Entscheidungsdatum
06.04.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §45 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schattauer über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, C.-gasse, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 19.02.2020, Zahl VStV/..., wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 2 StVO,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem Straferkenntnis vom 19.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer wie folgt zur Last gelegt:
„1. Datum/Zeit: 25.09.2018, 09:45 Uhr
Ort: Wien, D.-straße, Richtung stadteinwärts/Kreuzung E.-gasse
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)
Sie haben einem Fußgänger, welcher sich auf einem Schutzweg befunden hat, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht und diesen gefährdet, da Sie diesem den Weg ab Schutzweg „abschnitten“.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 200,00 3 Tage 11 Stunden § 99 Abs. 2c Ziffer 1 StVO
Ferner haben sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:
€ 20,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 220,00.“
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 24.02.2010 weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass das betreffende Verfahren eingestellt worden sei. Nach Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages wurde die Beschwerde um das Begehren, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ergänzt.
Das Verwaltungsgericht Wien sieht folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Beschwerdeführer wurde am 25.09.2018 wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung zur Anzeige gebracht. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde an den Beschwerdeführer nachstehendes Schreiben adressiert:
„Mitteilung über die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens
Die LPD W PK ... teilt mit, dass von der Einleitung bzw. Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens
1. Vorfall vom 25.09.2018 um 09:45 Uhr in Wien, D.-straße, Richtung stadteinwäts/Kreuzung E.-gasse, Übertretung gem. § 9 Abs. 2 StVO
abgesehen und gemäß § 45 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG die Einstellung verfügt wurde.“
Diese Mitteilung beinhaltet die Namensangabe des zuständigen Referenten und ist amtssigniert.
In weiterer Folge wurde das nunmehr mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis erlassen. Nach Einlangen der Beschwerde wurde seitens der belangten Behörde in einer internen Aktendokumentation festgehalten:
„24.02.2020 15:05 Angemerkt wird, dass der Beschuldigte am 24.02.2020 Ref. anrief und mitteilte, dass er seitens hs. Behörde schon eine Einstellung erhalten habe.
Hierzu nimmt Ref. Stellung und gibt an, dass beim „Einstellen“ aus Unachtsamkeit „Genehmigung erforderlich“ nicht angeklickt wurde und trotz Zurückweisung des Stadthauptmannes die Einstellung per Kuvert verschickt wurde!“
Eine Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens gem. § 52 VStG ist nicht erfolgt.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des unbedenklich erscheinenden behördlichen Verwaltungsaktes, in den Einsicht genommen wurde sowie dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.
Maßgebliches Recht:
Die Bestimmung des § 45 VStG lautet:
§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
(2) Wird die Einstellung verfügt, so genügt ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, daß einer Partei gegen die Einstellung Beschwerde beim Verwaltungsgericht zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wußte.
Rechtliche Erwägung:
Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde vor Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses eine Mitteilung über die Einstellung des zum gegenständlichen Vorfall geführten Verwaltungsstrafverfahrens gem. § 45 Abs 1 VStG zugestellt wurde. Aus der behördeninternen Dokumentation ergibt sich, dass das betreffende Schreiben seitens des zuständigen Referenten trotz entgegenstehender Weisung des Dienstvorgesetzten aus Unachtsamkeit an den Beschwerdeführer versandt wurde. Dass dem betreffenden Referenten eine Approbationsbefugnis zur Gänze gefehlt habe, wird seitens der belangten Behörde nicht behauptet und ist dazu auch nichts aktenkundig. Die Behörde muss sich daher das betreffende Schriftstück zurechnen lassen (vgl. dazu VwGH v. 28.10.1998, 97/03/0010).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu einem gleichgelagerten Fall im Erkenntnis vom 15.09.1992, Zl. 92/05/0079, ausgesprochen, dass das den Gegenstand des betreffenden Straferkenntnisses bildende Verwaltungsstrafverfahren, welches dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, mit einer der Vorschrift des § 45 Abs. 2 VStG in formeller Hinsicht entsprechenden Verfügung eingestellt worden ist, zumal dem Schreiben, mit welchem dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden ist, dass das Strafverfahren gegen ihn eingestellt wurde, Bescheidcharakter zukommt. Aus dieser Einstellung des Verfahrens erwuchs daher die Rechtswirkung, dass von der Durchführung des Strafverfahrens in der Folge hätte abgesehen werden müssen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Sinne des § 52 VStG innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 leg. cit. die Wiederaufnahme dieses durch Einstellung abgeschlossenen Strafverfahrens verfügt worden ist. Da die Einstellung des Strafverfahrens schon vor Erlassung des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgt ist, hätte der Beschwerdeführer nicht mehr durch dieses Straferkenntnis einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und bestraft werden dürfen.
Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird bemerkt, dass seitens des Verwaltungsgerichts Wien auch bei einer Entscheidung in der Sache selbst zugunsten des Beschwerdeführers zu erkennen gewesen wäre, da dem Spruch des Straferkenntnisses ein – im Beschwerdeverfahren nicht sanierbarer – Spruchmangel iSd § 44a VStG anhaftet, insoweit tatbildlich nach § 99 Abs 2c Z 1 StVO nur handelt, wer Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen gefährdet. Dazu trifft das Straferkenntnis aber keine Feststellungen und wurde auch verabsäumt, dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal zum Gegenstand der Tatanlastung zu machen.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist.
Schlagworte
Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens; Mitteilung; Behörde; Weisung; Approbationsbefugnis; ZurechnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.059.3678.2020Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020