TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 W226 2226157-1

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Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §33 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W226 2226160-1/3E

W226 2226169-1/3E

W226 2226168-1/3E

W226 2226157-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2019, Zl. 1.) 1252055805-191156655, 2.) 1252055108-191156710, 3.) 1252055010-1911566680, 4.) 1252055304-191156765, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3, 8 und 57 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge BF1), eine Staatsangehörige der Ukraine, stellte sich am 12.11.2019 der Einreisekontrolle am Flughafen Schwechat und wies sich mit einem Reisepass der Ukraine aus. In der Folge stellte die BF1 für sich und die mj. Kinder BF2-BF4 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Gleichzeitig stellten zwei volljährige Brüder der BF1 (W226 2226147-1 und W226 2226151-1) sowie die Mutter der BF1 (W226 2226164-1) - letztere auch für weitere 10 mj. Geschwister- jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In ihrer Erstbefragung am 13.11.2019 durch Organe der Bundespolizei des Stadtpolizeikommandos Schwechat Flughafen gab die BF1 im Beisein eines Dolmetschers für Russisch im Wesentlichen Folgendes an:

Sie stamme aus der ukrainischen Stadt XXXX , spreche die ukrainische und dir russische Sprache und gehöre von der Religion her den Zeugen Jehovas an. In der Ukraine würden noch der Vater und eine weitere Schwester leben, sie selbst habe das Sorgerecht für die drei mitgereisten Kinder. Nach Österreich sei sie deshalb gekommen, weil Österreich ein sicheres Land sei und eine gute medizinische Versorgung habe. Sie seien am 12.11.2019 mit dem Autobus von zu Hause in die ukrainische Hauptstadt Kiew zum Flughafen gefahren und seien anschließend von Kiew nach Wien geflogen, wo sie einen Asylantrag gestellt hätten.

Zum Fluchtgrund führte die BF1 aus, dass sie seit vielen Jahren eine Zeugin Jehovas sei, in der Heimat würden sie für den Glauben diskriminiert und beleidigt werden. Die Heimatstadt sei nur ca. 150 Kilometer vom Kriegsgebiet entfernt, die beiden erwachsenen Brüder hätten schon einen Einberufungsbefehl zum Militär erhalten. Fast täglich würden Leichentransporte bei ihrem Haus vorbeifahren, es sei schrecklich. Zudem sei die medizinische Versorgung in der Heimat schlecht und die Kriminalität sehr hoch. Aus diesen Gründen stelle sie für sich und die drei Kinder hier einen Antrag auf internationalen Schutz, denn sie fürchte um das eigene Leben und das Leben der Kinder.

1.3. Am 19.11.2019 folgte die Einvernahme der BF1 im Zulassungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Erstaufnahmestelle Flughafen im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch. Die BF1 führte aus, diese Sprache sehr gut zu verstehen, sie sei geistig und körperlich gesund, brauche auch keinerlei Medikamente. Auch die drei minderjährigen Kinder BF2-BF4 seien gesund, auch diesen gehe es gut.

Die BF1 führte aus, dass die ganze Familie die Entscheidung getroffen habe, nach Österreich zu reisen, denn sie hätten "im Internet gelesen, dass es hier sicher ist, dass es eine gute medizinische Versorgung gebe." Dies sei für sie das wichtigste. Die Reise von der Mutter organisiert worden, die Mutter habe Einkünfte, damit seien günstige Tickets gesucht und gefunden worden.

Sie selbst sei geschieden, vor ca. fünf Jahren sei die Scheidung erfolgt, sie wisse nicht mehr genau, wann das gewesen sei, denn sie habe so viel im Haus zu tun und mit der Familie. Mit dem Ex-Mann sei sie noch in Kontakt, dieser zahle nichts, weil sie auch gar keinen Antrag gestellt habe, aber der Ex-Mann würde helfen. Zudem habe sie noch zum eigenen Vater gelegentlich Kontakt, habe auch noch die Schwester, einen Neffen und die Schwester der Mutter mit deren Familie in der Ukraine.

Zur Religion führte die BF1 aus, dass ihre Mutter sich vor zehn Jahren bei den Zeugen Jehova habe taufen lassen. Dann seien sie ab diesem Zeitpunkt zu den Versammlungen der Zeugen Jehovas gegangen, sie sei aber nicht getauft. Sie habe einen Mittelschulabschluss, habe dann inskribiert, aber es habe nicht geklappt und sie habe keine weitere Berufsausbildung erhalten. In der Heimat habe sie immer nur bei der Mutter mitgeholfen, diese betreibe einen gebührenpflichtigen Parkplatz mit Bewachung, dies in der Heimatstadt. Dieses Unternehmen habe die Mutter gemeinsam mit dem Vater begonnen, dann sei der Parkplatz ihr eigener geworden, der Vater habe jetzt sein eigenes Unternehmen. So lange sie hier in Österreich seien, würde sich der Vater in der Zwischenzeit um den Parkplatz kümmern. Politisch sei sie niemals tätig gewesen, habe auch keinerlei persönliche Probleme mit den Behörden und habe auch keinerlei Straftaten begangen. Der Hauptgrund für die Ausreise und die Asylantragstellung sei die fehlende medizinische Versorgung. BF1 schilderte, dass ihr Sohn (BF2) sich einmal in der Schule eine Schnittwunde zugezogen habe, sie seien dann mit einem Nachbarn ins Krankenhaus gebracht worden. Die Rettung hätten sie gar nicht gerufen, denn diese brauche immer 40 Minuten. Im Spital hätten sie dann warten müssen, obwohl sich der Sohn eine schwere Schnittwunde durch einen Sturz durch eine Glastür zugezogen habe. Der Sohn sei dann schon behandelt und operiert worden, aber es sei schlecht gemacht worden und er habe nochmals behandelt werden müssen. Sie denke, hier in Österreich hätte man jemanden mit einer solchen Wunde nicht herumsitzen lassen.

Darüber hinaus führte die BF1 ein weiteres Beispiel an, wonach ein Kind, welches nicht zu ihrer Familie gehöre an Hydrozephalie gelitten habe, schlecht versorgt worden sei, die Familie hätte Geld für die notwendige Operation aufgetrieben. Leider sei dieses Kind dann vor der geplanten Operation gestorben. In der Ukraine würde es viele Krebskranke geben, auch Kinder. Die BF1 wurde nunmehr gefragt, aus welchen persönlichen Gründen sie sich denn entschieden habe, das Land zu verlassen. Die Antwort lautete, dass sie allgemein Angst um die Kinder habe, diese könnten in der Schule in einer Rauferei verwickelt werden, das könnte dann gefilmt und ins Internet gestellt werden. Zudem habe sie auch Angst um ihre beiden erwachsenen Brüder, diese hätten immer Vorladungen vom Militär bekommen.

Zudem sei die Gesellschaft in der Ukraine nicht gesund, Kinder würden Obdachlose verprügeln, Tiere würden gequält werden, das alles werde gefilmt und öffentlich gemacht. Ein konkretes Problem bestehe also darin, dass es ihr ein Anliegen sei, ihre drei Kinder aus einem Land, in dem es schrecklich zu leben sei, wegzubringen. Sie denke, dass es hier in Österreich sicherer sein werde, sie seien auch nicht hergekommen um der Gesellschaft zur Last zu fallen, sie würden vom ersten Tag an arbeiten.

BF1 wurde nunmehr danach gefragt, warum sie in der Erstbefragung Probleme aus Glaubensgründen erwähnt habe. Die Antwort von der BF1 lautete, dass es ein Verbot nicht geben würde, aber es könne passieren, dass man beschimpft und angespuckt werde. Ihr selbst sei das nicht passiert, aber die Mutter sei belästigt worden. Sie selbst habe den Zeugen Jehovas nur einige Male am Stand ausgeholfen, aber da sich nicht getauft sei, dürfe sie nicht predigen, sie meine damit, dass sie Leute nicht ansprechen und die frohe Botschaft nicht verkünden dürfe.

Auf Vorhalt, dass der religiöse Glauben eigentlich noch das geringste Problem sei und BF1 vielmehr aufgrund der allgemeinen Situation die Ukraine verlassen habe, führte diese aus: "Ja, das haben Sie richtig verstanden. Das wichtigste im Leben sind für mich meine Kinder." Damit haben sie alles Wesentliche gesagt und würden diese Gründe auch für die BF2-BF4 gelten.

BF1 wurden nunmehr allgemeine Länderberichte zur Lage der Zeugen Jehovas vorgehalten, weiters wurde diese auf staatliche Unterstützungsleistungen hingewiesen.

BF1 stellte die Frage, was denn passiere, wenn der Kindesvater nicht zahle und wurde sie darauf hingewiesen, dass sie den Kindesvater dann auf Unterhalt klagen müsse, das müsse sie auch in Österreich tun. BF1 führte dazu aus, dass sie ja auch Unterstützung bekommen hätten, sie habe nicht offiziell gearbeitet, sondern bei ihrer Mutter mitgeholfen. Als Alleinerzieherin habe sie in der Ukraine Sozialhilfe bekommen und danach habe sie für jedes Kind Kinderbeihilfe erhalten, zusätzlich noch Geld bei der Geburt eines Kindes, aber das sei alles nicht genug zum Leben.

Letztlich führte die BF1 zur Rückkehrbefürchtungen befragt aus, dass sie nicht sagen könne, dass man sie umbringen würde. Sie habe allgemein Angst, dass wenn ein Kind erkrankt oder sich verletzt, dass sie dann keine Hilfe bekommen würde. Außerdem habe sie Angst, dass ihre beiden Brüder zwangsweise (angemerkt: zum Militärdienst) mitgenommen werden könnten.

1.4. Das Büro des Hohen Flüchtlingskommissärs der Vereinten Nationen in Österreich (UNHCR) teilte mit Schreiben vom 25.11.2019 mit, dass die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit den im Spruch angeführten Bescheiden, zugestellt durch persönliche Übernahme am 25.11.2019, den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 12.11.2019 gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte den BF auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde jeweils Feststellungen zur Person der BF und zur Lage im Herkunftsstaat. Die Identität der BF stehe fest.

Die BF seien gesund und BF1 sei arbeitsfähig.

Die vorgebrachten Beweggründe für das Verlassen des Herkunftsstaates würden keine Asylrelevanz aufweisen und seien keine konkret gegen die BF gerichteten Verfolgungshandlung geltend gemacht worden. BF1 erhalte in der Ukraine Familienbeihilfe und sonstige Unterstützungsleistungen, sei zudem von der Familie unterstützt worden und würde auch in Zukunft Unterstützungs- und Unterkunftsmöglichkeiten vorfinden.

Die belangte Behörde verwies auf soziale und familiäre Bezugspunkte, Angehörige der BF1, etwa der Vater, würden noch in der Ukraine leben. Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat verwies die belangte Behörde darauf, dass BF1 nur allgemeine Befürchtungen auf mögliche Krankheiten und allenfalls Belästigungen der Kinder in der Schule getätigt habe. Dass sie bereits Opfer irgendwelcher Übergriffe geworden wären, sei nicht vorgebracht worden. Einen konkreten Anlass für die Ausreise würde es nicht geben. Den Ausführungen sei zu entnehmen, dass es sich keineswegs um eine spontane Flucht, sondern um eine über längere Zeit geplante Ausreise der Familie mit insgesamt 17 Personen aus der Ukraine gehandelt habe. Die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas habe für BF1 noch nie zu Nachteilen geführt, dies sei nicht einmal behauptet worden. Aus den Länderfeststellungen gehe zur Lage der Zeugen Jehovas hervor, dass diese grundsätzlich in der Ukraine keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt seien. BF1 sei zudem eine gesunde erwachsene Frau, es gebe keine Hinweise dafür, dass für diese eine Teilnahme am Erwerbsleben nicht möglich wäre. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass BF1 gar keine Verfolgungshandlungen behauptet habe, weshalb § 33 Abs. 1 Z. 3 AsylG verwirklicht sei. Zudem sei § 33 Abs. 1 Z. 4 AsylG erfüllt, da die BF Staatsangehörige der Ukraine seien, somit aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen. Spruchpunkt II. wurde dahingehend begründet, dass nicht davon auszugehen sei, dass die BF bei einer Rückkehr in die Ukraine in eine massive wirtschaftliche Notlage geraten würden und sei kein begründeter Hinweis hervorgekommen, aus welchem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre. Auch die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung scheitere bereits am Umstand, dass sich die BF noch gar nicht im Bundesgebiet aufhalten und sei im Flughafenverfahren über eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß § 33 Abs. 5 AsylG nicht abzusprechen. Daher komme eine Prüfung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG und damit verbunden die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht.

1.6. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen einzig auf den Verfahrensgang verwiesen wird. BF1 sehe sich in Anbetracht ihres Vorbringens in der Ukraine asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt, dies wegen der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas, somit zu einer sozialen Gruppe. Obwohl die Länderinformationen eine Beilegung der Probleme der Zeugen Jehovas darlegen würden, sei nach wie vor eine Verfolgung gegeben. Zumindest sehe die BF1 eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK im Fall einer Rückkehr in die Ukraine.

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die fristgerechten Beschwerden wie folgt erwogen:

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsaktes des BFA, beinhaltend die Erstbefragung der BF1 am 13.11.2019 und der Einvernahme vor dem BFA am 19.11.2019, die Zustimmung des UNHCR zur Abweisung des Antrages vom 25.11.2019 sowie die Beschwerde vom 02.12.2019;

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der BF im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine).

Die BF1 hat keinerlei Beweismittel oder sonstige Belege für ihr Vorbringen vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die unter Punkt 2. erwähnten Beweismittel.

3.1. Zur Person der BF:

3.1.1. Die BF führen die im Spruch genannten Namen, sie sind Staatsangehörige der Ukraine. BF1 nimmt an Versammlungen der Zeugen Jehovas teil, ist allerdings nicht getauft. Die BF1 lebte zuletzt mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt und war im Betrieb der Mutter erwerbstätig. Die BF sind gesund und BF1 ist arbeitsfähig.

3.1.2. Die BF1 ist nach eigenen Angaben in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in ihrem Herkunftsstaat.

Die BF reisten am 12.11.2019 auf den Luftweg von Kiew kommend am Flughafen Schwechat ein und stellten dort am gleichen Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3.1.3. Die BF haben im Verfahren vor dem BFA eine ihnen drohende Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nicht behauptet und als Grund für seine Ausreise angegeben, wegen der besseren Lebensumstände in Österreich sein zu wollen. Es haben sich auch sonst im Verfahren vor dem BFA keine Hinweise darauf ergeben, dass die BF im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

Die Beurteilung seitens des BFA, dass die Ausreise aus wirtschaftlichen/medizinischen Gründen erfolgte und Verfolgungshandlungen weder behauptet wurden, noch sonst hervorgekommen sind, ist - wie auch die Stellungnahme des UNHCR, dass die Antragstellung als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne - zutreffend.

3.1.4. Die BF1 hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr im Falle der Verbringung in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer individuellen Situation (Lebensumstände wie soziales Netz und Familie, Gesundheit und anderes mehr) im Zusammenhang mit der Lage in der Herkunftsregion ein reales Risiko einer Verletzung des Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), droht, und ist dies auch nicht von Amts wegen hervorgekommen.

Die BF1 ist im erwerbsfähigen Alter. Sie hat die Schule besucht und zuletzt im Betrieb der Eltern (Parkraumbewirtschaftung) teilweise gearbeitet. Sie verfügt durch Familie und Freunde über Anknüpfungspunkte in der Ukraine. Dass der allgemeine Gesundheitszustand der BF erheblich beeinträchtigt wäre, wurde im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst wie bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass die BF im Herkunftsstaat in der Lage sein werden, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen für sich zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal BF1 über Schulbildung und Berufserfahrung verfügt. Darüber hinaus kann die BF1 eine Unterstützung durch ihren Vater erwarten, da die BF1 angegeben hat, dass dieser sein eigenes Unternehmen betreibt und derzeit auch den Parkplatz der Mutter bewirtschaftet und kein Grund vorgebracht wurde, warum diese Unterstützung nicht mehr zu erwarten sei. Zudem hat die Behörde zutreffend darauf verwiesen, dass BF1 beim Vater der mj. BF2-BF4 Unterhalt einfordern kann.

3.1.5. Es besteht kein reales Risiko, dass die BF im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen würden und hat dies BF1 auch nicht behauptet.

3.2. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF:

3.2.1. Zur allgemeinen Lage in der Ukraine (Auszug aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA):

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.08.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 29.8.2019 ist die ukrainische Oberste Rada zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Diener des Volkes, hatte bei der Wahl mehr als 250 der insgesamt 450 Sitze gewonnen (DS 29.8.2019; vgl. Ukrinform 30.8.2019).

Sechs Fraktionen wurden gebildet: Diener des Volkes mit 254 Sitzen, die Oppositionsplattform "Für das Leben" mit 44 Sitzen, Europäische Solidarität (Ex-Block Poroschenko) mit 27 Sitzen, Batkivshchyna (Julia Timoschenkos Partei) mit 25 Sitzen, Holos (Stimme) mit 17 Sitzen und schließlich die aus unabhängigen Abgeordneten bestehende Fraktion "Für die Zukunft" mit 23 Sitzen (KP 29.8.2019).

Für die neue Regierung stimmten 281 Parlamentarier. Neuer Premierminister ist der 35-jährige Jurist Olexij Hontscharuk (DS 29.8.2019; vgl. Ukrinform 30.8.2019).

Zum neuen Ministerkabinett gehören:

Vizepremierminister für europäische und euroatlantische Integration Dmytro Kuleba

Vizepremierminister und Minister für IT-Transformation Mychailo Fedorow

Minister des Ministerkabinetts Dmytro Dubilet

Außenminister Wadym Prystaiko

Verteidigungsminister Andrij Sahorodnjuk

Innenminister Arsen Awakow (Bereits in der Vorgängerregierung tätig)

Minister für Wirtschaftsentwicklung, Handel und Landwirtschaft Tymofij Mylowanow

Justizminister Denys Maljuska

Finanzministerin Oxana Markarowa (Bereits in der Vorgängerregierung tätig)

Minister für Energiewirtschaft und Kohleindustrie Olexij Orschel

Minister für Infrastruktur Wladyslaw Kryklij

Ministerin für Entwicklung von Gemeinden und Territorien Olena Babak

Ministerin für Bildung und Wissenschaft Hanna Nowosad

Gesundheitsministerin Zorjana Skalezka

Minister für Kultur, Jugend und Sport Wolodymyr Borodjanskyj

Ministerin für Sozialpolitik Julia Sokolowska

Ministerin für Angelegenheiten von Veteranen, vorläufig besetzen Gebieten und Binnenflüchtlingen

Oxana Koljada

(Ukrinform 30.8.2019)

Zu den unmittelbaren Vorhaben der neuen Regierung zählen nun wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Aufhebung der Abgeordnetenimmunität (eine weithin geforderte Maßnahme zur

Korruptionsbekämpfung, welche allerdings eine Zweidrittelmehrheit verlangt), die Schaffung einer Möglichkeit zur Absetzung des Präsidenten und ein Gesetz zum Whistleblowing in Korruptionsangelegenheiten (RFE/RL 30.8.2019).

Quellen:

-

DS - Der Standard (29.8.2019): Ukrainischer Präsident bekommt sein Wunschkabinett,

https://www.derstandard.at/story/2000107945934/selenskyj-nominiert-ukrainischen-premier-undmehrere-minister, Zugriff 30.8.2019

-

KP - Kyiv Post (29.8.2019): Ukraine's new parliament sworn in, Dmytro Razumkov becomes speaker, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/ukraines-new-parliament-sworn-in.html?cnreloaded=1, Zugriff 30.8.2019

-

RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (30.8.2019): Ukraine's Zelenskiy Inducts Politically

Untested Government,

https://www.rferl.org/a/ukraine-zelenskiy-new-government-honcharuk/ 30137220.html, Zugriff 30.8.2019

-

Ukrinform (30.8.2019): Parlament billigt neue Regierung, https://www.ukrinform.de/rubric-polytics/

2769759-parlament-billigt-neue-regierung.html, Zugriff 30.8.2019

KI vom 23.07.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Die Partei "Sluha Narodu" (Diener des Volkes) von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die ukrainische Parlamentswahl vom 21.07.19 gewonnen. Noch liegt das amtliche Endergebnis nicht vor, aber nach Auszählung von etwa 70% der Stimmen steht fest, dass die Partei auf rund 42,7% kommt. Es folgen die russlandfreundliche Oppositionsplattform mit etwa 13%, die Partei "Europäische Solidarität" des früheren Präsidenten Petro Poroschenko mit etwa 8,4%, die Vaterlandspartei der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko mit 7,4% und die Partei "Holos"

(Stimme) des Rocksängers Swiatoslaw Wakartschuk mit 6,2%. Dies sind die fünf Parteien, die die

5%-Hürde überwinden konnten. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (BAMF

22.7.2019, DS 22.7.2019).

Zusammen mit den gewonnenen Sitzen aus den Direktwahlkreisen kommt Selenskyjs Partei auf knapp 250 der insgesamt 450 Sitze im Parlament. Das gute Ergebnis über die Parteiliste war vorausgesagt worden, jedoch überrascht der Gewinn von mehr als 120 Direktmandaten , da die Kandidaten durchwegs Polit-Neulinge sind und über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügen. Die enorme Wählerzustimmung für Selenskyjs Partei bedeutet, dass das erste Mal in der Ukraine eine politische Kraft die absolute Mehrheit der Sitze in der Rada erreicht hat. Damit entfallen die komplizierten Koalitionsverhandlungen, mit denen im Vorfeld der Wahl viele Experten gerechnet hatten. Offenbar wurde auch Selenskyj selbst davon überrascht, denn noch am Wahlabend hatte er Wakartschuks "Holos", auch diese eine erst vor kurzem gegründete Partei mit ausschließlich politisch unerfahrenen Kandidaten und radikaler Antikorruptions-Agenda, Koalitionsverhandlungen angeboten. Dies dürfte nun unnötig geworden sein (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (22.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail

-

DS - Der Standard (22.7.2019): Diener des Volkes werden Kiew regieren,

https://www.derstandard.at/story/2000106566433/diener-des-volkes-werden-kiew-regieren, Zugriff 23.7.2019

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach

Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen und Gruppen vertreten:

Partei

Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

135

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

38

Selbsthilfe (Samopomitsch)

25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

60

(AA 20.5.2019)

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und

Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch

Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL

23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA

27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-berichtueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-022019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

-

CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebratesvictory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraineelection-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https:// derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-derUkraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-

KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and

fair,https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-andfair.html, Zugriff 24.4.2019

-

Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der SensationSelenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinterder-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

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UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On DisbandingUkrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbandingukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

3. Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den

Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert,

Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten

"Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten.

(AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in derUkraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-berichtueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-022019.pdf, Zugriff 18.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-

16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-imbesetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018

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Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

3.1. Halbinsel Krim

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen dazu auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert, die von Sergey Aksyonov als "Premierminister" des "Staatsrats der Republik Krim" geführt wird. Der "Staatsrat" ist für die tägliche Verwaltung und andere Regierungsfunktionen zuständig. Es werden unverhältnismäßig repressive Gesetze verhängt und angewendet. Die russischen Sicherheitsbehörden auf der Krim schränken die Menschenrechte ein. Die schwerwiegendsten Probleme beinhalten: Verschwindenlassen; Folter, einschließlich strafweise psychiatrische Einweisung; Misshandlung von Inhaftierten als Strafe oder zur Erpressung von Geständnissen; harte Haftbedingungen und Überführung von Gefangenen nach Russland; willkürliche Festnahme und Inhaftierung, auch aus politischen Gründen; allgegenwärtige Missachtung der Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Medien einschließlich Schließungen und Gewalt gegen Journalisten; Beschränkungen des Internets; grobe und weit verbreitete Unterdrückung der Versammlungsfreiheit; starke Einschränkung der Vereinigungsfreiheit, einschließlich Verbot der Selbstverwaltung (Mejlis) der Krimtataren; Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Teilnahme am politischen Prozess; systemische Korruption; und systematische Diskriminierung von Krimtataren und ethnischen

Ukrainern .Die russischen Behörden unternehmen kaum Schritte, um Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu verfolgen, wodurch eine Atmosphäre der Straflosigkeit und Gesetzlosigkeit geschaffen wurde (USDOS 13.3.2019b).

Die Einwohner der Krim wurden pauschal in die Russische Föderation eingebürgert und es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Auslandsreisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit aufgrund politisch motivierter Vorwürfe inhaftiert werden, verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen

Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren wird von den de-factoBehörden als terroristische Vereinigung eingestuft, ihre Mitglieder verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Unabhängige Medien werden unterdrückt, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Auch jüngste Berichte von UNHCR, Amnesty International sowie des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reichen. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert. Die Einwohner der Krim werden von der Russischen Föderation, wenn sie nicht ihr Widerspruchsrecht genutzt und damit u. a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren haben, als russische Staatsangehörige behandelt (AA 22.2.2019).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch die russischen Behörden unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren, jedoch auch auf Vertreter der ukrainischen Minderheit aus (ÖB 2.2019; vgl. HRW

17.1.2019).

Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der russischen Behörden zu beobachten: Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erlangt wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters besteht Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit abweichender politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische Antiterror-Gesetzgebung zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Personen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend strafverfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt (ÖB 2.2019).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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