TE Dsk BescheidWissenschaftStatistikArchiv 2020/1/21 2020-0.013.649

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2020
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Norm

DSG §7
DSG §7 Abs2 Z3
DSG §7 Abs3
DSG §7 Abs3 Z1
DSG §7 Abs3 Z3
DSG §7 Abs4
DSG §69 Abs6
AVG §78
BVwAbgV §1 Abs1
BVwAbgV §3 Abs1
BVwAbgV TP1
DSGVO Art4 Z1
DSGVO Art4 Z23 litb
DSGVO Art6 Abs2
DSGVO Art55 Abs1
DSGVO Art89 Abs2

Text

GZ: 2020-0.013.649 vom 21.1.2020 (Verfahrenszahl: DSB-D202.235)

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

S P R U C H

Die Datenschutzbehörde entscheidet über den Antrag des N*** Forschungsinstituts (Antragsteller) vom 24. Juli 2019 auf Erteilung der Genehmigung gemäß § 7 Abs. 3 DSG wie folgt:

1. Dem Antragsteller wird die Genehmigung erteilt, zum Zweck der Erarbeitung von Testdaten für Algorithmen im Bereich des (teil)autonomen Fahrens personenbezogene Daten im Zuge von Bildaufnahmen an öffentlichen Orten innerhalb Österreichs aus Sicht des Fahrers von Straßen- bzw. Schienenfahrzeugen zu ermitteln und zu verarbeiten.

2. Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen bei der in Spruchpunkt 1 genehmigten Verarbeitung werden folgende Auflagen erteilt:

a. die die Aufnahmen durchführenden Fahrzeuge sind derart zu kennzeichnen, dass die Identität des Antragstellers offengelegt wird und Betroffene darauf hingewiesen werden, wo sie Informationen gemäß Art. 13 DSGVO erhalten;

b. der Zugang zu den Bildaufnahmen mit personenbezogenen Daten ist durch den Antragsteller in geeigneter Weise entsprechend Art. 32 Abs. 1 DSGVO abzusichern, z.B. durch Verschluss (bei Aufzeichnungen auf Papier) oder durch Passwort (bei elektronischen Aufzeichnungen);

c. die Einsicht in die und die Auswertung der Bildaufnahmen darf nur durch bestimmte, geschulte, über § 6 DSG aufgeklärte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Antragstellers bzw. dessen Auftragsverarbeiter erfolgen, deren Verlässlichkeit im Umgang mit Daten entsprechend § 6 Abs. 3 DSG gewährleistet ist;

d. eine Veröffentlichung der Bilddaten darf nur in anonymisierter Form erfolgen;

e. eine Übermittlung von Bilddaten im Rahmen von Kooperationen darf nur an wissenschaftliche Einrichtungen, welche ebenfalls an der Entwicklung sicherer Algorithmen zum (teil)autonomen Fahren forschen oder die dies glaubhaft zusichern, ausschließlich zu Forschungszwecken in diesem Bereich erfolgen. Es dürfen dabei nur solche Bilddaten übermittelt werden, bei denen Interessen erkennbarer Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, den Interessen der Antragsteller bzw. anderer wissenschaftlicher Einrichtungen, sichere Algorithmen zum (teil)autonomen Fahren zu entwickeln, nicht überwiegen. An wissenschaftliche Einrichtungen in Drittländern ohne angemessenes Datenschutzniveau dürfen Bilddaten nur dann übermittelt werden, wenn Standardvertragsklauseln im Sinne von Art. 46 Abs. 2 lit. c DSGVO abgeschlossen werden.

3. Der Antrag auf Genehmigung, personenbezogene Daten im Zuge von Bildaufnahmen an öffentlichen Orten innerhalb der Europäischen Union mit Ausnahme von Österreich aus Sicht des Fahrers von Straßen- bzw. Schienenfahrzeugen zu ermitteln, wird zurückgewiesen.

4. Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), hat die Antragsteller eine Verwaltungsabgabe in Höhe von Euro 6,50 zu entrichten.

Rechtsgrundlagen: § 7 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; Art. 13, Art. 25, Art. 55 und Art. 89 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO), ABl. Nr. L 119 S. 1; sowie § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 (BVwAbgV), BGBl. Nr. 24 idgF.

B E G R Ü N D U N G

A. Vorbringen des Antragstellers

Der Antragsteller stellte mit Eingabe vom 24. Juli 2019 einen Antrag auf Genehmigung gemäß § 7 Abs. 3 DSG und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass er als außeruniversitäre Forschungseinrichtung Algorithmen im Bereich des autonomen Fahrens erforsche.

Aktuell würden ForscherInnen des Antragstellers zur Steigerung der Verkehrssicherheit dahingehend forschen, dass das korrekte Interpretieren von Bilddaten durch Algorithmen sichergestellt werde. Die große Herausforderung bestehe dabei darin, Bilddaten verlässlich zu analysieren und zu kategorisieren, um in weiterer Folge ein „maschinelles Szenenverständnis“ zu errechnen, dass es (teil)autonomen Fahrzeugen ermögliche, weitere Fahrmanöver zu planen. Algorithmen in (teil)autonomen Fahrzeugen müssen - so der Antragsteller weiter - in der Lage sein, Straßen, Menschen, Straßenschilder, Ampeln, Bäume, Fahrradfahrer etc. zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Würden Algorithmen nämlich zBsp Menschen für Straßen halten, hätte dies katastrophale Auswirkungen. Um zu überprüfen, ob Algorithmen Objekte zuverlässig erkennen und klassifizieren, würden Bildaufnahmen (Standbilder) zuerst von Menschen manuell klassifiziert. Ziel der Klassifikation sei es, eine „Kopie“ der Bildaufnahme anzufertigen, in der Objekte (farblich codiert) von Menschen erkannt wurden. Diese „Kopie“ der Bildaufnahme würde auch als „Ground Truth“ bezeichnet werden. Mittels dieser validen Testdaten können verschiedene Algorithmen anschließend daraufhin überprüft werden, ob diese Objekte in gleicher Qualität erkennen können wie Menschen. Um sicherzustellen, dass Algorithmen in sämtlichen sich im Verkehrsalltag ergebenden Situationen korrekt funktionieren, sei es erforderlich, dass ForscherInnen mit entsprechend vielen unterschiedlichen Bildaufnahmen arbeiten können. Aus diesem Grund ermittle der Antragsteller bereits mit handelsüblichen PKW gezielt Bildaufnahmen (Filmaufnahmen) an öffentlichen Orten in Österreich aus Sicht des Fahrers. Aus den Filmaufnahmen würden anschließend Standbilder ausgewählt und klassifiziert, die sich am besten zur Überprüfung von Algorithmen eignen. Dabei werde besonderes Augenmerk daraufgelegt, das Verkehrsgeschehen möglichst repräsentativ abzubilden bzw. speziell Aufnahmen auszuwählen, von denen bekannt sei, dass diese eine Herausforderung für Algorithmen darstellen (z.B. nasse Fahrbahn, Dunkelheit, tiefer Sonnenstand etc.). Im Zusammenhang mit einer möglichst repräsentativen Abbildung des Verkehrsgeschehens sei als nächster Schritt geplant, Filmaufnahmen in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzufertigen. Dies deshalb, weil sich das Verkehrsgeschehen in anderen Mitgliedstaaten von jenem in Österreich unterscheide. So würden in anderen Mitgliedstaaten abweichende bzw. andere Verkehrsschilder verwendet, sei die Zusammensetzung von Verkehrsteilnehmern unterschiedlich (z.B. höherer Anteil an Fahrrad- oder Motorradfahren) oder gebe es andere geografische Voraussetzungen (z.B. Küstenstraßen). Mittels Aufkleber auf den Fahrzeugen sollen Personen in deutscher und englischer Sprache über den Antragsteller als für die Verarbeitung Verantwortlichen und den Zweck der Aufnahmen informiert werden. Über einen auf den Aufklebern ersichtlichen Link sollen Personen auf eine englischsprachige Webseite des Antragstellers aufmerksam gemacht werden, auf der sie weitere Informationen über die Datenverarbeitung und die Forschungsaktivitäten zur Steigerung der Verkehrssicherheit iZm mit (teil)autonomen Fahrzeugen erhalten können. Geplante Fahrten zur Aufzeichnung von Bildmaterial würden vorab auf dieser Webseite angekündigt werden. Da geplant sei, Bildaufzeichnungen im öffentlichen Straßen- und Schienenverkehr anzufertigen, sei es unvermeidbar auch personenbezogene Daten zu ermitteln. Insbesondere könne nicht ausgeschlossen werden, dass z.B. Bilddaten von Fußgängern beim Überqueren der Straße ermittelt werden. Die Identität von Verkehrsteilnehmern sei für den Antragsteller nicht von Bedeutung. Die Tatsache, dass Personen auf Standbildern erkennbar seien, sei hingegen von essenzieller Bedeutung. Schließlich müsse sichergestellt werden, dass Algorithmen in (teil)autonomen Fahrzeugen Personen einwandfrei als solche identifizieren können. In keinem Fall erfolge jedoch der Versuch einer Identifizierung anderer Verkehrsteilnehmer. Das Ermitteln geeigneter Bildaufnahmen - insbesondere aber das anschließende Klassifizieren der Bilder - sei ein extrem zeitaufwändiger Prozess. Seien Bilder aber einmal von Menschen klassifiziert worden, würden diese zur Überprüfung beliebig vieler Algorithmen als Referenzmaterial genutzt werden können. Durch die mehrfache und langfristige Verwendung des Referenzmaterials solle eine stetige Weiterentwicklung auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens und insbesondere der damit verbundenen Verkehrssicherheit gewährleistet werden, wie sie auch vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (nachfolgend kurz „BMVIT“) angestrebt werde. Um die Forschung im Bereich der Verkehrssicherheit zu beschleunigen, plane der Antragsteller daher, ausgewählte Bildaufnahmen und deren Klassifizierung auch anderen wissenschaftliche Einrichtungen weltweit zu Forschungszwecken in diesem Bereich zur Verfügung zu stellen. Das Übermitteln bloß anonymer Bildaufnahmen (etwa durch das Unkenntlich machen von Gesichtern) sei nicht möglich. Dies würde nämlich dazu führen, dass die zu prüfenden bzw. entwickelnden Algorithmen Personen nicht zuverlässig erkennen können. Schließlich würden den Algorithmen Personen in diesem Fall nur mit unkenntlichem Gesicht bekannt sein. Anderen wissenschaftlichen Einrichtungen würden aber nur solche Bildaufnahmen zur Verfügung gestellt werden, bei denen Interessen erkennbarer Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, den Interessen des Antragstellers bzw. anderer wissenschaftlicher Einrichtungen, sichere Algorithmen zum (teli)autonomen Fahren zu entwickeln, nicht überwiegen.

Bildaufnahmen und korrespondierende Klassifizierungen wolle der Antragsteller nur an wissenschaftliche Einrichtungen übermitteln, von denen bekannt sei, dass diese ebenfalls an Algorithmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit forschen (etwa aufgrund einschlägiger wissenschaftlicher Publikationen) oder die dies glaubhaft zusichern würden. Weiters würden Bilddaten nur dann übermittelt werden, wenn zugesichert werde, dass diese ausschließlich für Forschungszwecke verarbeitet und keinesfalls personenbezogene Bilddaten veröffentlicht werden.

An wissenschaftliche Einrichtungen in Drittländern ohne angemessenes Datenschutzniveau würden Bilddaten nur dann übermittelt werden, wenn die Empfänger mit dem Antragsteller Standarddatenschutzklauseln abschließen. Das Übermitteln personenbezogener Bilddaten samt Klassifikation an andere Empfänger außer wissenschaftlichen Einrichtungen sei nicht beabsichtigt.

Die geplante Verarbeitung solle ausschließlich im Rahmen der Tätigkeiten des Antragstellers in Österreich erfolgen. Bildmaterial solle aber auch im öffentlichen Straßen- und Schienenverkehr in allen Mitgliedstaaten ermittelt werden. Der Antragsteller könne dabei nicht vorhersehen, welche bzw. wie viele Personen von der geplanten Verarbeitung betroffen sein werden. Unter Verweis auf die „Leitlinien für die Bestimmung der federführenden Aufsichtsbehörde eines Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters“ der Artikel-29-Datenschutzgruppe führte der Antragsteller aus, dass die geplante Verarbeitung:

- keine Schäden, Verluste oder Notlagen für Einzelpersonen nach sich ziehen könne,

- keine Rechte einschränken oder zunichtemachen werde,

- die Gesundheit, das Wohlergeben oder den Seelenfrieden von Einzelpersonen nicht beeinträchtige,

- keine finanziellen oder wirtschaftlichen Nachteile für Einzelpersonen berge,

- nicht geeignet sei, Einzelpersonen zu diskriminieren oder einer ungerechten Behandlung auszusetzen,

- keine Analyse besonderer Kategorien personenbezogener Daten beinhalte,

- keine unwahrscheinlichen, unvorhersehbaren oder unerwünschten Folgen für Einzelpersonen mit sich bringe und

- auch keine Verarbeitung einer breiten Palette personenbezogener Daten umfasse.

Ebenfalls unter Verweis auf die genannten Leitlinien führte der Antragsteller aber aus, dass durch die geplante Verarbeitungstätigkeit

- personenbezogene Daten einer unbeschränkten Anzahl von Verkehrsteilnehmern verarbeitet,

- möglicherweise auch personenbezogene Daten von Kindern erfasst und

- unter Umständen peinliche oder sonstige negative Erkenntnisse über Einzelpersonen zutage gefördert würden (z.B., dass eine Person eine Straße auf eine unzulässige Art und Weise kreuzt oder einen sonstigen Verstoß gegen Verkehrsregeln begehe).

Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Verarbeitungstätigkeit geeignet sei, Einzelpersonen zu veranlassen, ihr Verhalten erheblich zu verändern. Dies insbesondere auch deshalb, weil Verkehrsteilnehmer momentan vernünftigerweise nicht damit rechnen müssen, dass ihre personenbezogenen Daten etwa mithilfe von einer in einem Kfz angebrachten Kamera gespeichert werden. Da aber keine Versuche unternommen würden, Einzelpersonen zu identifizieren und eine Identifikation nur mit Mitteln möglich wäre, die nach allgemeinem Ermessen nicht eingesetzt werden, sei letztlich fraglich, ob die geplante Verarbeitung erhebliche Auswirkungen auf betroffene Personen in mehr als einem Mitgliedstaat habe und daher eine grenzüberschreitende Verarbeitung vorliege.

Zur Unmöglichkeit der Einwilligungseinholung führte der Antragsteller zusammengefasst aus, die Einholung der Zustimmung von Personen, die sich zufällig durch den Aufnahmebereich der Kameras bewegen würden, könne nicht erfolgen ohne einen hohen Aufwand zu treiben und einen Verarbeitungsvorgang, nämlich die einen direkten Personenbezug herstellende Identifizierung, vorzunehmen. Dieses Vorgehen sei zur Erreichung des wissenschaftlichen Forschungszweckes jedoch gar nicht erforderlich oder beabsichtigt. Die Einholung der Zustimmung würde deshalb nicht nur einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, sondern zumindest dem Schutzzweck der §§ 1 Abs. 1 und 7 DSG zuwiderlaufen.

Das öffentliche Interesse begründete der Antragsteller damit, dass Algorithmen für (teil)autonomes Fahren validiert würden, um diese verlässlicher und somit sicherer zu machen. Dies sei eine essentielle Grundvoraussetzung, um sicheres (teil)autonomes Fahren zu realisieren und Unfälle zu vermeiden. Der Antragsteller gehe daher vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses aus.

Zur fachlichen Eignung wurde ausgeführt, dass die Datenermittlung ausschließlich durch bestimmte, geschulte, über das Datengeheimnis aufgeklärte Mitarbeiter durchgeführt werde. Die Auswertung der Bilddaten werde nur durch MitarbeiterInnen, die im Bereich der Analyse von Bilddaten bzw. der Entwicklung von validen Testdaten für Algorithmen forschen, erfolgen.

Soweit für die Klassifizierung von Bilddaten die Mithilfe von Auftragsverarbeitern notwendig sei, würden nur solche herangezogen, die die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen sicherstellen könnten. Weiters würden Auftragsverarbeiter und die von diesen eingesetzten Personen, vertraglich zur vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten verpflichtet. Darüber hinaus müssten potenzielle Auftragsverarbeiter des Antragstellers auch nachweisen, dass sie geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten ergriffen hätten.

Die Erklärung eines Verfügungsbefugten nach § 7 Abs. 4 DSG sei nicht erforderlich, da die für die Forschungszwecke erforderlichen Daten durch die Antragsteller selbst ermittelt würden.

B. Sachverhaltsfeststellungen

Die Datenschutzbehörde legt den oben unter A. festgehaltenen, aktenmäßig dokumentierten Sachverhalt ihrer Entscheidung zu Grunde.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Zur Ermittlung und Verarbeitung von Bilddaten in Österreich gemäß Spruchpunkt 1.:

Allgemein

§ 7 DSG normiert die Datenverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder statistische Zwecke. Auch Bilddaten sind (bestimmbare) personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Z 1 DSGVO. Gleichzeitig liegt mit diesen Bilddaten aber keine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten iSd Art. 9 DSGVO vor (vgl. etwa DSB vom 7. Juni 2018, GZ: DSB-D202.207/0001-DSB/2018, mwN).

Die Ermittlung und Auswertung von Bilddaten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung unterliegen der Sondervorschrift des § 7 DSG. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Datenverwendung nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzbehörde gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 DSG erfolgen kann.

Voraussetzungen der Genehmigung nach § 7 Abs. 3 DSG

Die Verwendung personenbezogener Daten für wissenschaftliche Zwecke ist gemäß § 7 Abs. 3 DSG dann zulässig, wenn eine Genehmigung der Datenschutzbehörde hierfür vorliegt, wobei gemäß Abs. 3 leg. cit. die dort genannten Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung gegeben sein müssen.

§ 7 Abs. 3 Z 1 DSG ist u.a. dann erfüllt, wenn die Größe des Kreises von betroffenen Personen die Unverhältnismäßigkeit der Ausforschung nach sich zieht (siehe dazu Gantschacher†/Spanberger in Gantschacher†/Jelinek/Schmidl/Spanberger, Kommentar zum Datenschutzgesetz [2018], § 7 Anm. 10). Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes der Einholung von Einwilligungen betroffener Personen sind dabei Zeit- und Kostenfaktoren heranzuziehen (vgl. etwa Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger, DSG Kommentar, § 7, Anm. 14).

Bei den Betroffenen handelt es sich um einen Personenkreis, deren gegenwärtige Adresse für die Antragsteller gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln wäre, da diese erst im Nachhinein identifiziert und kontaktiert werden könnten. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Einholung einer Zustimmung daher teils unmöglich, teils bestenfalls mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre, sodass die Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 DSG gegeben sind.

Der Antragsteller hat das öffentliche Interesse (das Verbessern von Algorithmen, um (teil)autonomes Fahren zu realisieren und Unfälle zu vermeiden) an der beantragten Verwendung ausreichend dargelegt.

Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt, ist die Antragstellerin eine allgemein anerkannte Forschungseinrichtung, die Gewähr dafür bietet, dass die Ermittlung und Verarbeitung der Bilddaten in Österreich von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt wird, weshalb auch die Voraussetzung von § 7 Abs. 3 Z 3 DSG erfüllt ist. Da die personenbezogenen Daten von der Antragstellerin selbst ermittelt werden, ist auch keine Erklärung gemäß § 7 Abs. 4 DSG einzuholen/beizufügen.

Die Datenschutzbehörde hat mit Bescheid vom 1. Juni 2019, DSB-D202.220/0002-DSB/2019, demselben Antragsteller die Genehmigung erteilt, personenbezogene Daten zum Zweck der Erarbeitung von Testdaten für Algorithmen im Bereich des (teil)autonomen Fahrens im Zuge von Bildaufnahmen an öffentlichen Orten in Österreich aus Sicht des Fahrers zu ermitteln und zu verarbeiten. Der vorliegende Antrag war aber insofern spezifischer, als er sich auf die Erteilung einer Genehmigung zum Zweck der Erarbeitung von Testdaten für Algorithmen im Bereich des (teil)autonomen Fahrens personenbezogener Daten im Zuge von Bildaufnahmen an öffentlichen Orten innerhalb Österreichs aus Sicht des Fahrers von Straßen- bzw. Schienenfahrzeugen bezog.

Nach dem Gesagten war die Genehmigung für die Ermittlung und Verarbeitung von Bildaufnahmen an öffentlichen Orten innerhalb Österreichs aus Sicht des Fahrers von Straßen- bzw. Schienenfahrzeugen zu erteilen.

Zu Spruchpunkt 2.:

Die erteilten Auflagen dienen der Datensicherheit bei der Verarbeitung der Daten sowie der Sicherung des Datengeheimnisses.

Zur Ermittlung von Bilddaten innerhalb der Europäischen Union mit Ausnahme von Österreich gemäß Spruchpunkt 3.:

Der gestellte Antrag auf Ermittlung von Bildaufnahmen innerhalb der Europäischen Union war aus nachfolgenden Gründen zurückzuweisen:

Bei Art. 89 Abs. 2 DSGVO („Garantien und Ausnahmen in Bezug auf die Verarbeitung zu im öffentlichen Interessen liegenden Archivzwecken, zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken und zu statistischen Forschungszwecken“) handelt es sich um eine „Öffnungsklausel“. Diese erlaubt es dem nationalen Gesetzgeber gemäß Art. 6 Abs. 2 DSGVO, dass bei Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken sowie zu statistischen Zwecken „im Recht der Mitgliedstaaten insoweit Ausnahmen von den Rechten gemäß Artikel 15, 16, 18 und 21 vorgesehen werden (können), als diese Rechte voraussichtlich die Verwirklichung der spezifischen Zwecke unmöglich machen oder ernsthaft beeinträchtigen und solche Ausnahmen für die Erfüllung dieser Zwecke notwendig sind.“

Der österreichische Gesetzgeber hat von der Öffnungsklausel gemäß Art. 89 Abs. 2 DSGVO insofern Gebrauch gemacht, als er § 7 DSG („Verarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder statistische Zwecke“) geschaffen hat.

Die Erläuterungen zu § 25 des Ministerialentwurfs 322/ME XXV. GP - nunmehr § 7 DSG - lauten auszugsweise wie folgt:

„Art. 6 Abs. 2 DSGVO sieht vor, dass die Mitgliedstaaten „spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1 Buchstaben c und e beibehalten oder einführen (können), indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßige und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.“ Diese sogenannte „Flexibilisierungsklausel“ ermöglicht den Mitgliedstaaten somit trotz Vorliegens einer Unionsverordnung, die in den Grenzen des Anwendungsbereichs des Unionsrechts grundsätzlich auf den öffentlichen und privaten Bereich gleichermaßen anwendbar ist, auf nationaler Ebene (neben Art. 6 Abs. 3, Art. 23 und Kapitel IX der DSGVO) bestimmte „spezifischere Bestimmungen“ zu erlassen. (…)“

Der europäische Gesetzgeber hat also mit Art. 6 Abs. 2 DSGVO prinzipiell die Möglichkeit für Mitgliedstaaten geschaffen, „spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung bei(zu)behalten oder ein(zu)führen, (…), einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.“ Der österreichische Gesetzgeber hat – wie oben schon ausgeführt – im Hinblick auf Art. 89 DSGVO davon Gebrauch gemacht und die spezifischere, nationale Bestimmung des § 7 DSG geschaffen.

Nun ist aber davon auszugehen, dass nicht nur Österreich, sondern auch andere Mitgliedsstaaten von Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 89 DSGVO Gebrauch gemacht haben, was insgesamt bedeutet, dass für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken nicht nur die DSGVO, sondern auch das jeweilige nationale Datenschutzrecht der Mitgliedstaaten, relevant ist. Schon aus diesem Grund ist für die beantragte Genehmigung zur Ermittlung von Bildaufnahmen zu wissenschaftlichen Forschungszwecken innerhalb der Europäischen Union nicht allein die DSGVO und österreichisches Recht (hier: der § 7 DSG) anzuwenden, vielmehr ist - neben der DSGVO - das jeweilige nationale Datenschutzrecht jenes Staates anzuwenden, in dem - wie beantragt - die Bilddaten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken (hier: die Ermittlung von Bilddaten, um Algorithmen im Bereich des (teil)autonomen Fahrens zu testen) ermittelt werden sollen.

Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der antragsgegenständlichen Datenverarbeitung innerhalb der Europäischen Union um eine grenzüberschreitende Verarbeitung gemäß Art. 4 Z 23 lit. b DSGVO handelt, wovon - nach Ansicht des Antragstellers - deshalb nicht auszugehen sei, weil keine „erhebliche(n) Auswirkungen“ auf die Betroffenen vorliegen würden. Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich um keinen – die Aufsichtsbehörden zur „Zusammenarbeit und Kohärenz“ verpflichtenden – Anwendungsfall des Kapitel VII DSGVO („Zusammenarbeit und Kohärenz“), sodass es insgesamt nicht darauf ankommt, ob eine „grenzüberschreitende Verarbeitung“ gemäß Art. 4 Z 23 lit. b DSGVO vorliegt. Vielmehr sind im vorliegenden Fall – neben Art. 89 DSGVO – die aufgrund des Art. 89 Abs. 2 DSGVO ergangenen leges speciales, die spezifischeren Bestimmungen, der Mitgliedstaaten für Datenverarbeitungen zu wissenschaftlichen Forschungszwecken anzuwenden.

Weiters ist in diesem Zusammenhang auf Art. 55 Abs. 1 DSGVO („jede Aufsichtsbehörde ist für die Erfüllung der Aufgaben und die Ausübung der Befugnisse, die ihr mit dieser Verordnung übertragen wurden, im Hoheitsgebiet ihres eigenen Mitgliedsstaats zuständig“) zu verweisen, wonach der österreichischen Datenschutzbehörde nur im eigenen Staatsgebiet Jurisdiktionskompetenz zukommt. Somit war der vorliegende Antrag, der sich nicht nur auf die Genehmigung der Ermittlung von Daten innerhalb Österreichs, sondern innerhalb der gesamten Europäischen Union und somit auf Staaten außerhalb der Jurisdiktionskompetenz der österreichischen Datenschutzbehörde, bezieht, zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt 4.:

Der Kostenpunkt des Spruchs (Verwaltungsabgabe) stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverarbeitung für wissenschaftliche Forschungszwecke ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 69 Abs. 6 DSG umfasst.

Diese Summe ist auf das Konto BAWAG P.S.K., Georg-Coch-Platz 2, 1018 Wien, IBAN: AT460100000005490031, BIC: BAWAATWW, lautend auf die Datenschutzbehörde, einzuzahlen. Als Verwendungszweck möge die Geschäftszahl sowie das Erledigungsdatum angegeben werden.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

[hier gekürzt, Gebührenmitteilung]

Schlagworte

Datenverarbeitung für wissenschaftliche Forschung, Verkehrsforschung, Bildverarbeitung, Testdaten für Algorithmen im Bereich des (teil)autonomen Fahrens, Auswertung der Bilddaten, Auflagen, Genehmigung nur für Verarbeitung (Ermittlung) im Inland

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2020:2020.0.013.649

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2020
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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