TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/30 I415 1409293-3

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Veröffentlicht am 30.09.2019
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Entscheidungsdatum

30.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §25 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I415 1409293-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Ägypten alias Palästinensische Autonomiegebiete alias staatenlos, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Österreich ein und stellte am 19.03.2009 unter der Aliasidentität XXXX, geb. XXXX in Gaza, staatenloser Palästinenser, einen Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.12.2009, Zl. XXXX, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 19.03.2009 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 6 AsylG 2005 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 38 Abs 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) (AS 135ff). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 20.10.2009, Zl. E4 409293-1/2009-4E, gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 6, 10 Abs 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 6 und § 38 Abs. 1 Z 3 AsylG als unbegründet abgewiesen (AS 201ff).

Seit 08.01.2014 verfügt der Beschwerdeführer unter der oben genannten Aliasidentität über keinen aufrechten Wohnsitz mehr im Bundesgebiet.

Am 29.12.2016 meldete sich der Beschwerdeführer mit seinem im Spruch genannten Namen und Geburtsdatum an einer näher genannten Grazer Adresse an.

Am 18.08.2019 wurde der Beschwerdeführer einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen, festgenommen, ins PAZ XXXX überstellt und am 19.08.2019 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.08.2019, Zl. XXXX, wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eine aufenthaltsbeenden Maßnahme und zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet (AS 615).

Aus dem Stande der Schubhaft im AHZ XXXX stellte der Beschwerdeführer am 21.08.2019 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 691).

Mit Aktenvermerk des BFA vom 21.08.2019 (AS 695) wurde festgehalten, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Sinne des § 76 Abs 6 FPG Gründe zur Annahme bestehen, dass der am 21.08.2019 gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Die Anhaltung in Schubhaft bleibe derzeit aufrecht, da die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Mit Aktenvermerk des BFA vom 22.08.2019 (AS 707) wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer am 21.08.2019 um 12:30 Uhr einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Weiters wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer am 22.08.2019 um 17:00 Uhr, kurz vor Beginn der Einvernahme, den EB und dem Dolmetscher mitteilte, dass er kein Asyl in Österreich, sondern in Italien wolle und somit den Asylantrag zurückziehe.

Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 23.08.2019, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt I.). "Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen (Spruchpunkt II.) Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Ziffer 6 FPG" wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde "gegen diese Rückkentscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde "gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF", die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

In der dagegen erhobenen Beschwerde monierte der Beschwerdeführer die Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit. Unter Verweis auf § 25 Abs 2 AsylG wurde moniert, dass eine Zurückziehung eines Antrags auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesamt nicht möglich sei und die belangte Behörde demnach den Antrag hätte prüfen müssen (AS 837). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz sei nicht zulässig. Beantragt wurde daher u.a. der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid ersatzlos zu beheben (AS 849).

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Vom Faktum, dass der Beschwerdeführer am 21.08.2019 aus dem Stande der Schubhaft einen Asylantrag gestellt hat, geht die belangte Behörde ihrem Aktenvermerk vom 22.08.2019 folgend (AS 707) selbst aus.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 25 Abs 2 AsylG ist das Zurückziehen eines Antrags auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesamt nicht möglich, es sei denn, der Asylwerber ist in Österreich rechtmäßig niedergelassen (§ 2 Abs. 2 NAG). Das Zurückziehen eines Antrags auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt als Zurückziehung der Beschwerde. Anbringen, mit denen Anträge auf internationalen Schutz zurückgezogen werden sollen, sind nach Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen, wenn das Anbringen nicht als Zurückziehen der Beschwerde gilt.

Entgegen dem klaren Wortlaut des § 25 Abs 2 AsylG hat die belangte Behörde die Zurückziehung des Asylantrages im Verfahren vor dem Bundesamt zugelassen, obwohl der Asylwerber (Beschwerdeführer) in Österreich nachweislich nicht rechtmäßig niedergelassen ist.

Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt, ist das Zurückziehen des Antrages auf internationalen Schutz vom 21.08.2019 somit nicht möglich und hätte die belangte Behörde eine inhaltliche Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz treffen müssen. Wie in der Beschwerde weiters zutreffend ausgeführt, hat der VwGH in seiner Entscheidung zur Zl. Ra 2016/21/0162 vom 24.05.2016 ausgesprochen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht zulässig ist.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG 2005 bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist (vgl. das Erk. des VwGH vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162). Dies hat in gleicher Weise auch für ein anhängiges Verfahren über einen Asylantrag zu gelten (vgl. das Erk. des VwGH vom 31.08.2017, Zl. Ra 2017/21/0078).

Wie dem gegenständlichen Verwaltungsakt zu entnehmen ist, stellte der Beschwerdeführer am 21.08.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Wie oben dargestellt, ist eine Zurückziehung des Asylantrages in der gegenständlichen Konstellation im Verfahren vor dem Bundesamt nicht möglich.

Daher ist der Bescheid, der über die Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot abspricht, ohne dass über seinen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ersatzlos zu beheben. Daran kann auch die verfahrensgegenständliche Fallkonstellation, nämlich, dass der Beschwerdeführer selbst angibt, dass er kein Asyl in Österreich, sondern in Italien wolle und somit den Antrag zurückziehen wolle, nichts ändern.

Im gegenständlichen Verfahren ist die Beschwerde am 24.09.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangt. Ein gesonderter Abspruch über die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. inhaltliche Auseinandersetzung mit dem normierten Tatbestand konnte unterbleiben bzw. erübrigte sich aufgrund der am 30.09.2019 getroffenen Entscheidung in der Sache selbst, da die Entscheidung demnach innerhalb der in § 17 Abs. 1 BFA-VG genannten Frist von einer Woche ab Vorlage der Beschwerde ergeht, sodass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren auch nicht in seinen Rechten verletzt sein kann.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben.

Schlagworte

Abschiebung, Antragszurückziehung, Asylantragstellung,
Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, berücksichtigungswürdige Interessen,
Beschwerdezurückziehung, Einreiseverbot, ersatzlose Behebung,
Kassation, Mittellosigkeit, Rückkehrentscheidung, Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.1409293.3.00

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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