TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/16 97/05/0245

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Veröffentlicht am 16.04.1998
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82054 Baustoff Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §2 Z5;
BauO OÖ 1994 §5 Z1;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z25;
BauTG OÖ 1994 §6 Abs1 Z3;
BauTG OÖ 1994 §6 Abs1 Z6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Anna Aloisia Hufnagl in Vöcklamarkt, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, Schloßplatz 15, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Juli 1997, Zl. BauR - 011972/1 - 1997/RU/Lg, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Vöcklamarkt, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Wolfgang Strasser, Vöcklamarkt, Dr. Scheiberstraße 5, 3. Roswitha Strasser, ebendort), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Grundstück Nr. 213/1, KG Völkermarkt, der Beschwerdeführerin umschließt von zwei Seiten (fahnenförmig) das Grundstück Nr. 213/3 der zweit- und mitbeteiligten Bauwerber, und zwar mit dem Zufahrtsteil westseitig, mit dem Hauptteil nordseitig. Das seit ungefähr 50 Jahren bestehende Wohnhaus der Bauwerber ist an diese beiden Grenzen angebaut, und zwar mit 6,83 m an der Nordseite und mit 8 m an der Westseite. Mit Ansuchen vom 10. November 1989 begehrten die Bauwerber die Baubewilligung für einen einstöckigen Zubau, der das bestehende Haus an der Nordgrenze fortsetzen und unmittelbar an der Westgrenze angebaut werden sollte. Im Erdgeschoß war eine Garage (25,71 m2) vorgesehen, im Obergeschoß ein Wohnraum mit 23,84 m2. Trotz der Grundstücksgröße von nur 181 m2 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 2. Juli 1990 die Bauplatzbewilligung; mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. September 1990 wurde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Weder die dagegen erhobene Berufung noch die in der Folge gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin war erfolgreich. Mit hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 91/05/0219, wurde jedoch der Vorstellungsbescheid der O.Ö. Landesregierung vom 10. April 1991 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Vöcklamarkt vom 28. Februar 1996 wurde den mitbeteiligten Bauwerbern der "Zubau einer Garage" auf dem Grundstück Nr. 213/3 entsprechend dem bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen Plan unter Nebenbestimmungen erteilt. Der Baubeschreibung ist zu entnehmen, daß die bewilligte Garage an der nördlichen Grundstücksgrenze an das Hauptgebäude in einer Länge von 6,30 m angebaut wird und ihre Länge an der östlichen Grundstücksgrenze 6 m beträgt. Die Nutzfläche der Garage beträgt 25,71 m2; die Gesamthöhe, gemessen von der Fußbodenoberkante der Garage, ist 3 m. Die gesamte Garage wird in Massivbauweise ausgeführt und mit einer Massivdecke abgeschlossen. Fensteröffnungen sind entlang der Nachbargrenzen nicht vorgesehen.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom 16. Juli 1996 beantragten die mitbeteiligten Bauwerber die "Überdachung der bestehenden Pkw-Garage". Aus dem dem Ansuchen beiliegenden Plan ist ersichtlich, daß die Massivdecke der mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 28. Februar 1996 bewilligten Garage durch eine Stahlbetonkonstruktion im Süden um 1,30 m verlängert werden soll. Projektsgemäß soll an der östlichen Grundstücksgrenze eine Mauer über dem bereits bewilligten Garagengebäude aufgeführt werden, sodaß eine Giebelfront mit einer Neigung von 47,5 Grad entsteht. Weiters ist die Errichtung eines Satteldaches als Wiederkehre zum Hauptgebäude mit einem Holzpfettendachstuhl und Eterniteindeckung über der bestehenden Garage mit einer Dachneigung von 47,5 Grad vorgesehen. Das Dach soll an der Südseite mit einer Gaupe ausgestattet sein. Der so entstandene 28,44 m2 große Dachraum wird plangemäß als "Dachboden" bezeichnet und ist vom bestehenden Wohnhaus im Dachgeschoß durch eine 85 cm breite Türöffnung zu erreichen.

Die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des nördlich angrenzenden Grundstückes Nr. 213/3 wendete ein, daß das Bauvorhaben durch die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 3 des O.Ö. Bautechnikgesetzes nicht gedeckt sei. Es handle sich hiebei nach der Dachgestaltung und -konstruktion um kein Schutzdach. Es sollen offensichtlich die baurechtlichen Abstandsbestimmungen in unzulässiger Weise umgangen werden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 4. Februar 1997 wurde das beantragte Bauvorhaben unter Nebenbestimmungen bewilligt. In der Begründung wurde ausgeführt, für den gegenständlichen Bereich bestehe kein Bebauungsplan. Die Traufenhöhe von 3 m über dem Erdgeschoßfußboden werde eingehalten. Der Gesetzgeber der O.Ö. Bauordnung 1994 habe offensichtlich die Möglichkeit schaffen wollen, daß Garagen an der Grundgrenze errichtet und an das Hauptgebäude angebaut werden dürften und eine dem bestehenden Gebäude gleiche bzw. ähnliche und passende Dachneigung erhalten sollten. In der Auflage Punkt 6 des Baubewilligungsbescheides sei vorgeschrieben worden, daß der errichtete Dachboden nicht für Wohn- und Aufenthaltszwecke benützt werden dürfe.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 22. April 1997 wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der

O.Ö. Landesregierung vom 22. Juli 1997 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführerin durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird. Die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 3 des O.Ö. Bautechnikgesetzes unterscheide einerseits mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und andererseits Garagen. Eine Garage müsse schon begrifflich ein Dach haben, während ein Abstellplatz entweder ein Schutzdach haben könne oder auch nicht. Aus dem im § 6 Abs. 1 Z. 3 des O.Ö. Bautechnikgesetzes enthaltenen Tatbestandsmerkmal "auch wenn sie an das Hauptgebäude angebaut sind", lasse sich ableiten, daß der Gesetzgeber den Begriff der Garage mit Nebengebäude gleichgesetzt habe. Die Frage, die sich aus der Definition des Nebengebäudes ergebe, sei, ob der Dachbodenbereich als Geschoß anzusehen sei. Ein Dachgeschoß sei aber ein Geschoß über dem obersten Vollgeschoß, das zur Gänze oder zum überwiegenden Teil Wohn-, Betriebs- oder Aufenthaltszwecken diene und als solches nach außen optisch in Erscheinung trete. Im vorliegenden Fall könne jedoch von einem Dachgeschoß keine Rede sein. Die Baubehörden seien zu Recht davon ausgegangen, daß für den bewilligten Gebäudeteil die Abstandsbestimmungen des § 5 O.Ö. Bautechnikgesetz zufolge § 6 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. nicht anzuwenden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Einhaltung der Abstandsbestimmungen des

O.Ö. Bautechnikgesetzes verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 des im Beschwerdefall anzuwendenden

O.Ö. Bautechnikgesetzes gilt, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, für die Lage und Höhe von Gebäuden:

1. Bei Neu- und Zubauten ist zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.

Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. gelten, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) nicht für:

"...

3. mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und Garagen, auch wenn sie an das Hauptgebäude angebaut sind, mit einer Nutzfläche bis zu ingesamt 50 m2 und einer den Nachbarn zugewandten Seite von bis zu 10 m Länge;

..."

Die Baubehörden und die belangte Behörde haben die Bewilligungsfähigkeit des beschwerdegegenständlichen Bauvorhabens deshalb bejaht, weil sie die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 3 Oö. Bautechnikgesetz als erfüllt angesehen haben.

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus folgenden Gründen als rechtswidrig:

Mit dem beschwerdegegenständlichen Bauvorhaben soll eine an das Hauptgebäude (Wohnhaus) angebaute Garage derart überdacht werden, daß ein "Satteldach als Wiederkehre zum Hauptgebäude" mit einem Holzpfettendachstuhl über der Garage errichtet wird. Dadurch entsteht eine einheitliche Dachkonstruktion. Der neue Dachraum kann von dem in einer Ebene liegenden, als Dachgeschoß bezeichneten Dachraum durch eine Verbindungstür betreten werden. Die Garage wird somit in bautechnischer Hinsicht in das bestehende Gebäude insoweit einbezogen und mit diesem in einen solchen Zusammenhang gebracht, daß es eine Einheit bildet (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0219). Das gegenständliche Bauvorhaben ist daher als Zubau im Sinne des § 2 Z. 5 der hier anzuwendenden O.Ö. Bauordnung 1994 anzusehen, welcher als Vergrößerung eines Gebäudes der Höhe, Länge oder Breite nach definiert wird. Die Verbindung eines Gebäudes, sei es durch eine Verbindungstüre (Zugang), sei es in Form einer baulichen Integration, wie etwa im Fall eines gemeinsamen Daches, sodaß zumindest optisch der Eindruck eines Gesamtbauwerkes entsteht, reicht für die Qualifizierung als Zubau eines Gebäudes aus (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0080).

Die hier zu beurteilende, der Baubewilligung zugrunde liegende bauliche Maßnahme kann demnach nicht der Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 3 O.Ö. Bautechnikgesetz unterstellt werden, vielmehr ist sie im Hinblick auf die damit bewirkte Verbindung mit dem Hauptgebäude als Zubau anzusehen, durch den eine Vergrößerung des Hauptgebäudes erreicht wird, für welchen aber fallbezogen die Ausnahmebestimmungen des § 6 Abs. 1 Z. 6 O.Ö. Bautechnikgesetz vorliegen müßten, um bewilligungsfähig zu sein. Ob durch den Zubau ein Dachgeschoß im Sinne des § 2 Z. 25 O.Ö. Bautechnikgesetz geschaffen wird, ist im gegenständlichen Beschwerdefall daher ohne Bedeutung. Eine Vergrößerung des bestehenden Hauptgebäudes und demnach ein Zubau desselben liegt jedenfalls vor.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050245.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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