Entscheidungsdatum
24.02.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §45 Abs1 Z4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb XX.XX.XXXX, Adresse 1, Z, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei BB, Adresse 2, Y, vom 02.01.2020, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 09.12.2019, *****, betreffend eine Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im bekämpften Straferkenntnis wird AA folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über ihn verhängt:
„Die CC KG ist aufgrund mehrerer Bescheide der Bezirkshauptmannschaft X zum Betrieb eines Gastgewerbebetriebes im Standort Z, Adresse 3 berechtigt.
Herr AA, geb. am XX.XX.XXXX, wh. in Z, Adresse 1, hat es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit strafrechtlich Verantwortlicher der „CC KG“ zu verantworten, dass die genannte genehmigte Betriebsanlage zumindest seit 09.08.2019 (Kontrolle Pi W) ohne die erforderliche Genehmigung geändert bzw. nach der Änderung betrieben worden ist, indem am 11.08.2019, am 14.08.2019, sowie am 16.08.2019 - 24.08.2019 Livemusik dargeboten wurde, obwohl laut Genehmigungsbescheid keine regelmäßigen Livemusikveranstaltungen genehmigt wurden und nicht um gewerbebehördliche Genehmigung dieser Änderung, unter Beilage von Projektsunterlagen in 4-facher Ausfertigung bei der Bezirkshauptmannschaft X angesucht wurde. Dies stellt eine wesentliche Änderung der genehmigten Betriebsanlage dar. Durch diese Änderung ist eine Beeinträchtigung der Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 gegeben, da nicht davon ausgeschlossen werden kann, dass Nachbarn unzumutbar durch Lärm belästigt werden.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 366 Abs. 1 Ziffer 3 GewO 1994 iVm § 81 GewO 1994 iVm § 74 Abs. 2 GewO 1994 iVm § 370 Abs. 1 GewO 1994; StF: BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 112/2018
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe (€):
700,00
Gemäß:
§ 366 Abs. 1 Ziffer 3 GewO 1994 iVm § 81 GewO 1994 iVm § 74 Abs. 2 GewO 1994 iVm § 370 Abs. 1 GewO 1994; StF: BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 112/2018
Ersatzfreiheitsstrafe:
65 Stunden
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 70,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 770,00“
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher der Beschuldigte durch seine Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass die Musikdarbietung von lebender Musik im Genehmigungsbescheid mit „fallweise“ festgelegt sei. Dieser Begriff sei sowohl auf die Gesamtbetriebszeiten eines Betriebstages als auch auf das Gesamtbetriebsjahr hin zu bewerten. Musikdarbietung würde jeweils abends nach dem Abendessen bis höchstens 22.00 Uhr stattfinden und nur bei geeignetem trockenen und warmen Wetter. Schon allein daraus ergebe sich eine Beschränkung auf wenige Tage, was keine Regelmäßigkeit bedeute. Bei geeignetem Wetter könne die Musikdarbietung „fallweise“ auch an mehreren Tagen hintereinander stattfinden. Aus dem Polizeibericht könne nicht abgeleitet werden, ob überhaupt störender oder gar gesundheitsgefährdender Lärm zur Diskussion stünde. Ein Beobachtungszeitraum von 17 Tagen in der Sommerhochsaison müsste der gesamten Sommersaison gegenübergestellt werden. In der Betriebsanlage seien bereits seit Vorliegen des ursprünglichen Genehmigungsbescheides vom Jänner 1995 Musikdarbietungen in dieser Form abgehalten worden und sei es bislang weder zu Beschwerden von Nachbarn bzw einem behördlichen Einschreiten gekommen. Die Musikdarbietungen seien zuletzt weder vermehrt noch in lauterem Ausmaß durchgeführt worden. Die Anrainer seien in der Zwischenzeit auch dieselben geblieben. Im Hinblick auf die seit 25 Jahren durchgeführten unbeanstandeten und gleichbleibenden Musikdarbietungen innerhalb der Betriebsanlage könne dem Beschuldigten kein wie immer geartetes Verschulden vorgeworfen werden. Es werbe Bescheidbehebung und Verfahrenseinstellung beantragt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht führte der Beschuldigte dazu ergänzend aus:
„Der Verhandlungsleiter zeigt mir die von ihm angefertigten Orthofotos betreffend die Betriebsanlage Adresse 1. Ich zeige ihm die Terrasse, auf welcher gegenständliche Lebendmusik gespielt wird; diese befindet sich auf der Nordseite des Gebäudes hin zur Landesstraße und zwar an der nordöstlichen Grundgrenze zu Objekt Adresse 4 steht ein Pavillon, der zur östlichen und nördlichen Seite hin mit Glaswänden abgegrenzt ist. Der Gastgarten verläuft auch auf der östlichen Seite noch nach Süden, etwa dort, wo sich auf dem Orthofoto der Schatten befindet. Der Gastgarten verläuft nach Süden bis zu der Stelle, an welcher das Dach des Quertraktes beginnt. Dort befindet sich ein Holzverbau mit Fenstern und einer Tür, um den Gastgarten weiter nach Süden hin abzugrenzen.
Wenn ich gefragt werde, was ich unter der Darbietung von elektronischer Musik verstehe, wie es im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 31.01.1995 auf Seite 6 oben angeführt ist, erläutere ich diesbezüglich, dass es sich um einen alten Betrieb handelt, der aufgrund alter Konzessionsbescheide geführt wurde. Mitte der 90iger Jahre erklärte der damalige Gewerbereferent Herr DD meinem Vater, der damals den Betrieb führte, dass dieser Betrieb einer Betriebsanlagengenehmigung bedürfte, damit die Bewilligung am aktuellen Stand ist. Die Formulierung „elektronische Musik“ stammt nicht von mir, sondern vom damaligen Verfahrensleiter. Gemeint war es so, dass keine Außenlautsprecher angebracht werden. Lebende Musik wurde auf dieser Terrasse auch schon vor dem Jahr 1995 gespielt, und das sicher nicht in geringerem Ausmaß als danach.
Wenn mich der Verhandlungsleiter auf die Betriebsbeschreibung des Bescheides vom 23.11.2004, Seite 3 oben, anspricht, wo ausgeführt ist, dass der Terrassenbereich ebenfalls in Form von Untermalungsmusik beschallt wird, diese jedoch mit längstens 22.00 Uhr begrenzt ist, erkläre ich, dass es sich dabei um eine andere Terrasse handelt, und zwar jene auf der Südseite des Gebäudes, welche für die hausinternen Gäste bestimmt ist und wo bei entsprechender Witterung die Hausgäste frühstücken. Bezüglich dieser Untermalungsmusik hat es seitens des Nachbarn EE nie Beschwerden gegeben.
Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, wie ich den Begriff fallweise (Projekt) verstehe, führe ich aus, dass auch dieser Begriff vom Gewerbereferenten Herrn DD stammt und nicht von mir. Er hat damals mit diesem Begriff den Betrieb umschrieben. Wir spielen auf dieser Terrasse auf der Nordseite nur in den Sommermonaten bei warmem Wetter und wenn die Witterung entsprechend ist. Die Musikdarbietung mit lebender Musik findet in der Regel zwischen dem Abendessen und 22.00 Uhr statt. Auf der nordseitigen Terrasse sind weiterhin keine Lautsprecher montiert. In der Sommersaison habe ich monatsweise Musiker engagiert, die entweder in der Hotelbar oder bei entsprechenden Wetter auf der nördlichen Terrasse spielen. Es kann sich dabei um einen Alleinunterhalter handeln oder auch um eine Band. Diese Musiker werden jeweils monatsweise von mir engagiert. Mit den Musikern ist entweder eine fünf- oder sechs Tagewoche vereinbart, sie spielen dann eben entweder innerhalb des Gebäudes oder auf der Terrasse. Dies ist vom Wetter abhängig. Grundsätzlich hängt es also vom Wetter ab, ob die Musiker im Gebäude oder auf der Terrasse spielen, es könnte aber schon auch sein, dass es sich um eine Gesellschaft handelt, die im Gebäude an der Bar lebende Musik haben möchte, dann wird auch bei Schönwetter innen gespielt. Die Musiker spielen sowohl innen als auch außen mit einer Verstärkeranlage. Ich habe die Musiker angewiesen, schon im Interesse meiner eigenen Hausgäste nur mit verträglicher Lautstärke zu spielen. Es gibt bei dieser Verstärkeranlage keinen Pegelbegrenzer; wenn ich bei den unterschiedlichen Musikern jedoch das Gefühl habe, dass die Stimmung zu sehr steigt und die Lautstärke zu groß ist, dann fordere ich den Musiker auf, den Lautsprecher zurückzudrehen.
Es wurde im Sommer 2019 nicht häufiger auf der nördlichen Terrasse lebende Musik gespielt als in früheren Sommern, ebenso hat sich an der Lautstärke im Vergleich zu den Vorsaisonen nichts geändert. Vor dem Sommer 2019 gab es wegen der lebenden Musik keinerlei behördliche Beanstandungen, mir sind auch keine Nachbarbeschwerden bekannt; eher gab es hie und da Beschwerden von eigenen Hotelgästen, die direkt über der Terrasse ihre Zimmer haben und um geringere Lautstärke ersucht haben.
Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, ob ich nicht auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft X vom 25.07.2019 reagiert habe, da im August eben die tatgegenständlichen Darbietungen registriert wurden, führe ich an, dass ich sehr wohl auf dieses Schreiben hin mit Herrn JJ von der Bezirkshauptmannschaft X telefoniert hatte. Ich hatte mit ihm telefoniert, da sich Frau KK damals gerade im Krankenstand befand. Herr JJ und ich kamen überein, dass bezüglich der lebenden Musik eine rechtliche Sanierung im Sinn einer Betriebsanlagenänderungsgenehmigung angestrebt wird. Ich habe daraufhin das Ziviltechnikerbüro LL damit beauftragt, ein Projekt auszuarbeiten, weil dafür auch die Einholung eines schalltechnischen Gutachtens Voraussetzung war. Die Ausarbeitung dieses Konzeptes benötigte einige Zeit und nach dessen Vorliegen haben wir dieses Konzept bei der Bezirkshauptmannschaft X eingereicht. Im Jänner dieses Jahres fand die mündliche Verhandlung statt, der positive Gutachten zu Grunde gelegen sind. Eine behördliche Entscheidung seitens der Bezirkshauptmannschaft X gibt es über dieses Ansuchen noch nicht.
Die Live-Musikdarbietungen waren sowohl vor 1995 als auch im Zeitraum zwischen 1995 und 2019 unverändert. Das Hotel ist grundsätzlich ein Jahresbetrieb. Der Terrassenbetrieb findet natürlich nur in der warmen Jahreszeit statt. Im neuen zur Bewilligung eingereichten Projekt ist es so, dass auch für den Winter die Möglichkeit eines Terrassenbetriebes vorgesehen ist, die Lebendmusik muss dann allerdings als Veranstaltung bei der Gemeinde angemeldet werden.
Wenn sich Hausgäste beschwert haben, waren es vielleicht solche, die Kinder dabeihatten, dann habe ich sie beschwichtigt und sie darauf hingewiesen, dass die Musik ohnehin gleich einmal aus sein wird. Wenn ich aber doch das Gefühl hatte, dass die Musik tatsächlich zu laut war, dann habe ich den Musiker angewiesen, den Lautsprecher zurückzudrehen. Die Reduktion der Terrassenplätze auf 120 fand bereits im Jahr 2001 statt. Die Betriebsanlagenänderung habe ich deswegen beantragt, um die rechtliche Unsicherheit des Begriffes „fallweise“ aus der Welt zu schaffen. EE hat wegen dieser lebenden Musik auch eine zivilrechtliche Unterlassungsklage gegen mich eingereicht und so versuche ich, durch die verwaltungsbehördliche Regelung die Sache zu klären. Bis zum vergangenen Jahr hatte ich mit Herrn EE überhaupt keine Probleme und lebten wir in bester Nachbarschaft, was ihn nun dazu veranlasst hat, weiß ich selbst nicht. Die lebende Musik ist im Vergleich zur relativ stark befahrenen FF Landesstraße von untergeordneter Bedeutung, dies hat auch das lärmtechnische Gutachten in diesem Verfahren ergeben.“
II. Sachverhalt:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 31.01.1995, Zl *****, wurde CC die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Gastgewerbebetriebes Hotel „GG“ in Adresse 5 erteilt.
Das dieser Bewilligung zugrundeliegende Projekt enthält unter anderem folgende Beschreibung:
„Gastgarten:
Vor dem Haupteingang des Hotel „GG“ liegt der Gastgarten (nördlich des Gebäudes) an der FF Landesstraße. Auf der Terrasse wird keine elektronische Musik dargeboten, sondern fallweise Live-Musik. Somit sind die Voraussetzungen für eine Qualifikation dieses Gastgartens gem § 148 Gewerbeordnung 1994 gegeben.“
Seit dem Jahr 1995 wird auf der Terrasse, die sich auf der Nordseite des Gebäudes hin zur Landesstraße befindet, Lebensmusik gespielt. Die Musikdarbietung findet in einem Pavillon statt, der an der nordöstlichen Grundgrenze zu Objekt Adresse 4 steht. Dieser Pavillon ist zur östlichen und nördlichen Seite hin mit Glaswänden abgegrenzt. Dort wird Lebensmusik nur in den Sommermonaten bei warmem Wetter und passender Witterung gespielt. Diese Darbietungen finden in der Regel zwischen dem Abendessen und 22.00 Uhr statt. Es waren bislang auf der nordseitigen Terrasse keine Lautsprecher montiert. Seitens des Gastwirts werden entweder Alleinunterhalter oder Bands monatsweise engagiert, die entweder innerhalb des Gebäudes oder auf der Terrasse spielen, dies ist im Wesentlichen vom Wetter abhängig. Die Musiker spielen sowohl innen als auch außen mit einer Verstärkeranlage. Diese verfügt über keinen Pegelbegrenzer. Wenn CC das Gefühl hat, dass die Musik zu laut ist, fordert er die Musiker auf, die Lautsprecher zurückzudrehen. Es wurde im Sommer 2019 nicht häufiger oder lauter lebende Musik auf der nördlichen Terrasse gespielt, als in den Sommersaisonen davor. Im Sommer 2019 beschwerte sich der Nachbar EE, Adresse 6, dass die lebende Musik lauter und länger als zuvor gespielt würde. Vor dem Sommer 2019 gab es wegen der lebenden Musik keinerlei behördliche Beanstandungen oder Nachbarbeschwerden.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft X vom 25.07.2019 wurde CC mitgeteilt, dass die Durchführung von täglicher Lebensmusik nicht von der Genehmigung für fallweise Darbietungen derselben umfasst wäre. Er wurde aufgefordert, die Lebensmusikdarbietungen auf der Gästeterrasse einzustellen oder eine gewerbebehördliche Genehmigung dafür zu erwirken.
Nach Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft X überprüfte die Polizeiinspektion W im Zeitraum vom 09. bis 25.08.2019 das Spielen von lebender Musik auf dem nördlichen Gastgarten der Betriebsanlage. Dabei ergab sich, dass am 11., 14. und von 16. bis 24.08.2019 Lebensmusik gespielt wurde.
AA reagierte auf das Behördenschreiben vom 25.07.2019 dahingehend, als er sich mit dem Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft X telefonisch in Verbindung setzte, wobei vereinbart wurde, dass hinsichtlich der lebenden Musik eine rechtliche Sanierung im Sinn einer Betriebsanlagenänderungsgenehmigung angestrebt wird. Der Beschuldigte beauftragte daraufhin ein Ziviltechnikerbüro mit einer Projektausarbeitung. Voraussetzung dafür war die Einholung eines schalltechnischen Gutachtens. Nach Fertigstellung des Projektes wurde dieses bei der Bezirkshauptmannschaft X zur Genehmigung eingereicht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 14.02.2020, *****, wurde der CC KG die beantragte Betriebsanlagenänderungsgenehmigung erteilt, welche auch eine geregelte Musikbeschallung auf der nordseitigen Terrasse von 08.00 Uhr bis 22.00 Uhr enthält. Demnach dürfen nur die fix installierten Lautsprecher, welche mit einem Pegelbegrenzer ausgestattet sind, zur Verwendung kommen.
Die in der Projektbeschreibung des Bescheides vom 31.01.1995 enthaltenen Begriffe „elektronische Musik“ sowie „fallweise Live-Musik“ stammten nicht vom Antragsteller, sondern vom damaligen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft X, Herrn DD.
Nächst und ungünstig gelegener Nachbar zur nördlichen Terrasse ist der Nachbar auf Bp **1 KG W, in einem Abstand von ca 42 m im Norden. Von dessen Seiten kamen nie Beschwerden.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft X und des Landesverwaltungsgerichts Tirol.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers stehen zum Akteninhalt im keinem Widerspruch, auch seine Argumentation, dass die Intensität bzw Lautstärke der Lebendmusikdarbietungen auf der nördlichen Terrasse im Sommer 2019 keine Steigerung gegenüber den Sommersaisonen davor erfahren hat und dass es davor auch keine Nachbarbeschwerden gegeben hat, wurde durch eine Auskunft der Marktgemeinde W bestätigt.
Das Verwaltungsgericht sah somit keinen Grund, an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Verfahren ist folgende Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes von Bedeutung:
§ 45
„(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
…“
V. Erwägungen:
Im gegenständlichen Fall war die Rechtsfrage zu beantworten, wie der Begriff „fallweise“ im Zusammenhang mit der Lebendmusikdarbietung in der Projektbeschreibung des Bescheides vom 31.01.1995 zu verstehen ist. Nach dem „Duden“ ist unter dem Begriff „fallweise“ zu verstehen „von Fall zu Fall erfolgend; gegebenenfalls“. Der Begriff „regelmäßig“ wird umschrieben mit „einer Regel, Ordnung (die besonders durch gleichmäßige Widerkehr, Aufeinanderfolge gekennzeichnet ist) entsprechend“.
Im Gegenstandsfall war es so, dass die aufgrund alter Konzessionsbescheide geführte Betriebsanlage im Jahr 1995 durch die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung rechtlich aktualisiert werden sollte. Dabei wählte der damalige Sachbearbeiter der Behörde die Begriffe „elektronische Musik“ sowie „fallweise“. Beide Begriffe sind dehnbar und wenig präzise. Hinsichtlich der elektronischen Musik war dieser Begriff wohl so gemeint, dass keine Lautsprecher auf der Terrasse montiert werden. Für den Begriff „fallweise“ gibt es keine im juristischen Sinn genau abgrenzbare Beschreibung. Tatsache ist, dass vom 16. bis 24.08.2019 aufgrund einer Schönwetterphase jeden Abend auf der Terrasse Lebendmusik gespielt wurde. In einem Beobachtungszeitraum von 17 Tagen wurde an 11 Abenden Lebendmusik gespielt, davon an neun Abenden hintereinander.
Es stellt sich hier die Frage des Verschuldens, wenn seit Vorliegen der Stammbewilligung aus dem Jahr 1995 Musikdarbietungen in dieser Form abgehalten wurden und es bislang zu keinen Nachbarbeschwerden oder behördlichem Einschreiten kam. Lediglich aufgrund des Schreibens der Bezirkshauptmannschaft X vom 25.07.2019 musste AA bewusst sein, dass die Durchführung von täglicher Lebendmusik seitens der Gewerbebehörde als nicht mit dem Genehmigungsbescheid im Einklang stehend angesehen wird. Er entsprach jedoch der Aufforderung dieses Schreibens, eine gewerberechtliche Genehmigung für Lebensmusikdarbietungen auf der Terrasse zu beantragen. Dies geschah seitens des Anlagenbetreibers zu dem Zweck, den unklaren Begriff „fallweise“ einer rechtlichen Sanierung zuzuführen.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts kann die Auslegung eines dehnbaren und nicht exakten Begriffes in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu Lasten des Beschuldigten erfolgen.
Aus diesem Grund ist das Verschulden des Beschuldigten in diesem Fall nicht mehr als gering.
Der Nachbar EE, Adresse 6, zeigte im Sommer 2019 die Lebendmusikdarbietungen auf der nördlichen Terrasse als lauter unter intensiver als in den Vorsaisonen an und reichte gegen die Anlagenbetreiberin eine Unterlassungsklage beim Bezirksgericht V ein. In den Saisonen davor gab es seitens dieses Nachbars keinerlei Beschwerden, die Intensität und Lautstärke der Musikdarbietungen wurde nicht vergrößert, ebenso wenig kam es zu baulichen Veränderungen. Das Motiv für die Anzeige des EE im Sommer 2019 ist dem Verwaltungsgericht nicht bekannt. Das Objekt Adresse 6 des EE ist nicht ungünstigst gelegener Nachbar in Bezug auf die Musikdarbietungen auf der an der Nordseite der Betriebsanlage gelegenen Terrasse. Das Objekt Adresse 6 liegt in südlicher Richtung zur nördlichen Terrasse des Objektes Adresse 1, dazwischen befinden sich die Objekte Adresse 4 und Adresse 7. Wenn die auf der Nordseite des Marktplatzes gelegenen Nachbarn, welche Sichtverbindung zum Pavillon haben, in dem die Lebendmusik dargeboten wird, keine Lärmbeschwerden geäußert haben, stellt sich die Frage nach der sachlichen Begründung der Beschwerden des EE.
Das Verwaltungsgericht geht deshalb in diesem Fall davon aus, dass die wahrzunehmenden Nachbarinteressen in Bezug auf EE nicht mehr als im geringen Ausmaß berührt werden, was bedeutet, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat gering sind.
Damit sind die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Z 4 VStG gegeben, weshalb diese Gesetzesbestimmung zur Anwendung zu bringen war. Von der Erteilung einer Ermahnung war abzusehen, da im Hinblick auf die Betriebsanlagenänderungsgenehmigung der Bezirkshauptmannschaft X vom 14.02.2020 nicht davon auszugehen ist, dass eine Wiederholungsgefahr besteht.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Absehen von Bestrafung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.0051.5Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020