TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/16 97/05/0332

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Veröffentlicht am 16.04.1998
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauO NÖ 1976 §21 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Mag. Angela Sipser in Brunn am Gebirge, vertreten durch Dr. Otto Kern und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien I, Stubenring 22, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. November 1997, Zl. RU1-V-97141/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Robert und Amalia Schneider in Brunn am Gebirge, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 12,

2. Marktgemeinde Brunn am Gebirge, vertreten durch Dr. Rudolf Beck, Rechtsanwalt in Mödling, Freiheitsplatz 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 20. Mai 1996, eingelangt bei der mitbeteiligten Marktgemeinde am 29. Mai 1996, beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues auf dem Grundstück Nr. 1361/1997, EZ 2093, KG Brunn am Gebirge. Auf dem Grundstück mit der Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Wohngebiet" soll an dem baubehördlich bewilligten Wohnhaus der beantragte Zubau die bisherige Fassade des bestehenden Wohnhauses in gerader Linie fortsetzen und in einem Abstand von 3 m zur Grundstücksgrenze des Grundstückes der Erstmitbeteiligten errichtet werden. Aus einem Wohn- und Schlafzimmer bestehend weist der Zubau nach den eingereichten Plänen ein Ausmaß von 5 m mal 8 m und der anschließende Wintergarten ein Ausmaß von 7 m mal 3 m auf. In der über das Baugesuch anberaumten Verhandlung vom 24. Juni 1996, zu der die Erstmitbeteiligten unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG als Nachbarn geladen wurden, wendeten diese im wesentlichen ein, daß der Abstand des Zubaues zu ihrem Grundstück nicht die im Einreichplan dargestellten 3 m, sondern lediglich 2,90 m betrage. Der Abstand sei nämlich nicht von der Mauer ihres bereits bestehenden Gebäudes, welches sie ca. innerhalb 10 cm ihres Grundstückes errichtet hätten, zu berechnen, sondern vom bestehenden Zaun, welcher die Grundstücksgrenze markiere und rd. 10 cm vor der Mauer stehe. Darüber hinaus würde das Bauvorhaben auch die Besonnung und Belichtung ihres Wohnhauses beeinträchtigen.

Nachdem der bautechnische Sachverständige sein Gutachten abgegeben hatte, wurde der Beschwerdeführerin unter anderem aufgetragen, bis zur Durchführung des Bauvorhabens einen Nachweis über den Verlauf der strittigen Grundgrenze zu erbringen.

Die Beschwerdeführerin legte sodann der Baubehörde ein Schreiben des D.I. H.M., Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, vom 26. Juli 1996 vor. Darin wurde mitgeteilt, daß der Sachverständige am 25. Juli 1996 die strittige Grundgrenze anhand der amtlichen Feldskizze Nr. 42 des Vermessungsamtes Mödling aus dem Jahre 1956 überprüft habe und die mit dem Meßband gemessenen Abmessungen innerhalb der üblichen cm-Abweichungen mit den Originalmaßen übereinstimmten, weshalb angenommen werden müsse, daß der bestehende Zaun seit dem Jahr 1956 die unveränderte Grenze darstelle.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 1996 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Beschwerdeführerin sodann die beantragte Baubewilligung.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Erstmitbeteiligten Berufung und führten darin aus, daß die Feststellung hinsichtlich der strittigen Grundstücksgrenze nicht nachvollziehbar sei und ihnen das Ermittlungsergebnis auch nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. In einer Berufungsverhandlung vom 3. März 1997, an der neben dem Verhandlungsleiter ein Bausachverständiger, Ing. H.W., die Beschwerdeführerin, die Erstmitbeteiligten, vertreten durch den Rechtsfreund und D.I. H.M., teilgenommen haben, führte der Sachverständige zunächst aus, daß unter Berücksichtigung einer Parapethöhe von 1,5 m und eines natürlichen Lichteinfallswinkels von 45 Grad der geplante Zubau den natürlichen Lichteinfall (auch auf dem Grundstück der Erstmitbeteiligten) nicht beeinträchtigen könne. Während dieser Verhandlung wurde im Beisein des Zivilingenieurs D.I. H.M. nach Erörterung der gegenständlichen Berufung die sichtbare Grundgrenze vermessen, und zwar in der Form, daß der Abstand zwischen der bestehenden Außenmauer zur nachbarseitigen Einfriedung gemessen wurde. Diese Vermessung hat im Bereich der straßenseitigen Baufluchtlinie einen Abstand von 3 m und im Bereich der hinteren Baufluchtlinie einen Abstand von 2,95 m ergeben. Die Erstmitbeteiligten erklärten, daß die natürliche Grenze dem tatsächlichen Grenzverlauf nicht entspreche, "sondern sich 5 bis 10 cm aus dem Grund der Berufungswerber befindet. Daher ist der Bauwich, wenn dieser bis zur natürlichen Grenze mit 3 m gemessen wird, um 5 bis 10 cm unterschritten". Das Bauvorhaben sei daher konsenswidrig. Der Sachverständige bemerkte dazu, daß sich diese vorangeführte vermutete Grenzunterschreitung auf den Altbestand beziehe. Mit dem neuen Bauvorhaben solle, wie dies der Bebauungsplan und die Bauordnung vorsehe, ein Abstand von 3 m eingehalten werden. Dazu erklärten die Erstmitbeteiligten, daß sich aus dem Bauantrag allerdings ergebe, daß der Zubau in gerader Linie die bisherige Fassade des Gebäudes der Beschwerdeführerin fortsetzen solle und schon dadurch erkennbar sei, daß der Bauwich unterschritten werde. Sie beantragten die Einholung eines Gutachtens zur Feststellung des tatsächlichen Grenzverlaufes, um die Konsenswidrigkeit des Bauvorhabens feststellen zu können.

Zu dem Beweisergebnis, wonach die Entfernung zwischen der bestehenden Außenmauer zur nachbarseitigen Einfriedung im Bereich der hinteren Baufluchtlinie 2,95 m beträgt, hat die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvertreter keine Stellungnahme abgegeben.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 15. März 1997 wurde die Berufung der Erstmitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 2. Oktober 1996 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei eine Berufungsverhandlung im Beisein eines bautechnischen Amtssachverständigen des Gebietsbauamtes Mödling sowie eines staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen durchgeführt worden. Hiebei sei nach Erörterung der gegenständlichen Berufung die sichtbare Grundgrenze vermessen worden, und zwar in der Form, daß der Abstand zwischen der bestehenden Außenmauer zur nachbarseitigen Einfriedung gemessen wurde. Diese Vermessung habe im Bereich der straßenseitigen Baufluchtlinie einen Abstand vom 3 m und im Bereich der hinteren Baufluchtlinie 2,95 m ergeben. Nunmehr solle im Anschluß an den Altbestand ein Zubau mit einem Abstand zum nachbarseitigen Nebengebäude von 3,0 m errichtet werden. Dem bautechnischen Sachverständigengutachten könne entnommen werden, daß laut Planvorlage ein Abstand zur Grundgrenze von 3 m vorgesehen sei und dies dem Bebauungsplan vollinhaltlich entspreche. Auch habe der Sachverständige festgestellt, daß der natürliche Lichteinfallswinkel unter 45 Grad nicht beeinträchtigt werde. Die Frage der Festlegung der Grundgrenzen bzw. der rechtsgültigen Feststellung derselben sei eine Frage, die nach den zivilrechtlichen Vorschriften in den Kompetenzbereich der ordentlichen Gerichte falle. Wie aber der Bestimmung des § 38 AVG 1991 entnommen werden könne, sei auch die Baubehörde berechtigt, über eine derartige Vorfrage eine Entscheidung zu treffen. Die Bestimmung sei eine Kann-Bestimmung, räume also der Behörde das Recht ein, über eine derartige Vorfrage zu entscheiden oder aber das Verfahren auszusetzen. Voraussetzung für die Aussetzung des Verfahrens sei jedoch die bestehende Anhängigkeit eines derartigen Verfahrens bei Gericht oder die gleichzeitige Anhängigmachung. Daraus ergebe sich, daß die Baubehörde im gegenständlichen Fall gar nicht die Möglichkeit hätte, das Verfahren auszusetzen, da die Sache weder gerichtsanhängig sei noch gleichzeitig gerichtsanhängig gemacht werde. Der Berufungsverhandlung sei sowohl ein Zivilingenieur für Vermessungstechnik als auch ein bautechnischer Amtssachverständiger beigezogen worden. Aufgrund bestimmter Planunterlagen habe der Zivilingenieur die Grenze in der Natur ermittelt. Diese Feststellung sei aus der Sicht der Berufungsbehörde durchaus ausreichend, über diese Vorfrage zu entscheiden. Gleichzeitig habe der Bausachverständige festgestellt, daß eine Beeinträchtigung der Belichtung nicht vorliege. Die Berufungsbehörde erachte das Gutachten des Vermessungstechnikers insoferne auch als ausreichend und schlüssig, um davon auszugehen, daß durch diesen die Grundgrenze in der Natur richtig ermittelt worden sei. Es sei darauf hinzuweisen, daß nach den Bestimmungen des AVG 1991 die Möglichkeit zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages bestehe, wenn ein Gericht in einer wesentlichen Frage anders entschieden habe als die Baubehörde bei ihrer Vorfragenbeurteilung. Der Vermessungstechniker habe sich bereits in seiner gutächtlichen Stellungnahme vom 26. Juli 1996 auf eine amtliche Feldskizze Nr. 42 aus dem Jahre 1956 gestützt. Ausgehend von dieser Grundlage sei auch die Grenze ermittelt worden. Die Anrainer hätten im Zuge ihres Rechtsmittels und auch während des Berufungsverfahrens keine schlüssigen Beweise dafür anbieten können, daß die so ermittelte Grundgrenze nicht zutreffend wäre. Daraus müsse aus der Sicht der Berufungsbehörde zusammenfassend festgestellt werden, daß der Vermessungstechniker aufgrund bestehender amtlicher Planunterlagen eine Grundgrenze habe feststellen können. Die Erstmitbeteiligten hätten diese Feststellungen in keiner Weise entkräften können, weshalb die Berufungsbehörde die Vorfrage betreffend die Grundgrenze dahingehend entscheide, daß von den Feststellungen des Vermessungstechnikers ausgegangen werde.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Erstmitbeteiligten hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. November 1997 den Bescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß die Einholung der Stellungnahme des D.I. H.M. vom 26. Juli 1996 nicht als Lösung der Vorfrage angesehen werden könne. Eine solche Stellungnahme könne nämlich nicht als ausreichend angesehen werden, um die tatsächliche Lage von Grundstücken zu ermitteln. Vielmehr komme im Falle der Strittigkeit der Grundgrenze als Lösung dieser Frage ein Gutachten eins Geometers in Betracht. Die Stellungnahme vom 26. Juli 1996 sei einem vermessungstechnischen Gutachten nicht gleichzuhalten. Vielmehr handle es sich hiebei lediglich um eine Grenzbeschreibung, zumal dieser Stellungnahme keine Detailvermessung zugrundeliege und auch vermessungstechnische Aufnahmen nicht durchgeführt worden seien. Wohl sei der Stellungnahme das letzte vorhandene Plandokument, nämlich die Feldskizze aus dem Jahre 1956, zugrundegelegt worden, die Abmessungen seien jedoch lediglich mit dem Maßband und ohne Erstellung eines Vermessungsplanes durchgeführt worden. Die Baubehörde habe die Vorfrage nach dem Grenzverlauf durch Einholung der Stellungnahme des D.I. H.M. vom 26. Juli 1996 somit nicht ausreichend geklärt, es sei ihr insofern ein Verfahrensfehler unterlaufen, bei dessen Vermeidung nicht ausgeschlossen werden könne, daß sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Weiters sei aus dem Einreichplan ersichtlich, daß der beantragte Zubau in gerader Fortsetzung der der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Erstmitbeteiligten zugewandten Außenfront des bestehenden Wohnhauses der Beschwerdeführerin errichtet werden solle; es habe die Vermessung in der Berufungsverhandlung vom 3. März 1997 ergeben, daß der straßenabseitige Abstand des Wohnhauses von der von der Baubehörde angenommenen Grenze lediglich 2,95 m betrage. Trotz dieses Umstandes sei der Gemeinderat im Berufungsbescheid jedoch davon ausgegangen, daß der Abstand des Zubaues zur Grundstücksgrenze 3 m betrage. Eine diesbezügliche Begründung hinsichtlich der Lösung dieses Widerspruches sei aus dem Berufungsbescheid jedoch nicht ersichtlich, es sei die Begründung in dieser Hinsicht mangelhaft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, die Erstmitbeteiligten sprachen sich lediglich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 24. März 1998, Zl. 98/05/0008), kommt nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu. An die die Aufhebung tragenden Gründe eines in Rechtskraft erwachsenen aufsichtsbehördlichen Bescheides sind in der Folge sowohl die Gemeindebehörden (§ 61 Abs. 5 der Nö. Gemeindeordnung 1973), die Aufsichtsbehörde als auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gebunden. Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf alle die Aufhebung eines Bescheides tragenden Gründe. Selbst für den Fall, daß die Aufhebung im Ergebnis zu Recht erfolgte, jedoch nur aus einem der von der Aufsichtsbehörde angenommenen Gründe, ist somit der jeweilige Betroffene gehalten, zur Wahrung seiner Rechte den aufsichtsbehördlichen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen.

Die Aufsichtsbehörde hat die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates auf zwei Gründe gestützt:

1. Die unzureichende Ermittlung des strittigen Grenzverlaufes.

2. Den Widerspruch zwischen dem gemessenen Abstand von 2,95 m im Bereich des Altbestandes an der hinteren Baufluchtlinie sowie der Feststellung, daß der Abstand des Zubaues, der in Fortsetzung der Fassade des Altbestandes geführt wird, zur Grundstücksgrenze 3 m beträgt.

In ihren Einwendungen anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1996 hatten die Erstmitbeteiligten ausgeführt, sie hätten ihr Gebäude innerhalb ihres Grundstückes errichtet, der bestehende Zaun markiere die Grundstücksgrenze und stehe rund 10 cm vor dieser Mauer. In der Berufungsverhandlung vom 3. März 1997 führten die Erstmitbeteiligten hingegen aus, die natürliche Grenze entspreche nicht dem tatsächlichen Grenzverlauf, sondern befinde sich 5 bis 10 cm "aus dem Grund der Berufungswerber" (= Erstmitbeteilgten). Dies ist im Zusammenhang mit ihrem weiteren Vorbringen während des Berufungsverfahrens aber so zu verstehen, daß die Erstmitbeteiligten zum Ausdruck bringen wollten, daß der tatsächliche Grenzverlauf nicht der natürlichen Grenze (Zaun) entspreche, sondern sich in einem Abstand von 5 cm bis 10 cm von diesem auf dem Grund der Erstmitbeteiligten befinde. Die Gründe für diese Annahme haben die Erstmitbeteiligten während des Verwaltungsverfahrens nicht angegeben. D.I. H.M., Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, hat in seiner Stellungnahme vom 26. Juli 1996 ausgeführt, daß er die Grenze überprüft und eine Feldskizze aus dem Jahre 1956 als Unterlage herangezogen habe. Die Maße zu den Punkten A-B-C-D-E seien mit dem Meßband gemessen worden und stimmten innerhalb der üblichen cm-Abweichungen mit den Originalmaßen überein. Es müsse daher angenommen werden, daß der entlang der Punkte E-D errichtete Zaun seit 1956 die unveränderte Grenze darstelle. Der Gemeinderat hat diese und die in der Berufungsverhandlung getroffenen Feststellungen dahingehend gewürdigt, daß der Vermessungstechniker die Grundgrenze habe feststellen können und die Anrainer (Erstmitbeteiligten) diese Feststellungen in keiner Weise entkräften konnten, weshalb die Berufungsbehörde die Vorfrage betreffend die Grundgrenze dahingehend entschied, daß sie von den Feststellungen des Vermessungstechnikers ausging. Sachverhaltsbezogen vermag der Verwaltungsgerichtshof an diesen Feststellungen betreffend den Grenzverlauf durch den Gemeinderat keine Rechtswidrigkeit zu erblicken: Der Vermessungstechniker hat anhand einer Feldskizze aus dem Jahre 1956, gestützt auf Vermessungen in der Natur ermittelt, daß der Zaun die seit 1956 bestehende Grundgrenze darstellt.

Für die Einhaltung der vorgeschriebenen Mindestabstände bedarf es keines besonderen, vom Bauwerber (Beschwerdeführer) vorzulegenden Beweises, vielmehr ist die Frage, ob ein Bauwerk von der Grundgrenze einen bestimmten Abstand einhält, im Falle der Strittigkeit der Grundgrenze im Rahmen des Bauverfahrens durch entsprechende Ermittlungen zu klären. In seinem Erkenntnis vom 3. November 1983, Zl. 83/06/0088, 0089, BauSlg. Nr. 133, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß dies durch ein Gutachten eines Geometers geschehen könne. Im Beschwerdefall ist der Gemeinderat im Rahmen seiner gegebenen Möglichkeiten diesem Erfordernis nachgekommen. Die Erstmitbeteiligten vermochten während des Verwaltungsverfahrens nicht die Unrichtigkeit der vom behördlich befugten Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vorgenommenen Feststellung darzutun. Ihr Vorbringen erschöpfte sich vielmehr darin, die Grundgrenze in Zweifel zu ziehen. Gründe dafür, weshalb nicht der seit 1956 bestehende Zaun, sondern eine 5 cm bis 10 cm neben dem Zaun auf dem Grundstück der Erstmitbeteiligten verlaufende Linie die Grenze darstellen sollte, haben die Erstmitbeteiligten während des Verwaltungsverfahrens nicht vorgebracht. Sie haben vielmehr in ihren Einwendungen im erstinstanzlichen Verfahren selbst erklärt, daß der Zaun die Grenze markiere. Unter diesen Umständen begegnet die Vorgangsweise des Gemeinderates, die Feststellungen des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen seiner Entscheidung zugrundezulegen, keinerlei Bedenken.

Dadurch, daß die belangte Behörde die Ermittlungen hinsichtlich des strittigen Grenzverlaufes auf Gemeindeebene zu Unrecht als unzureichend erachtete, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Hingegen ist der zweite Grund, den die belangte Behörde zur Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates herangezogen hat, zutreffend: In der Berufungsverhandlung wurde, auch von der Beschwerdeführerin unbestritten, festgestellt, daß der Abstand zwischen der bestehenden Außenmauer und der nachbarseitigen Einfriedung im vorderen Bereich 3 m und im Bereich der hinteren Baufluchtlinie 2,95 m beträgt. Nach dem eingereichten Plan soll der Zubau in einer Verlängerung der Fassade des Altbestandes erfolgen, was zur Folge hat, daß der Zubau zumindest 5 cm zu nahe am Grundstück der Erstmitbeteiligten situiert ist, wobei sich der erforderliche Mindestabstand, wenn man davon ausgeht, daß das Gebäude nicht parallel zur Grundstücksgrenze verläuft, noch weiter vermindert. Den eingereichten Plänen ist weder ein Zurückspringen des Zubaues gegenüber dem Altbestand noch ein Knick in der Linienführung zu entnehmen. Wie bereits ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin den Feststellungen in der Berufungsverhandlung, wonach der Abstand im Bereich der hinteren Baufluchtlinie nur 2,95 m beträgt, nicht widersprochen. Wenn nunmehr in der Beschwerde vorgebracht wird, Zäune, welcher Art immer, unterlägen durch Witterungsveränderungen aller Art kleinen Ausbuchtungen oder Einbuchtungen usw., der zuletzt festgestellte Abstand von 2,95 m sei auf eine solche Einbuchtung zurückzuführen, so stellt dieses Vorbringen eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar.

Die Gemeindebehörde hat den Umstand, daß im Bereich der hinteren Baulinie nur ein Abstand von 2,95 m gemessen wurde und der eingereichte Plan weder einen Rücksprung noch einen Knick in der Verlängerung der Fassade des Altbestandes aufweist, nicht geklärt, und damit, wie die Aufsichtsbehörde zu Recht ausgeführt hat, den Bescheid in dieser Hinsicht mit Rechtswidrigkeit belastet. Infolge Heranziehens zweier Aufhebungsgründe, von denen sich nur einer als tragfähig erwies, war der Bescheid der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, da ein Verhandlungsaufwand für eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden ist und die Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes nur einmal erfolgen kann.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050332.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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