TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 G314 2000883-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G314 2000883-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX vertreten durch durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.04.2018, Zl. XXXX, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz zu Recht erkannt (A) und beschlossen (B):

A) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und IV. des

angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid insoweit mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.04.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen (statt abgewiesen) wird.

B) Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG

aufgehoben und die Angelegenheit insoweit zur Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (gegebenenfalls samt Einreiseverbot) an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) beantragte in Österreich erstmals am 23.12.2003 internationalen Schutz. Dies begründete er damit, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil er im Kosovo als Angehöriger der Volksgruppe der Bosniaken Probleme mit Angehörigen der albanischen Volksgruppe habe. Er stamme ursprünglich aus XXXX, sei aber mit seiner Herkunftsfamilie kurz vor Beginn des Kosovo-Krieges in den Kosovo übersiedelt. 2001 sei er dort wegen eines Raufhandels für einen Monat in Untersuchungshaft genommen worden. Er sei mehrmals von der Polizei angehalten worden; sein Führerschein sei ihm zwei Mal abgenommen und zuletzt sogar zerrissen worden. Bei einer Rückkehr in den Kosovo befürchte er weitere Bedrohungen durch Kosovoalbaner. Weitere Fluchtgründe verneinte er.

Mit dem Bescheid des Bundesasylamts vom XXXX.05.2004 wurde dieser Antrag abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, festgestellt (Spruchpunkt II.) und er aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die Berufung des BF dagegen wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.12.2008 hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt III. des Bescheids wurde jedoch ersatzlos behoben, weil eine Ausweisung das Recht des BF auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) verletze. Er sei mittlerweile mit einer Österreicherin verheiratet und lebe mit ihr und der gemeinsamen Tochter in einem gemeinsamen Haushalt.

Am 03.12.2011 wurde der Antrag des BF vom 29.11.2011 auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG abgewiesen.

Am 08.01.2014 wurde der BF wegen unrechtmäßigen Aufenthalts vorübergehend festgenommen. Mit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom selben Tag wurde ihm kein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Gleichzeitig wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wegen fehlender Unterhaltsmittel ein 18-monatiges Einreiseverbot erlassen. Aufgrund der Beschwerde des BF wurde dieser Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 21.02.2014 aufgehoben und die Angelegenheit an das BFA zurückverwiesen.

Am 14.02.2018 wurde der BF wieder wegen unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 15.02.2018 gab er an, er habe im Kosovo einen Autounfall verursacht und fürchte sich daher dort vor der Blutrache. Mit dem Bescheid des BFA vom XXXX.02.2018 wurde ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Gleichzeitig wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wegen fehlender Unterhaltsmittel ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX.03.2018 zugestellt. Er erhob kein Rechtsmittel dagegen. Am 13.03.2018 reiste er freiwillig aus dem Bundesgebiet aus, kehrte aber schon am 24.03.2018 wieder zurück.

Am 05.04.2018 wurde der BF neuerlich wegen unrechtmäßigen Aufenthalts verhaftet und in der Folge im Polizeianhaltezentrum XXXX in Schubhaft angehalten. Bei der am Tag seiner Festnahme durchgeführten Einvernahme vor dem BFA gab er an, dass er vor Jahren im Kosovo ein Kind überfahren habe und nun fürchte, dass ihn dessen Angehörige umbringen würden. Aus diesem Grund könne er dort nicht mehr leben.

Am 06.04.2018 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass er vor 15 Jahren im Kosovo bei einem Autounfall fahrlässig ein Mädchen getötet habe und deshalb zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Sein Leben sei im Kosovo in Gefahr, weil die Familie des getöteten Kindes ihn umbringen wolle. Das sei auch der Grund dafür gewesen, warum er nach dem Aufenthalt im Kosovo im März 2018 wieder nach Wien zurückgekehrt sei. In seinem ersten Asylverfahren habe er davon nichts erzählt, weil er befürchtet habe, dass er abgeschoben werde und dann die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe verbüßen müsse. Mittlerweile sei dies jedoch verjährt.

Nach Serbien könne er nicht zurückkehren, weil er Albaner sei und die in Serbien lebenden Albaner im Krieg in den Kosovo geflüchtet seien. Bei einem Aufenthalt in Serbien 2015 hätten ihn ehemalige Schulfreunde aufgefordert, bei Betrugshandlungen mitzumachen, und ihn geschlagen und mit dem Tod bedroht, weil er dies abgelehnt habe. Bei einer Rückkehr nach Serbien befürchte er, von diesen Personen, die XXXX tätig seien und XXXX hätten, entführt und umgebracht zu werden. Sanktionen von staatlicher Seite habe er dagegen nicht zu befürchten.

Mit Aktenvermerk vom 06.04.2018 wurde festgehalten, dass der Folgeantrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei; die Schubhaft wurde daher gemäß § 76 Abs 6 FPG aufrecht erhalten.

Nach der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Einvernahme des BF vor dem BFA wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 06.04.2018 mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass der BF keine asylrelevante Verfolgung vorgebracht habe, zumal der serbische Staat schutzfähig und -willig sei. In Serbien bestünde für ihn keine Gefährdungslage iSd § 8 AsylG. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG seien nicht erfüllt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unterbleibe gemäß § 59 Abs 5 FPG, weil mit Bescheid vom 27.02.2018 rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen worden sei und keine neuen Tatsachen gemäß § 53 Abs 2 und 3 FPG hervorgekommen seien, die eine Neubemessung des Einreiseverbots erforderten. Daher erübrige sich auch eine neuerliche Feststellung gemäß § 52 Abs 9 FPG. Aufgrund der Aktualität der Rückkehrentscheidung und des aufrechten Einreiseverbots sei keine neue Abwägung iSd § 9 BFA-VG notwendig; es liege kein Grund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vor.

Gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und dem BF den Status eines Asylberechtigten, in eventu eines subsidiär Schutzberechtigten, zuzuerkennen, in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß §§ 55 oder 57 AsylG vorlägen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Der BF begründet die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei. Dies ergebe sich aus der Verwendung veralteter Länderberichte und zeige sich z.B. in der unrichtigen Erwähnung der Ukraine (statt Serbiens). Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Personen, die den BF in Serbien bedroht hätten, bei den XXXX vernetzt und so mächtig seien, dass sie ihn bei seiner Rückkehr nicht in Ruhe lassen würden. Da sie als XXXX tätig seien, könne sich der BF in diesem Zusammenhang (auch wegen der in Serbien herrschenden Korruption) nicht an die dortigen staatlichen Stellen wenden. Er habe in Serbien kein soziales oder familiäres Netzwerk; bei einer Abschiebung dorthin drohe eine Verletzung von Art 3 EMRK. Außerdem hätte das BFA prüfen müssen, ob sich die von den Angehörigen des vom BF getöteten Mädchens ausgehende Gefahr der Blutrache nicht auch vom Kosovo aus nach Serbien erstrecke.

Die Beschwerde und die Akten der Verwaltungsverfahren wurden dem BVwG vorgelegt, wo sie am 08.06.2018 einlangten.

Am 28.06.2018 wurde der BF nach Serbien abgeschoben. Seit 07.02.2020 wird er wieder in der Justizanstalt XXXX angehalten.

Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger und gehört einer Bevölkerungsgruppe slawischer Muslime an. Seine Muttersprache ist Serbisch; er spricht aber auch Deutsch (Reisepass; Niederschriften AS 63 ff, AS 103 und AS 133).

Der BF kam am XXXX zur Welt und besuchte in seinem Herkunftsstaat acht Jahre lang die Schule. Er hat keinen Beruf erlernt und arbeitete als Schweißer und als Koch. Er ist gesund und arbeitsfähig. Seine Eltern und weitere Verwandte leben im Kosovo, sein Bruder in der Schweiz und ein Onkel mit seiner Familie in Österreich (Niederschriften AS 65 ff und AS 107 ff).

Am 21.06.2007 heiratete der BF die Österreicherin XXXX und ihren Familiennamen an, den er seither trägt. Der Ehe entstammen die am XXXX geborene XXXX und der am XXXX geborene XXXX. Beide Kinder sind österreichische Staatsbürger. Im Juli 2011 wurde die Ehe geschieden. Beide Kinder leben seither bei ihrer Mutter in XXXX. Der BF leistet keine Unterhaltszahlungen für seine Kinder und hat seit mehreren Jahren keinen persönlichen Kontakt zu ihnen (Niederschriften AS 67 und AS 113; Dokumente in den Vorakten: Heiratsurkunde AS 158; Staatsbürgerschaftsnachweis AS 155; Geburtsurkunden AS 157 und 279).

Der BF hat einen am XXXX.2010 in XXXX ausgestellten und bis XXXX.2020 gültigen serbischen Reisepass (Reisepass).

Der BF war seit 2004 fast durchgehend mit Hauptwohnsitz XXXX gemeldet, unterbrochen von einigen Monaten der Obdachlosigkeit im Jahr 2015 und Aufenthalten in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren (ZMR-Auszug).

Der BF weist laut Strafregisterauszug zwei ungetilgte strafgerichtliche Verurteilungen auf: Mit Urteil des Landesgerichts XXXX, wurde er wegen der Verbrechen der versuchten Erpressung (§§ 15, 144 Abs 1 StGB) und des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127, 130 erster Fall StGB) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von zehn Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil zwischen Mai und Juli 2014 in der Justizanstalt XXXX. Am 15.02.2018 wurde der zunächst bedingt nachgesehene Strafteil endgültig nachgesehen (Strafregister, Strafurteil, ZMR-Auszug).

Nach der Erlassung des angefochtenen Bescheids wurde der BF mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX, wegen der Vergehen der Urkundenfälschung (§ 223 Abs 2 StGB) und des Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde (Strafregister).

Der BF bezog ab Ende Dezember 2003 in Österreich immer wieder Leistungen der staatlichen Grundversorgung (Auszug aus dem GVS-Betreuungsinformationssystem). Bis März 2018 war er wiederholt (teils geringfügig) erwerbstätig, in einigen Fällen ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung (Versicherungsdatenauszug). Er war in Österreich weder in Vereinen oder Organisationen engagiert noch betätigte er sich ehrenamtlich. Er absolvierte keine Kurse oder Ausbildungen; insbesondere nahm er nicht an Deutschkursen teil und legte keine Deutschprüfung ab (Niederschrift AS 111).

Der BF ist mit einer in XXXX lebenden Österreicherin liiert. Abgesehen von ihr, seinen Kindern und seinem Onkel hat er in Österreich keine ihm nahestehenden Bezugspersonen (Niederschrift AS 107 ff).

Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien:

Aleksandar Vucic, der seit 2017 serbischer Präsident ist, will Serbien in die EU führen. Zugleich behält er die traditionell engen Kontakte zu Russland bei. Serbien hat seit März 2012 offiziell den Status eines EU-Beitrittskandidaten; im Jänner 2014 wurden Beitrittsverhandlungen aufgenommen.

Die Sicherheitslage in Serbien ist weitgehend stabil. Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo weiterhin nicht an; es wurden aber bereits erste Schritte zur Normalisierung der Beziehungen unternommen. Die Lage in der mehrheitlich von Angehörigen der albanischen Volksgruppe bewohnten Grenzregion Südserbiens zum Kosovo hat sich beruhigt; die albanische Minderheit ist im serbischen Parlament vertreten. In den albanischen Siedlungsgebieten ist eine multiethnische Polizeitruppe im Aufbau. Die vom UNHCR durchgeführten Rückkehrprogramme für Albaner, die aus Südserbien in den Kosovo geflohen waren, konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Die Autonomierechte der Wojwodina wurden festgelegt. Die Lage im Sandžak ist im Wesentlichen stabil. Es gibt keine Hinweise auf gezielte staatliche Repressionen gegen die muslimischen Bosniaken.

Die serbische Verfassung postuliert das Prinzip der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz. Dennoch bleiben Gerichte für Korruption und politischen Einfluss anfällig. In der bisherigen Praxis war die Unabhängigkeit der Gerichte nicht durchgängig gewährleistet. Dies lag allerdings nicht nur an direktem oder mittelbarem Druck, sondern ebenso an dem schwach entwickelten gesellschaftlichen Bewusstsein für Rolle und Form einer unabhängigen Justiz.

Die Behörden üben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Die Effektivität der Polizei variiert. Die Regierung hat wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption. Korruption und Straflosigkeit sind ein Problem innerhalb der Polizei, dennoch stellten Vertreter der Zivilgesellschaft 2017 fest, dass sich die Qualität der internen Untersuchungen weiter verbesserte. Das Innenministerium richtete eine Hotline ein, über die Fälle von Polizeikorruption gemeldet werden können. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden. Die Polizei geht nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten (vor allem Roma und Homosexuelle) vor.

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern betrifft alle Einwohner Serbiens. Alle Einwohner oder Bürger Serbiens haben gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und Polizeibehörden.

Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und Disziplinarverfahren. Es gibt keine besonderen Rechtsschutzmittel für Übergriffe gegen Roma. Diese sind, wie alle Einwohner Serbiens, vor dem Gesetz gleich.

Über Verschleppungen oder Folter von Gefangenen durch den Staatssicherheitsdienst wird seit dem Jahr 2000 nicht mehr berichtet. Seit 2006 ist Folter ein Straftatbestand im serbischen Strafgesetzbuch. Es werden weiterhin vereinzelte Fälle von Misshandlungen durch Angehörige der Polizei bekannt. Opfer sind in diesen Fällen nicht politisch missliebige Personen, sondern hinsichtlich krimineller Delikte Verdächtige. Die Straflosigkeit bei Missbrauch und Folter ist weit verbreitet. Es gibt wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter. In einzelnen Fällen wurden Polizisten vom Dienst suspendiert. In mehreren Fällen wurde Folteropfern von serbischen Gerichten eine staatliche Entschädigung zugesprochen.

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Entsprechende Beschwerde können auch an die Ombudsmann-Institution getätigt werden. Es gibt die Möglichkeit der Aufnahme in ein Zeugen- oder Opferschutzprogramm.

Korruption im öffentlichen und privaten Sektor steht unter Strafe. Trotzdem ist die Meinung weit verbreitet, dass die Regierung die Gesetze nicht systematisch anwendet und in Korruption verwickelte Personen manchmal straffrei bleiben. Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System und staatlichen Institutionen sowie die serbische Wirtschaft. Systematische Korruption findet sich vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei.

Die Szene von Nichtregierungsorganisationen in Serbien ist dynamisch und Zeichen einer lebendigen, vom Staat unbeeinflussten Bürgergesellschaft. Während jedoch Regierungsstellen im Allgemeinen mit Nichtregierungsorganisationen kooperieren, sind diese Kritik, Belästigung und Drohungen durch Private ausgesetzt, insbesondere in Bezug auf nationalistische Ansichten zum Kosovo, den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und die Kriege der 1990er Jahre.

Die serbische Verfassung enthält umfangreiche Bestimmungen zu Grundfreiheiten und Menschenrechten. Die Menschenrechtslage in Serbien entspricht internationalen Standards und ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz der zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem bestehen verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme bei der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit.

Die Medienfreiheit in Serbien weist deutliche Defizite auf. Wichtige Rahmenbedingungen für eine freie, kritische Berichterstattung sowie die Rolle der Medien als "Vierter Gewalt" sind nicht erfüllt und die Medien anfällig für eine Selbstzensur. Die Medienlandschaft ist dennoch grundsätzlich pluralistisch.

Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden in der Verfassung garantiert und die Regierung hält sich auch in der Praxis daran.

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen.

Die Lage in vielen Gefängnissen und Haftanstalten entspricht nicht internationalen Standards und ist durch hohe Überbelegung, schlechte Sanitäreinrichtungen und schlecht ausgebildetes Personal gekennzeichnet. Es gibt keine Berichte über politische Inhaftierte oder Häftlinge. Die Todesstrafe ist für alle Straftaten abgeschafft.

Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit. Religionen können uneingeschränkt praktiziert werden. In der Praxis genießt jedoch die serbisch-orthodoxe Kirche eine einer Staatskirche nahekommende, herausragende Stellung.

Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalen Standards. In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, Albaner, Bosniaken, LGBT) unverändert weit verbreitet. Zu den Aufgaben des 2007 erstmals gewählten Ombudsmannes gehört ausdrücklich auch das Eintreten für Minderheitenrechte. Seit 2003 bestehen nationale Minderheitenräte, die die Interessen ihrer Volksgruppe vertreten.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, wobei dies auch in der Praxis seitens der Regierung eingehalten wird. Die Regierung kooperiert durch Zusammenarbeit mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Schutz- und Hilfegewährung ua für rückkehrende Asylwerber. Diskriminierungen treffen vor allem Minderheiten im Sandžak (Bosniaken) und Südserbien, in der autonomen Provinz Wojwodina sowie Roma, Angehörige der LGBTI-Community und vereinzelt auch Personen jüdischen Glaubens. Belgrad und Novi Sad gelten als die tolerantesten Städte Serbiens, obwohl auch hier Anfeindungen vorkommen.

Trotz der nach wie vor schwierigen wirtschaftlichen Lage ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Flüchtlinge, bestimmte Minderheiten (namentlich Roma) und Rückkehrer sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung. Vielen Bürgern gelingt es nur durch Schwarzarbeit, ihre Existenz zu sichern. Ungefähr 10 % der Bevölkerung leben in Armut.

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld ausgezahlt. Seit Oktober 2000 konnten Ansprüche auf Sozialbeihilfe vom Staat wieder erfüllt werden und das System stabilisierte sich nachhaltig. Ein Wohlfahrtsamt befindet sich in jeder Gemeinde Serbiens.

Die Gesundheitssituation in Serbien ist stabil und es bestehen keine größeren epidemiologischen Besorgnisse. Das Gesundheitssystem des Landes leidet unter einem Mangel an finanziellen Mitteln und Investitionen, bietet den Bürgern jedoch die Möglichkeit einer medizinischen Basisversorgung. Es gibt eine gesetzliche Pflicht-Krankenversicherung. Generell ist eine Registrierung für die Inanspruchnahme der gesetzlichen Versicherung notwendig, ärztliche Notfallversorgung ist jedoch grundsätzlich auch für nicht registrierte Personen gewährleistet.

Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Besondere staatliche Auffang- oder Aufnahmeorganisationen für zurückkehrende Bedürftige gibt es nicht; grundsätzlich sind die Sozialämter in den einzelnen Städten und Gemeinden mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben betraut. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält

In Serbien herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Lage in Serbien hat sich seit Februar 2018 nicht entscheidungswesentlich verändert (Länderinformationsblätter der Staatendokumentation).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten (auch betreffend die vorangegangenen Asylverfahren sowie fremdenrechtlichen Verfahren betreffend den BF).

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln, wobei sich die angegebenen Aktenseiten (AS) auf die Seitennummerierung der Verwaltungsakten beziehen. Hauptsächlich basieren die Feststellungen auf den weitgehend schlüssigen Angaben des BF bei der Erstbefragung und bei den Einvernahmen durch das BFA.

Herkunft, Ausbildung und Erwerbstätigkeit des BF werden anhand seiner konsistenten Angaben dazu festgestellt, ebenso sein Religionsbekenntnis. Der BF machte unterschiedliche Angaben zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit. So gab er an, Bosniake, Gorane, Torbesche bzw. Albaner zu sein. Bei den ersten drei handelt es sich um Gruppen slawischer Muslime in Südosteuropa (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Slawische_Muslime#Wichtigste_Gruppen_slawischer_Muslime_im_heutigen_Südosteuropa;

Zugriff am 09.03.2020). Da der BF bei seinen letzten Einvernahmen vor dem BFA Serbisch als seine Muttersprache bezeichnete und in seinem ersten Asylverfahren eine Verfolgung durch Angehörige der albanischen Volksgruppe im Kosovo behauptete, ist davon auszugehen, dass es sich bei ihm um einen slawischsprachigen (nichtalbanischen) Moslem aus Serbien handelt. Da die Verständigung mit den beigezogenen Dolmetschern für Serbisch problemlos möglich war, ist von entsprechenden Sprachkenntnissen auszugehen. Der BF bezeichnete teilweise auch Albanisch als seine Muttersprache (vgl. AS 65), gab andererseits aber auch an, er spreche nicht Albanisch (vgl. AS 107). Mangels Relevanz für diese Entscheidung kann dahingestellt bleiben, ob er auch Albanisch spricht. Kenntnisse der deutschen Sprache sind ob der langjährigen Aufenthalte in Österreich plausibel, obwohl keine Beweisergebnisse für die Absolvierung von Deutschkursen oder Deutschprüfungen aktenkundig sind.

Der Geburtsname des BF ergibt sich aus seine Angaben im ersten Asylverfahren und den von ihm vorgelegten Unterlagen, z.B. der Heiratsurkunde, aus der auch hervorgeht, dass er den Familiennamen seiner Ex-Ehefrau annahm und seither trägt. Kopien aus seinem aktuell gültigen serbischen Reisepass liegen vor.

Es sind keine Anhaltspunkte für nennenswerte gesundheitliche Probleme des BF aktenkundig, sodass aufgrund seines erwerbsfähigen Alters auch von seiner Arbeitsfähigkeit auszugehen ist.

Die Feststellungen zu den Angehörigen des BF beruhen auf seinen glaubhaften Angaben dazu. Die Geburtsurkunden seiner Kinder liegen (in Kopie) vor. Der fehlende Kontakt des BF zu seinen Kindern und der Umstand, dass er derzeit keine Unterhaltszahlungen für sie tätigt, ergibt sich ebenfalls aus seiner Schilderung.

Die Beziehung zu XXXX schilderte der BF bei mehreren Einvernahmen vor dem BFA. Aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) geht hervor, dass nie ein gemeinsamer Wohnsitz bestand. Es gibt auch keine anderen stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, dass die Beziehung die Intensität einer Lebensgemeinschaft (im Sinne einer Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft) erreichte.

Der Bezug von Grundversorgungsleistungen wird anhand des Auszugs aus dem GVS-Betreuungsinformationssystem festgestellt, die Zeiten der Sozialversicherung aus dem Versicherungsdatenauszug. Mehrere Anzeigen wegen Verstößen gegen das AuslBG durch die Beschäftigung des BF sind aktenkundig. Dies steht damit im Einklang, dass ihm kein Aufenthaltstitel erteilt wurde und keine Beschäftigungsbewilligungen vorgelegt wurden.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich. Er scheint zuletzt mit März 2018 im System der österreichischen Sozialversicherung auf; dies korreliert mit den Angaben zu seinen bisherigen Tätigkeiten, der zuletzt bestandenen Beschäftigungslosigkeit und den fehlenden finanziellen Mitteln. Es gibt auch keine Hinweise auf familiäre Anknüpfungen oder weitere im Inland lebende Bezugspersonen. Der Besuch von Kursen oder Ausbildungen in Österreich ist nicht aktenkundig.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF werden durch das Strafregister belegt.

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien beruhen auf den in den angefochtenen Bescheid aufgenommenen Länderinformationen der Staatendokumentation. Aufgrund der stabilen Situation in Serbien sind diese Informationen weiterhin ausreichend aktuell, wie auch der Vergleich mit den jüngsten Berichten aus Serbien und dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zeigt. Die Feststellung, dass dort keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen herrschen, beruht auf dem Fehlen von Berichten über derartige Konflikte und der grundsätzlich stabilen Sicherheitslage.

Rechtliche Beurteilung:

Da bereits ein Antrag des BF auf internationalen Schutz rechtskräftig erledigt wurde, liegt ein Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG vor.

Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids:

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der (für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen) rechtliche Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066; VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048).

Hier kommt eine meritorische Entscheidung über den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz nicht in Betracht. Er hat zwar nicht dieselben Fluchtgründe geltend gemacht wie im vorangegangenen Asylverfahren, die neuen Fluchtvorbringen sind jedoch ohne Relevanz, weil - selbst bei Wahrunterstellung der vorgebrachten Gründe - eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz nicht in Betracht kommt. Es liegt daher keine Neuerung vor, die eine meritorische Entscheidung bedingt.

Einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0141).

Es ist nicht zu befürchten, dass dem BF wegen der von ihm dargelegten Verfolgung durch Privatpersonen, und zwar einerseits wegen der ihm angeblich im Kosovo drohenden Blutrache und andererseits wegen der angegebenen Verfolgung durch Personen in Serbien wegen seiner Weigerung, sich an deren kriminellen Machenschaften zu beteiligen, eine asylrelevante Verfolgung droht. Es sind keine Hinweise für eine Verfolgung des BF durch staatliche Stellen aktenkundig, ebensowenig dafür, dass Serbien aus Konventionsgründen iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht bereit wäre, ihm Schutz vor der behaupteten Verfolgung zu gewähren. Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat und ist in Bezug auf die vom BF angegebenen Probleme schutzfähig und -willig. Der BF hat nicht einmal behauptet, dass er sich wegen der befürchteten Verfolgung aufgrund von Blutrache bzw. durch Kriminelle, an deren Straftaten er sich nicht habe beteiligen wollen, in Serbien an die Sicherheitsbehörden gewendet hätte.

Aufgrund der befürchteten Blutrache im Kosovo könnte dem BF nur dann Asyl gewährt werden, wenn ihm aus diesem Grund auch in Serbien eine asylrelevante Verfolgung aus einem Konventionsgrund drohen würde. Dafür bietet das Verfahren jedoch keine Anhaltspunkte. In Bezug auf die in Serbien geschilderte Verfolgung aus primär kriminellen Motiven ist kein Zusammenhang mit einem Konventionsgrund erkennbar, sodass die Asylgewährung schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.

Es besteht in Serbien eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt zum Schutz vor Übergriffen wie den vom BF geschilderten bzw. befürchteten. Auch die österreichischen (oder andere westeuropäische) Sicherheitsbehörden können keinen uneingeschränkten Schutz vor Straftaten Dritter bieten. Es ist daher von einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der serbischen Behörden auszugehen, und zwar auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass die Verfolger des BF in Serbien Teil des Sicherheitsapparates sein sollen. Aus den Feststellungen zur Situation dort ergibt sich nämlich, dass Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe vorgesehen sind und auch angewendet werden. Ein Versuch des BF, bei staatlichen Stellen Schutz zu erhalten, kann daher nicht als von vornherein aussichtslos angesehen werden, sodass es die Asylgewährung hindert, dass er nicht einmal versucht hat, bei seinem Herkunftsstaat Schutz vor einer möglichen Verfolgung durch nicht staatliche Verfolger zu erhalten (siehe VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141 und 04.03.2010, 2006/20/0832).

Für dieses Ergebnis spricht nicht zuletzt, dass Serbien als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 BFA-VG iVm § 1 Z 6 HStV gilt, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist (siehe VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153). Es sind keine Gründe erkennbar, aus denen gerade dem BF der in Serbien grundsätzlich vorhandene staatliche Schutz in Bezug auf die behaupteten Verfolgungshandlungen (Blutrachefehde im Kosovo, Zwang zur Beteiligung an Straftaten in Serbien) nicht zuteilwerden sollte (vgl. VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153-0154).

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur allgemeine Lage in Serbien ist auch nicht zu erwarten, dass der gesunde und erwerbsfähige BF dort bei seiner Rückkehr in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten würde. Er hat eine mehrjährige Schulbildung und Berufserfahrung in verschiedenen Branchen, sodass er einer Erwerbstätigkeit nachgehen und so ein regelmäßiges Einkommen erzielen kann. Außerdem kann er auf die vorhandenen, wenn auch bescheidenen Sozialhilfeleistungen zurückgreifen und allenfalls auch karitative Leistungen erhalten.

Der BF hat somit keine entscheidungserheblichen Änderungen seiner persönlichen und familiären Situation oder der Lage in Serbien vorgebracht. Da somit im Lichte der anzuwendenden Rechtsvorschriften (§§ 3 und 8 AsylG) Identität der Sache mit dem in der Vorentscheidung angenommenen Sachverhalt vorliegt und keine meritorische Entscheidung zu treffen war, ist der Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz nicht als unbegründet abzuweisen, sondern gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen. Die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids sind mit dieser Maßgabe zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Eine amtswegige Prüfung, ob dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG zu erteilen ist, ist gemäß § 58 Abs 1 AsylG bei der Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG nicht vorgesehen. Eine Prüfung, ob dem BF von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu erteilen ist, ist gemäß § 58 Abs 2 AsylG nur für den Fall vorgesehen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Eine negative Entscheidung über einen Folgeantrag ist grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG stellt auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287).

Gemäß § 59 Abs 5 FPG kann bei Vorliegen einer rechtskräftigen und aufrechten Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist, die Erlassung einer wiederholten Rückkehrentscheidung unterbleiben, sofern keine neuen Tatsachen hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbots erforderlich machen (siehe VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0018).

Hier wurde gegen den BF am XXXX.02.2018 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen. Es sind jedoch (nach der Erlassung des angefochtenen Bescheids) neue Tatsachen gemäß § 53 Abs 2 und 3 FPG hervorgekommen, die die Neubemessung der Dauer des Einreiseverbots notwendig machen, zumal er am 13.06.2018 zu einer viermonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, in der Folge offenbar erneut entgegen dem bestehenden Einreiseverbot in das Bundesgebiet zurückkehrte und aktuell wieder in der Justizanstalt Wien-Josefstadt angehalten wird. Die Zurückweisung des Folgeantrags auf internationalen Schutz ist daher mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, weil die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 59 Abs 5 FPG nicht (mehr) erfüllt sind.

Das BFA hat aber keine Ermittlungen für diese Entscheidung vorgenommen, sodass die Angelegenheit insoweit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zur Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur allfälligen Neubemessung der Dauer des Einreiseverbots zurückzuverweisen ist. Eine meritorische Entscheidung durch das BVwG darüber scheidet insbesondere deshalb aus, weil im angefochtenen Bescheid keine Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls samt Einreiseverbot) getroffen wurde. Diese Entscheidung liegt somit außerhalb der "Sache" des Beschwerdeverfahrens, sodass es dem BVwG verwehrt ist, inhaltlich über die Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung und über die dann gegebenenfalls Neubemessung der Dauer des Einreiseverbots zu entscheiden (ähnlich VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146 und 29.08.2019, Ra 2018/19/0629). Die "Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nämlich jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (siehe VwGH 13.12.2018, Ra 2018/11/0200).

Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher aufzuheben und die Angelegenheit zur Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, allenfalls samt Einreiseverbot, an das BFA zurückzuverweisen. Zweckmäßigerweise wird davor der Ausgang des aktuell gegen den BF anhängigen Strafverfahrens abzuwarten sein.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist nicht zu beanstanden, zumal der BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG) und gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde (§ 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG). Anhaltspunkte dafür, dass hier konkret zu berücksichtigende private Interessen vorliegen, die das öffentliche Interesse an einer raschen Aufenthaltsbeendigung allenfalls überwiegen würden, sind nicht hervorgekommen.

Es ist nicht zu befürchten, dass der BF in seinem Herkunftsstaat in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird, zumal er dort zumindest bis 2003 lebte, sprachkundig ist, die Schule absolvierte und erwerbstätig war. Eine so unzureichende Versorgungssituation, die eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt in Serbien aktuell jedenfalls nicht vor, ebensowenig kriegerische oder sonstige bewaffnete Auseinandersetzungen, die für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würden.

Einer Verletzung von Art 8 EMRK ist durch die Rückkehr des BF nach Serbien nicht zu befürchten, zumal seine Ehe 2011 geschieden wurde, er seit mehreren Jahren keinen Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Kindern hat und die Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin in Kenntnis seines unsicheren Aufenthaltsstatus einging. Außerdem kehrte er nur wenige Wochen vor dem nunmehrigen Antrag auf internationalen Schutz freiwillig zurück. Eine entscheidungsrelevante Änderung in seinem Privat- und Familienleben nach der Erlassung des Bescheids vom 27.02.2018 ist nicht erkennbar.

Eine Verletzung der in § 18 Abs 5 BFA-VG genannten Rechte durch die Rückkehr des BF nach Serbien ist somit derzeit nicht erkennbar. In der Beschwerde werden keine konkreten Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, angegeben, sodass ihr keine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die beantragte Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Davon ist keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und das Gericht ohnedies vom Fluchtvorbringen des BF und den behaupteten privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet ausgeht.

In Bezug auf die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz sowie auf die Aufhebung und Zurückverweisung entfällt die Beschwerdeverhandlung auch gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag des BF zurückzuweisen ist bzw. schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid teilweise aufzuheben ist.

Zu Spruchteil C.:

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

In Bezug auf Spruchteil B) ist die Revision auch wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, entschiedene Sache,
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2000883.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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