Entscheidungsdatum
17.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I413 2143901-1/29E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde vonXXXX, StA. IRAK, vertreten durch Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 14.12.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.09.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 03.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 05.02.2015 zu seinen Fluchtgründen befragt an, bei einer britischen Firma bei einem Sicherheitsdienst gearbeitet zu haben; da er für eine europäische Firma gearbeitet habe, sei er von Milizen bedroht worden. Der Beschwerdeführer habe dann aufgehört zu arbeiten und habe er fliehen müssen; er sei ca. 60km entfernt zu seinem Onkel geflohen. Dort sei jedoch der IS gewesen, weshalb er das Land habe verlassen müssen.
2. Mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wels vom 16.07.2015 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass die Staatsanwaltschaft das gegen ihn wegen gefährlicher Drohung gem. § 107 Abs 1 StGB geführte Ermittlungsverfahren eingestellt hat.
3. Der Beschwerdeführer wurde am 27.09.2016 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und gab er, erneut und detailliert befragt zu seinen Fluchtgründen, an, bei einer britischen Firma für die Bewachung einer iranischen Delegation zuständig gewesen zu sein; dabei habe er Personen vom Flughafen Bagdad abholen und zur Stadt Kerbela begleiten müssen. Die Delegation habe aus drei Investoren bestanden. Sie seien mit vier Fahrzeugen unterwegs gewesen. Der Konvoi sei wie folgend angegeben unterwegs gewesen: Im zweiten Fahrzeug seien der Fahrer, der Chef der Firma und zwei Delegationsteilnehmer gewesen; im dritten Fahrzeug ein Fahrer, ein Delegationsteilnehmer und zwei Angestellte; in den Fahrzeugen drei und vier jeweils ein Fahrer und jeweils drei Angestellte.
Am siebten Tag der Begleitung seien sie zum Flughafen Bagdad gefahren, wobei am Weg dorthin, im Stadtteil Mansur, eine Bombe in Höhe des dritten Fahrzeuges, in dem sich ein Delegationsmitglied befunden habe, explodiert sei. Sie seien beschossen worden, das erste Fahrzeug sei an den Reifen getroffen worden. Auf so etwas seien sie nicht vorbereitet gewesen. Die Fahrzeuge selbst seien kugelsicher und es sei nicht wirklich etwas passiert. Der Beschwerdeführer musste sich korrigieren und führte aus, dass nur das dritte Fahrzeug getroffen worden sei, die Reifen seien kaputtgeschossen worden. Das erst und zweite Fahrzeug seien davongefahren; im zweiten Fahrzeug seien zwei Investoren gewesen. Das vierte Fahrzeug sei beim dritten Fahrzeug zu dessen Schutz stehen geblieben. Die ersten beiden Fahrzeuge haben den Firmensitz in Bagdad, Mansur, erreicht. Der Beschwerdeführer selbst habe sich in einem Fahrzeug, das am Firmensitz gewesen sei, befunden. Er und seine Kollegen haben die beiden Delegationsteilnehmer am Firmengelände in Sicherheit gebracht und haben sie dann zum Anschlagsort zurückkehren wollen. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht mitgefahren, weil er Angst gehabt habe, dass ihm etwas passieren könne. Abschließend sei noch auszuführen, dass niemand verletzt worden und alles gut ausgegangen sei, weil die beiden Fahrzeuge am Anschlagsort, bzw. die Angestellten der Sicherheitsfirma, durch Polizeibeamte, die in der Nähe eine Kontrolle durchgeführt haben, zur Hilfe gekommen seien und die Kollegen des Beschwerdeführers unterstützt haben.
Kurz nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht worden, dass er sich seiner Verantwortung nicht gestellt habe und ein anderer Job besser für ihn sei. Der Beschwerdeführer sei in weiterer Folge von seinem Chef gekündigt worden, da der Job nichts für ihn sei. Er sei aufgrund seiner Arbeit bei einer britischen Firma sehr eingeschränkt gewesen; deshalb sei er nach seiner Kündigung zu seiner Schwester gegangen und habe er bis zum 13.09.2014 bei dieser gelebt. Am 10.09.2014 sei dem Beschwerdeführer von seinem Schwager eine Drohung mitgeteilt worden: Der Beschwerdeführer müsse Bagdad aufgrund seiner Beschäftigung und des Umstandes, Sunnit zu sein, verlassen. Die Drohung sei mündlich über den Schwager erfolgt; dieser habe die Leute nicht gekannt, doch dürfe es sich um Milizen aus der Umgebung handeln. Der Beschwerdeführer selbst sei weder schriftlich noch mündlich bedroht worden. Zu seiner Mutter habe der Beschwerdeführer nicht gekonnt, da dort Leute der ISIS gewesen seien. Der Beschwerdeführer sei dann am 13.09.2014 zu seinem Onkel nach BAAQUBA. Dort habe er weitere zehn bis fünfzehn Tage verbracht; danach habe er den Irak verlassen.
4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 14.12.2016, XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer mit Hinterlegung am 16.12.2016 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 29.12.2016 (bei der Behörde eingelangt am selben Tag).
6. Mit Schriftsatz vom 04.01.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 05.01.2017, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
7. Mit Schreiben vom 31.07.2019 verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer vom Ergebnis einer Beweisaufnahme (Länderinformationsblatt IRAK, Stand 25.07.2019) und räumte ihm die Möglichkeit ein, binnen vierzehn Tagen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu nehmen.
Mit Eingabe vom 13.08.2019 erstatte der Beschwerdeführer schriftlich Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme, womit er das Länderinformationsblatt zur Kenntnis genommen hat und wurde zusammengefasst ausgeführt, dass insgesamt davon auszugehen sei, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund sich mit den Länderinformationen decke und dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Irak die Gefahr drohe, von schiitischen Milizen ausgeforscht und in weiterer Folge getötet bzw. gefoltert zu werden.
8. Am 13.09.2019 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt und wurden der Beschwerdeführer als Partei sowie die ZeugenXXXX sowie XXXX einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist kinderlos, ledig, Staatsangehöriger des Irak und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er ist Schiit. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und steht seine Identität fest.
Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich. Er hält sich seit (mindestens) 03.02.2015 in Österreich auf.
Er ist gesund und arbeitsfähig. Er hat im Irak die Grundschule besucht; er ging auch in die Mittelschule, jedoch ohne seinen Abschluss zu machen. Im Irak verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit seiner Beschäftigung bei einer Securityfirma. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung im Irak hat er eine Chance, am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.
Zu seinen familiären Verhältnissen ist auszuführen, dass die Mutter und die beiden Schwestern des Beschwerdeführers im Irak leben und er regelmäßig und häufig, nämlich zwei- bis viermal in der Woche, Kontakt über das Internet mit ihnen hat. In Österreich hat er hingegen keine Verwandten und bestehen auch keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung; er ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.
Zu den Integrationsschritten des Beschwerdeführers und seinen Bemühungen, sich in sozialer, kultureller und Beruflicher Hinsicht in Österreich zu verankern, ist folgendes auszuführen:
Der Beschwerdeführer verrichtet ehrenamtliche Tätigkeiten in der Pfarre; so hat er etwa bei Aufräumarbeiten nach einer Überschwemmung im Jahr 2018 mitgeholfen. Er hat auch Bekannte und Freunde in Österreich, mit welchen er Unternehmungen tätigt und die bereit waren, Empfehlungsschreiben für den Beschwerdeführer zu erstellen; diese Beziehungen stellen jedoch keine überdurchschnittlichen, intensiven Freundschaften dar. Er hat die Deutschprüfung auf dem Niveau A1 bestanden und am Sprachkurs A2 teilgenommen, seine Deutschkenntnisse sind allerdings marginal.
Hieraus ergibt sich, dass die Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers in keinem überdurchschnittlichen Ausmaß bestehen.
1.2. Zu den Fluchtgründen
Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgung durch die irakische Miliz aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.
Der Beschwerdeführer lebte in einer Wohnung in Al Mansur in Bagdad, wo er auch seiner Arbeit als Security nachging, ohne dass er dort einer Bedrohung durch Milizen ausgesetzt gewesen wäre.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung durch die irakische Miliz ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak
1.3.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den IS. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert, wenn auch IS Kämpfer in manchen ländlichen Gebieten weiterhin aktiv sind (CRS 01.10.2018, MIGRI 06.02.2018). Der IS hat sich nunmehr in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019I und ist insbesondere in abgelegenen, schwer zugänglichen Gebieten in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie den Hamrin Bergen aktiv (ACLED 7.8.2019).
Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 06.02.2018). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018). Im zweiten Quartal 2018 sind aus der Provinz Al-Basrah keine Todesopfer gemeldet (ACCORD 05.09.2018). Die Sicherheitslage im Jahr 2019 ist von einem Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen gekennzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Seit 1. Oktober 2019 kommt es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qasisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen, die sich gegen Korruption, hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung richten (ISW 22.10.2019; Joel Wing 3.10.2019, Al Mada 2.10.2019; BBC 4.10.2019,
Der Standard 4.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesteckt (Al Mada 2.10.2019). Die Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor, zeitweilig wurde eine Ausgangssperre ausgerufen und das Internetblockiert (Al Jazeera 5.10.2019; ISW 22.10.2010, Rudaw 13.10.2019; FAZ 3.10.2019). Gewaltsame Proteste forderten in der Zeit zwischen 25.10. und 30.10.2019 insbesondere in den Städten Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala 75 Menschenleben und 3.500 Verletzte. (BBC News 20.10.2019, Guardian 27.10.2019 und 29.10.2019). Die am 28.10.2019 verhängte Ausgangssperre in Bagdad wurde durch die Demonstranten nicht eingehalten (BBC 20.10.2019).
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage im südlichen Teil des Iraks ist als stabil anzusehen. Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018). In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen sowie zu Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen, insbesondere wegen der schlechten Versorgungslage mit sauberem Wasser und Strom. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018). Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018). Auch im Oktober 2019 kommt es immer wieder zu gewaltsamen Prosteten, die Menschenleben und Verletzte fordern und auch noch andauern.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Die Zahl der Angriffe auf Personen ist seit 2016 jedoch kontinuierlich gesunken und hat 2018 einen historischen Tiefstand von durchschnittlich 1,1 Vorfällen pro Tag erreicht (vgl OFPRA 10.11.2017; vgl Joel Wing 08.07.2017, Joel Wing 04.10.2017, Joel Wing 03.07.2018). Zuletzt versuchte der IS seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019), wobei diese sich auf die Peripherie, va im Norden, Süden und Westen des Gouvernements Bagdad beziehen (Joel Wing 5.8.2019, 16.10.2019). Es gelangen dem IS im Juli 2019 zwei Selbstmordattentate im Gouvernement und fünf Anschläge mit unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.8.2019). Während der Proteste im Südirak stelle der IS seine Angriffe im Gouvernement ein (Joel Wing 16.10.2019). Im Zuge der gegenwärtig andauernden Proteste kommt es in Bagdad immer wieder zu Ausschreitungen mit zT Toten und Verletzten. Aus den Länderberichten ergeben sich keine Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation und auch keine Hinweise in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Quellen:
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Reisewarnung,https://www.auswaertiges-amt.de/de/iraksicherheit/202738. Zugriff 1.11.2018
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The Guardian (29.10.2019): Iraq's young protesters count cost of a month of violence,
https://www.theguardian.com/world/2019/oct/29/iraqi-protesters-demonstrations-month-of-violence, Zugriff 30.10.2019
UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018
UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018
UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018
UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018
UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018
UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 31.10.2018
USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.htm l , Zugriff 31.10.2018
WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comebackin-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018.
1.3.2. Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018).
Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).
Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).
Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1425073.html, Zugriff 28.10.2018
USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018
1.3.3. Berufsgruppen und andere soziale Gruppen:
Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sind besonders gefährdet. Auch werden Mitarbeiter der Ministerien, sowie Mitglieder der Provinzregierungen regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.2.2018). Extremisten und bewaffnete Gruppen verübten Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker (USDOS 3.3. 2017).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.
Zugriff 19.7.2018
AIO - An international organization (12.6.2017): Gesprächsprotokoll per Email,
http://www.ecoi.net/file_upload/432_1189068774_2007-08-unhcr-iraq.pdf, (letzter Zugriff am 12.10.2018)
FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html. Zugriff 25.10.2018 USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (8.2007): UNHCR-s Eligibility Guidelines for Assessing the Internationale Needs of Iraqi Asylum-seekers, http://www.refworld/org/pdfid/46deb05557.pdf, (letzter Zugriff am 12.10.2018).
1.3.4. Behandlung nach Rückkehr:
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).
Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).
Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).
Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.06.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UNHabitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.
Zugriff 12.10.2018
GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag,
https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570. Zugriff 20.11.2018
IEC - Iraq's Economic Center (24.1.2018): Rising Real Estate Prices in Iraq encourages buying abroad, http://en.economiciraq.com/2018/01/24/rising-real-estate-prices-in-iraqencourages-buying-abroad/. Zugriff 17.10.2018
IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq.
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635%20-%20Iraq Returnees Snapshot-Report%20-%20V5.pdf. Zugriff 16.10.2018
IOM - International Organization for Migration (13.6.2018):
Länderinformationsblatt Irak
(2017).https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs
irak-dl de.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1
cid294?blob=publicationFile. Zugriff 16.10.2018
MCH - Ministry of Construction and Housing (10.2010): Iraq National Housing Policy.
https://www.humanitarianlibrary.org/sites/default/files/2013/05/634247_INHP_English_Version.pdf. Zugriff 17.10.2018
REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles. Drivers and Return.
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe in 2016 june 2017%20%281%29.pdf. Zugriff 16.10.2018
Reuters (12.2.2018): Iraq says reconstruction after war on Islamic State to cost $88 billion.
https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-reconstruction/iraq-savs-reconstruction-after-war-on-islamic-state-to-cost-88-billion-idUSKBN1FW0JB.
Zugriff 17.10.2018
UNHSP - United Nations Human Settlements Program (6.11.2017): The Council of Ministers Endorses the Updated Housing Policy of Iraq by the Ministry of Construction. Housing Municipalities and Public Works through the support of UN-Habitat.
https://reliefweb.int/report/iraq/council-ministers-endorses-updated-housing-policy-iraq-ministry-construction-housing. Zugriff 17.10.2018.
1.3.5. Dokumente, Staatsbürgerschaft:
Jedes Dokument. ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt. ist gegen Bezahlung zu beschaffen.
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.
Zugriff 12.10.2018
BFA - Staatendokumentation (8.8.2017): Anfragebeantwortung der Staatendokumentation -Irak/Syrien: Staatsbürgerschaft Kind, Vater Syrer, Mutter Irakerin, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/1407773/5209_1502703961_syri-irak-ra-staatsbuergerschaft-kind-vater-svrer-mutter-irakerin-2017-08-08-ke.doc. Zugriff 20.9.2018
IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (25.11.2013): Iraq:
Civil Status Identification Card, including purpose and validity; requirements and procedures for the issuance, renewal and replacement of cards, including the location of issue; frequency of fraudulent identity cards,
http://www.refworld.org/docid/52cd0a934.html. Zugriff 17.10.2018
UKHO - United Kingdom Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note - Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns,
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/738200/Iraq_-_IFA_docs_and_return_-_CPIN - v7 September_2018_.pdf, Zugriff 17.10.2018
USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html. Zugriff 4.10.2018.
Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass es dem Beschwerdeführer - bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
Der Beschwerdeführer lebte zuletzt sicher im Stadtviertel Al-Mansur im Bagdad, wo auch der Sitz seines Arbeitgebers war. Er wurde dort nicht bedroht. Al-Mansur ist ein sicheres, nach der Vertreibung seiner sunnitischen Mehrheitsbevölkerung 2006 und 2007 mehrheitlich von Schiiten aufgrund der Nähe zum Kadhimiya Distrikt und den Gräbern des siebten und neunten Schiitischen Imams bewohntes Viertel in Bagdad, welches traditionell von wohlhabenden Arabern bewohnt wird. Es ist als Botschaftsviertel bekannt, weil sich dort zahlreiche Botschaften befinden. Außerdem ist es ein lebhaftes Einkaufsviertel, welches Besucher wegen der luxuriösen Importwaren, modernen Marktplätzen und Dienstleistungen, einschließlich Restaurant, Kaffeehäuser und Unterhaltungslokale anzieht ("Baghdad Neighbourhoods", Institute for the Study of War. "In Baghdad, Iraqis embrace return to normalcy, with eye on its fragility", Christian Science Monitor, 7 May, 2018). Der Beschwerdeführer konnte in Al-Mansur sicher leben. Es wäre ihm möglich und auch zumutbar gewesen, dort weiterhin zu leben.
Quellen:
Institute for the Study of War, Baghdad Neigbourhoods: Mansour, www.understandingwar.org/backgrounder/baghdad-neighborhoods-mansour, Zugriff 17.12.2019
In Baghdad, Iraqis embrace return to normalcy, with eye on its fragility,
https://www.csmonitor.com/World/Middle-East/2018/0507/In-Baghdad-Iraqis-embrace-return-to-normalcy-with-eye-on-its-fragility, Zugriff 17.12.2019
Der Beschwerdeführer reiste nach zu seinem Onkel nach Baquba, der Hauptstadt des Gouvernements Diyala, ca. 50 km nordöstlich von Bagdad. Es wäre ihm möglich und zumutbar gewesen, sich dort langfristig sicher aufzuhalten und dort zu leben.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die Beschwerde und den angefochtenen Bescheid, in den vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere in die Protokolle der Einvernahmen vom 05.02.2015 und vom 27.09.2016. Weiters wurde Einsicht genommen in die vorgelegten Urkunden und vor der Verhandlung eingelangten Bestätigungen und Stellungnahmen, sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt für den Irak. Außerdem wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie weiterer Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.09.2019.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellung zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Nationalität, Arbeitsfähigkeit und Berufserfahrung basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben vor im Rahmen seiner Erstbefragung am 05.02.2015 sowie vor der belangten Behörde am 27.09.2016 und vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2019. Aufgrund im Akt aufliegender identitätsbezeugender Dokumente steht die Identität des Beschwerdeführers fest.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Moselm-Schiit ist, beruht auf seinen Angaben in der Erstbefragung am 05.02.2015, wo er angibt, Schiit zu sein. Wenn er dagegen vor der belangten Behörde am 27.09.2016 und vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2019, wo er hingegen angibt, Sunnit zu sein, erweis sich das aus folgenden Gründen als unglaubhaft: Vor dem Bundesverwaltungsgericht gibt er an, Sunnit zu sein. Seine schiitische Glaubensrichtung im Ersteinvernahmeprotokoll sei falsch protokolliert worden. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst angibt, bei der Ersteinvernahme die Wahrheit gesagt zu haben und dass alles rückübersetzt worden sei - somit also auch seine Religionszugehörigkeit (Protokoll vom 27.09.2016, S. 3). In seiner Einvernahme am 05.02.2015 bestätigt er, den Dolmetscher verstanden zu haben; ihm wurde das Protokoll in einer ihm verständlichen Sprache rückübersetzt und ihm die Möglichkeit von Einwendungen bzw. der Vornahme von Korrekturen eingeräumt. Hievon hat der Beschwerdeführer explizit keinen Gebrauch gemacht und bestätigte der Beschwerdeführer die Vollständigkeit und die Richtigkeit des Ersteinvernahmeprotokolls und der Rückübersetzung mit seiner Unterschrift. Sein dahingehender Einwand einer fehlerhaften Protokollierung im Rahmen seiner Ersteinvernahme geht sohin ins Leere. Zwar ist davon auszugehen, dass er, wie bei der Ersteinvernahme dargelegt, Schiit ist, da davon auszugehen ist, dass er bezüglich seines Religionsbekenntnisses im Rahmen der ersten Befragung richtige Angaben gemacht hat. Zudem lebte er bis zu seiner Ausreise im schiitisch dominierten Stadtteil Al-Mansur in Bagdad, was seine schiitische Glaubensrichtung - insbesondere vor dem Hintergrund der zwischen 2005 und 2006 erfolgten Vertreibung der in diesem Bezirk vormalig mehrheitlichen sunnitischen Bevölkerung (Baghdad Neighbourhoods", Institute for the Study of War) - deutlich wahrscheinlicher macht. Dass der Beschwerdeführer seine Glaubensrichtung später revidierte, ist offensichtlich der Mutmaßung besserer Aussichten im Asylverfahren geschuldet, konnte aber nicht überzeugen. Daher war die entsprechende Feststellung zu treffen.
Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers und zum Beginn seines Aufenthaltes in Österreich beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben im Zuge der Erstbefragung am 05.02.2015.
Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben bei der Erstbefragung am 05.02.2015 sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2019. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer noch Familienangehörige in seinem Herkunftsstaat hat. Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Verwandten verfügt, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.09.2019.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Strafregisterauszug vom 30.10.2019.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich vom 30.10.2019.
Die Feststellung zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich beruht einerseits auf den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers und dem vom Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.09.2019. Dass die Bekanntschaften und Freundschaften des Beschwerdeführers als oberflächlich zu betrachten sind, ergibt sich aus der Vielzahl von vorgelegten Empfehlungsschreiben sowie den widerspruchsfreien Zeugenaussagen vor dem BVwG; so konnte sich das BVwG den Eindruck verschaffen, dass sich die Beziehungen des Beschwerdeführers auf Hilfe und Betreuung im Rahmen seines Asylverfahrens ergeben.
Die Feststellung zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat A1 vom 23.11.2017, der Kursbestätigung A2 vom 26.02.2019 und dem persönlichen Eindruck durch den erkennenden Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.09.2019.
Aus den vorgelegten Fotos, den Angaben des Beschwerdeführers sowie den widerspruchsfreien und glaubwürdigen Zeugenaussagen vom 13.09.2019 geht die Feststellungen zu den ehrenamtlichen Bemühungen des Beschwerdeführers innerhalb der Pfarre und Gemeinde hervor.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer gibt als Grund für seine Flucht in seiner Ersteinvernahme seinen Job bei einer britischen Securityfirma, wo er für den Schutz irakischer Delegierter verantwortlich gewesen sei, an. In diesem Zusammenhang sei es eines Tages zu einem Bombenanschlag gekommen und habe sich der Beschwerdeführer in weiterer Folge nicht seiner Verantwortung gestellt, da er aus Angst um seine eigene Sicherheit nicht an den Ort des Geschehens gefahren sei. Daraufhin sei er gekündigt worden, da sein Arbeitgeber gemeint habe, dass das Verhalten des Beschwerdeführers nicht für eine Securityfirma geeignet sei; deshalb sei er gekündigt worden. In weiterer Folge sei er von irakischen Milizen bedroht worden (Protokolle vom 05.02.215 und 27.09.2016).
Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, nur über seinen Schwager von Leuten der irakischen Miliz bedroht worden zu sein und persönlich weder schriftlich noch mündlich eine solche Drohung erhalten zu haben. Er konnte keinerlei persönliche Bedrohung geltend machen und auch nicht erklären, weshalb er bedroht worden sein soll.
Auch vor dem erkennenden Gericht gab der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.09.2019 eine Bedrohung lediglich über seinen Schwager an. Er vermochte erneut keinen persönlichen Kontakt mit der Miliz aufzuzeigen (Protokoll vom 13.09.2019, S. 9):
"RI: Wurden Sie selbst unmittelbar bedroht?
BF: Ja, sicherlich. Sie kamen zu mir, aber wenn sie mich gesehen hätten, dann hätten sie mich mitgenommen und daraufhin getötet. Sie kamen persönlich zu mir zum Haus meines Schwagers.
RV: Von Angesicht zu Angesicht haben Sie [sic] nicht gesehen, sie kamen nur zum Haus des Schwagers?
BF: Ich habe sie nicht gesehen, aber sie kamen zu mir.
RI: Wo war diese Wohnung bei dieser Firma? In welchem Ort?
BF: Das war in Bagdad, im Stadtviertel Al-Mans