gemäß § 27 VwGVG beschränkt sich die Prüfung der vorliegenden Beschwerde somit auf den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides.

3.2. Zum Einreiseverbot:

Die belangte Behörde hat das gegenständliche und auf die Dauer von drei Jahren befristete Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen nur damit begründet, dass der BF den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte, was wiederum das Vorliegen einer Gefährdung für die Öffentlichkeit indiziere. Der BF habe sich fast sieben Monate im Schengener-Gebiet aufgehalten und somit die visumfreie Zeit überschritten. Er habe auch überhaupt keine Barmittel, um sich auf längere Sicht ein Leben in Österreich finanzieren zu können. Er habe auch keine Ersparnisse und sei nicht im Besitz einer Bankomat- oder Kreditkarte. Der BF dürfe auch in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgehen, um auf legale Art und Weise an Geld zu kommen. Seine Ex-Lebensgefährtin sei nicht mehr an einer Beziehung mit dem BF interessiert und somit auch nicht mehr bereit, seinen Unterhalt zu finanzieren bzw. ihn in ihrer Wohnung leben zu lassen. Die Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose habe ergeben, dass der BF aufgrund der konkreten Feststellungen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist nach der Ziffer 6 insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Begründung des angeordneten Einreiseverbots fast ausschließlich auf rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur und auf modulhaft gehaltene Formulierungen beschränkt hat, aber fallbezogene Erwägungen zur Frage, inwieweit die öffentliche Ordnung tatsächlich konkret gefährdet wäre, nicht getroffen hat. Die belangte Behörde führte lediglich an, dass das Erfüllen des Tatbestandes des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG das Vorliegen einer "Gefährdung für die Öffentlichkeit" indiziere, und beschränkte sich dabei im Wesentlichen auf die Feststellung, dass der BF überhaupt keine Barmittel und auch keine Ersparnisse habe, um sich auf längere Sicht ein Leben in Österreich finanzieren zu können.

Für die Erlassung eines Einreiseverbots nur wegen Mittellosigkeit ist jedoch erforderlich, dass diese festgestellte Mittellosigkeit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung in Österreich darstellt, wobei jedenfalls eine auf das konkrete Verhalten des Fremden abstellende Gefährdungsprognose anzustellen ist.

Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) "Schwere des Fehlverhaltens" des BF anzunehmen gewesen wäre. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des "Gesamtverhaltens" des BF zugrunde gelegen wären, wurden nicht hinreichend dargelegt. Konkrete Umstände, die für die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den BF auch nach einer Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet - und jedenfalls während der festgelegten Dauer des Einreiseverbots - sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Auch konkrete Umstände dahingehend, weshalb dennoch davon auszugehen wäre, dass eine neuerliche Rückkehr nach Österreich bzw. in den Schengen-Raum - etwa während der Dauer eines unionsrechtlich erlaubten visumfreien Aufenthalts - eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstellen würde, zeigte die belangte Behörde jedoch nicht auf.

Insoweit die belangte Behörde auch zum Schluss kam, dass der BF "aufgrund der konkreten Feststellungen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstelle, ist entgegenzuhalten, dass der Begründung des Bescheides gar keine solchen "konkreten Feststellungen" zu entnehmen sind, welche die Annahme - auch nur ansatzweise - begründen würden, dass vom BF neben einer Gefahr für die öffentliche Ordnung auch eine solche für die "öffentliche Sicherheit" ausginge.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellt der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-Richtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebieten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist (VwGH 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237; 16.11.2012, Zl. 2012/21/0080).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde nicht hinreichend begründet, weshalb in Gesamtbetrachtung aller Umstände jedenfalls nicht von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden könne. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt auch jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden, und die letztlich für die Festlegung der Dauer ausschlaggebend waren.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie hinsichtlich der Erlassung eines Einreiseverbotes die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Da sich das Einreiseverbot als rechtswidrig erweist, war in Stattgebung der Beschwerde Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 iVm. § 27 VwGVG aufzuheben (Spruchpunkt A.).

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2228915.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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