TE Bvwg Beschluss 2019/11/19 I421 1401001-8

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Veröffentlicht am 19.11.2019
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Entscheidungsdatum

19.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I421 1401001-8/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX), geboren am XXXX, STA Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. Daigneault, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des BFA, RD Steiermark, ASt. Leoben vom 25.10.2019, Zl. 449618109-190860685, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Asylwerber reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. April 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Juli 2008 und in weiterer Folge mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11. August 2009 rechtskräftig abgewiesen; zugleich wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

In der Folge versuchte das Bundesasylamt wiederholt, ein Heimreisezertifikat für den Asylwerber zu erlangen.

Mit Formularvordruck "Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK - Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" vom 5. August 2015, eingelangt beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10. August 2015, beantragte der Asylwerber die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Asylwerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab; zugleich wurde ihm gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Weiters erließ es gegen den Asylwerber gemäß § 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG. Überdies stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. März 2016, Zl. I409 1401001-2/3E, als unbegründet abgewiesen.

Am 22. August 2016 stellte der Asylwerber beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl neuerlich den Antrag, ihm gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" - "Aufenthaltsberechtigung plus") zu erteilen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Oktober 2016, zugestellt am 21. Oktober 2016, wurde der Antrag des Asylwerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass zwischen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und der Antragstellung des Asylwerbers keine maßgebliche Änderung im Sachverhalt eingetreten und der Antrag sohin gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen gewesen sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.11.2016, GZ. I403 1401001-3, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 22.05.2017 wurde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingestellt, da der Beschwerdeführer einen nigerianischen Reisepass in Vorlage brachte.

Am 09.08.2019 wurde der Beschwerdeführer von Organen der Sicherheitswache beim Verkauf der Zeitschrift "XXXX" betreten, in weiterer Folge festgenommen und durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Im Anschluss wurde der Asylwerber im Stande der Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG in das Anhaltezentrum Vordernberg überstellt.

Am 09.08.2019 wurde über den Asylwerber die Schubhaft verhängt.

Da der vom Asylwerber vorgelegte Reisepass am 14.04.2018 abgelaufen war, wurde am 12.08.2019 ein Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes eröffnet.

Am 21.08.2019 stellte der Asylwerber aus dem Stande der Schubhaft den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 22.08.2019 führte der Asylwerber zur Begründung aus:

"Ich gehöre den Leuten der BIAFRA an. Ich bin Anführer gestelltes Mitglied der BIAFRA hier in Österreich. Ich werde im Internet von Nigerianern mit dem Tod bedroht, falls ich wieder zurück in die Heimat gehe. Ich bin sehr bekannt bei der BIAFRA. Meine Mutter ist durch hohen Blutdruck aufgrund dieser Probleme gestorben. Das ist mein Fluchtgrund".

Am 28.08.2019 vernahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Asylwerber im Rahmen des Zulassungsverfahrens ein.

Am 30.08.2019 vernahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Asylwerber ein weiteres Mal ein und hob mit mündlich verkündetem Bescheid vom 30.08.2019, Zl. 449618109-190860685 (INT), 449618109-190886612 (FAS) dessen faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG auf.

Mit Bescheid vom 25.10.2019, Zl. 449618109-190860685 wurde der gegenständliche Folgeantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen (Spruchpunkt IV.) und nach § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6, 8 FPG wurde ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde nicht eingeräumt (Spruchpunkt VII).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter am 08.11.2019 Beschwerde.

Am 12.11.2019 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht mit XXXX, geboren am XXXX, fest. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft und sohin Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der Asylwerber reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. April 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Juli 2008 und in weiterer Folge mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11. August 2009 rechtskräftig abgewiesen; zugleich wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Der Asylwerber ist trotz der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer stellte am 22. August 2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Antrag, ihm gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" - "Aufenthaltsberechtigung plus") zu erteilen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Oktober 2016 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. November 2016, GZ. I403 1401001-3 als unbegründet abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.01.2009, Zl. XXXX wurde der Asylwerber wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall SMG und dem Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt verurteilt. Das Urteil erwuchs am 26.01.2009 in Rechtskraft.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 19.02.2009, Zl. XXXX wurde der Asylwerber wegen § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, § 27 Abs. 3, § 27 Abs. 1 Z 1 und § 27 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 24.02.2009 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer ist seit 05.05.2017 mit einer slowakischen, in der Slowakei aufhältigen Staatsbürgerin verheiratet. Diese Ehe ist eine Scheinehe. Nach eigenen Angaben des Asylwerbers entschloss er sich, seine Frau zu heiraten, da seine Anträge, in Österreich bleiben zu können, immer abgelehnt worden waren. Der Beschwerdeführer und seine Frau haben nie zusammen gewohnt, sie haben aufgrund ehelicher Probleme seit Monaten keinen Kontakt, der Beschwerdeführer leistet für seine Ehefrau sowie deren Kind, dessen Vater er nicht ist, keinen Unterhalt. Der Asylwerber hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer begründete sein Privatleben in Österreich zu einem Zeitpunkt, zu welchem ihm der unsichere Aufenthaltsstatus bewusst war. Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache nicht.

Der Beschwerdeführer ist erwerbstätig, er verkauft die Straßenzeitung "XXXX", er verfügt in Österreich über keine intensiven sozialen Kontakte und ist nicht mit maßgeblicher Intensität in die österreichische Gesellschaft integriert.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der erste Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 17.04.2008 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.07.2008 negativ erledigt.

Dieser Bescheid erwuchs, nach mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.08.2009 als unbegründet abgewiesener Beschwerde, in Rechtskraft.

Am 21.08.2019 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.10.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen.

Zwischen der Rechtskraft des ersten Asylverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen zweiten Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache sind mehr als 10 Jahre vergangen und brachte der Beschwerdeführer einen neuen Fluchtgrund vor. In seinem nunmehrigen Antrag stützte er sich nicht mehr auf seine Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren, sondern brachte vor, dass er Mitglied der BIAFRA Bewegung sei.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Asylwerbers vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in den zu überprüfenden Bescheid.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Identität, Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprachkenntnissen, Erwerbsfähigkeit, Familienstand und zu den familiären Anknüpfungspunkten des Asylwerbers in Österreich, sowie dass eine relevante Integration des Asylwerbers nicht gegeben ist gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie den Inhalt des Verwaltungsaktes.

Die Feststellung, dass seine Identität feststeht gründet sich auf der Vorlage seines nigerianischen Reisepasses.

Die strafgerichtliche Delinquenz des Asylwerbers leitet sich aus dem Strafregister der Republik Österreich ab.

2.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer neue Fluchtgründe vorbrachte ergibt sich aus seinen Angaben vor der belangten Behörde. Dass er sich nicht mehr auf seine Ausreisegründe vom Erstverfahren stützt ergibt sich ebenfalls aus seinen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren. Dies wurde auch von der belangten Behörde richtigerweise im Bescheid so ausgeführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist, das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Laut den Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP 14) geht aus der Regelung des Abs. 3 hervor, dass die Stattgebung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Zulassungsverfahren ex lege zur Zulassung führt. Das Bundesverwaltungsgericht hat neben den Fällen von falscher rechtlicher Beurteilung auch im Fall von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzu[ver]weisen. Dieses kann allerdings im materiellen Verfahren - die Zulassung steht einer späteren Zurückweisung nicht entgegen - wieder zu der Ansicht kommen, dass der Antrag unzulässig war.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gem. § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH v. 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. z.B. VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor dem Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1AsylG 2005, nämlich §28 AsylG1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. §68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).

Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. - in Bezug auf mehrere Folgeanträge - VwGH 26. 7. 2005, 2005/20/0226, m.w.N.). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004 m.w.N.). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

Fallbezogen ergibt sich daraus, dass die belangte Behörde eine inhaltliche Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers vorgenommen hat. Aufbauend auf dieser Beweiswürdigung hätte sie daher eine inhaltliche Entscheidung zu treffen gehabt und erweist sich der Ausspruch gemäß § 68 Abs. 1 AVG daher als nicht richtig. Zutreffender Weise hätte die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag unter Zugrundelegung der ausführlichen Beweiswürdigung abzuweisen gehabt. Dies auch im Hinblick auf die bereits verstrichenen 10 Jahre seit der letzten rechtskräftigen inhaltlichen Entscheidung und der neu vorgebrachten Fluchtgründe. So bringt er lediglich neue Fluchtgründe vor und baut diese nicht auf den Fluchtgründen seines ersten Antrages auf und verneint das Zutreffen der damaligen Fluchtgründe. Schon alleine im Hinblick darauf hätte die belangte Behörde eine neuerliche inhaltliche Entscheidung zu treffen gehabt und wird sie dies im neuerlichen Bescheid nachzuholen haben.

Da es dem BVwG nicht erlaubt ist die getroffene Entscheidung der belangten Behörde einer inhaltlichen Prüfung und Umwandlung zu unterziehen, war daher spruchgemäß zu entscheiden und das Verfahren zur Erlassung einer neuen Entscheidung in der Sache selbst an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Änderung maßgeblicher Umstände, Asylverfahren, Behebung der
Entscheidung, entschiedene Sache, Ermittlungspflicht, Folgeantrag,
geänderte Verhältnisse, Identität der Sache, Kassation, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, nova
reperta, res iudicata, subsidiärer Schutz, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.1401001.8.00

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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