Entscheidungsdatum
13.12.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I408 2173492-1/13Z
I408 2173640-1/7Z
I408 2173638-1/5Z
I408 2173641-1/7Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX (BF1), XXXX, geb. XXXX (BF2), XXXX, geb, XXXX (BF3) und XXXX; geb. XXXX (BF4), alle StA. Irak, vertreten durch: Rae Kocher & Bucher, gegen den Bescheid des BFA RD Steiermark Außenstelle Graz vom 21.09.2017, Zl. 1107215500-160324043, beschlossen:
A)
Das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Beendigung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft XXXX zur Zahl XXXX bzw. eines allfälligen anschließenden Rechtsmittelverfahrens ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
BF 1, seine Ehefrau BF2 und die beiden am XXXXgeborenen Zwillinge (BF3 und BF4) stellten am 02.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. U.e. haben auch die Mutter von BF1 und sein Bruder mit Familie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, die getrennt geführt werden.
Die Verfahren von BF1, BF2, BF3 und BF4 werden gemeinsam als Familienverfahren geführt.
Im Zuge der Ersteinvernahme gab BF1 als Fluchtgrund, auf den sich auch alle anderen Familienmitglieder berufen, an, dass im Irak Krieg sei, der IS die ganze Stadt Mosul zerstört habe, es jeden Tag Luftangriffe gebe und Frauen vergewaltigt werden. Außerdem gebe es Probleme mit Schiiten und er kenne nur Krieg, seitdem er 5 Jahre alt ist."
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde zunächst zurückgewiesen, weil Kroatien für die Prüfung des Antrages zuständig ist. Diese Entscheidung wurde aber und mit ho. Erkenntnis vom 07.09.2017, W184 2137043-1/4E behoben.
Am 19.09.2017 führte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme im nun zugelassenen Asylverfahren an, dass er beschuldigt worden sei, ein Terrorist zu sein, deshalb auch im Gefängnis war und gefoltert wurde. Außerdem habe es familiäre Streitigkeiten mit einem Verwandten gegeben. Dieser wäre ein Mitglied der Badr-Miliz, habe ihn telefonisch bedroht und auf sein Geschäft Blutrache geschrieben. Diese Drohungen haben ihn und seine Familie zur Ausreise veranlasst.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheiden wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Zuletzt wurde dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).
Über seinen Rechtsvertreter erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und bekämpfte den Bescheid in vollem Umfang.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde das Verfahren dem erkennenden Richter zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Gegen BF1 und seinen Bruder läuft seit 16.04.2018 unter der Zahl XXXX der Staatsanwaltschaft XXXX ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes auf terroristische Vereinigung gemäß § 278b StGB, Terroristische Straftaten gemäß § 278c Abs. 1 lit. 1 StGB iVm Verdacht auf Mord gemäß § 75 StGB (Tatort im Ausland).
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen. Das Ergebnis hat wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung in diesem Familienverfahren.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zum laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft XXXX ergibt sich aus der Einsichtnahme in den Ermittlungsakt.
Zu A) Aussetzung des Verfahrens:
Nach § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. Gemäß § 38 letzter Satz AVG ist die Behörde nur dann zur Aussetzung des Verfahrens befugt, wenn das Verfahren über die Vorfrage noch nicht beendet, also insbesondere nicht rechtskräftig entschieden worden ist (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG, 2005, § 38, Rz 42).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung keine bloß verfahrensleitende Entscheidung iSd des § 25a Abs. 3 VwGG und unterliegt damit nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung (vgl. etwa VwGH 20.05.2015, Ra 2015/10/0023, mwH).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsbehörde bzw. des Verwaltungsgerichtes in der Frage, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Durch die gerichtliche Verurteilung wird in einer für die Verwaltungsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht bindenden Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. An eine rechtskräftige Verurteilung wäre die Verwaltungsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen und Unterlassungen, derentwegen die Verurteilung erfolgte, feststeht. Eine eigene Beurteilung durch die Verwaltungsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht ist damit nicht mehr zulässig, diese sind verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid bzw. ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Im Falle eines freisprechenden Urteils kommt diese Bindungswirkung verurteilender Entscheidungen der Strafgerichte nicht zum Tragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa ausgesprochen, dass in diesem Fall die Verwaltungsbehörde - wenn dies für die von ihr zu entscheidende Angelegenheit wesentlich ist - die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbständig zu beurteilen hat. Auch bezüglich des von der Verwaltungsbehörde bzw. des Verwaltungsgerichtes festzustellenden maßgebenden Sachverhalts besteht keine Bindung an die von einem Strafgericht in einem freisprechenden Urteil getroffenen Feststellungen. Vorfrage ist also immer eine Frage, deren Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandselement für die Entscheidung der Hauptfrage bildet (s. VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0009; 28.11.2013, 2013/03/0070, ua.).
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft XXXX, Zl. XXXXwegen des Verdachtes auf terroristische Vereinigung gemäß § 278b StGB, Terroristische Straftaten gemäß § 278c Abs. 1 lit. 1 StGB iVm Verdacht auf Mord gemäß § 75 StGB (Tatort im Ausland) ist nach wie vor nicht abgeschlossen und wurde auch noch keine Anklage erhoben. Es ist somit noch kein rechtskräftiger Schuld- oder Freispruch erfolgt, an den das Bundesverwaltungsgericht gebunden wäre.
Von der Frage, ob der Beschwerdeführer ein Mitglied des IS gewesen ist und für diese Morde begangen hat, hängt die vom Bundesverwaltungsgericht vorzunehmende Beurteilung des Vorliegens von asylrelevanter Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ab. Darüber hinaus wäre bei einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung unter Umständen ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018, gegeben. Die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen der ihm angelasteten Straftaten verurteilt wird, stellt daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren in zweifacher Hinsicht eine Vorfrage iSd § 38 zweiter Satz AVG dar. Das Abwarten des Ermittlungsverfahrens und eventuell des Strafverfahrens erscheint zweckmäßiger als eine Beurteilung der Vorfrage nach § 38 erster Satz AVG durch das Bundesverwaltungsgericht selbst.
Das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ist daher mit Beschluss auszusetzen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ergibt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf der angeführten Judiktur des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Asylverfahren, Aussetzung, Beschwerdeverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2173638.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.05.2020