RS Vfgh 2020/2/25 E3414/2019

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2, §17a

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; mangelhafte Auseinandersetzung mit den Folgen der Religionszugehörigkeit und den Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankungen in den Gebieten der innerstaatlichen Fluchtalternative

Rechtssatz

Die Religionsgemeinschaft der Sikh ist laut den vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) getroffenen Länderfeststellungen in Afghanistan gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt sei der Hauptgrund, weshalb sich Sikhs gezwungen sehen, Afghanistan zu verlassen. Laut UNHCR seien jene, die zurückblieben, umso gefährdeter, von der Polizei oder extremistischen Gruppen misshandelt zu werden. Vor diesem Hintergrund weist das BVwG lediglich hinsichtlich der innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul darauf hin, dass der Beschwerdeführer auf Unterstützung durch Angehörige in Kabul zurückgreifen könne; hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif fehlt eine diesbezügliche Auseinandersetzung.

Das BVwG verabsäumt darzulegen, in welchem dieser Gebiete eine Neuansiedlung für den Beschwerdeführer sowohl unter Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit als auch der Erkrankungen (posttraumatische Belastungsstörung, psychogene Anfälle, generalisierte Angststörung und Epilepsie) zumutbar ist: Bei der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Für den VfGH ist vor dem Hintergrund der festgestellten Vulnerabilität des Beschwerdeführers daher nicht nachvollziehbar, welche innerstaatliche Fluchtalternative konkret - aus Sicht des BVwG - für den Beschwerdeführer zumutbar sein soll.

Der Antrag wurde zu einer Zeit eingebracht, in der sämtliche für die Einleitung des vorliegenden Verfahrens notwendigen Verfahrensschritte, die von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden müssen, bereits gesetzt waren und auch die Eingabengebühr gemäß §17a VfGG entrichtet war. Eine Befreiung von der Entrichtung dieser Gebühr kann nach der Rsp des VfGH nicht mehr nachträglich, also nach Entstehen der Gebührenschuld, beantragt werden. Gleiches gilt für die mit der Einbringung verbundenen Kosten für die (frei gewählte) anwaltliche Vertretung, die ebenfalls (deutlich) vor dem Tag der Beantragung der Bewilligung der Verfahrenshilfe entstanden sind. Für die Vertretung im weiteren Verfahren vor dem VfGH - insbesondere für eine allfällige mündliche Verhandlung - besteht kein absoluter, sondern lediglich relativer Anwaltszwang.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Anwaltszwang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3414.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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