Entscheidungsdatum
24.07.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W102 2174338-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 05.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2018
I. beschlossen
A) Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 18 BFA-VG zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 20.03.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 21.03.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe als KFZ-Mechaniker auf einem britischen Militärstützpunkt gearbeitet. Sein Bruder sei als Dolmetscher für die britischen Truppen tätig gewesen. Daher werde die Familie von den Taliban verfolgt.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.07.2016 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe zwei Jahre auf einem britischen Militärstützpunkt in Helmland als KFZ-Mechaniker gearbeitet. Die Arbeit habe er über seinen Bruder bekommen, der als Dolmetscher für die Briten gearbeitet habe. Dann sei er gekündigt und nach Kabul gebracht worden. Von dort sei er nach eineinhalb Monaten geflüchtet, weil seine Onkel - Talibananhänger - bereits von seinem Aufenthaltsort erfahren hätten. Der Geheimdienst der Taliban sei stark und könne ihn in ganz Afghanistan finden. Der Vater sei mehrmals in der Moschee bedroht worden, er solle den Beschwerdeführer ausliefern.
Am 17.08.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen unter Verweis auf einige Länderberichte und Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Wesentlichen wiederholt und die Einvernahme seines Bruders als Zeuge beantragte.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.10.2017, zugestellt am 06.10.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer verfüge über ein familiäres Netzwerk im Herkunftsstaat und über eine innerstaatliche Relokationsalternative. Zudem könne er auf die Unterstützung anderer Paschtunen bauen und auf Rückkehrhilfeprogramme zurückgreifen.
3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017 richtet sich die am 19.10.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, das Vorbringen sei glaubhaft, die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft. Die Sicherheitslag ein Afghanistan sei schlecht. Beantragt wurde weiter, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren, sowie einen länderkundlichen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten befasst.
Mit Schreiben vom 05.07.2018 beantragte der Beschwerdeführer eine Überprüfung seiner Fingerabdrücke mit der Datenbank der NATO bzw. den britischen Militärattaché um Überprüfung seiner Identität zu ersuchen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 28.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen seiner Tätigkeit für das britische Militär von den Taliban verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.
Am 13.06.2018 langte eine Stellungnahme und Urkundenvorlage des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 07.05.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 23.05.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein, es wird ausgeführt, die Länderberichte würden das Fluchtvorbringen bestätigen sowie ergeben, dass der Beschwerdeführer auch der Rekrutierung durch die Taliban ausgesetzt sei.
Mit Schreiben vom 04.07.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Unterlagen betreffend den Aufenthalt des Bruders in Großbritannien vorzulegen, woraufhin der Beschwerdeführer am 09.07.2019 ein Schreiben britischer Behörden in Vorlage brachte.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
* Diverse Empfehlungsschreiben
* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse
* Unterlagenkonvolut betreffend die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers und seines Bruders im Herkunftsstaat
* Bestätigung über ehrenamtliche Arbeit des Beschwerdeführers
* Besuchsbestätigungen für Pflichtschulabschlusskurs
* Teilnahmebestätigung für Erste-Hilfe-Kurs
* Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung des Beschwerdeführers vom 22.02.2018
* Lehrvertrag des Beschwerdeführers vom 26.03.2018
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX in XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer hat in der Herkunftsprovinz zwei Jahre die Schule besucht und anschließend den Beruf des KFZ-Mechanikers erlernt, in dem er etwa fünf Jahre, zunächst in der eigenen Werkstatt und dann für etwa zwei Jahre für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet hat. Anschließend arbeitete er zwei Jahre als KFZ-Mechaniker in Helmland auf einem britischen Militärstützpunkt.
Die Eltern des Beschwerdeführers leben noch in Kandahar, ein erwachsener Bruder lebt in Herat, ein weiterer Bruder ist ebenfalls aus Afghanistan ausgereist. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Großbritannien. Zu seinen Angehörigen hat der Beschwerdeführer Kontakt.
Die drei erwachsenen Schwestern des Beschwerdeführers sind verheiratet, zwei leben in Afghanistan und eine in Pakistan.
Vier Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers leben noch in Kandahar.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Bruder des Beschwerdeführers arbeitete auf einem Militärstützpunkt für die britische Armee in Helmland als Dolmetscher und organisierte auch für den Beschwerdeführer einen Arbeitsplatz als KFZ-Mechaniker auf diesem Stützpunkt, wo der Beschwerdeführer sodann etwa zwei Jahre arbeitete. Im Lauf seiner Tätigkeit kehrte der Beschwerdeführer nach den ersten sechs Monaten einmal für einen dreitägigen Urlaub zu seinen Eltern zurück, um diese zu besuchen.
Im Zuge der Reduktion der Präsenz internationaler Truppen in Afghanistan 2014 wurden auch die Stellen des Beschwerdeführers und seines Bruders abgebaut und deren Verträge gekündigt.
Der Bruder des Beschwerdeführers bekam ein auf fünf Jahre befristete Visum für Großbritannien und reiste mit Frau und Kind dorthin aus, wo er seither lebt.
Der Beschwerdeführer wurde von Helmland nach Kabul gebracht und verbrachte dort etwa einen Monat in einer Schulung zur Rückkehrvorbereitung. Er kontaktierte seinen Vater in der Herkunftsprovinz, der ihm riet, auf keinen Fall nachhause zu kommen.
Im Herkunftsdorf des Beschwerdeführers ist bekannt, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder für die NATO-Truppen gearbeitete haben, der Bruder des Beschwerdeführers war auch in der Herkunftsregion im Einsatz. Dabei kam es zu Festnahmen und Todesfällen.
Die Taliban bedrohten den Bruder des Beschwerdeführers telefonisch und den Vater persönlich in der Moschee, er solle seine Söhne ausliefern.
Die vier Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers sind selbst Taliban, haben sich in der Moschee im Dorf für die Vernichtung des Beschwerdeführers und seines Bruders ausgesprochen und die im Dorf verbliebenen Angehörigen aus ihrem Wohnhaus vertrieben.
Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen dem Beschwerdeführer Übergriffe bis hin zur Tötung durch die Taliban, weil er für das britische Militär gearbeitet hat und ihn die Taliban deshalb als politischen Gegner betrachten. Der Beschwerdeführer kann sich durch Umzug innerhalb des Landes Übergriffen der Taliban nicht entziehen.
Schutz vor den Übergriffen durch die Taliban von Seiten der afghanischen Behörden hat der Beschwerdeführer nicht zu erwarten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Lebensumständen und seinem Lebenswandel im Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid bereits von diesen Angaben des Beschwerdeführers aus (angefochtener Bescheid S. 19, AS 311).
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zur Berufstätigkeit des Beschwerdeführers beruht ebenso auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben, wobei zur Tätigkeit für das britische Militär auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verwiesen wird.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen Angaben im Lauf des Verfahrens, wobei der Beschwerdeführer zum Verbleib des Bruders auch Dokumente vorgelegt hat, auf die unter 2.2. noch näher eingegangen werden wird. Dass im Wesentlichen Kontakt zu den Angehörigen besteht, hat der Beschwerdeführer selbst angegeben. So gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.05.2018 an, erst kürzlich mit seinem Bruder telefoniert zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 5) und in der niederschriftlichen Behörde vor der belangten Behörde, dass Kontakt zur Familie insofern bestehe, als der in Großbritannien aufhältige Bruder über einen Freund, der am Flughafen in Kandahar arbeite, Informationen über die Familie erhalten könne (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 75).
Den Aufenthalt seiner vier Onkel väterlicherseits in Kandahar hat der Beschwerdeführer ebenso durchgehend angegeben.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers ergeben sich im Wesentlichen aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie aus den von ihm in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.07.2016 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.05.2018 gemachten Angaben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits in seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.03.2015 zum Fluchtgrund befragt die später im Detail ausgeführten Fluchtgründe in grobem Überblick angegeben hat. Insgesamt schildert der Beschwerdeführer sein Bedrohungsszenario durchgehend, weitgehend stringent und im Kern gleichbleibend, wobei anzumerken ist, dass sich der Beweiswürdigung der belangten Behörde entnehmen lässt, dass auch sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als KFZ-Mechaniker in einem britischen Militärstützpunkt gearbeitet hat. So stellt die belangte Behörde lediglich fest, die Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban aufgrund dieser Tätigkeit sei nicht glaubhaft (angefochtener Bescheid, S. 19, AS 311). Ihre diesbezügliche Beweiswürdigung besteht allerdings im Wesentlichen aus zusammenkopierten, allgemein gehaltenen Textblöcken ohne Begründungswert, die nicht in Bezug zu zwischendurch völlig aus dem Zusammenhang gerissenen zitierten Aussagen des Beschwerdeführers gesetzt werden.
Der von der belangten Behörde attestierten mangelnden Detailreichtum im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ("Detailreiche Angaben wurden von Ihnen bezugnehmend auf Ihre Arbeit nicht vorgebracht."
angefochtener Bescheid, S. 87, AS 379) beschreibt die Erzählung des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.07.2016 nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts inadäquat. So schildert der Beschwerdeführer etwa sehr umfangreich, wie er zu der Anstellung gekommen ist, beschreibt das Bewerbungsgespräch mit einem angemessenen Detailgrad und gibt auf sämtliche Nachfragen plausible, umfassende und nicht ausweichende Antworten (Einvernahmeprotokoll S. 7-8, AS 77-78). Insgesamt lässt sich bei Durchsicht des Einvernahmeprotokolls eine sehr hohe Erzähldichte in den Schilderungen des Beschwerdeführers erkennen. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.05.2018 schilderte der Beschwerdeführer seine Fluchtgeschichte sehr lebendig und in flüssiger, selbstgeleiteter Erzählung, die sich zu einem umfassenden und konsistenten Bild der Gesamtsituation zusammenfügt.
Nach § 18 Abs. 3 AsylG ist bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen, wobei § 15 AsylG Mitwirkungspflichten im Verfahren normiert. Hierzu ist insbesondere auszuführen, dass Verletzungen der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer nicht aktenkundig sind, sondern aus dem Akt viel mehr hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten im Verfahren umfassend nachgekommen ist und etwa zeitgerecht und aus eigener Initiative verfahrensrelevante Dokumente vorgelegt hat. Insbesondere legte der Beschwerdeführer bereits im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.07.2016 Unterlagen betreffend die Dolmetschertätigkeit des Bruders sowie seinen Aufenthaltsstatus in Großbritannien und eigene Zertifikate aus der Tätigkeit für die Briten vor und machte dazu auch stets gleichbleibende Angaben.
Zur mehrmaligen Angabe des Beschwerdeführers, sein Bruder habe in Großbritannien Asyl erhalten, ist auszuführen, dass sich aus den vom Beschwerdeführer zu diesem Themenkreis vorgelegten Unterlagen (Reisepass und Visum, Schreiben UK Visas & Immigration vom 09.07.2019) ergibt, dass der Bruder (seine Frau und sein Kind) ein Visum mit eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren im Rahmen eines "Refugee Resettlement Programme" erhalten hat und zwar nach dem "Afghan Locally Engaged Staff Ex Gratia Scheme", das ehemaligen lokalen Mitarbeitern des britischen Militärs in Afghanistan unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Umsiedelung nach Großbritannien gibt. Insbesondere finden auch Dolmetscher als Zielgruppe gesonderte Erwähnung (https://www.gov.uk/government/publications/afghanistan-locally-employed-staff-ex-gratia-scheme/afghanistan-locally-employed-staff-ex-gratia-scheme-further-information-on-eligibility-criteria-and-offer-details, abgerufen durch das BVwG am 17.07.2019). Demnach hat der Bruder des Beschwerdeführers zwar nicht - wie vom Beschwerdeführer angegeben - den Status des Asylberechtigten erhalten. Vom juristischen Laien - und damit auch vom Beschwerdeführer - ist allerdings nicht zu erwarten, dass er exakt zwischen Asylstatus und einem Aufenthaltstitel im Rahmen eines Resettlement-Programmes zum Schutz ehemaliger lokaler Mitarbeiter unterscheiden kann. Demnach entspricht die Angabe des Beschwerdeführers zum Aufenthaltsstatus des Bruders in Großbritannien im Wesentlichen den Tatsachen, war allerdings aus den ursprünglich vorgelegten Aufenthaltstiteln nicht ersichtlich, sondern wird erst in Zusammenschau mit dem vom Beschwerdeführer auf Aufforderung vorgelegten Schreibens der britischen Einwanderungsbehörde vom 09.07.2019 klar. Insbesondere sind bei eingehender Prüfung der vorgelegten Unterlagen keine inkonsistenten oder widersprüchlichen Details hervorgekommen. Auch die Vorlage des Schreibens der britischen Einwanderungsbehörde erfolgte zügig auf die Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass das Schreiben mit 09.07.2019 datiert und am selben Tag vorgelegt wurde. So ergibt sich das Bild eines gewissenhaften Antragstellers, der beim Bundesverwaltungsgericht auch dadurch einen starken Eindruck persönlicher Glaubwürdigkeit zu erwecken vermag und geht das Bundesverwaltungsgericht in einer Zusammenschau aller Unterlagen, der Angaben des Beschwerdeführers und seines Verhaltens als Verfahrenspartei davon aus, dass der Beschwerdeführer echte Dokumente bzw. Kopien von Originalen vorgelegt hat.
Zur Beendigung der Tätigkeit des Beschwerdeführers und seines Bruders Ende 2014 ist auszuführen, dass von der Übergabe von XXXX Ende Oktober 2014, jenem britischen Militärcamp in Helmland, in dem der Beschwerdeführer und sein Bruder gearbeitet haben, medial berichtet wurde (siehe etwa ORF: NATO-Truppen ziehen aus Südafghanistan ab vom 27.10.2014, https://orf.at/v2/stories/2251328, abgerufen am 17.07.2019 sowie FAZ: Briten und Amerikaner beenden Kampfeinsätze in Afghanistan vom 27.10.2014, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/truppenabzug-briten-und-amerikaner-beenden-kampfeinsaetze-in-afghanistan-13231673.html, abgerufen am 17.07.2019), wobei die vom Beschwerdeführer geschilderte Reisedauer samt Aufenthaltsdauer in Kabul unter Berücksichtigung des Datums der Antragstellung mit diesen Informationen harmonieren. Zum Camp ist zu ergänzen, dass dieses aus den Zertifikaten des Beschwerdeführers klar hervorgeht (Englischkurs, AS 89 und Sicherheitstraining, AS 91), dass der Beschwerdeführer auch durchgehend angegeben hat, in Helmland in einem Camp gearbeitet zu haben und in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.07.2016 protokolliert wurde, der Beschwerdeführer habe für die Briten in Helmland in einer Basis namens " XXXX " gearbeitet (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 76), wobei das Bundesverwaltungsgericht angesichts der großen phonetischen Ähnlichkeit zum tatsächlichen Namen des Camps davon ausgeht, dass das vom Beschwerdeführer genannte Camp einfach phonetisch protokolliert wurde, ohne das der Einvernahmeleiter sich mit der Schreibweise und mit der Frage, welches Camp gemeint ist, auseinandergesetzt hätte.
Zur von der belangten Behörde implizit bemängelten fehlenden Emotion des Beschwerdeführers, wenn sie ausführt, der Asylwerber müsse sein Vorbringen mit Details, Interaktionen (zu diesen beiden Punkten siehe bereits oben) und Emotionen substantiieren (angefochtener Bescheid, S. 88, AS 380), darf am Rande angemerkt werden, dass der Bescheid seiner Unterschrift zufolge nicht von jenem Organwalter stammt, der die Einvernahme geführt hat, weswegen es skurril anmutet, sich auf den persönlichen Eindruck fehlender Emotionen zu berufen. Dass das Bundesverwaltungsgericht einen anderen persönlichen Eindruck gewonnen hat, wurde bereits erläutert.
Auch eine Würdigung vor dem Hintergrund der Länderinformationen - die die belangte Behörde im Übrigen völlig unterlassen hat - deutet auf ein glaubhaftes Fluchtvorbringen hin. Der Beschwerdeführer erfüllt schon allein aufgrund seiner Tätigkeit als KFZ-Mechaniker für das britische Militär ein Risikoprofil der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender [in der Folge UNHCR-Richtlinie] vom 30.08.2018 (siehe Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe d) Zivilisten, die mit den internationalen Streitkräften verbunden sind oder diese vermeintlich unterstützen, S. 49). Hier wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiteten, bedroht und angegriffen haben und gegen diese vorgehen. Regierungsfeindliche Kräfte würden solchen Personen eine bestimmte politische Gesinnung zuschreiben (Buchstabe l) Zusammenfassung, S. 55). Auch die EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2018 (in der Folge EASO-Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 3. Individuals working for foreign military troops or perceived as supporting them, S. 43) stufen mit fremden Truppen zusammenarbeitende Personen als Risikogruppe ein und berichten, die Taliban würden solche Personen als hochprioritäres Angriffsziel betrachten und die lokale Gemeinschaft zwingen, deren Familien zu vertreiben. Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage erscheinen die gegen die in der Herkunftsregion verbliebenen Angehörigen gesetzten Aktivitäten (Vertreibung aus dem Haus, Drohungen und Aufforderungen in der Moschee, etc.) plausibel und wurden entsprechend festgestellt.
Zur beweiswürdigenden Ausführung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei persönlich noch nicht Opfer von konkreten Handlungen der Taliban geworden (angefochtener Bescheid, S. 88, AS 380), ist auszuführen, dass es einerseits Handlungen gegen seine Angehörigen gegeben hat und dass der Beschwerdeführer diesen Umstand andererseits plausibel damit begründet, dass er sich in der Basis aufgehalte habe und dadurch geschützt gewesen sei (Einvernahmeprotokoll S. 9, AS 79). Bedrohungen gegen den Vater habe es allerdings sehr wohl gegeben. Eine Bedrohung des Beschwerdeführers ist damit unter Berücksichtigung der zitierten Länderberichte und des Kenntnisstandes der Taliban um die Tätigkeit des Beschwerdeführers und seines Bruders für das britische Militär erscheint damit - nachdem der Beschwerdeführer infolge des Abzuges des britischen Militärs nicht mehr sicher in einer Militärbasis leben kann - plausibel.
Dass der Bruder des Beschwerdeführers auch bei Einsätzen in Kandahar als Dolmetscher eingesetzt gewesen und dabei gesehen worden ist, erscheint unter Berücksichtigung seines Aufgabenbereiches als Dolmetscher für die Truppen im Feld (siehe dazu auch das vorgelegte Empfehlungsschreiben, AS 116) sowie seiner Aufnahme in das britische Resettlementprogramm (zu dessen Voraussetzungen der Einsatz "on the frontline in Helmland") zählt, plausibel. Aus dem mündlich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.09.2017 zur GZ W107 2160696-1 erstatteten Sachverständigengutachten von Dr. Sarajuddin RASULY ergibt sich, dass insbesondere die Anwesenheit bei Festnahmen und ähnlichem von den Taliban als ihnen zugefügter schwerer Schaden aufgefasst wird und dass sie in solchen Fällen auch Sippenhaft anwenden.
Zur Herkunftsprovinz Kandahar lässt sich dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019 (in der Folge Länderinformationsblatt, siehe Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.15. Kandahar) entnehmen, dass die Taliban über starke Präsenzen in der Provinz verfügen. Aus der bereits erläuterten Einordnung des Beschwerdeführers als Feind der Taliban ergibt sich in Zusammenschau mit der Lage in der Herkunftsprovinz damit, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr dorthin Übergriffen bis hin zur Tötung durch die Taliban ausgesetzt wäre.
Zu den vier Onkeln des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer durchgehend angegeben hat, dass diese mit den Taliban sympathisieren bzw. selbst Taliban sind, was vor dem Hintergrund der starken Talibanpräsenz in der Herkunftsprovinz zunächst plausibel erscheint. Auch vermag der Beschwerdeführer grundsätzlich plausibel zu begründen, warum sein Vater eine andere Position vertritt (Einvernahmeprotokoll S. 7, AS 77 und S 10, AS 80). Mag die diesbezügliche Position einer Unterstützung seiner Söhne bei einer Tätigkeit für das britische Militär aufgrund des seitherigen Widererstarkens der Taliban inzwischen auch gelitten haben (Der Beschwerdeführer gibt etwa an: "Wir gingen nicht davon aus, allein gelassen zu werden." [Einvernahmeprotokoll S. 10, AS 80] oder "Er sagte mir, dass ich die Unterschrift, mit der ich die Verantwortung für mein Leben und alle Gefahren übernommen habe, bei der NATO nicht hätte leisten sollen." [Verhandlungsprotokoll, S. 4]), so erscheint ein ursprünglicher Optimismus nach dem Fall der Taliban mit Hilfe internationaler Truppen einen neuen Staat aufbauen zu können, plausibel. Dass die Brüder des Vaters - sei es aus innerer Überzeugung oder aus Selbstschutz - den Weg einer Unterstützung der Talibanbewegung gegangen sind, erscheint dagegen, auch angesichts des Widererstarkens der Taliban seit dem Fall ihres "Regimes" im Jahr 2001, genauso plausibel. Insbesondere scheint eine Involvierung der Onkel in Übergriffe gegen die Familie des Beschwerdeführers sowie ein gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtetes Verfolgungsinteresse schon deshalb plausibel, um sich nicht selbst dem Vorwurf etwa aufgrund ihrer Angehörigeneigenschaft dem Vorwurf der Talibangegnerschaft auszusetzen, weil sie Familienmitglieder auf Abwegen gewähren lassen.
Zur Frage einer landesweiten Verfolgung des Beschwerdeführers lässt sich dem mündlich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.09.2017 zur GZ W107 2160696-1 erstatteten Sachverständigengutachten von Dr. Sarajuddin RASULY (zum Fall des Sohnes eines in einem Militärstützpunkt beschäftigten Tischlers) entnehmen, dass die Taliban einfache Hilfsarbeiter wie Tischler, Lebensmittellieferanten etc. nicht afghanistanweit verfolgen. Allerdings sieht das Bundesverwaltungsgericht verfahrensgegenständlich spezifische risikoerhöhende Anhaltspunkte im Profil des Beschwerdeführers verwirklicht. Diesbezüglich ist der bereits zitierten EASO-Country Guidance (siehe abermals Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 3. Individuals working for foreign military troops or perceived as supporting them, S. 43) als Anhaltspunkt für die erforderliche individuelle Risikoabschätzung zu entnehmen, dass zwar nicht alle Personen, die für ausländische Truppen gearbeitet haben, einem Risiko landesweiter Verfolgung bzw. Ermordung ausgesetzt sind. Allerdings wird für Dolmetscher - wie auch der Sachverständige betont- berichtet, dass sie zu den hochprioritären Angriffszielen gehören. Für alle anderen müsse der Grad der Wahrscheinlichkeit alle risikobeeinflussenden Anhaltspunkte wie die spezifische Rolle und Sichtbarkeit, ob Bezahlung durch die fremden Truppen erfolgte, Herkunft aus einem umkämpften Gebiet mit Aufständischenpräsenz etc. in Erwägung gezogen werden. Für den Beschwerdeführer ergibt sich neben den risikoerhöhenden Aspekten, dass er durch das britische Militär bezahlt wurde und aus einem umkämpften Gebiet mit hoher Aufständischenpräsenz - Kandahar gilt als Geburtsort und Hochburg der Taliban - stammt (siehe dazu im bereits zitierten Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel
3.15. Kandahar, besonders Abschnitt Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kandahar) auch, dass er als Bruder eines Dolmetschers zusätzlich von Sippenhaft betroffen sein kann (siehe die bereits zitierte Einschätzung des länderkundlichen Sachverständigen). Diesen Aspekt fasst das Bundesverwaltungsgericht angesichts der in der Person des Beschwerdeführers dadurch vereinten fremden und eigenen Schuld (aus Sicht der Taliban) als besonders risikoerhöhend auf. Zusätzlich stellt sich für den Beschwerdeführer auch das - zusätzlich in ihrem schon erläuterten Selbstschutzinteresse begründete - Verfolgungsinteresse als risikoerhöhend dar. Zwar ergibt sich aus all dem noch nicht, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe bis hin zur Tötung durch die Taliban mit Gewissheit drohen. Das Risiko erscheint jedoch aufgrund der im gegenständlichen Fall vorliegenden individuellen Faktoren derart spezifisch erhöht, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit eines gegen den Beschwerdeführer auch anderswo gerichteten Übergriffes durch die Taliban zu groß ist, als dass er in den Herkunftsstaat zurückkehren könnte. Dementsprechend wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer durch Umzug innerhalb des Landes Übergriffen der Taliban nicht entziehen kann.
Dazu, dass der Beschwerdeführer Schutz vor Übergriffen durch die Taliban von Seiten der afghanischen Behörden nicht zu erwarten hat, ist auf die Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien zu verweisen (Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel C. Menschenrechtssituation, Unterkapitel 2. Die Fähigkeit und Bereitschaft des Staates, Zivilisten vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, S. 34 f.), wo berichtet wird, dass die Umsetzung des grundsätzlich vorhandenen rechtlichen Rahmens zum Schutz der Menschenrechte in der Praxis mangelhaft ist. Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, werde durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Das förmliche Justizsystem sei schwach, die Korruption sei hoch und es herrsche allgemein ein Klima der Straflosigkeit. Insbesondere würden jene staatlichen Akteure, die zum Schutz der Menschenrechte zuständig seien, selbst Menschenrechtsverletzungen begehen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Insbesondere wird auch betont, dass es parallele Justizstrukturen wie etwa Gerichte der Taliban gebe, die den Gemeinschaften aufgezwungen würden. Das Länderinformationsblatt zeichnet ein ähnliches Bild von der Durchschlagskraft der afghanischen Behörden zum Schutz ihrer Bürger vor Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban (siehe Kapitel 4. Rechtsschutz/Justizwesen und insbesondere Kapitel 10. Allgemeine Menschenrechtslage), wo ebenso von weitverbreiteter Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und Straffreiheit berichtet derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, berichtet wird. Angriffe aufständischer Gruppierungen auf Zivilisten würden nicht geahndet.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114), wobei auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur asylrechtlich relevanten Verfolgung unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der politischen Gesinnung
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person unter anderem, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
Für die Asylgewährung kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Nicht zwingend erforderlich ist, dass der Betroffene bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde ("Vorverfolgung"). Insbesondere reicht "Vorverfolgung" für sich genommen nicht aus, weil entscheidend ist, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (zuletzt VwGH 21.05.2019, Ra 2019/19/0036).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt drohen dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe bis hin zur Tötung durch die Taliban, weil er für das britische Militär gearbeitet hat und ihn die Taliban deshalb als politischen Gegner betrachten. Damit konnte der Beschwerdeführer im Sinne der oben zitierten Judikatur glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung durch Privatpersonen droht, die ihm eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellen.
Nachdem Schutz vor Übergriffen der Taliban von Seiten der afghanischen Behörden nicht zu erwarten ist, ist von einer mangelnden Schutzfähigkeit des afghanischen Staates im Sinne der oben zitierten Judikatur auszugehen, weswegen der gegen den Beschwerdeführer gerichteten privaten Verfolgung Asylrelevanz zukommt. Nachdem der Beschwerdeführer sich den drohenden Übergriffen nicht durch Umzug innerhalb des Landes entziehen kann, steht ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) zur Verfügung.
3.2. Zum Nichtvorliegen eines Asylausschlussgrundes:
Nach § 3 Abs. 2 Z 2 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG gesetzt hat. Dass der Beschwerdeführer einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 bis 4 AsylG gesetzt hat, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
3.3. Zur Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs. 4 AsylG
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass § 3 Abs. 4 AsylG i. d.F. BGBl. I Nr. 24/2016 nach § 75 Abs. 24 AsylG auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt haben, nicht anzuwenden. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz am 21.03.2015 gestellt hat, ist § 3 Abs. 4 AsylG i.d.F. BGBl. I Nr. 24/2016 daher nicht anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.4. Zum Antrag auf aufschiebende Wirkung
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen und somit unzulässig (zuletzt VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN).
Nachdem ein Antrag auf aufschiebende Wirkung damit von vornherein unzulässig ist, war der Antrag auf aufschiebende Wirkung zurückzuweisen und eine Auseinandersetzung damit, dass die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung ohnedies nicht aberkannt hat, konnte unterbleiben.
3.5. Zu den Beweisanträgen des Beschwerdeführers:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme eines begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden (VwGH 24.07.2017, Ro 2014/08/0043).
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - keine Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers und an seiner Tätigkeit für das britische Militär hegt, war die beantragte Überprüfung seiner Fingerabdrücke mit der Datenbank der NATO (siehe Antrag vom 07.05.2018) nicht erforderlich. Gleiches gilt für die beantragte Einvernahme des Bruders des Beschwerdeführers (Stellungnahme an die belangte Behörde vom 17.08.2017), wobei hier anzumerken ist, dass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers nicht stillschweigend hätte übergehen dürfen, nachdem die beantragte Einvernahme grundsätzlich geeignet erscheint, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, weswegen die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat (VwGH 24.07.2017, Ro 2014/08/0043).
Zum mit der Beschwerde gestellten Antrag, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten befasst, ist auszuführen, dass die Beachtlichkeit eines Beweisantrages nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen voraussetzt, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen (VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0189). Ein pauschaler Verweis auf das Vorbringen und die Lage im Herkunftsstaat konkretisiert nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht hinreichend, welche Punkte und Tatsachen hätten bewiesen werden sollen.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt bei seiner Beurteilung der dem Beschwerdeführer drohenden Verfolgungsgefahr durch Privatpersonen bei gleichzeitig fehlendem staatlichem Schutz aus Gründen der (unterstellten) politischen Gesinnung der unter A) zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Für die Feststellung des maßgeblichen Tatsachensubstrates waren dagegen beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, aufschiebende Wirkung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W102.2174338.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020