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82/03 Ärzte, sonstiges SanitätspersonalNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten betreffend die Zurückweisung einer Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht mangels Rechtsgrundlage für seine ZuständigkeitSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Beschluss nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Beschluss in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Bescheid der Österreichischen Ärztekammer wurden die mit Bescheid vom 17. Februar 1995 erteilte Anerkennung der beschwerdeführenden Partei als Ausbildungsstätte für die Ausbildung zum Facharzt für das Sonderfach "Plastische Chirurgie" mit einer Ausbildungsstelle sowie die mit Bescheid vom 23. Jänner 2017 einem näher bezeichneten Department der beschwerdeführenden Partei erteilte Anerkennung für die Sonderfach-Grundausbildung und Sonderfach-Schwerpunktausbildung im Fach "Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie" zurückgenommen. In einem wurde das näher bezeichnete Department der beschwerdeführenden Partei aus dem Ausbildungsstättenverzeichnis gestrichen sowie nach §1 der Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 – übertragener Wirkungsbereich eine Bearbeitungsgebühr auferlegt.
2. Dagegen richtet sich die – entsprechend der Rechtsmittelbelehrung – an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete Beschwerde vom 14. August 2018.
3. Mit Beschluss vom 2. November 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mangels Zuständigkeit zurück. Begründend führt es im Wesentlichen zusammengefasst aus, im konkreten Fall liege eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung vor, die in die Zuständigkeit des örtlich zuständigen Landesverwaltungsgerichtes falle. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.
4. Gegen diesen Beschluss erhob die beschwerdeführende Partei gestützt auf Art144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie mit näheren Ausführungen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie den Ersatz der Prozesskosten durch die "Beschwerdegegner" und – im Falle der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde – die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.
5. Das Bundesverwaltungsgericht nahm von der eingeräumten Möglichkeit, eine Gegenschrift zu erstatten Abstand und legte den verwaltungsgerichtlichen Akt vor. Die Österreichische Ärztekammer legte den verwaltungsbehördlichen Akt vor.
6. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 11. Juni 2019 beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §10 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBl I 25/2017, des §13b Z2 sowie des §117c Abs1 Z1 und Abs2 Z1 leg.cit. idF BGBl I 82/2014 und die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich (Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 – übertragener Wirkungsbereich) idF der 1. Novelle, Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr 1/2017, veröffentlicht am 28. Juni 2017 auf der Website der Österreichischen Ärztekammer (www.aerztekammer.at), samt Anhang von Amts wegen zu prüfen.
7. Mit Erkenntnis vom 5. März 2020 zu G157/2019 und V54/2019 hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "von der Österreichischen Ärztekammer" im ersten Satz sowie die Wortfolge "der Österreichischen Ärztekammer" im letzten Satz des §10 Abs8 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 25/2017, die Wort- und Zeichenfolge "und 10" in §13b Z2 und die Zeichenfolge "10," in §117c Abs1 Z1 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 82/2014 als verfassungswidrig aufgehoben sowie festgestellt, dass die Zeichenfolge "10," in §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 82/2014 verfassungswidrig und die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich (Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 – übertragener Wirkungsbereich) idF der 1. Novelle, Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr 1/2017, veröffentlicht am 28. Juni 2017 auf der Website der Österreichischen Ärztekammer (www.aerztekammer.at) im Hinblick auf die Zeichenfolge "10," in §1, die Zeichenfolge ", 10" in §4 und der Anhang der Verordnung im Hinblick auf die Zeichenfolge "§10 und" in Punkt 3. gesetzwidrig waren.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet:
2. Gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz sowie Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG sind vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzes- bzw Verordnungsbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden; es ist daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
3. Nach Lage des vorliegenden Falles ist es von vornherein ausgeschlossen, dass durch die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen eine für eine positive Erledigung der an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Beschwerde der beschwerdeführenden Partei erforderliche Rechtsgrundlage im ÄrzteG 1998 bestünde. Vor dem Hintergrund der Rechtslage nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 2020 zu G157/2019 und V54/2019 ist es eindeutig, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Recht seine Zuständigkeit verneint und die Beschwerde zurückgewiesen hat.
4. Eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG durch den angefochtenen Beschluss scheidet hier aus. Eine im Ergebnis zu Recht erfolgte Zurückweisung führt nämlich nicht dazu, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlichen Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG verletzt wäre (vgl VfSlg 17.367/2004; VfGH 12.12.2018, E416/2018).
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.
6. Ob der angefochtenen Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht rechtsrichtige Anwendung einschlägiger Gesetzes- bzw Verordnungsbestimmungen zugrunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.
7. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
III. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG hat sohin nicht stattgefunden.
2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
3. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
4. Der beschwerdeführenden Partei waren die beantragten Prozesskosten nicht zuzusprechen. Das amtswegige, zur Aufhebung von Bestimmungen des ÄrzteG 1998 sowie der Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 – übertragener Wirkungsbereich samt Anhang führende Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren ist nämlich von der beschwerdeführenden Partei nicht angeregt worden (vgl VfSlg 12.188/1991).
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
6. Dem Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist (VfSlg 19.957/2015; vgl §27 erster Satz VfGG).
Schlagworte
VfGH / Anlassfall, Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungsgericht ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E4643.2018Zuletzt aktualisiert am
13.05.2020