TE Vwgh Beschluss 1998/4/15 97/02/0361

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Veröffentlicht am 15.04.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über den Antrag des S in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Oktober 1996, Zl. UVS-03/P/25/05321/95, betreffend Übertretung der StVO, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird abgewiesen.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom 27. Juni 1997 wurde das Verfahren betreffend die zur hg. Zl. 97/02/0174 protokollierte Beschwerde eingestellt, weil der Beschwerdeführer dem Auftrag, eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für die Wiener Landesregierung beizubringen, insoweit nicht nachgekommen sei, als im Hinblick auf § 24 Abs. 1 zweiter Satz iVm Abs. 2 erster Satz VwGG die vorgelegte dritte Ausfertigung der Beschwerde keine Unterschrift eines Rechtsanwalts aufgewiesen habe.

Im vorliegenden Antrag wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages begehrt und gleichzeitig eine weitere (nunmehr anwaltlich gefertigte) Ausfertigung der zur hg. Zl. 97/02/0174 protokollierten Beschwerde vorgelegt.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag damit, daß das Fehlen der anwaltlichen Unterschrift auf der nachzubringenden Beschwerdeausfertigung auf das Mißgeschick zurückzuführen sei, daß mit dem Verbesserungsauftrag sämtliche Beschwerdeausfertigungen an die Verfahrenshelferin zurückgelangt seien. Bei der Verfahrenshelferin sei zu diesem Zeitpunkt eine neue, erst seit wenigen Wochen angestellte Sekretärin tätig gewesen, die über keinerlei Erfahrung im Zusammenhalt mit der Erfüllung von Verbesserungsaufträgen verfügt habe. Diese äußerst gewissenhafte Sekretärin der Verfahrenshelferin sei von ihr angewiesen worden, die im Akt befindliche unterschriebene Kopie der von der Verfahrenshelferin unterschriebenen Beschwerde der Mängelbehebung hinzuzufügen und nunmehr insgesamt das Original der Beschwerde sowie zwei Kopien des Originals zu kuvertieren. In den Akt hätte ein neuer Ausdruck der Beschwerde gelegt werden sollen. Eine Kopie der bereits gehefteten Ausfertigungen habe deshalb nicht in den Akt gelegt werden sollen, weil erfahrungsgemäß beim Kopieren die Ausfertigungen in Mitleidenschaft gezogen würden. Gleichzeitig sei der stellvertretende Kanzleileiter, der seit März 1987 die ihm übertragenen Aufgaben zuverläßlich und fehlerfrei erfüllt habe, angewiesen worden zu überprüfen, ob sich im fraglichen Kuvert tatsächlich drei Beschwerdeausfertigungen (unterschriebenes Original und zwei Kopien des unterschriebenen Originals) befänden. Diese Vorsichtsmaßnahme sei wegen der fehlenden Routine des neu besetzten Sekretariats getroffen worden. Beim Abpacken der Post sei der Sekretärin dann offensichtlich die für den Akt vorgesehene nicht unterschriebene neu ausgedruckte Ausfertigung "in das Briefkuvert gerutscht". Der stellvertretende Kanzleileiter, der einen anstrengenden Tag hinter sich gehabt habe und von den Nachwirkungen einer Sommergrippe geschwächt gewesen sei, habe bei der ihm aufgetragenen Kontrolle des Inhaltes des Kuverts die erste Seite des Mängelbehebungsschriftsatzes mit dem der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde verwechselt, weshalb er davon ausgegangen sei, daß sich genügend unterschriebene Ausfertigungen im Kuvert befänden. Die Richtigkeit dieser Angaben wurden von den Kanzleiangestellten mit einer eidesstättigen Erklärung bekräftigt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einer Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. die Judikaturhinweise in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 656 ff, insbesondere S. 658, sowie den hg. Beschluß vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0004).

Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt hat die Verfahrenshelferin im vorliegenden Fall für die rechtzeitige Fertigstellung des ergänzenden Schriftsatzes gesorgt und sodann weitere Anweisungen über die Aktenbehandlung und die dem Ergänzungsschriftsatz anzuschließenden Beilagen getroffen. Sie hat den genannten Schriftsatz einer unerfahrenen Kanzleikraft weitergereicht mit den Aufträgen, die im (Hand)-Akt befindliche unterschriebene Kopie des Beschwerdeschriftsatzes dem Mängelbehebungsschriftsatz hinzuzufügen und in der Folge "insgesamt das Original der Beschwerde sowie zwei Kopien des Originals" zu kuvertieren. Ferner hätte in den Akt (anstelle der dort befindlichen unterschriebenen Kopie des Beschwerdeschriftsatzes) ein neuer Ausdruck der Beschwerde gelegt werden sollen. Schon aus diesem Vorbringen folgt, daß die Verfahrenshelferin nicht nur die technischen Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken (und deren Kontrolle) den Kanzleikräften überlassen, sondern vielmehr die vollständige Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages durch Anschluß von Beilagen in Auftrag gegeben hat, ohne sich in der Folge von der ordnungsgemäßen Durchführung dieser Aufträge selbst zu überzeugen.

Der Vertreterin ist daher hinsichtlich der Behebung der der Beschwerde anhaftenden Mängel ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden anzulasten, wobei an dieser Beurteilung auch der an den verläßlichen und erfahrenen Kanzleileiter erteilte Überwachungsauftrag, der sich seinem Wesen nach lediglich auf den Abfertigungsvorgang beziehen konnte, nichts zu ändern vermag. Da das Verschulden des Parteienvertreters die Partei selbst trifft (vgl. den hg. Beschluß vom 12. März 1991, Zl. 91/07/0015), mußte dem Wiedereinsetzungsantrag im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG der Erfolg versagt bleiben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020361.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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