Entscheidungsdatum
27.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
I416 2222980-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Irak, vertreten durch: Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH, Tuchlauben 11/18, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2019, Zahl: XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß §§ 28 Abs. 1 und 5 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 09.08.2016, Zl.XXXX3, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3. Dem Beschwerdeführer wurde auf entsprechenden Antrag am 13.09.2016 ein Konventionsreisepass für Asylberechtigte, gültig bis zum 12.09.2021, ausgestellt.
4. Am 12.06.2019 leitete das BFA ein Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ein, mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer nicht mehr an seiner Meldeadresse wohnhaft, der derzeitige Aufenthalt auch sonst nicht eruierbar und eine Adresse im Ausland nicht bekannt sei.
5. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 14.06.2019, Zl.XXXX, wurde der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zu dessen Abwesenheitskurator bestellt und beauftragt, den Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren zu vertreten.
6. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 19.06.2019 teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass davon ausgegangen werde, dass er sich mangels Bestehens eines aufrechten Wohnsitzes im Bundesgebiet in seiner Heimat befinde. Aus diesem Grund werde ein Aberkennungsverfahren im Hinblick auf seinen Asylstatus eingeleitet. Gleichzeitig wurde ihm das Länderinformationsblatt zu seinem Herkunftsstaat, sowie ein Fragenkatalog zum gegenwärtigen Aufenthalt und zu seiner persönlichen Situation übermittelt und ihm eine vierzehntätige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
7. Am 03.07.2019 übermittelte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme. Er gab in seiner Funktion als Abwesenheitskurator bekannt, dass ihm mangels Rücksprachemöglichkeit mit dem Beschwerdeführer aufgrund derzeit unbekannten Aufenthaltes eine inhaltliche Stellungnahme zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht möglich sei. Jedoch sei - obwohl der Beschwerdeführer derzeit über keine aufrechte polizeiliche Meldung im Bundesgebiet verfüge - nicht davon auszugehen, dass er sich außerhalb des Schengenraumes oder gar in seinem Herkunftsstaat befinde. Die diesbezüglichen Schlussfolgerungen der belangten Behörde seien unsubstantiiert, nicht nachvollziehbar und lediglich unbewiesene Vermutungen. Es liege daher keiner der in § 7 Abs. 1 AsylG 2005 aufgezählten Aberkennungsgründe vor.
8. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 08.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 09.08.2016 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde ferner der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.)
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers im Irak zu verorten sei und sich der Beschwerdeführer somit freiwillig wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt habe. Somit komme die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG zur Anwendung, da einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten sei.
9. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 10.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.
10. Gegen den oben angeführten Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 13.08.2019 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang an das Bundesverwaltungsgericht wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Bei den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen handle es sich lediglich um nicht objektivierte und nicht objektivierbare Vermutungen. Die belangte Behörde habe sich schlicht damit begnügt, aufgrund des offenbar abgemeldeten Wohnsitzes davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nicht mehr im Bundesgebiet aufhalte. Sie wäre jedoch verpflichtet gewesen, den relevanten Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Dadurch habe die belangte Behörde insbesondere ihre Ermittlungspflicht verletzt, insbesondere in Hinblick auf den nunmehrigen Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers. Doch auch sonst würden sich die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und der Beweiswürdigung auf den bekämpften Bescheid durchschlagen. Hätte die Behörde ihre gesetzliche Pflicht erfüllt, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Asylgewährung noch vorliegen. Ebenfalls seien Ermittlungen zur Frage der Zulässigkeit einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß § 8 AsylG iVm § 46 FPG gänzlich unterlassen worden. Es wurden daher die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen und sodann in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben und das Verfahren einstellen; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.
11. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 20b AsylG. Seine Identität steht fest.
Mit Bescheid vom 09.08.2016, Zl.XXXX wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Am 13.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer auf Antrag vom 24.08.2016 ein Konventionsreisepass, gültig bis zum 12.09.2021, ausgestellt.
Der Beschwerdeführer war von 25.03.2015 bis einschließlich 12.06.2017 im Bundesgebiet behördlich gemeldet, derzeit verfügt er über keine Meldeadresse im Bundesgebiet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in den Irak gereist wäre und sich freiwillig unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hätte.
2.2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der im Asylverfahren vorgelegten Dokumente (AS 29 ff) steht die Identität des Beschwerdeführers fest.
Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers in Österreich, dem dazu ergangenen Bescheid des BFA, sowie dem ihm ausgestellten Konventionsreisepass ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt.
Aus einer eingeholten zmr-Auskunft ergibt sich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit dem 13.06.2017 nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet behördlich gemeldet ist.
Dieser Umstand allein ist mangels Vorliegens weiterer Hinweise jedoch keineswegs geeignet, davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig dem Schutz seines Herkunftsstaates Irak unterstellt habe, wie von der belangten Behörde angenommen. Auf welche objektivierbaren Tatsachen bzw. Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde ihre entsprechenden Feststellungen stützt, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor.
Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umstände, nämlich, dass der Beschwerdeführer seit dem 13.06.2017 keinen österreichischen Wohnsitz habe; die Ermittlung seines aktuellen Wohnsitzes nicht möglich sei; der Beschwerdeführer in einer über drei Jahre zurückliegenden Einvernahme durch das BFA angegeben habe, keine Verwandten in Österreich oder im EU-Raum zu haben; er seit dem 10.01.2017 keine Sozialleistungen mehr empfange und seine Familie trotz im Mai 2017 positiv erledigter Einreiseanträge nie in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei, lassen weder mit ausreichender Sicherheit den Schluss zu, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich in den Irak begeben habe und nicht etwa an einen anderen Ort inner- oder außerhalb Österreichs, noch entsprechen diese einer inhaltlich nachvollziehbaren Begründung.
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines gültigen Konventionsreisepasses der es ihm - gegebenenfalls nach vorheriger Erlangung eines Visums - ermöglicht, in jedes Land mit Ausnahme seines Herkunftsstaates zu reisen.
Der rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers ist somit zuzustimmen, dass die Schlussfolgerungen der belangten Behörde unsubstantiiert, nicht nachvollziehbar und lediglich unbewiesene Vermutungen sind. Dies verdeutlicht insbesondere auch die Wortwahl der belangten Behörde, die in ihrer Beweiswürdigung ausführt: "Die Vermutung, dass Sie in Ihre Heimat zurückkehrten, liegt nahe. (...) Angenommen wird, dass Ihr Wohnsitz zumindest seit Juni 2017 im Irak zu verorten ist."
Daher konnte nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig dem Schutz seines Herkunftsstaates Irak unterstellt hätte.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Zur anzuwendenden Rechtslage:
Die maßgebliche Bestimmung des § 7 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lautet:
"Aberkennung des Status des Asylberechtigten
§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.
(2a) Ungeachtet der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.
(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."
Art. 1 Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), BGBl. Nr. 55/1955 idgF lautet:
"Dieses Abkommen wird auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie
"1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder
2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder
3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder
4. sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder
5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiter ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
(...);
6. staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren."
Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Statusrichtlinie 2011/95/EU ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser u.a. dann nicht mehr Flüchtling, wenn er sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt (lit. a) oder nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (lit. e). Gemäß Abs. 2 des Art. 11 leg.cit. haben die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Absatz 1 lit. e leg.cit. zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann.
Zu Spruchpunkt A)
3.2. Zur Behebung des angefochtenen Bescheides:
3.2.1 Bevor auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens einzugehen ist, sieht sich der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichts zu folgenden Ausführungen veranlasst:
Gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) hat die Behörde - ebenso wie das Gericht, wenn es über eine Beschwerde meritorisch abspricht - den wahren Sachverhalt im Sinn einer Ermittlungspflicht zur Feststellung der materiellen Wahrheit auf Grundlage des Antrages von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Sie hat jedes Beweismittel in freier Beweiswürdigung abzuwägen und ihre Schlüsse daraus im Licht der anzuwendenden Rechtsvorschriften nachvollziehbar darzulegen (§ 45 Abs. 1 und 2, § 60 AVG).
Gemäß § 58 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), welcher auch für die belangte Behörde maßgeblich ist, sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. In der Begründung sind im Sinne des § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0041).
Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was die Behörde veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen.
Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Gleiches gilt, wenn eine solche maßgebliche Beeinträchtigung sonst in einem Mangel an Klarheit bzw. Übersichtlichkeit der Zusammenfassung iSd § 60 AVG gründet (VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0041; 21.10.2014, Ro 2014/03/0076;
21.11.2014, Ra 2014/02/0051; 16.12.2015, Ra 2015/03/0086;
19.06.2015, Ra 2015/03/0027, u.a.)
3.2.2 Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde bei der Erlassung des Bescheides davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 "offenkundig" in seinen Herkunftsstaat Irak zurückgekehrt sei und sich somit freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe, womit der Beendigungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG (Eintritt einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe) erfüllt sei.
Für den erkennenden Richter geht jedoch aus der Begründung der belangten Behörde kein Sachverhalt hervor, der auch nur im Ansatz die Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG rechtfertigen würde.
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde in einem zentralen Punkt, und zwar zur Frage, ob der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers nunmehr in seinem Herkunftsstaat Irak zu verorten sei, die erforderliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts unterlassen.
Wie unter Punkt 2.2 dargelegt, sind die von Seiten der belangten Behörde aufgezählten Umstände nicht geeignet, die Feststellung zu begründen, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig dem Schutz seines Herkunftsstaates Irak unterstellt habe.
Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm § 58 Abs. 2 AVG).
Eine Sachentscheidung kann auch in einer bloßen Kassation (ersatzlose Behebung) des angefochtenen Bescheides bestehen; die Aufhebung ist dann eine negative Sachentscheidung. Dies ist zulässig, wenn nach der materiellrechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig war und alleine die Kassation des Bescheides den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herstellen kann.
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Voraussetzungen der Aberkennung des dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorliegen, sodass sich die mit Spruchpunkt I. vorgenommene Aberkennung des Status des Asylberechtigten als nicht berechtigt erweist. Da die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides auf dessen Spruchpunkt I. aufbauen, ist dieser in Stattgabe der Beschwerde zur Gänze gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm zu Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, §§ 8 Abs. 1 und 57 AsylG 2005 sowie §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9 sowie 55 FPG zur Gänze zu beheben.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Aufgrund der Behebungsentscheidung aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A unter Punkt 3.2. wiedergegeben.
Schlagworte
Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Begründungsmangel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I416.2222980.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.05.2020