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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §299Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 3/6/7/11/15
Schwechat Gerasdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. November 2016, Zl. RV/7102536/2014, betreffend u.a. Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2011 (mitbeteiligte Partei:
G in W, vertreten durch die Sachwalterin Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Dr. Josef Weller, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1150 Wien, Mariahilferstraße 140), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2011) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Abweisung ihres Antrags auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2011 nach § 299 BAO Folge und hob den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 auf. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig. 2 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 sei am 6. September 2013 wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege erlassen worden. Eine weitere Begründung zum vorgenommenen Schätzungsverfahren sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Auch sei diesbezüglich keine "händische Begründung" vom Finanzamt ausgefertigt worden.
3 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 23.4.2014, 2010/13/0016; 25.3.2004, 2002/16/0290) unterlägen auch Schätzungsergebnisse der Begründungspflicht. Die Begründung habe die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen. Die Begründung müsse in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag finde, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar sei.
4 Da es dem bekämpften Einkommensteuerbescheid an allen vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Begründungskriterien für die erfolgte Schätzung mangle, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. 5 Zu der zwischen der Mitbeteiligten und dem Finanzamt strittigen Frage, ob die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen im Ergebnis richtig oder falsch gewesen sei, nahm das Bundesfinanzgericht nicht Stellung.
6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht hätte die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2011 gemäß § 299 BAO nicht allein aus dem Grund für zulässig erachten dürfen, dass diesem eine vollständige Begründung fehle. Eine Aufhebung nach § 299 BAO sei nur zulässig, wenn sich der Spruch des aufzuhebenden Bescheids als rechtswidrig erweise. Eine mangelhafte Begründung mache einen Bescheid jedoch noch nicht rechtswidrig, sofern er mit der objektiven Rechtslage übereinstimme (Verweis auf VwGH 10.10.2011, 2011/17/0232). Begründungsmängel im Abgabenverfahren könnten vielmehr im Rechtsmittelverfahren behoben werden.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat (nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte) erwogen:
8 Die Revision ist zulässig und begründet.
9 § 299 BAO idF des Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes 2 012 - FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, lautet:
"(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a)
Die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b)
die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit
stützt.
(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat."
10 Das Bundesfinanzgericht hat der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Abweisung ihres Antrags nach § 299 BAO Folge gegeben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 aufgehoben, weil dieser keine Begründung des Schätzungsergebnisses enthalten habe.
11 Die Aufhebung eines Bescheids nach § 299 BAO setzt jedoch voraus, dass der Spruch des Bescheids nicht dem Gesetz entspricht, somit dass der Inhalt des Bescheids nicht richtig ist (vgl. VwGH 17.12.2014, 2011/13/0099, VwSlg 8966/F; VwGH 30.6.2015, 2013/17/0009; Ritz, BAO6 § 299 Tz 10).
12 Eine unzureichende Begründung des Bescheids oder allfällige andere Mängel in dem Verfahren, das zur Erlassung des Bescheids geführt hat, stellen für sich allein noch keinen Grund für eine Aufhebung des Bescheids nach § 299 BAO dar. Eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO lediglich wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften ist nicht zulässig (vgl. in diesem Sinne Ritz, BAO6 § 299 Tz 9; Langheinrich/Ryda, FJ 2009, 387 (388)). 13 Da das Bundesfinanzgericht die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheids nach § 299 BAO ausschließlich auf die fehlerhafte Bescheidbegründung und somit auf keinen tauglichen (von der Mitbeteiligten geltend gemachten) Aufhebungsgrund gestützt hat, war das angefochtene Erkenntnis im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 7. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017130009.L00Im RIS seit
09.06.2020Zuletzt aktualisiert am
09.06.2020