Entscheidungsdatum
19.03.2020Index
34 MonopoleNorm
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Anträge des A. B., vertreten durch Mag. C. D., vom 28.01.2020, auf Aufhebung des Erkenntnisses VGW-002/069/9576/2018-8 zu Recht erkannt:
I. Der Antrag das Erkenntnis VGW-002/069/9576/2018-8 gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG für nichtig zu erklären wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag das Erkenntnis VGW-002/069/9576/2018-8 gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG zurückzunehmen wird zurückgewiesen.
III. Der Antrag das Erkenntnis VGW-002/069/9576/2018-8 betreffend die damit verhängten Ersatzfreiheitsstrafen aufzuheben wird abgewiesen.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Verfahrensgegenstand
Mit Schreiben vom 28.01.2020 stellte der Antragsteller einen „Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit“ betreffend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8.
Einleitend ist hier festzuhalten, dass im gegenständlichen Schriftsatz durchgehend von einem Erkenntnis vom 11.12.2018, VGW-002/096/9576/2018-8 (Hervorhebung durch das Verwaltungsgericht) die Rede ist. Die Gerichtsabteilungszahl 096 ist nicht und war noch nie vergeben; es handelt sich um ein offenkundiges Versehen bei der Anführung der zutreffend gemeinten Gerichtsabteilung 069.
Begründend wird vom Antragsteller ausgeführt, dass der EuGH mit Urteil vom 12.09.2019 in der Rechtssache Maksimovic ausgesprochen habe, dass österreichische Strafbestimmungen nicht im Einklang mit dem Unionsrecht stünden, da die vorgesehenen Strafdrohungen unverhältnismäßig seien. Der VfGH habe in der Entscheidung vom 10.03.2015, G 203/2014 dargetan, dass sich die Strafsätze des § 52 GSpG an denen des § 28 Abs. 1 AuslBG orientieren würden. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts seien die Verwaltungsstrafbestimmungen des GSpG jenen des AVRAG und diese wiederum jenen des AuslBG nachgebildet. Die wirksame Durchsetzung der Verpflichtungen aus dem GSpG könne mit weniger einschränkenden Maßnahmen wie der Auferlegung von Geldstrafen in geringerer Höhe oder einer Höchstgrenze für solche Strafen gewährleistet werden, ohne sie zwangsläufig mit Ersatzfreiheitsstrafen zu verknüpfen. In der gegenständlichen Angelegenheit sei die Vollstreckbarkeit des Erkenntnisses vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, aufzuheben. Das Unionsrecht verlange die Zurücknahme von bestandskräftigen Entscheidungen, sofern die Behörde nach nationalem Recht zur Rücknahme befugt sei. Der EuGH habe im Urteil Kühne & Heitz entschieden, dass die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Stelle verpflichtet sei, die Entscheidung jedenfalls dann zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, wenn vier Voraussetzungen erfüllt seien: Die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, die Entscheidung zurückzunehmen, sofern die Entscheidung infolge eines Urteiles eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist und das Urteil beruht auf einer unrichtigen Auslegung des Unionsrechts und ist erfolgt ohne dass der EuGH zur Vorabentscheidung ersucht worden ist und der Betroffene hat sich unmittelbar, nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des EuGH erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. In Ermangelung unionsrechtlicher Verfahrensregelungen bestimme sich die Umsetzung dieser Verpflichtung nach nationalem Recht.
Es wurden die Anträge gestellt,
1. das Erkenntnis VGW-002/069/9576/2018-8 gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG für nichtig zu erklären;
2. das Erkenntnis VGW-002/069/9576/2018-8 gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG zurückzunehmen;
3. das Erkenntnis VGW-002/069/9576/2018-8 betreffend die damit verhängten Ersatzfreiheitsstrafen aufzuheben.
Feststellungen
Mit Erkenntnis vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, wurde einer Beschwerde des Antragstellers gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 4. Fall iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 GSpG in Bezug auf die Strafhöhe stattgegeben. Im Übrigen wurde die Beschwerde in der Sache mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen (und insofern das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt), dass als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 3. Strafrahmen iVm § 52 Abs. 1 Z 1 4. Fall GSpG herangezogen wurde und die Tatanlastung klargestellt wurde.
Im Detail wurden wegen drei Glücksspielgeräten im Zeitraum von 11. Oktober 2017 bis 8. Dezember 2017 jeweils 6.000,– Euro Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag 5 Stunden) und einem vierten Gerät am 11. Oktober 2017 eine Geldstrafe von 4.000,– Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 19 Stunden) festgesetzt. In der Begründung führte das Verwaltungsgericht eine Strafbemessung durch.
Das Erkenntnis vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, wurde den Verfahrensparteien wirksam zugestellt und damit rechtkräftig.
Die vom Antragsteller erhobene Revision gegen das Erkenntnis vom 11.12.2018 wurde vom VwGH mit Beschluss vom 28.05.2019, Ra 2019/15/0027, zurückgewiesen. Begründend setzte sich der VwGH insbesondere mit der Tatumschreibung nach § 44a VStG und dem Unternehmerbegriff nach § 2 Abs. 2 GSpG auseinander und folgerte, dass eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt wurde.
Der Antragsteller ist als gemäß § 9 VStG verantwortliches Organ der E. GmbH gerichtsbekannt durch eine Vielzahl von Verfahren nach dem GSpG. Er war unter anderem an folgenden Vorakten vor dem Verwaltungsgericht Wien beteiligt und es ergingen folgende weitere Entscheidungen:
1. Erkenntnis vom 24.01.2018 (VGW-002/011/6158/2017-17, …): Abweisung der Beschwerden betreffend Beschlagname und Einziehung sowie Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall GSpG im Lokal „F.“ in Wien, G.-gasse. Der Revision gegen dieses Erkenntnis wurde mit Erkenntnis des VwGH vom 28.02.2019, Ra 2018/16/0181 soweit stattgegeben, als es um das Straferkenntnis und konkret um die korrekte Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG (maßgeblicher Strafsatz) geht; in der Sache (Bestrafung dem Grund nach und Beschlagnahme/Einziehung war die Revision im Übrigen erfolglos.
2. Erkenntnis vom 10.03.2018 (VGW-002/079/2600/2017-2): Aufhebung einer Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall GSpG, weil im Straferkenntnis vorgeworfen wurde, das Glücksspielgeräte zur Verfügung gestellt worden seien, obwohl nur ein zur Verfügung stellen eines Lokals durch Untervermietung vorlag (d.h. es wurde nicht rechtzeitig eine zutreffende Tat angelastet; es wurde keine inhaltliche Aussage über die grundsätzliche Möglichkeit der Bestrafung nach dieser Bestimmung getroffen). Tatort war wie im nun vorliegenden Beschwerdefall das Lokal „H.“ in Wien, K.-straße (Tatzeitraum von 01.12.2015 bis 14.07.2016).
3. Erkenntnis vom 03.04.2018 (VGW-002/086/12653/2017, …): u.a. Bestätigung einer Bestrafung wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall GSpG im Lokal „F.“ in Wien, L.-gasse. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde mit Beschluss des VwGH vom 24.01.2019, Ra 2018/16/0173 zurückgewiesen.
4. Erkenntnis vom 05.06.2019, VGW-002/007/1004/2018-35 und VGW-002/007/14909/2018: Bestrafung nach § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall GSpG bestätigt, weil die E. GmbH an die M. Kft ein Lokal untervermietet hat. Die (wissentliche) Beteiligung iSd zitierten Bestimmung wurde darin detailliert nachgezeichnet.
5. Erkenntnis vom 07.08.2019, VGW-002/007/7155/2019-9: Beschwerde des Finanzamtes gegen einen VStG-Einstellungsbescheid wurde stattgegeben, weil die E. GmbH ein Lokal ohne Bezeichnung in Wien, N.-gasse an die M. Kft untervermietet hat (§ 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall GSpG).
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum unmittelbar gegenständlichen Erkenntnis, dessen Vollstreckbarkeit/Rechtskraft bekämpft wird, ergeben sich aus dem vorliegenden Akt zur Zahl VGW-002/069/9576/2018 sowie dem Akt zur Revision gegen dieses Erkenntnis (VGW-002/069/1989/2019/R) sowie aus dem Beschluss des VwGH vom 28.05.2019, Ra 2019/15/0027.
Die Feststellungen zu diversen Vor- und Parallelakten ergeben sich aus einer Einsichtnahme in die hg. Datenbank sowie insbesondere aus rechtskräftigen und dem Antragsteller wirksam zugestellten Erkenntnissen und Beschlüssen.
Alle Feststellungen sind unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Der EuGH hat mit Urteil vom 13.01.2001, C-453/00, in der Rechtsache Kühne & Heitz entschieden, dass der im Unionsverfassungsrecht verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit eine Verwaltungsbehörde verpflichtet, auf entsprechenden Antrag hin, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn
– die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen,
– die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist,
– das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war, und
– der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.
Mit Urteil des EUGH vom 12.09.2019, C-64/18, in der Rechtssache Maksimovic, wurde gefolgert, Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im dortigen Ausgangsverfahren anwendbaren (!) entgegensteht, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorsieht,
– die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen,
– die für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden,
– zu denen im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt und
– die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden.
§ 17 VwGVG ordnet für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine subsidiäre Anwendbarkeit des AVG an, nimmt jedoch §§ 1 bis 5 sowie den IV. Teil des AVG davon aus. § 68 AVG über die „Abänderung und Behebung von Amts wegen“ ist im „IV. Teil: Rechtsschutz“ (§§ 63 bis 73 AVG) verankert. § 68 AVG ist somit im Wege des § 17 VwGVG nicht für das Verwaltungsgericht anzuwenden. Im Übrigen eröffnet das VwGVG keine vergleichbaren Möglichkeiten zur Durchbrechung der Rechtskraft der Erkenntnisse (siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 6/5 und 6/7; VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 17 VwGVG Rz 10; VfSlg 19.882/2014).
Auf § 68 AVG gestützte Anträge an das Verwaltungsgericht sind somit unzulässig. In diesem Umfang sind die gegenständlichen auf § 68 AVG gestützten Anträge zurückzuweisen.
§ 32 VwGVG sieht eine Wiederaufnahme eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen vor. Die Voraussetzungen des § 32 VwGVG (gerichtlich strafbare Handlung/Erschleichung, neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, abweichende Vorfragenentscheidung, Hervorkommen einer rechtskräftigen Entscheidung; Abs. 1 Z 1 bis 4 par. cit.) liegen im Detail nicht vor.
Auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (VwGH 24.03.2015, Ra 2015/09/0011; 19.12.2017, Ra 2017/16/0165; 08.08.2018, Ra 2017/04/0112; 09.08.2018, Ra 2018/22/0078).
Alleine aus dem nationalen Recht heraus ist keine Grundlage zur Aufhebung bzw. „Zurücknahme“ der gegenständlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ableitbar.
Auch aus dem Unionsrecht lässt sich keine Grundlage ableiten:
Das vom Antragsteller angeführte EuGH-Urteil Maksimovic ist nicht einschlägig und für den gegenständlichen Fall ohne Bedeutung. Es ging dort um die „Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften über die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen sowie die Bereithaltung von Lohnunterlagen“ sowie Strafbeträge in Millionenhöhe (Rz 16 f und 40 des Urteils). Im gegenständlichen Fall geht es um Geldstrafen in Höhe von insgesamt 22.000,– Euro sowie illegales Glücksspiel. Während es im EuGH-Urteil Maksimovic um Formalitäten (konkret Bereithaltung von Lohnunterlagen) bezüglich der Dokumentation einer Beschäftigung und damit einer legalen Tätigkeiten geht, bezieht sich § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nicht auf Aufzeichnungen oder andere Formalia, sondern die Durchführung von verbotenen Ausspielungen (in den verschiedenen Ausformungen der vier Tatbilder), d.h. eine rechtswidrige Tätigkeit.
Der Strafrahmen für eine Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit mehr als drei Eingriffsgegenständen beträgt gemäß § 52 Abs. 2 GSpG bei der erstmaligen Übertretung 3.000,– bis 30.000,– Euro pro Eingriffsgegenstand. § 16 VStG normiert die Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe. § 19 VStG regelt die Bemessung der Geldstrafe.
Die im Bereich des Glücksspiels geschützten öffentlichen Interessen sind umfassend anerkannt: Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die Verfolgung dieser Ziele im GSpG ist auch unionsrechtskonform. Es ist auch völlig unstrittig, dass ein hohes Schutzniveau erforderlich ist und die Schutzgüter sehr hoch eingeschätzt werden (VwGH 16.03.2016, Ro 2015/17/0022, insb. Rz 115; 11.07.2018, Ra 2018/17/0048, Rz 91; VfSlg. 20.101/2016; 20.149/2016; 20.216/2017; OGH 17.07.2018, 4 Ob 125/18p; EuGH 15.09.2011, C-347/09, Dickinger und Ömer, Rn. 83 f; 30.04.2014, C-390/12, Pfleger, Rn. 47 ff; 30.06.2016, C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment, Rn. 31, 35 ff; 28.02.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 28, 62 ff).
Schutzzweck und Unrechtsgehalt des gegenständlichen Falles einerseits und der EuGH-Rechtsache Maksimovic sind völlig unterschiedlich, weshalb auch diese Rechtsprechung nicht übertragbar ist.
Selbst wenn man die Mindeststrafen in § 52 Abs. 2 GSpG im Sinne des Urteils Maksimovic als unzulässig sehen wollte, wäre im Übrigen gegen eine Höchststrafe nichts einzuwenden. Würde man nun den Strafrahmen nicht von Mindeststrafe (etwa 3.000,– Euro) bis Höchststrafe annehmen, sondern diesen im Wege eines unionsrechtlichen Anwendungsvorranges von 0,– Euro bis zur Höchststrafe sehen wollen (zur beschränkten Verdrängungswirkung des Unionsrechts in Form der Ausblendung einzelner Wortfolgen VwGH 16.03.2016, 2015/04/0004; 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, Rz 25 und 28), wäre die konkret verhängte Geldstrafe noch immer möglich, zulässig und rechtmäßig. D.h. es kommt keinesfalls zur Anwendbarkeit allgemeiner Betragsgrenzen wie etwa die 7,– Euro gemäß § 13 VStG.
Die in § 52 Abs. 2 GSpG normierte Bestrafung „für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand“ ist auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil eben mit der Zahl der Eingriffsgegenstände auch die Möglichkeit zur Bereicherung aus einer konsenslosen Tätigkeit multipliziert wird.
Auch der VwGH rückt von seiner bisherigen Anerkennung des Kumulationsprinzips in § 52 Abs. 2 GSpG nicht ab (etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/09/0061; 19.12.2019, Ra 2019/17/0046; 17.02.2020, Ra 2019/17/0044). Die Anknüpfung an der Zahl der Eingriffsgegenstände ist auch deshalb sachlich, weil mit jedem weiteren Gerät die Gewinnerzielung aus der rechtswidrigen Tätigkeit multipliziert wird (zur „Vervielfachung des Unrechtsgehaltes“ ohne verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Quasikumulation – weil der Straftatbestand zu einem ähnlichen Ergebnis wie das in § 22 Abs. 2 VStG geregelte Kumulationsprinzip führt – VfGH 04.10.2018, G 62/2018).
Entscheidend für den vorliegenden Fall ist, dass das in § 52 Abs. 2 GSpG normierte Kumulationsprinzip keinen Bedenken begegnet (VfGH 13.06.2013, B 422/2013; VwGH 25.09.2012, 2012/17/0040; 07.10.2013, 2013/17/0274) Dieses wurde auch durch den EuGH in den Urteilen zum österreichischen Glückspielrecht im Zuge von Gesamtbetrachtungen implizit mitberücksichtigt und nie beanstandet. Eine Bestrafung für jeden einzelnen Glücksspielautomaten (oder anderen Eingriffsgegenstand) ist zulässig. Je mehr Eingriffsgegenstände beim Verstoß nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwendet werden, desto schwerwiegender ist der Eingriff in das Glücksspielmonopol und desto höher ist die Strafdrohung. Eine verbotene Ausspielung, bei der beispielsweise in einem Lokal gleichzeitig zehn Glücksspielautomaten bespielt werden können, stellt jedenfalls einen stärkeren Eingriff in das Monopol dar als die Einzelaufstellung eines Glücksspielautomaten und soll daher insgesamt zu einer höheren Strafe führen (VwGH 15.02.2018, Ra 2017/17/0718).
Dass die konkret verhängten Strafen ganz offenkundig nicht unverhältnismäßig sind, zeigt auch der Umstand, dass sich die immer gleichen Personen in derselben Weise betätigen und auch von den bisherigen Strafen nicht von weiteren Wiederholungen abhalten lassen. Wer – so wie auch der Antragsteller – trotz wiederholter Strafen wegen einer konsenslosen, rechtswidrigen Tätigkeit, diese offenbar völlig unbeeindruckt weiter betreibt, leidet offenkundig nicht unter unverhältnismäßigen Strafen. Vielmehr zahlt sich der rechtswidrige Fortbetrieb auch bei regelmäßigen Strafen und Beschlagnahmen offenbar wirtschaftlich weiter aus. Die Verhältnismäßigkeit der konkreten Strafen – Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen – ergibt sich auch aus der hohen Bedeutung des öffentlichen Interesses, das durch illegales Glückspielbeeinträchtigt wird, durch das hohe Verschulden und die hohen Einnahmenmöglichkeiten durch eine solche Tätigkeit. Schließlich wird auch vom EuGH anerkannt, dass in diesem Bereich wirksame Strafen, die auch abschreckend und hoch sein dürfen bzw. müssen, erforderlich und damit zulässig sind. Auch wegen der hohen kriminellen Energie, die regelmäßig im Bereich des illegalen Glücksspiels von Betreibern aufgewendet wird, sind die Strafen erforderlich.
Die unionsrechtlichen Einwände treffen somit nicht zu.
Insofern gibt es keinen unionsrechtlichen Anwendungsvorrang bzw. eine Verdrängung des dargestellten nationalen Rechts. Es ist daher weder notwendig noch möglich im Wege des Unionsrechts eine Lesart oder Reichweite des § 32 VwGVG oder des § 68 AVG oder einer anderen Norm zu erzielen, sodass den gegenständlichen Anträgen eine Zulässigkeit oder Berechtigung zukommen würde.
Auch im Wege eines allfälligen unionsrechtlichen Anwendungsvorranges lässt sich damit für die vorliegende Konstellation keine Grundlage für die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens erkennen. Mit dem Erkenntnis vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, wurde eine rechtkräftige und rechtmäßige Entscheidung getroffen, in deren Bestand nicht einzugreifen ist. Dem Erkenntnis vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, liegt keine im Sinne des Urteils Kühne & Heitz erforderliche unrichtige Auslegung des Unionsrechts zugrunde.
Es ist – neben der obigen Zurückweisung der auf § 68 AVG gestützten Anträge – der Antrag auf Aufhebung der mit dem Erkenntnis vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, verhängten Ersatzfreiheitsstrafen als unbegründet abzuweisen.
Neben den gestellten Anträgen ist auch keine Grundlage für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens erkennbar. Für eine „Aufhebung der Vollstreckbarkeit“ oder einen sonstigen Eingriff in die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 11.12.2018, VGW-002/069/9576/2018-8, gibt es keine Grundlage.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG ist durch eine ständige Rechtsprechung des VwGH geklärt, sodass es sich dabei um keine revisible Rechtsfrage handelt (VwGH 16.03.2016, Ro 2015/17/0022; 20.04.2016, Ra 2016/17/0066; 11.07.2018, Ra 2018/17/0048). Überhaupt ist die Rechtslage betreffend Übertretungen des GSpG (auch was die Qualifikation von Spielen und verfahrensrechtliche Anforderungen betrifft) durch die Rechtsprechung geklärt und auch im Beschwerdefall keine Rechtsfrage aufgekommen, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (auch bezüglich § 68 AVG und §§ 17 und 32 VwGVG besteht eine klare Rechtslage und Rechtsprechung).
Schlagworte
Glücksspiel; Strafdrohung; Kumulationsprinzip; Amtswegige Aufhebung; Wiederaufnahme des Verfahrens; Rechtskraft; Wiederholungsverbot; res iudicata; Unionsrecht; Auslegung; Kühne & Heitz; Maksimovic;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.002.007.1412.2020Zuletzt aktualisiert am
11.05.2020