TE Vwgh Beschluss 1998/4/17 98/04/0036

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Veröffentlicht am 17.04.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/04/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, in der Beschwerdesache des E in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Dezember 1997, Zl. UVS-04/G/21/00781/97, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 sowie über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der im Spruch genannte Bescheid des UVS Wien vom 17. Dezember 1997 wurde dem anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 9. Jänner 1998 zugestellt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde am 5. März 1998 zur Post gegeben, wobei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist mit folgender Begründung begehrt wird:

Am Tag des Einlangens des Bescheides, dem 9. Jänner 1998, sei das Ende der Beschwerdefrist mit 20. Februar 1998 in den damals noch handschriftlich geführten Terminkalender der Kanzlei des Beschwerdevertreters eingetragen worden. Am 7. Februar 1998 sei "das gesamte EDV-Programm in der Kanzlei umgestellt worden, sodaß nunmehr auch die Terminverwaltung EDV-mäßig erfolgt". Zu diesem Zweck seien nach einer Probelaufzeit von einer Woche sämtliche im bisherigen Hauptkalender eingetragenen Fristen in die EDV eingegeben worden. Dabei "dürfte es zu einer irrtümlichen Nichtübertragung der hier versäumten Frist gekommen sein". Der mit der Übertragung der Termine betrauten Sekretärin, die die Termine der Kanzlei seit sechs Jahren verwalte, sei ein solches Versehen bisher nie unterlaufen. Der Beschwerdevertreter habe sich auch bei der Übertragung der Termine aus dem handschriftlich geführten Hauptkalender in die EDV auf stichprobenartige Überprüfungen beschränken können. Am 19. Jänner 1998 sei dem Beschwerdevertreter ein den Beschwerdeführer betreffender Bescheid des UVS Wien vom 12. Dezember 1997, der ebenfalls - wie der hier angefochtene Bescheid - eine Übertretung nach § 367 Z. 25 GewO 1994 betroffen habe, zugestellt worden. Diesen Bescheid betreffend sei das Ende der Beschwerdefrist mit 2. März 1998 im händisch geführten Hauptkalender vermerkt worden. Es sei üblich gewesen, im händischen Hauptkalender "vor Ablauf der tatsächlichen Frist noch vorher einen Erinnerungstermin einzutragen". Die Eintragung des letzten Tages für die Einbringung der gegenständlichen Beschwerde dürfte irrtümlicherweise als Erinnerungstermin für die Beschwerde des am 19. Jänner zugestellten Bescheides angesehen worden sein, weshalb die Übertragung des Termines unterblieben sei. Die Fristversäumung sei dem Beschwerdevertreter am 26. Februar 1998 aufgefallen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muß den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muß der Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Das Versehen eines Kanzleibediensteten ist für einen Rechtsanwalt (und damit für die von ihm vertretene Partei) nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhinderte, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Wenn der Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend macht, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, daß es zur Fehlleistung der Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Erlaubt das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag über das beim Rechtsanwalt des Wiedereinsetzungswerbers eingerichtete Kontrollsystem und über die konkreten Umstände, auf die die Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuführen ist, eine Beurteilung der Frage der Einhaltung der Kontrollpflichten nicht, so schließt dies die Annahme eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes aus (vgl. z. B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1994, Zl. 94/10/0153).

Berufsmäßige Parteienvertreter haben für eine Kanzleiorganisation zu sorgen, die nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausschließt (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1994, Zlen. 94/14/0126, 0127). Sein besonderes Augenmerk hat der berufsmäßige Parteienvertreter dem Fristenvormerk zuzuwenden; insbesondere hat er die richtige Eintragung der Fristen in den Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1994, Zl. 94/05/0111). Dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages zufolge bediente sich der Beschwerdevertreter ab dem Zeitpunkt der Umstellung des Fristenvormerkes zur Überwachung der Fristen nur noch der "EDV-mäßigen Terminverwaltung". Die Übertragung des Inhaltes des zuvor "händisch" geführten Fristenvormerkes in das neue System ist somit, was die Bedeutung des Vorganges für die Wahrung der Fristen und damit die Anforderungen an die Überwachung durch den berufsmäßigen Parteienvertreter betrifft, der erstmaligen Eintragung einer Frist in den Fristenvormerk gleichzuhalten. Es war daher Sache des Rechtsanwaltes, die Übertragung der im händischen Fristenvormerk eingetragenen Fristen in die elektronische Terminverwaltung zu überwachen. Den oben wiedergegebenen Darlegungen des Antrages ist zu entnehmen, daß der Beschwerdevertreter ein auf die Überwachung der vollständigen und richtigen Übertragung der Fristen gerichtetes Kontrollsystem nicht eingerichtet hat; denn mit "stichprobenartigen Überprüfungen", auf die im Antrag verwiesen wird, wird der Überwachungspflicht nicht entsprochen.

Der Wiedereinsetzungsantrag läßt somit nicht erkennen, daß der Beschwerdeführer ohne ein ihm zuzurechnendes, einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden gehindert war, die Frist zur Erhebung der Beschwerde einzuhalten. Der Wiedereinsetzungsantrag war somit abzuweisen.

Die Zurückweisung der nach Ablauf der Beschwerdefrist zur Post gegebenen Beschwerde gründet sich auf § 34 Abs. 1 VwGG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040036.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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