TE Vwgh Beschluss 2020/4/9 Ra 2020/13/0011

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §280 Abs1 lite
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §4
VwGG §25a
VwGG §42 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der K KG in W, vertreten durch die APP Steuerberatung GmbH in 1010 Wien, Schenkenstraße 4/6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. Dezember 2019, Zl. RV/7106159/2016, betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2011 bis 2013, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 11. September 2015 wurde u.a. ausgeführt, die Revisionswerberin sei seit 2004 als Handelsvertreter für ein deutsches Unternehmen (F GmbH) tätig. Die F GmbH produziere und vertreibe orthopädische Fußeinlagen, für welche in Österreich durch die Revisionswerberin Kunden akquiriert würden. Die Revisionswerberin werde im Namen und auf Rechnung der F GmbH tätig und erhalte Provisionserlöse in Höhe von 38% (im Prüfungszeitraum nur mehr 34%). Für die zur Verfügung gestellten Werbematerialien müsse die Revisionswerberin jedoch monatlich Werbekostenbeiträge zahlen. Bei den Vertragsabschlüssen in Österreich nehme G (der Komplementär der Revisionswerberin) Anzahlungen der Kunden entgegen, welche dann mit den tatsächlich zustehenden Provisionen gegengerechnet würden. Nach dem Vertrag seien die Anzahlungen "sofort nach korrekter Berechnung der Provisionen vom Empfänger zurückzuzahlen". Da die Anzahlungen jedoch regelmäßig höher seien als die zustehenden Provisionen (ergänze: und die im Vertrag vorgesehenen Zahlungen nicht vorgenommen würden), erhöhe sich die Verbindlichkeit gegenüber der F GmbH laufend. Mit 31. Dezember 2013 bestehe ein offener Saldo von rund 297.000 EUR. Der offene Schuldenstand habe sich damit von Anfang 2011 bis Ende 2013 fast verdoppelt. Da die Gesellschafter der Revisionswerberin bereits das Pensionsalter erreicht hätten, scheine eine Rückführung dieses Betrages nahezu ausgeschlossen. Die Revisionswerberin ermittle den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988; die Geschäftsfälle mit der F GmbH würden jedoch "im Sinne eines Bilanzierers" verbucht werden. Von der Betriebsprüfung würden die Erträge und Aufwendungen nunmehr dahin korrigiert, dass die nicht weitergeleiteten Anzahlungen als Einnahmen angesetzt würden und nur die tatsächlich nach Deutschland bezahlten Beträge als Ausgaben anerkannt würden. Damit ergebe sich für die Jahre 2011 bis 2013 jeweils ein Gewinn.

2 Mit Bescheiden vom 21. September 2015 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2011 bis 2013 gemäß § 303 BAO wieder auf und stellte die Einkünfte der Revisionswerberin gemäß § 188 BAO für diese Jahre fest. Begründend verwies das Finanzamt auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde.

4 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 22. September 2016 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Die Revisionswerberin beantragte, die Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2011 bis 2013 als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die von der Revisionswerberin von den Kunden übernommenen Anzahlungen seien im Namen und auf Rechnung der F GmbH entgegengenommen worden; dabei handle es sich grundsätzlich um durchlaufende Posten, die gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 aus der Überschussermittlung auszuscheiden wären. Stehe aber fest, dass die Durchleitung nicht mehr realisiert werde, lägen Betriebsausgaben bzw. Betriebseinnahmen vor. Zu prüfen sei in diesem Zusammenhang die Bonität der Revisionswerberin. Die Revisionswerberin verfüge nicht über maßgebliches Vermögen oder erkennbare stille Reserven. Der von der Revisionswerberin erwähnte Umstand, dass ihr bei Beendigung der Tätigkeit ein Ausgleichsanspruch gemäß § 24 HVertrG in Höhe einer Jahresentschädigung zustehe, sei hinsichtlich der behaupteten Höhe in Zweifel zu ziehen. Der Komplementär der Revisionswerberin verfüge über keine privaten Vermögenswerte. Seit 2015 beziehe er Pensionszahlungen. Daneben habe er auf an ihn ausbezahlte Taggelder aus zwei von ihm abgeschlossenen Krankenversicherungen zurückgreifen können. Die Revisionswerberin habe in zwei der drei zu beurteilenden Jahre einen Verlust erzielt. Der Schuldenstand gegenüber der F GmbH habe sich auch im Jahr des erklärten Gewinnes erhöht. Es sei als erwiesen anzunehmen, dass der eklatante Zuwachs des Schuldenstandes nicht rückzahlbar sei, was auch in den geringen Tilgungszahlungen der Folgejahre zum Ausdruck gekommen sei. Selbst wenn man von einem Rückzahlungswillen ausginge, sei dieser ohne gleichzeitige Möglichkeit zur Bedeckung der Schuld nicht ausreichend.

8 Ein Kontokorrentverhältnis zwischen der Revisionswerberin und der F GmbH sei schon mangels regelmäßiger Saldofeststellungen nicht zustande gekommen; eine Hemmung der Verjährung sei daher nicht vorgelegen.

9 Die Annahme eines fremdunüblichen Verhaltens zwischen den Vertragsparteien werde zwar durch den vorliegenden Sachverhalt gestützt (fehlende Vereinbarungen zu Kreditrahmen, Laufzeit und Zinsen des behaupteten Kontokorrentkredites); dem komme aber angesichts der festgestellten mangelnden Rückzahlungsmöglichkeit der Verbindlichkeit der Revisionswerberin keine weitergehende Bedeutung zu.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, die vorliegende Entscheidung erfülle nicht die Anforderungen an die Begründung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes.

15 Ein relevanter Begründungsmangel bewirkt die Zulässigkeit der Revision und führt zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (vgl. VwGH 27.7.2016, Ra 2015/13/0051, mwN). Es trifft zwar zu, dass das angefochtene Erkenntnis keine formal getrennten Elemente betreffend Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung enthält. Zur Aufhebung führt dieser Mangel aber nur dann, wenn dadurch die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. etwa VwGH 27.7.2016, Ra 2015/13/0043, mwN). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Das Bundesfinanzgericht hat Feststellungen zum Sachverhalt (insbesondere zur mangelnden Rückzahlungsmöglichkeit bezüglich der Verbindlichkeit gegenüber der F GmbH) getroffen und hiezu auch angegeben, worauf sich diese Feststellungen stützen. Dass diese Feststellungen mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln belastet wären, wird in der Revision nicht dargelegt. 16 Die Revision macht sodann geltend, der vorliegende Fall stelle für die Anwendung des § 23 Abs. 3 BAO ein Paradebeispiel dar, in dem zwei Vertragsparteien das Vereinbarte tatsächlich lebten und weiterhin bestehen ließen, egal ob es den "Formalanforderungen des OGH" entspreche oder nicht. 17 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Bundesfinanzgericht tragend nicht auf "Formalanforderungen" gestützt hat, sondern darauf, dass keine Rückzahlungsmöglichkeit hinsichtlich der offenen Verbindlichkeit bestehe. Von der in der Revision angesprochenen Rechtsfrage hängt sohin die Revision nicht iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG ab.

18 Wenn die Revisionswerberin im Zulässigkeitsvorbringen sodann ausführt, weder die Hingabe noch der Empfang noch die Rückzahlung eines Kredites stellten - als bloße Vermögensumschichtungen - Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben dar, so ist dies an sich zutreffend (vgl. VwGH 1.7.1992, 91/13/0084, VwSlg. 6688/F; 22.4.1998, 95/13/0148). Anderes gilt aber dann, wenn eine Rückzahlung mangels vorhandener Mittel nicht möglich ist (vgl. VwGH 14.11.1990, 90/13/0104, VwSlg. 6549/F; vgl. auch etwa VwGH 28.4.2009, 2004/13/0059, VwSlg. 8440/F). 19 Schließlich macht die Revision geltend, im Zweifel gelte für die Erbringung von Dienstleistungen immer ein angemessenes Entgelt als bedungen (§ 1152 ABGB; § 354 UGB). Der vom Bundesfinanzgericht fälschlicherweise festgestellte fehlende Interessengegensatz stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

20 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht - wie auch das Finanzamt - von einander an sich fremd gegenüber stehenden Parteien ausgeht. Eine Unentgeltlichkeit von Leistungen wird dabei nicht angenommen. 21 Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision (§ 28 Abs. 3 VwGG) werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130011.L00

Im RIS seit

09.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten