TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W103 2114363-4

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W103 2114363-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2019, Zl. 820198006-190655467, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorangegangene asyl- und fremdenrechtliche Verfahren des Beschwerdeführers:

1.1. Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Russen an, ist russisch-orthodoxen Bekenntnisses und gab Tschetschenien als Herkunftsstaat und XXXX als Wohnsitz an. Er reiste am 16.02.2012 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.02.2012 gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsangehöriger Russlands und sei am 29.01.2012 mit seinem PKW in XXXX unverschuldet in einen Autounfall verwickelt worden. Sein Unfallgegner, ein Motorradfahrer, sei einen Tag nach dem Unfall verstorben. Daraufhin seien seine Eltern mit den Verwandten des Verstorbenen in Kontakt getreten um einen Konflikt (Blutrache) zu vermeiden. Die Angehörigen des Verstorbenen hätten das angebotene Geld und die Lebensmittel angenommen, doch sei er dennoch von diesen verfolgt worden. Am 04.02.2012 seien die Fenster seiner Wohnung von den Brüdern des Verstorbenen eingeschossen worden und habe ihn sein Vater aufgrund der Lebensgefahr ins Ausland geschickt.

1.2. In einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 11.04.2012 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, seine Muttersprache sei Russisch, er sei in Kasachstan geboren und zur Schule gegangen und im März 2011 nach Tschetschenien übersiedelt. Seine Eltern seien pensionierte Lehrer, sein Vater Tschetschene und seine Mutter Russin. Sie hätten in XXXX zusammen an einer näher angeführten Adresse gelebt. Im Zusammenhang mit dem Unfall habe man ihm seinen Führerschein und seine Geburtsurkunde abgenommen, weshalb er diese auch nicht vorlegen könne. Zur Vermeidung von Blutrache seien sein Vater und andere Verwandte nach dem Tod des Unfallgegners zu dessen Verwandten gegangen, um unter Überbringung von Geld und Lebensmittel eine Versöhnung zu erreichen. Offiziell sei dies damit erledigt gewesen, doch hätten die Brüder des Verstorbenen ihm nicht verziehen. Es sei ihm dann nachgestellt und die Fenster der Wohnung beschossen worden. Sein Vater habe gemeint, dass eine Versöhnung nicht möglich sei, da er Christ sei. Er habe darüber hinaus ein Problem mit seiner christlichen Religionszugehörigkeit, da es ständig komische Gespräche und Aussagen ihm gegenüber diesbezüglich gegeben habe. Sogar seine Cousins hätten keinen weiteren Kontakt mit ihm haben wollen. Ein direktes Problem habe es aber nicht gegeben.

Eine vorgelegte Wohnsitzbestätigung des Beschwerdeführers wurde seitens des BFA einer Echtheitsprüfung durch Vorortrecherche unterzogen. Die Befundaufnahme ergab, dass es sich bei dem vorgelegten Dokument um eine Fälschung handle. Die Unterschrift sei gefälscht und unter der Dokumentennummer sei ein anderes Dokument registriert. An der auf der Bestätigung angegebenen Adresse habe der Beschwerdeführer nie gelebt und sei nie registriert gewesen.

In einer weiteren Einvernahmen vor dem BFA am 28.07.2015 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Dokumentenüberprüfung vorgehalten und gab er hiezu an: "Ich habe meine Schwester angerufen, und diese hat mir diese Wohnsitzbescheinigung besorgt. Mit den Eltern kann ich keinen Kontakt aufnehmen, diese sind geschieden. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte."

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2015, Zl. 820198006-1459405, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes seien nicht glaubwürdig. Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation durch staatliche Organe oder Privatpersonen sei nicht feststellbar gewesen. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass er überhaupt je in Tschetschenien gelebt habe und sei daher sein auf Tschetschenien bezugnehmender Fluchtgrund nicht glaubhaft.

1.5. Gegen diesen genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und unter teilweiser Wiederholung des Vorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund von Blutrache bzw. aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit angegeben habe, weshalb er nach Österreich flüchten habe müssen. Das Verfahren sei mangelhaft geführt worden und habe sich ausschließlich auf die Fälschungsthematik konzentriert. Aufgrund eines hohen Sicherheitsrisikos im Nordkaukasus sei diesem zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren. Bei der Entscheidung über die Rückkehrverpflichtung seien seine aktive sportliche Tätigkeit vollkommen außer Acht gelassen und seine fortgeschrittenen Deutschkenntnisse nicht ausreichend berücksichtigt worden.

1.6. Mit Erkenntnis vom 02.10.2015, W171 2114363-1, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass die vorgelegte Wohnsitzbestätigung des Beschwerdeführers seitens des BFA einer Echtheitsprüfung durch Vorortrecherche unterzogen worden sei. Die Befundaufnahme habe ergeben, dass es sich um eine Fälschung handle. Die von ihm vorgelegte Wohnsitzbescheinigung stelle eine Totalfälschung dar, er sei an der angeführten Adresse weder jemals registriert gewesen noch habe er dort je gelebt. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich aus Tschetschenien stamme.

1.7. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 25.05.2016, Ra 2015/19/0257-12, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe.

1.8. Die Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde mit Beschluss vom 16.06.2016, E 2233/2015-15, abgelehnt.

Mit Schreiben vom 02.03.2017 legte der Beschwerdeführer ein Deutsch-Prüfungszeugnis A2, ein Schreiben eines Volleyballvereins, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seit mehr als einem Jahr Mitglied in diesem Verein sei, sowie ein Schreiben einer Sportunion vor. Am 09.05.2017 wurde ein Empfehlungsschreiben eines Bürgermeisters vorgelegt.

1.9. In einer vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.05.2017 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers, Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und durch Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts.

Am 21.11.2017 wurde eine Bestätigung der Teilnahme an einem Deutschkurs B1 übermittelt.

1.10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2017, Zl. W171 2114363-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

1.11. Am 16.01.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

1.12. Am 12.03.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er führte im Zuge der Erstbefragung aus, dass ihn die Polizei noch immer suche und in Haft nehmen werde. Er habe auch Probleme mit den Personen vom Geheimdienst und den Rebellen. Auch aus religiösen Gründen habe er Probleme, da er als Christ im islamisch geprägten Tschetschenien lebe. Seine eigenen Verwandten väterlicherseits hätten ihn wegen seiner Religion bedroht.

1.13. Der Beschwerdeführer führte in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 29.03.2018 aus, dass er keine Verwandten in Österreich habe. Seinen Vater habe man in Tschetschenien in Polizeigewahrsam genommen und geschlagen. Er werde vom tschetschenischen Geheimdienst und der Polizei verfolgt, weil seinetwegen ein Mensch gestorben sei. Ein Verwandter des Getöteten sei beim Geheimdienst oder der Polizei. Er habe in Österreich 6 Jahre lang nichts angestellt, sei Mitglied in einem Volleyballverein und habe die B1-Prüfung abgeschlossen.

Am 18.04.2018 erfolgte eine nochmalige Einvernahme des Beschwerdeführers. Auf Vorhalt, im Erstverfahren habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass er kein Tschetschene sein könne und dass das einzige Beweismittel eine Fälschung sei, erwiderte der Beschwerdeführer, seine Mutter sei eine Russin und er selbst sei getauft. Auf Vorhalt, dass das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt habe, bei einem offensichtlichem Unfall und bei Entschuldigung und Kompensation verstoße eine etwaige Blutrache gegen islamisches Recht, gab der Beschwerdeführer an, es sei ihm nicht verziehen worden. Als Getaufter sei er ein Außenseiter und sei von den Verwandten erniedrigt worden. Er spreche nicht Tschetschenisch.

1.14. Mit Bescheid vom 11.07.2018 wurde der zweite Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchteile I. und II.). In Spruchteil III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde erneut eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchteil IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchteil V.). Unter Spruchteil VI. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt. Unter Spruchteil VII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass entschiedene Sache vorliege, das Vorbringen des Beschwerdeführers in einem rechtskräftig beendeten Verfahren bereits als nicht glaubwürdig erachtet worden sei und die vorgelegten neuen Beweismittel nicht geeignet seien, an dieser Einschätzung etwas zu ändern. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und seine Integration hätten sich für die belangte Behörde keine Umstände ergeben, die zu einer anderen Einschätzung als in dem rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren geführt hätten.

1.15. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde vorgebracht, der Vater des Beschwerdeführers sei wegen der Anschuldigungen gegen den Beschwerdeführer willkürlich in Haft genommen worden. Sollte auch der Beschwerdeführer in Haft genommen werden, so werde auf die prekären Haftumstände verwiesen. Auch sei der Beschwerdeführer nicht angemessen befragt worden. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen lebensnahe geschildert. Dass der Vater verhaftet worden sei, sei im Erstverfahren nicht vorgebracht worden, daher könne keine idente Sache nach § 68 Abs. 1 AVG gegeben sein. Der Beschwerdeführer lebe seit Februar 2012 in Österreich, sein Hineinwachsen in die österreichische Gesellschaft sei evident. Zur Dauer des Einreiseverbotes werde vorgebracht, dass die belangte Behörde keine Feststellungen zu den Unterhaltsmitteln des Beschwerdeführers getroffen habe. Der Beschwerdeführer lebe von der Mindestsicherung und habe den Folgeantrag auf internationalen Schutz weder unbegründet noch missbräuchlich gestellt.

1.16. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 16.01.2018 gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen.

1.17. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2018, Zl. W129 2114363-2, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.07.2018 in Spruchteil A) gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen und die Revision in Spruchteil B) für nicht zulässig erklärt.

Zur Zurückweisung des Folgeantrages führte das Bundesverwaltungsgericht begründend aus, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid zu Recht argumentiert, dass der Beschwerdeführer sich mit seinem Folgeantrag auf dieselben Gründe bezogen hätte, die bereits vor Rechtskraft des ersten Verfahrens bestanden hätten, weshalb diese nicht geeignet wären, einen neuen Antrag zu begründen, sondern vielmehr die Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes einer neuerlichen Sachentscheidung entgegenstünde.

Zur Begründung der Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer über keinerlei Angehörigen in Österreich verfüge und darüber hinaus nach wie vor starke Bindungen zum Herkunftsstaat habe, wo er den Großteil seines Lebens verbracht hätte, die Landessprache spreche und seine Schul- und Berufsausbildung genossen hätte. Im Gegensatz dazu sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Österreich nach wie vor nur schwach integriert wäre. In diesem Zusammenhang sei zu betonen, dass der Beschwerdeführer im nunmehrigen Verfahren trotz Aufforderung lediglich zwei Befürwortungsschreiben vorgelegt, über die Tätigkeit in einem Sportverein hinaus reichend keinerlei substantiierte Angaben zu seinen Integrationsbemühungen erstattet hätte und er nach wie vor von der Grundversorgung lebe. Auch wenn der Beschwerdeführer etwa sieben Jahre lang als Asylwerber in der Republik Österreich gelebt hätte, hätten sich im Laufe des Verfahrens deutliche Anhaltspunkte (Vorlage einer offenkundig gefälschten Urkunde, Angabe von vor Ort als ausdrücklich unrichtig recherchierten Meldedaten) für die völlige Unglaubwürdigkeit des ursprünglichen Fluchtvorbringens ergeben (zur mangelnden Schutzwürdigkeit privater Interessen im Falle eines "groben Missbrauches des Asylrechtes" vgl. VwGH 02.10.1996, 95/21/0169; vgl. weiters VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes sei aus diesem Grund der - ohnedies nur in Ansätzen vorhandenen - Verfestigung des Privatlebens des Beschwerdeführers nicht dasselbe Gewicht beizumessen wie dies im Falle des Zutreffens der Verfolgungsbehauptung der Fall gewesen wäre.

Zum gegen den Beschwerdeführer auf Grundlage des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erlassenen Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht hätte. Der Beschwerdeführer sei in Österreich ohne regelmäßige Beschäftigung und verfüge über keine hinreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes, sondern habe bislang von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung gelebt. Fernerhin habe der Beschwerdeführer auch durch die Vorlage offenkundig gefälschter Unterlagen bzw. die - ausdrücklich als unrichtig recherchierten - Angaben zu bestimmten Adressen ein Verhalten gesetzt, welches zeige, dass er nicht gewillt wäre, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen. Sohin könne auch von keiner unbeschränkt positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden und von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gesprochen werden. Da einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch keine berücksichtigungswürdigen familiären oder privaten Interessen des Beschwerdeführers entgegenstünden, sei bei einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wegen bestehender Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit das von der belangten Behörde ausgesprochene Einreiseverbot dem Grunde nach gerechtfertigt und notwendig.

Am 29.01.2019 leistete der Beschwerdeführer einer Ladung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Folge und erschien zwecks Ermittlung seiner Identität im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft der Republik Kasachstan.

Am 30.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer mittels Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer Betreuungseinrichtung des Bundes zu nehmen.

1.18 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2019, Zl. W247 2114363-3, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.06.2019 gemäß § 56 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht erfüllt wären, da eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG iVm einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 iVm Abs. 3 FPG gegen den Beschwerdeführer bestehe (vgl. diesbezüglich u.a. auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 225/16 vom 26.07.2017, wonach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen sei, dass die darin vorgesehene Dauer eines Einreiseverbots, die grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreite, ab dem Zeitpunkt zu berechnen sei, zu dem der Betroffene tatsächlich das Territorium der Mitgliedstaaten verlassen hat). Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof festgestellt habe, dass ein aufrechtes Einreiseverbot die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz bei zwingenden Gründen des Art 8 EMRK nicht behindere, so treffe diese einschränkende Interpretation des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 jedoch nicht auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 zu.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 01.07.2019 stellte der Beschwerdeführer den Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens." Der Beschwerdeführer gab im Antragsformular im Wesentlichen an, das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt zu haben, sich seit Februar 2012 im Bundesgebiet aufzuhalten und seit März 2018 über ein Deutschzertifikat auf dem Niveau B1 zu verfügen. Dieser habe elf Jahre lang die Schule besucht, eine Ausbildung zum Beachvolleyballspieler absolviert und seit August 2018 eine weitere Verfestigung erlangt. Der Beschwerdeführer legte seinem Antrag ein Zertifikat über eine im März 2018 bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1, Unterstützungsschreiben aus dem Zeitraum Oktober 2018 bis August 2019 sowie eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Integrationsprojekt aus Mai 2019 bei.

Am 27.08.2019 wurde der Beschwerdeführer zu diesem Antrag niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, weder im Besitz einer Geburtsurkunde, noch eines Reisepasses zu sein. Er habe den Antrag gestellt, da ihm seitens der Rechtsberatung dazu geraten worden wäre; er möchte einen Aufenthaltstitel, damit er arbeiten könne. Seit dem Zeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018 habe der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage für eine Vollzeitbeschäftigung in der Gastronomie oder als Kundenbetreuer erlangt. Weiters könne er ein B1-Zertifikat und Unterstützungsschreiben vorlegen. Seine Eltern und seine Schwester würden nach wie vor in Tschetschenien leben. In Österreich habe er keine Verwandte, jedoch einige Freunde und Bekannte im Sportverein. Der Beschwerdeführer habe kein Geld und lebe von fremder Hilfe. Er sei nie straffällig geworden, sei sehr gut integriert und spreche sehr gut Deutsch.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2019 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Identität und die Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers stünden bislang nicht zweifelsfrei fest. Dieser leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und sei nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers habe sich seit dem Zeitpunkt des letzten Erkenntnisses vom 10.08.2018 nicht geändert. Dieser halte sich illegal im Bundesgebiet auf und es bestehe ein zweijähriges Einreiseverbot gegen ihn. Besondere Integrationsbemühungen seien nicht feststellbar gewesen. Der der bereits aufrechten Rückkehrentscheidung zugrundeliegende Sachverhalt habe keine wesentliche Änderung erfahren. Die Sprachkompetenz und vorliegende Einstellungszusage des Beschwerdeführers seien schon in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigt worden. Zwischen dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung und der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung liege nur ein relativ kurzer Zeitraum, sodass sich auch der Inlandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert hätte. Da im Falle des Beschwerdeführers weiterhin eine aufrechte, mit einem Einreisverbot verbundene, Rückkehrentscheidung vorliege, sei die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 5 FPG nicht notwendig gewesen.

2.3. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 04.10.2019, zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, das Bundesamt hätte dem Beschwerdeführer jedenfalls einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen müssen. Entgegen der Ansicht der Behörde sei seit der letztmaligen Rückkehrentscheidung sehr wohl eine wesentliche und nachhaltige Sachverhaltsänderung eingetreten. Dies gelte bereits im Hinblick auf die weitere Aufenthaltsdauer von mehr als einem Jahr seit der letzten einschlägigen Entscheidung im August 2018, wodurch sein durchgängiger Aufenthalt nunmehr mehr als siebeneinhalb Jahre betrage. Wie den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen wäre, habe der Beschwerdeführer diese Zeit zu einer Vertiefung seiner Integration genützt. Der Beschwerdeführer verfüge über eine aktuelle Einstellungszusage, habe an einem Integrationsprojekt teilgenommen und diverse neue Empfehlungsschreiben und Integrationsbestätigungen vorgelegt, die aufzeigen würden, dass der Beschwerdeführer über zusätzliche soziale Kontakte verfüge. Die bestandene B1-Prüfung sei bei der Vorentscheidung nicht im erforderlichen Maße gewichtet worden. Eine Zurückweisung sei aus den genannten Gründen unstatthaft gewesen. Wenn die Behörde zudem auf ein Einreiseverbot verweise, sei entgegenzuhalten, dass im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK eine Neubewertung vorzunehmen wäre. Im Übrigen stehe seine Identität sehr wohl fest. Der Beschwerdeführer habe bereits unzählige Male festgehalten, dass die vorgelegte Wohnsitzbestätigung echt wäre und diese völlig zu Unrecht von einem "Gutachter" als Fälschung eingestuft worden wäre. Die Behörde verkenne, dass der Beschwerdeführer keine relevanten Bindungen zum Herkunftsstaat mehr habe. Zudem würden ihn weder die Russische Föderation noch Kasachstan als ihren Staatsangehörigen ansehen. Die Behörde habe auch negiert, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückführung in beiden Staaten keine Existenzgrundlage haben würde. Der Beschwerdeführer würde in keiner Weise eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedeuten. In einer Gesamtbetrachtung der nach § 9 Abs. 2 BFA-VG zu berücksichtigenden Aspekte ergebe sich, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt hätte, bereits einen sehr hohen Grad an Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht hätte und in dieser speziellen Konstellation die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen zugunsten eines geordneten Fremdenwesens überwiegen würden. Es wurde beantragt, in der Sache zu entscheiden, eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, in eventu den Bescheid zu beheben und das Verfahren an die Behörde zur Durchführung ergänzender Ermittlungen zurückzuverweisen, in eventu festzustellen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat nicht zulässig wäre sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

2.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 25.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegen den Beschwerdeführer, einen nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigten Drittstaatsangehörigen, wurden zuletzt mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2018 - in Bestätigung einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2018 - eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot für rechtmäßig erkannt. Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Am 01.07.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, dass sich im Hinblick auf sein Privat- und Familienleben seit der Erlassung des oben angeführten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts eine maßgebliche Änderung ergeben hätte. Seine familiäre und private Situation im Bundesgebiet sowie seine Bindungen zum Heimatland stellen sich im Wesentlichen als unverändert dar. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren auf die mittlerweile längere Aufenthaltsdauer sowie eine aus Juli 2019 stammende Einstellungszusage verwiesen und im Zeitraum nach Erlass der vorangegangenen Rückkehrentscheidung verfasste Unterstützungsschreiben aus seinem privaten Umfeld in Vorlage gebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

Gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung plus" oder "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wenn dies zumindest gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: BFA-VG), zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.3. Im gegenständlichen Fall hat sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 58 Abs. 10 AsylG als Grundlage für die Zurückweisung bezogen. Das Bundesverwaltungsgericht war im gegenständlichen Fall dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es liegt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.08.2018 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung (sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot) vor, wobei aus den rechtlichen Erwägungen hervorgeht, dass im Fall des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Entscheidung zwar eine bereits rund siebenjährige Aufenthaltsdauer, jedoch keine maßgebliche Integrationsverfestigung vorgelegen hätte. Der Beschwerdeführer hätte keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet, habe seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch staatliche Unterstützungsleistungen bestritten und keine tiefgreifende Integration dargetan.

Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.08.2018, in dem von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet ausgegangen wurde, ist keine Veränderung in Bezug auf die Integration des Beschwerdeführers eingetreten, die einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrags gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegenstünde. Dieser hat im gegenständlichen Verfahren lediglich auf seine seither längere Aufenthaltsdauer verwiesen, sowie den Umstand, dass er nunmehr über eine Einstellungszusage verfüge. Diesen Aspekten kommt jedoch kein maßgebliches Gewicht zu.

So ging der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde, noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN).

Im Lichte dieser Judikatur sind gegenständlich sohin weder der Zeitablauf von einem Jahr und drei Monaten seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, noch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einstellungszusage und Bestätigung über die Teilnahme an einem Integrationsprojekt geeignet, eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu begründen. Das vorgelegte ÖIF-Zertifikat über eine im März 2018 bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 fand überdies bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.08.2018 Berücksichtigung, sodass von einer Verbesserung der Sprachkenntnisse nicht auszugehen ist. Die vorgelegten Unterstützungsschreiben sind ebenso wenig geeignet, eine wesentliche Sachverhaltsänderung aufzuzeigen, zumal aus deren Inhalt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger sozialer Bindungen oder das Bestehen allfälliger Abhängigkeitsverhältnisse hervorgehen. Änderungen hinsichtlich der beruflichen Integration des Beschwerdeführers oder hinsichtlich seiner Bindung zum Herkunftsstaat wurden nicht vorgebracht. Auch in Bezug auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers hat sich keine wesentliche Änderung ergeben, wobei dies im gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt behauptet wurde.

Überdies stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag, nachdem seine Beschwerde gegen die Abweisung einer von ihm beantragten Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 AsylG 2005 lediglich zwei Wochen zuvor mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019 abgewiesen worden war sowie infolge unrechtmäßigen Verbleibs im Bundessgebiet in Missachtung seiner mit hg. Erkenntnis vom 09.08.2018 ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung. Seither allenfalls erfolgte weitergehende Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers konnten nur aufgrund der Missachtung seiner rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung und im Bewusstsein der Unsicherheit eines weiteren Aufenthalts erfolgen.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass der Beschwerdeführer eine maßgebliche Integration im Bundesgebiet aufweist und daher die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sowie in eventu die Feststellung der Unzulässigkeit einer Abschiebung beantragt, wird verkannt, dass Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags ist und eine (neuerliche) inhaltliche Entscheidung schon aus diesem Grund unzulässig wäre.

3.4. Da aufgrund der obigen Erwägungen nicht von einem geänderten Sachverhalt auszugehen ist, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, war die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden.

4. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde hat keine neuen Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Resozialisierung,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W103.2114363.4.00

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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