Entscheidungsdatum
25.10.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
I415 2217673-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über den Antrag des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Gambia, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, vom 11.10.2019 beschlossen:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme vom 11.10.2019 des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.09.2019 zur Zahl I415 2217673-1/12E rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Beim Antragsteller handelt es sich um einen seit 2003 in Österreich aufhältigen gambischen Staatsangehörigen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2019, Zl. XXXX, wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
2. Nach erhobener Beschwerde erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.03.2019 eine dem Bescheid im Wesentlichen wortgleiche Beschwerdevorentscheidung, mit dem einzigen Unterschied, dass es die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Gambia (und nicht Nigeria) feststellte. Dagegen wurde fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht.
3. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2019 wurde die Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.09.2019, Zl. I415 2217673-1/12E, als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
Zum psychischen Gesundheitszustand des Antragstellers stellte das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis fest, dass keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht worden sei, welche unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.
Beweiswürdigend wurde dazu ausgeführt: "Die vom Beschwerdeführer im Zuge einer schriftlichen Stellungnahme vom 19.07.2017 (AS 31ff) vorgebrachten Erkrankungen an einer Störung durch Opioide (ICD-10 F11.22) und an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) fanden weder in seinen späteren Stellungnahmen vom 14.01.2019 (AS 175f) und vom 11.02.2019 (AS 195f), noch in seiner Beschwerde vom 21.03.2019 oder dem Vorlageantrag vom 10.04.2019 Erwähnung. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung erklärte der Beschwerdeführer, Medikamente für psychische Probleme zu nehmen, legte diesbezüglich aber keine aktuellen medizinischen Befunde vor. Die aktuellsten vom Beschwerdeführer beigebrachten medizinischen Unterlagen stellen nicht auf psychische Probleme des Beschwerdeführers ab. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass laut dem eingeholten Länderinformationsbericht der Staatendokumentation in Gambia eine staatliche psychiatrische Einrichtung besteht und die Versorgung mit Medikamenten über Apotheken möglich ist. (...)"
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia mit Art. 3 EMRK auf Seiten 33ff seines Erkenntnisses unter anderem Folgendes aus:
"Der Beschwerdeführer machte geltend, dass ihm aufgrund seiner Sehbeeinträchtigung und seiner psychischen Probleme, der eingeschränkten ärztlichen und medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten und der aufgrund seiner Krankheit stark eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten in Gambia die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung drohe.
Was den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers anbelangt, ist festzuhalten, dass damit keine Krankheiten vorgebracht wurden, die in Gambia nicht behandelbar wären. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stehen selbst schwere psychische Krankheiten wie PTBS und sogar Selbstmordgefahr (EGMR 22.09.2005, Fall Kaldik, Appl. 28526) sowie schwere Depression und Selbstmordgefahr (EGMR 31.05.2005, Ovidenko, Appl. 1383/04), der Abschiebung nicht im Wege. (...)
In Bezug auf sein geltend gemachtes, jedoch nicht durch aktuelle medizinische Befunde nachgewiesenes psychisches Problem, ist auszuführen, dass bei Erkrankungen, wie zB schweren Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen mit suizidaler Einengung, auch nachfolgende, sich aus der Rechtsprechung des EGMR ergebende, Überlegungen (vgl. auch VfGH v. 6. März 2008, B 2400/07 sowie Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des EGMR) für eine Art 3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen haben: Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung. (...)"
4. Mit Schreiben vom 11.10.2019 brachte der Antragsteller durch seine Rechtsvertretung den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 26.09.2019, Zl. I415 2217673-1/12E, abgeschlossenen Verfahrens ein. Begründend wurde ausgeführt, es seien nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen bzw. Beweismittel in Form zweier ärztlicher Befunde vom 02.10.2019 und vom 04.10.2019 hervorgekommen, welche eine bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestehende psychiatrische Erkrankung des Beschwerdeführers an paranoider Schizophrenie F20.0 belegen würden. Diese Diagnose sei geeignet, eine andere Sachentscheidung herbeizuführen. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Rückkehr eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSd Art. 3 EMRK.
Da die Tatsache der Erkrankung des Antragstellers schon im wiederaufzunehmenden Verfahren vorgelegen sei, dem Wiederaufnahmewerber deren Beweis aber erst jetzt möglich und ihm nicht anzulasten sei, dass er diese nicht geltend gemacht habe, sei der Antrag auf Wiederaufnahme berechtigt. Auch sei er fristgerecht eingebracht worden.
Dem Wiederaufnahmeantrag beigelegt war ein Arztbrief einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin des Vereins XXXX vom 02.10.2019, sowie ein amtsärztlicher Befund des PAZ XXXX vom 04.10.2019. Daraus ist zu entnehmen, dass der Antragssteller seit dem Jahr 2009 an paranoider Schizophrenie F20.0 leidet und in medizinischer Behandlung steht. Weiters wurde eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22.06.2011 zum Thema Gambia: RF / Medizinische Versorgung / Paranoide Schizophrenie übermittelt. Darin wird ausgeführt, dass in Gambia die ambulante und stationäre Behandlung bei Schizophrenie grundsätzlich möglich und kostenlos ist, auch wenn der Zugang zu psychiatrischer Versorgung beschränkt und die Ausbildung des behandelnden Personals dürftig ist und eine Weiterversorgung außerhalb des stationären Bereiches nicht immer gewährleistet werden kann.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und den vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.
Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht ist in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Mit Fuchs (in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 32 VwGVG, Anm 13) ist der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben (ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 29).
Zu A) Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens:
3.2. Rechtslage
Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, idF BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 VwGVG stimmt im Wesentlichen mit § 69 AVG überein. In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 Blg NR, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
3.3. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Rechtsfall
Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.09.2019 rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen.
Ausgehend von der Behauptung des Antragstellers, dass der vorgelegte Arztbrief einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin des Vereins XXXX dem Beschwerdeführer am 02.10.2019 und der amtsärztlicher Befund des PAZ XXXX am 04.10.2019 bekannt geworden seien, ist die in § 32 Abs. 2 VwGVG geforderte Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung des Wiederaufnahmegrundes erfüllt. Somit ist der am 11.10.2019 eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als rechtzeitig eingebracht anzusehen.
Der Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich aber als nicht berechtigt, da die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens - die Wiederaufnahmegründe sind taxativ in § 32 Abs. 1 VwGVG aufgezählt - nicht vorliegen. Im gegenständlichen Fall stützt sich der Wiederaufnahmeantrag auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG.
Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sog. "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sog. "nova causa superveniens") (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung).
"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, Zl. 2006/05/0232).
Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sein, darüber hinaus ist auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Beim "Verschulden" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt es sich nach der Rechtsprechung des VwGH um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, Zl. 94/07/0063; 10.10.2001, Zl. 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts [2003] Rz 589).
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).
Des Weiteren müssen die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid (hier: anders lautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes) herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195; 19.04.2007, Zl. 2004/09/0159).
Eine Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, Zl. 2001/21/0031; 07.09.2005, Zl. 2003/08/0093; siehe dazu weiters Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommen neu entstandene Beweismittel, wie nachträgliche Zeugenaussaugen oder Sachverständigengutachten, als Wiederaufnahmegrund dann in Betracht, wenn sie sich auf "alte" - das heißt nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 02.06.1982, 81/03/0151; 05.10.1988, 88/18/0236; 19.04.2007, 2007/09/0159).
Dem vom Antragsteller vorgelegten Arztbrief einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin des Vereins XXXX vom 02.10.2019, sowie dem amtsärztlichen Befund des PAZ XXXXvom 04.10.2019 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller seit dem Jahr 2009 an paranoider Schizophrenie F 20.0 leidet. Diese Befunde wurden zu einem Zeitpunkt erstellt, zu dem das Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, bereits rechtskräftig abgeschlossen war. Wie oben festgehalten, besteht jedoch die Möglichkeit, dass auch solch "neu entstandene" Beweismittel zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen können, sofern sich diese auf "alte", also nicht ebenfalls neu entstandene, Tatsachen beziehen, wie dies im gegenständlichen Verfahren der Fall ist. Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein genügt aber nicht, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund und ist für eine Wiederaufnahme weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise - wie oben bereits ausgeführt - voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden.
Verfahrensgegenständlich hätten die vorgelegten Beweismittel jedoch weder allein, noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeigeführt, zumal das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 26.09.2019, Zl. I 415 2217673-1/12E, unter Pkt. 3.3.2 ausdrücklich festgestellt hat, dass selbst schwere psychische Krankheiten wie PTBS und sogar Selbstmordgefahr (EGMR 22.09.2005, Fall Kaldik, Appl. 28526) sowie schwere Depression und Selbstmordgefahr (EGMR 31.05.2005, Ovidenko, Appl. 1383/04) nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einer Abschiebung nicht im Wege stehen und schwere psychische Erkrankungen nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK solange nicht die erforderliche Gravität erreichen, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist.
Darüber hinaus ist aus den im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes herangezogenen Länderberichten auch nicht ableitbar, dass die Erkrankung des Beschwerdeführers an einer paranoiden Schizophrenie in Gambia nicht behandelbar wäre.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich daher, dass es sich bei den nun vorgelegten Unterlagen keineswegs um Beweismittel handelt, deren Berücksichtigung voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.
Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG sind somit nicht erfüllt und der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist daher spruchgemäß abzuweisen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Antrag auf Wiederaufnahme geklärt erscheint und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Wie bereits oben ausgeführt, wurde § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG nach den Materialien der Bestimmung des § 69 AVG nachempfunden, weshalb auf die einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG zurückgegriffen werden kann.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von dieser bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden kann, dass es an einer Rechtsprechung gänzlich fehlen würde.
Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, die die Zulassung der Revision bedingen würde.
Schlagworte
Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2217673.2.00Zuletzt aktualisiert am
11.05.2020