Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des L in I, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Jänner 1997, Zl. IIa-60.050/16-95, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Jänner 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Genehmigung für eine näher beschriebene gewerbliche Betriebsanlage (Sägewerksbetrieb) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 5. Juni 1996 die gewerbebehördliche Genehmigung für die in Rede stehende Betriebsanlage versagt worden, weil das Ermittlungsverfahren ergeben habe, daß von der Betriebsanlage ausgehende, wahrnehmbare Erschütterungen eine Gesundheitsgefahr für die Nachbarn darstellten. Mit Eingabe vom 18. September 1996 habe der Beschwerdeführer neuerlich um Genehmigung angesucht. In diesem Ansuchen habe er zum einen die Erschütterungswahrnehmungen des medizinischen Amtssachverständigen im vorausgegangenen Verfahren bestritten, zum anderen habe er den ursprünglichen Antrag dahin geändert, daß zufolge Reduzierung der Drehzahl des Sägegatters um 5-8 % (beispielsweise) durch Verwendung einer kleineren Riemenscheibe des Antriebsmotors die Schwingungen herabgesetzt würden. Diese Änderung würde zu einer Verminderung der Schwingungsintensität des Sägegatters um etwa das Doppelte, also um 10-16 % führen. Dem Antrag sei die Berechnung einer Maschinenfabrik beigelegt worden, wonach bei einer Verminderung der Drehzahl des Sägegatters um 5 % sich sowohl die vertikalen als auch die horizontalen Kräfte von ursprünglich 100 % auf 90 % verringern würden. Dem von der Erstbehörde eingeholten gewerbetechnischen Gutachten zufolge handle es sich bei dieser Änderung aber um eine nur unwesentliche Modifikation des ursprünglichen Antrages, weil die geplante Drehzahlreduzierung unter Zugrundelegung der (aufgrund des ursprünglichen Antrages) an drei verschiedenen Immissionspunkten vorgenommenen Erschütterungsmessungen und der dabei ermittelten resultierenden Schwingstärken den KBR-Wert lediglich an einer dieser drei Meßstellen rechnerisch unter 0,1 sinken lasse. Die übrigen Werte würden jedoch - wie im einzelnen dargestellt - nach wie vor um einiges über der festgestellten Wahrnehmbarkeitsgrenze von 0,1 KBR liegen. Dazu komme, daß die damaligen Erschütterungsmessungen bei lockerem und weichem Boden (im Sommer) vorgenommen worden seien, eine Veränderung der Bodenverhältnisse (z.B. durch Gefrieren des Bodens im Winter, Verdichtung des Bodens durch Lagerung von Schnittholz oder Stämmen) aber jedenfalls auch zu einer Erhöhung der Erschütterungsimmissionen führen könne. Im - aufgrund des ursprünglichen Antrages - vom medizinischen Amtssachverständigen erstatteten Gutachten seien die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von wahrnehmbaren Erschütterungen dargestellt und als untere Grenze der Spürbarkeit 0,1 KBR angegeben worden. Da auch der modifizierte Antrag somit zu genau demselben Ergebnis führen würde wie der ursprüngliche Antrag, stehe die Rechtskraft der Entscheidung vom 5. Juni 1996 einer neuen Sachentscheidung entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Sachentscheidung über seinen Antrag vom 18. September 1996 verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, nach "den Normen" werde der Wert KBR 01 als Fühlschwelle oder Wahrnehmbarkeitsgrenze bezeichnet; er sei als Richtwert anzusehen. Der Bereich von 0,2 bis 0,4 werde als "schwach spürbar" eingestuft und der Bereich von 0,4 bis 0,8 KBR erst als "spürbar". Überdies sei es Verfahrensvorschrift, die gemessenen Werte durch subjektive Wahrnehmungen zu ergänzen. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls die vom medizinischen Amtssachverständigen im Zuge des Ortsaugenscheins vom 31. Jänner 1995 beschriebenen Wahrnehmungen in dieser Form nicht bestätigen können; er habe keinerlei Vibration verspürt. Merkwürdigerweise habe der medizinische Sachverständige im Haus mit dem geringeren KBR-Wert eine Vibration verspürt, im Haus mit dem höchsten KBR-Wert jedoch nicht. Auch eine Reihe von Personen habe bei zwei weiteren Probeläufen übereinstimmend ausgesagt, in einem näher bezeichneten Haus keine Vibration wahrgenommen zu haben. Im nunmehrigen Verfahren habe der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, die Behörde solle einen Blindversuch mit Ein- und Ausschaltphasen des Sägegatters durchführen. Wäre an der behaupteten Gesundheitsgefährdung des Sägegatters infolge Verursachung mechanischer Schwingungen auch nur "ein Funken Wahrheit", so hätte dies damit erwiesen werden können. Aber gesetzt den Fall, es wäre dennoch ein minimaler Rest von Schwingungsimmission spürbar, dann würde dieser letzte Rest durch die im nunmehrigen Antrag geplante Drehzahlreduktion des Sägegatters verschwinden. Auch eine "hypersensible Person" würde keine Vibration mehr spüren. Die Argumentation der Behörde, es müsse hiefür der KBR-Wert von 0,1 unterschritten werden, sei völlig verfehlt, weil auch die subjektiven Wahrnehmungen zu berücksichtigen seien. Da aufgrund der Drehzahlreduktion Schwingungen subjektiv nicht mehr spürbar seien, liege nicht mehr ein und dieselbe Sache vor.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die Zurückweisung eines Antrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG kommt demnach dann in Betracht, wenn in der durch formell rechtskräftigen Bescheid bereits entschiedenen Verwaltungssache die Abänderung dieses Bescheides begehrt wird, nicht hingegen dann, wenn sich die die Verwaltungsrechtssache bestimmenden rechtlichen bzw. tatsächlichen Umstände verändert haben und daher nicht mehr dieselbe Sache wie die bereits entschiedene vorliegt. Die Sache verliert also ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten (Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I (1998), 1093 f, und die hier referierte höchstgerichtliche Judikatur).
Nach der Begründung des rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 5. Juni 1996 wurde der Betriebsanlage des Beschwerdeführers die gewerbebehördliche Genehmigung versagt, weil die Behörde ausgehend von einer Wahrnehmbarkeitsgrenze von 0,1 KB die durch die Betriebsanlage bewirkten Erschütterungen als wahrnehmbar und daher als für die Nachbarn gesundheitsgefährdend beurteilte.
Daß die antragsgegenständliche Drehzahlreduktion - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - eine Verringerung der von der Betriebsanlage ausgehenden Erschütterungen unter den genannten Wert der unteren Grenze der Wahrnehmbarkeit mit sich brächte, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Er bringt vielmehr vor, es müßten zur Beurteilung der Wahrnehmbarkeit von Erschütterungen auch subjektive Wahrnehmungen berücksichtigt werden.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer allerdings nicht auf, daß in den für die rechtskräftige Entscheidung vom 5. Juni 1996 maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten wäre, die unter Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen (u.a. eine Wahrnehmbarkeitsgrenze für Erschütterungen von 0,1 KB) nunmehr eine andere Beurteilung der Sache zuließe. Damit erweist sich aber der Umstand der nunmehr geplanten Drehzahlreduzierung als eine nur unwesentliche - weil die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides nicht zulassende - Änderung in den entscheidungsrelevanten Fakten, sodaß die belangte Behörde zu Recht von der Identität der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 5. Juni 1996 entschiedenen und der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Sache ausgehen konnte.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997040041.X00Im RIS seit
20.11.2000