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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Peter Mutewsky in Wien, vertreten durch
Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien I, Mölkerbastei 10, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 12. August 1994, Zl. 02/04/6, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Dkfm. Wilhelm und Margarete Stadler in Forchtenstein, Hochbergstraße 107,
2. Gemeinde Forchtenstein, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gegenständlichen Bauverfahren, in welchem es um die Errichtung einer Garage auf dem Grundstück der mitbeteiligten Bauwerber im Seitenabstand zum Grundstück des Beschwerdeführers geht, war der Verwaltungsgerichtshof schon mit Erkenntnissen vom 18. Mai 1982, Zl. 82/05/0001, sowie vom 18. Mai 1993, Zl. 92/05/0302, befaßt. Im zuletzt genannten Erkenntnis wurde der Vorstellungsbescheid der seinerzeitigen Aufsichtsbehörde, der burgenländischen Landesregierung, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich mit den Gutachten des Amtssachverständigen und des vom Beschwerdeführer beigezogenen Zivilingenieurs hinsichtlich der Situierung der Garage auseinander und gelangte zum Ergebnis, daß die Gemeindebehörden, die die Baubewilligung erteilt haben, von unschlüssigen Gutachten ausgegangen seien. Er verwies auf seine ständige Rechtsprechung, wonach bei der Ermessensübung nach § 13 Abs. 4 lit. a der Reichsgaragenordnung die Interessen betroffener Nachbarn mitzuberücksichtigen seien.
Mit Bescheid vom 15. Juli 1993 behob die burgenländische Landesregierung, der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 63 Abs. 1 VwGG folgend, den bei ihr bekämpften Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde. Es stehe fest, daß die Gemeindebehörde zweiter Instanz die als Entscheidungsgrundlage dienenden, nicht schlüssigen Gutachten nicht richtig beurteilt habe. Durch die mangelhafte Beweiswürdigung seien subjektive Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden, da für die im Gegenstandsfall zu treffende Ermessensentscheidung wesentliche Umstände unzureichend festgestellt wurden. Die fehlerhaften Gutachten der Amtssachverständigen seien durch Einholung ergänzender oder neuer gutachtlicher Äußerungen zu beseitigen.
Mit Bescheid vom 24. Februar 1994 behob der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 4. Jänner 1990 und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung, insbesondere zur Einholung von Sachverständigengutachten zwecks Begründung der Ermessensentscheidung hinsichtlich der Situierung der Kleingarage und Erlassung eines neuen Bescheides, an die Baubehörde erster Instanz zurück.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 18. Mai 1993 ausgesprochen, daß die vorliegenden Gutachten zu einer richtigen Lösung der Tatfrage ausreichend seien; er habe den Behörden des Baubewilligungsverfahrens nicht auferlegt, solange Gutachten einzuholen, bis ein solches vorliege, das die Standpunkte des Bauwerbers in einer Weise begründe, daß von einer "unrichtigen Ermessensübung" nicht mehr gesprochen werden könne. Die Baubehörde zweiter Instanz hätte diese Ermessensübung aufgrund des bisher ausreichend erhobenen Sachverhaltes selbst vornehmen können, die Einholung weiterer Gutachten sei nicht erforderlich. Die im Vorstellungsbescheid wiedergegebene Auffassung, daß fehlende Sachverhaltselemente durch ergänzende Sachverständigengutachten zu ermitteln wären, sei im Grunde richtig, enthalte aber nicht die Anordnung, den bereits ausreichend ermittelten Sachverhalt durch weitere Gutachten zu beleuchten. Dadurch, daß die Berufungsbehörde dem Beschwerdeführer die Sachentscheidung verweigert habe, sei er in seinen Rechten verletzt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Auch in Fällen des freien Ermessens müsse die sachliche Grundlage festgestellt und müssen die Erwägungen bekanntgegeben werden, die aufgrund des Sachverhaltes zur Ermessensentscheidung geführt haben, da andernfalls nicht nachvollziehbar sei, ob die Behörde vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht habe. Die Baubehörde müsse im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung die Schlüssigkeit von Sachverständigengutachten überprüfen; aufgrund der Aktenlage erachte die Vorstellungsbehörde die Schlüssigkeit nicht als gegeben. Zu Recht habe daher der Gemeinderat den Bescheid der ersten Instanz behoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz verwiesen, weil schlüssige und nachvollziehbare Gutachten hinsichtlich der Situierung der Kleingarage erst einzuholen sein würden. Dadurch sei der Beschwerdeführer nach Ansicht der Vorstellungsbehörde in keinem subjektiven Recht verletzt. Die Vorstellungsbehörde wies auch darauf hin, daß die dem Baubewilligungsverfahren beigezogenen Sachverständigen nicht immer von einem behördlich genehmigten, sondern mehrmals vom tatsächlichen Bestand ausgegangen sind und daß die Baubehörde zweiter Instanz eine unrichtige Beurteilung von vorliegenden Gutachten nicht mehr übernommen hat, sondern vielmehr Aussagen, die einem Gutachten gar nicht zu entnehmen sind, ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes infolge Verweigerung der Sachentscheidung.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Bauwerber, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Vorstellungsbehörde hat in ihrem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 15. Juli 1993 für das weitere Verfahren bindend ausgesprochen, daß die fehlerhaften Gutachten der Amtssachverständigen durch Einholung ergänzender oder neuer gutachtlicher Äußerungen zu beseitigen seien. Die Berufungsbehörde sah sich dadurch veranlaßt, mit einer Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.
Diese Bestimmung lautet:
"Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen."
Entscheidende Voraussetzung, ob die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 2 AVG vorgehen darf, ist somit, ob die Durchführung einer Verhandlung unerläßlich ist. Die Rückverweisung des Verfahrens in ein von der unteren Instanz zu besorgendes Stadium soll nämlich nur ausnahmsweise möglich sein; sind Ergänzungen des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens notwendig, so hat die Berufungsbehörde die Frage zu prüfen, ob der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig am gleichen Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen, oder ob sich zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein einfacherer Weg darbietet (siehe die Nachweise bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E. 355 ff zu § 66 AVG). Wegen bloßer Begründungsmängel ist eine Zurückverweisung nicht zulässig, auch nicht, wenn eine Ergänzung des Verfahrens durch Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen erforderlich ist (Walter-Thienel, a.a.O., E. 375). Jedenfalls muß die Berufungsbehörde darlegen, aus welchen Gründen eine mündliche Verhandlung nötig ist (Walter-Thienel, a.a.O., E. 383). Hat die Behörde in der Begründung eines Berufungsbescheides jegliche Begründung dafür vermissen lassen, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht im Zuge des Berufungsverfahrens sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde in erster Instanz vorgenommen werden kann, so hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet (Walter-Thienel, a.a.O, E. 385).
Im vorliegenden Fall wurde im aufhebenden Bescheid der Vorstellungsbehörde nur die Einholung ergänzender oder neuer gutachtlicher Äußerungen aufgetragen, aber nicht ausgeführt, daß dafür die Abhaltung einer neuerlichen Verhandlung erforderlich sei. Im Berufungsbescheid vom 24. Februar 1994 wurde mit keinem Wort begründet, warum mit einer Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG vorgegangen wurde, und insbesondere nicht ausgeführt, wofür eine neuerliche Verhandlung erforderlich wäre. Weder der hier zu beurteilende Vorstellungsbescheid noch die Gegenschrift lassen die Auffassung der Vorstellungsbehörde erkennen, daß sie eine Verhandlung für erforderlich halte.
Sache der Vorstellungsbehörde wäre es gewesen, die mangelhafte Begründung des Berufungsbescheides, aus der nicht erkennbar ist, warum von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Sachentscheidung abgegangen wurde, wahrzunehmen und diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Da sie die Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides nicht erkannte, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Für die von der Berufungsbehörde letztlich zu fällende Sachentscheidung ist darauf hinzuweisen, daß das Burgenländische Baugesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1998, mit 1. Februar 1998 in Kraft getreten ist und keine über § 35 Abs. 3 dieses Gesetzes hinausgehenden Übergangsbestimmungen für anhängige Verfahren enthält. Insbesondere ist gemäß § 35 Abs. 2 leg. cit. die Reichsgaragenordnung außer Kraft getreten.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. In Anbetracht der durch Gesetz und Judikatur eindeutig geklärten Rechtslage konnte die Entscheidung durch einen gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994 (im Umfang des gestellten Begehrens).
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994050270.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
17.07.2009