TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/27 W196 2126253-1

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Veröffentlicht am 27.12.2019
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Entscheidungsdatum

27.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W196 2126253-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , StA. Ukraine alias Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, diese durch Mag. Christoph STEINWENDTNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2016, Zl. 1017423809-14579432/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.11.2019 zu Recht erkannt

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG, § 9, BFA-VG, §§ 46, 52 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. lautet:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, gelangte gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau am 15.05.2002 ins österreichische Bundesgebiet und brachte am 17.05.2002 unter den im Spruch genannten Aliasdaten einen Antrag auf Asylerstreckung, bezogen auf den gleichzeitigen Asylantrag seiner damaligen Ehefrau, welche eine Bedrohung im Zusammenhang mit einem von ihr beobachten Mord vorbrachte, ein.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.04.2004 gemäß § 10 iVm § 11 AsylG idF BGBl I Nr. 126/2002 abgewiesen, weil seiner Ehefrau kein Asyl gewährt worden war. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.07.2007, Zl. 249.877/0/4E-VII/19/04, stattgegeben und behoben, weil auch der seine Ehefrau betreffende Bescheid zuvor gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben worden war.

Infolge der erneuten Abweisung des Antrages seiner Ehefrau gemäß § 7 AsylG 1997 mangels Glaubwürdigkeit ihres Fluchtvorbringens wurde auch der Asylerstreckungsantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.05.2008 erneut gemäß §§ 10 iVm § 11 AsylG 1997 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde infolge der Abweisung der Beschwerde im Verfahren seiner Ehefrau ebenfalls mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.08.2010, Zl. D9 249877-2/2008/3E, abgewiesen.

Danach verblieb der Beschwerdeführer -ab dem 12.07.2011 zudem ohne behördliche Meldung- weiterhin illegal im österreichischen Bundesgebiet.

Am 03.05.2014 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und am selben Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, in der Ukraine noch immer verfolgt zu werden. Er erhalte noch immer Telefonanrufe wegen der Sache, zu der er Asyl beantragt habe. Er wolle nicht zurückkehren und beantrage daher - diesmal unter der im Spruch zuerst genannten Identitätneuerlich Asyl.

Im Rahmen seiner Erstbefragung am 03.05.2014 gab er an, aus einer Stadt in Iwano-Frankiwsk in der Ukraine zu stammen. Seine Ehefrau und sein am XXXX in Österreich geborener Sohn würden im Bundesgebiet leben. Er beherrsche Ukrainisch und Russisch gut in Wort und Schrift und habe außerdem noch mittelgute Deutsch- und Polnischkenntnisse. Er habe im Heimatort die Schule besucht und den Beruf des Elektrikers/Bauarbeiters erlernt bzw. ausgeübt. Seine Eltern und sein Bruder würden noch in der Heimatstadt leben. Als Fluchtgrund brachte er vor, seine Gründe anlässlich seiner Antragstellung im Jahr 2002 seien nach wie vor aufrecht. Weiters bekomme er seit ca. 7 bis 8 Jahren immer wieder anonyme Drohanrufe auf Ukrainisch, dass sein Asylantrag in Österreich bekannt sei und seine Rückkehr zwecks "Abrechnung" erwartet werde. Obwohl er im Laufe der vielen Jahre seine Telefonnummer immer wieder geändert habe, würden sie seine neue Nummer herausfinden. Da er bisher angenommen habe, dass sein Asylverfahren noch anhängig sei, habe er erst jetzt neuerlich Asyl beantragt. Im Fall der Rückkehr in die Ukraine habe er Angst um sein Leben.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am "03.01.2016" (gemeint wohl 01.03.2016) brachte der Beschwerdeführer auf Befragen vor, wegen eines Magengeschwürs operiert worden zu sein und dass noch eine Nasenoperation bevorstehe; zudem nehme er Schlaftabletten, jedoch keine Drogen oder Drogenersatzstoffe. Eingangs legte er neben einem österreichischen Führerschein einen ukrainischen Einberufungsbefehl vor. Seine Fluchtgründe hätten sich seit seiner Ausreise nicht geändert. Ein weiterer Grund sei der Krieg in der Ukraine. Er habe bereits zwei Einberufungsbefehle erhalten. Der vorgelegte sei seiner Mutter ausgehändigt worden, der zweite nicht, weil er nicht zu Hause gewesen sei. Er sei geschieden. Sein Sohn lebe bei seiner geschiedenen Ehefrau in Österreich und er habe via Telefon und Internet Kontakt zu ihnen. In der Ukraine habe er den Beruf des Elektrikers erlernt und vor seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Lebensmittelgeschäft betrieben. In der Ukraine seien noch seine Eltern und sein Bruder aufhältig und es bestehe gelegentlicher Kontakt per Internet. Er besitze ein Prepaid-Handy und habe einen österreichischen Netzbetreiber, seine Nummer stehe nicht im Telefonbuch. Er habe damals nicht bei seinen Eltern, sondern bei seiner Frau gelebt. Er besitze kein ukrainisches Reisedokument. Er lebe in keiner familienähnlichen Beziehung. Seine Fluchtgründe hätten sich seit 2002 nicht geändert, außer dass er immer noch gesucht werde. Hinzugekommen sei seine Einberufung zur ukrainischen Armee wegen des dort herrschenden Krieges. Als Fluchtgrund brachte er vor, dass seine damals schwangere Frau Zeugin eines Mordes geworden sei. Dies habe sie bei der Miliz anzeigen wollen, wo sie aufgefordert worden sei, sich nicht einzumischen. Eines Tages sei der Beschwerdeführer nach Hause gekommen und habe seine Frau dort nicht angetroffen und sie gesucht. Er habe in der Nacht die Miliz aufgesucht und sei dort geschlagen worden, dabei habe er zwei Schneidezähne verloren. Am Morgen sei er freigelassen worden. Er sei nach Hause gefahren und der ältere Bruder seiner Frau habe ihm gesagt, dass sie ihn angerufen habe. Sie sei nach einer Entführung freigelassen worden und habe ihr Kind verloren. Seine Frau sei noch voller Blut gewesen und sie hätten noch am selben Tag die Ukraine verlassen. Nach ihrer Ausreise sei seine Mutter mit dem Auto angefahren worden und sei an beiden Beinen verletzt worden, wodurch sie noch immer beeinträchtigt sei. Seine Eltern würden immer wieder von zivilen Banditen aufgesucht, welche nach dem Beschwerdeführer fragen würden. Auch sein Bruder sei schon einige Male seinetwegen geschlagen worden. Seit 7 bis 8 Jahren erhalte er trotz Wechsels seiner Telefonnummer immer noch Anrufe von Unbekannten, zuletzt im Herbst 2015. Seither habe er das Telefon und die SIM-Karte bereits gewechselt, sodass er keine Anrufliste herzeigen könne. Er habe sich in der Ukraine nie politisch betätigt und sei auch nicht Mitglied einer Partei gewesen. Er könne nicht in die Ukraine zurückkehren, weil er dort getötet würde, er habe auch Angst wegen seiner Familie. In Österreich habe er seinen Lebensunterhalt außer durch den aktuellen Bezug von staatlicher Grundversorgung durch Arbeit auf der Baustelle legal und illegal verdient. Er habe in Österreich keine Ausbildungen oder Kurse absolviert, spreche aber schon einigermaßen Deutsch. Er sei auch nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen in Österreich und habe hier auch noch keine Probleme mit den Behörden gehabt. Es habe in der Ukraine nie Übergriffe auf seine Person gegeben. Er sei dort nie wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit der Religionszugehörigkeit verfolgt worden. Außer den geschilderten Schwierigkeiten habe er keine Probleme mit den ukrainischen Behörden oder privaten Personen bzw. Personengruppen gehabt. Anschließend wurden ihm Länderberichte zur Kenntnis gebracht sowie ausgehändigt und ihm eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Ferner wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Dabei führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass eine Bedrohung des Beschwerdeführers in der Ukraine weder durch Behörden noch durch Dritte habe festgestellt werden können und sich auch keinen begründeten Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft ergeben hätten. Dazu wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass er die behaupteten Drohanrufe nicht habe glaubhaft machen können bzw. die Einberufung zum Wehrdienst in der Ukraine noch keinen Asylgrund darstelle. Eine andere Gefährdung oder andere Verfolgungshandlungen habe er nicht vorgebracht. Zu seiner Situation im Fall der Rückkehr wurde festgestellt, dass es in der Ukraine keine Todesstrafe gebe und auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen, existenzbedrohenden Notlage wie zum Beispiel eine allgemeine Hungersnot, Seuche oder sonstige Elementarereignisse. Er sei arbeitsfähig, habe Schulausbildung und nahe Angehörige im Herkunftsland sowie in der Lage, sich seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat zu erwirtschaften. Er leide an keiner schwerwiegenden in der Ukraine nicht behandelbaren Erkrankung. Der Beschwerdeführer habe in Österreich -abgesehen von seiner geschiedenen Ehefrau und seinem Sohn und dem seltenen Kontakt zu diesen - kein Familienleben, sodass ein Eingriff in ein Familienleben ausgeschlossen werden könne. In Bezug auf sein Privatleben habe ihm klar sein müssen, dass sein Aufenthalt im Fall der Abweisung seines Antrages nur ein vorübergehender sei. Die Rückkehrentscheidung stelle daher keinen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK dar. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 seien damit nicht gegeben. Die Frist sei nach § 55 FPG festzusetzen gewesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Rechtsberater fristgerecht Beschwerde. Er brachte vor, dass die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid unvollständig seien und sich kaum mit dem Fluchtvorbringen befassen würden. Danach wurde au Berichten aus dem Jahr 2015 über Schießereien in der Westukraine sowie kurz zur Menschenrechtslage im Jahr 2015 zitiert. Daraus sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine auf Grund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von der ukrainischen Miliz Verschleppten verfolgt werde. Auch die Beweiswürdigung wurde bemängelt und ausgeführt, dass diese unschlüssig sei und auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung basiere. Der Beschwerdeführer habe sich infolge der Entführung seiner damaligen, schwangeren Ehefrau wegen ihrer Beobachtung eines Mordes an die ukrainische Miliz gewandt, um nach ihr zu suchen und sei dort eine Nacht festgehalten und misshandelt sowie mit dem Tod bedroht worden. Nach seiner Flucht seien seine Eltern immer wieder aufgesucht worden. Seine Mutter sei mit dem Auto angefahren und dauerhaft an den Beinen verletzt worden. Sein Bruder sei immer wieder zusammengeschlagen worden. Nach der rechtskräftigen negativen Entscheidung zum Asylverfahren des Beschwerdeführers im Jahr 2010 sei er allerdings auch hier in Österreich weiter telefonisch mit dem Umbringen bedroht worden. Seit einigen Jahren erhalte er wieder Anrufe mit unterdrückter Telefonnummer oder ukrainischen Nummern, worin er auf Ukrainisch oder Russisch gefragt werde, wann er zurückkomme und dass ihm dann der Kopf abgeschnitten werde. Er erhalte auch Anrufe von österreichischen Nummer und werde mit dem Tod bedroht. "Die" Beschwerdeführer hätten ein sehr detailliertes und lebensnah gestaltetes Vorbringen erstattet und auch über weitere Bedrohungsszenarien in Österreich glaubhaft erzählt. Ein Abgleich mit den Länderberichten sei der Beweiswürdigung jedoch nicht zu entnehmen. Dass der Beschwerdeführer keine Drohanrufliste habe vorzeigen können, sei verständlich und mach ihn nicht sofort unglaubwürdig. Zudem wäre es ein Leichtes über ein Telefon eines Freundes in der Ukraine an die aktuelle Telefonnummer des Beschwerdeführers zu gelangen. Zwar handle es sich im gegenständlichen Fall um keine vom ukrainischen Staat ausgehende Verfolgung, jedoch komme es dabei darauf an, ob im Hinblick auf eine bestehende Verfolgungsgefahr ausreichender Schutz bestehe. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes stehe dem Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da die ukrainischen Milizen im gesamten Staatsgebiet agieren könnten und es ihnen infolge der Meldeverpflichtung ein Leichtes wäre, ihn aufzufinden. Es wäre ihm daher Asyl bzw. subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Ferner habe die Behörde die gemäß § 9 BFA-VG gebotene Abwägung nicht vorgenommen. Die Rückkehrentscheidung hätte für dauerhaft unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer daher eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden müssen. Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unvermeidlich erachtet.

Am 21.11.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Beschwerdeführer mit seinem bevollmächtigten Vertreter teilnahm. Ein Vertreter des Bundesamtes ist entschuldigter Weise nicht erschienen. Dabei gab er auf Ukrainisch Folgendes an:

"R: Was ist mit Ihrer Frau und ihrem Kind?

BF: Alles ist in Ordnung, sie leben zusammen im XXXX . Meine Ex-Frau hat einen anderen Mann. Wir sind geschieden.

R: Wie schaut Ihr Familienleben aus? Haben Sie eine andere Frau?

BF: Ich bin nicht verheiratet, habe aber eine Freundin. Wir leben nicht zusammen. Es ist eine österreichische Frau.

R: Wie heißt sie?

BF: XXXX .

R: Mit dem Sohn haben Sie Kontakt?

BF: Ja.

R: Wie schaut der Kontakt mit dem Sohn aus?

BF: Wir telefonieren immer wieder. Ein bis zweimal im Monat treffen wir uns und unternehmen diverses.

R: Wovor fürchten Sie sich in der Ukraine? Wie kommen Sie darauf, dass in der Ukraine eine Gefahr für Sie besteht?

BF: Ich weiß es, weil man mich gewarnt hat. Bei der Polizei hat man mich gewarnt, weil meine geschiedene Ex-Frau die Zeugin eines Mordes war.

R: Wann hat dieser Mord stattgefunden?

BF: Das war 2002. Damals bin ich dann hergekommen. Das ist 17 Jahre her.

R: Sie glauben, dass Sie noch immer bedroht sind? Was will man von ihnen, wenn doch ihre Ex-Frau den Mord beobachtet hat?

BF: Diese Leute wissen, dass ich alles weiß. Sie betrachten mich als Zeugen.

R: Was wissen Sie denn von diesem Mord?

BF: Was ich weiß, was meine geschiedene Gattin gesehen hat, wie diese Leute einen fast toten Menschen in einem Sack geschleppt haben.

R: Für wen ist das gefährlich, wenn man das weiß? Worin besteht die Gefahr für diese Menschen, die dieses Verbrechen begangen haben?

BF: Weil meine Exgattin mir das erzählt hat und ich zur Polizei gegangen bin.

R: Was haben Sie der Polizei genau gesagt? Was hat die Ex-Frau ihnen erzählt?

BF: Ich habe bei der Polizei erzählt, dass meine Ex-Frau am Weg nach Hause war, und dabei alles gesehen hat. Bei der Polizei sagte man mir darauf, dass es nicht meine Sache sei und ich mich nicht einmischen solle.

R: Sie haben sich ja nicht eingemischt? Was war dann?

BF: Als ich alles erzählt habe, haben die Polzisten mich eingesperrt und zusammengeschlagen. Ich habe die Nacht in der Zelle verbracht.

R: Am nächsten Tag sind Sie dann nach Hause gegangen?

BF: Ja, in der Früh.

R: Was ist dann passiert?

BF: Ich kam nach Hause und meine Ex-Frau war nicht da.

R: Als Sie nach Hause geschickt wurden, von der Polizei, haben diese Sie gewarnt? Was haben sie da gesagt?

BF: Das ich mich in Angelegenheiten, die mich nicht angehen, nicht einmischen solle.

R: Und was passierte dann?

BF: Ich kam nach Hause und sie war nicht da. Sie war schwanger und ist verschwunden.

R: Sie haben sich nicht eingemischt.

BF: Als meine Ex-Frau wiedergefunden wurde, haben wir die Ukraine verlassen und sind geflüchtet.

R: Sie sind geflüchtet, weil ihre Ex-Frau diesen Mord beobachtet hat und sie deshalb bedroht werden. Habe ich das richtig verstanden?

BF: Ja.

R: Ihre Ex-Frau hat kein Asyl erhalten, weil ihr diese Geschichte nicht geglaubt worden sei.

BF: Sie hat aber ein Visum, sie arbeitet und das Kind geht in die Schule.

R: Ich denke nicht, dass Sie deswegen etwas zu befürchten haben. Es wäre 17 Jahre her und es war schon damals nicht glaubwürdig, so dass ihre Frau keinen Asylstatus erhalten hat.

R: Werden Sie noch immer bedroht?

BF: Es kamen schon oft Drohungen. Solange mein Bruder gelebt hat, wurde er auch bedroht und einige Male zusammengeschlagen. Ein Auto hat meine Mutter angefahren und beide Beine wurden dabei verletzt, die Beine waren gebrochen. Sie hat Schrauben in den Beinen. Mein Bruder wurde befragt. Er hat nicht gesagt, dass ich in Österreich bin.

R: Warum haben Sie ihn gefragt, wo Sie sind?

BF: Weil sie nach mir gesucht hat.

R: Wozu sollte man nach ihnen suchen?

BF: Das ist alles eine Bande. Die Polizei und diese Leute. Sie sagten mir, dass ich mich nicht einmischen solle.

R: Es gibt nicht wirklich einen Grund, Sie noch immer zu behelligen. Die Bande hat auch andere Sachen zu tun, als Sie zu suchen nach 17 Jahren.

BF: Außerdem ist Krieg dort. Meine Mutter bekommt Ladungen für mich, gemeint sind Einberufungsbefehle.

R: Wollen Sie Fragen stellen?

RV: Nein.

R: Was machen Sie? Was arbeiten Sie und machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF (auf Deutsch): Ich habe viele Freunde hier, aus verschiedenen Länder. Ich arbeite nicht, weil ich keine Arbeitsbewilligung habe. Ich lebe in einem Heim im XXXX . Ich kann helfen, aber nicht offiziell arbeiten. Ich frage immer nach Arbeit. Ich arbeite auch nicht schwarz. Ich helfe vielen Leute wie z.B. im Garten. Es kommt drauf an, wo ich aushelfe und dafür kriege ich auch etwas. Ich bin Baumeister und Elektriker.

R hält fest, dass die Deutschkenntnisse des BF gut sind.

R: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade irgendwo aushelfen?

BF (auf Deutsch): Ich will offiziell arbeiten. Ich will, wie alle normale Menschen arbeiten und nicht zu Hause sitzen oder spazieren gehen.

R: Wollen Sie etwas vorlegen oder ergänzen?

RV legt ein Zeugnis für Deutsch A2 2017, diese wird als Beilage ./1 zum Akt genommen.

RV: Ich möchte angeben, dass der BF einen großen Bekanntenkreis in Österreich hat. Er auch weiterhin mit seiner Ex-Frau in Kontakt ist und auch mit seinem Sohn ein Familienleben pflegt. Er wohnt zwar mit seinem Sohn nicht zusammen, hat aber regelmäßig persönlichen und telefonischen Kontakt. Dadurch, dass der BF einen großen Bekanntenkreis hat und auch handwerkliche Fähigkeiten besitzt, gehe ich davon aus, dass er im Falle der Gewährung eines Aufenthaltstitels auch rasch einer legalen Beschäftigung nachgehen könnte und somit selbsterhaltungsfähig wäre.

Für mich überwiegen daher, im Fall des BF nicht zuletzt auch aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer, die Interessen an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem Interesse der Republik, seinen Aufenthalt zu beenden. Dazu verweise ich auf die ständige Judikatur des VwGH, wonach bei einem mehr als 10-jährigen Aufenthalt die Interessen des Fremden nur dann nicht überwiegen, wenn er die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genutzt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren. Ra 2015/21/0249 vom 04.08.2016 VwGH.

R: Ich habe keine weiteren Fragen."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ukrainischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Ukrainer und der orthodoxen Glaubensrichtung an. Er ist geschieden, seine Eltern leben noch im Heimatort in der West- Ukraine. Der Beschwerdeführer spricht als Muttersprache Ukrainisch und Russisch sowie etwas Deutsch und etwas Polnisch. Der Beschwerdeführer ist in der Ukraine geboren und hat dort die Schule besucht, den Beruf eines Elektrikers erlernt und gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau ein Lebensmittelgeschäft betrieben.

Er befindet sich vermutlich seit Mai 2002 unter Angabe zweier verschiedener Identitäten in Österreich. Sein Asylerstreckungsantrag vom 17.05.2002 wurde abgewiesen, weil seiner damalige Ehefrau mangels Glaubwürdigkeit ihrer Fluchtgründe Asyl nicht gewährt wurde. Der Beschwerdeführer verblieb danach illegal im Bundesgebiet und war ab dem 12.07.2011 auch nicht mehr behördlich gemeldet.

Der nunmehr geschiedene Beschwerdeführer stellte am 03.05.2014 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag), wozu er vorbrachte, noch immer Drohanrufe zu erhalten und dass er einen ukrainischen Einberufungsbefehl erhalten habe.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich telefonisch bedroht wurde. Es ist auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in der Ukraine wegen einer Wehrdienstverweigerung einer Verfolgung ausgesetzt ist.

Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer ist bislang in Österreich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist abgesehen von einer Operation wegen eines Magengeschwürs und an der Nase gesund und nimmt Schlaftabletten. Schwere Erkrankungen in körperlicher oder psychischer Hinsicht sowie Hinweise auf einen längerfristigen Pflege-oder Rehabilitationsbedarf konnten nicht festgestellt werden. Festgestellt wird, dass in der Ukraine sowohl die medizinische Grundversorgung als auch der Erhalt von Medikamenten gewährleistet ist.

Es besteht für den Beschwerdeführer als leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Rückkehr in die Ukraine keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit; ihm steht die Möglichkeit offen, sich abermals im Westen seiner früheren Heimat niederzulassen und einer Beschäftigung nachzugehen. Dabei liefe er auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner illegalen Einreise - vermutlich im Jahr 2002 - in Österreich. In dieser Zeit hat er keine Kurse besucht, jedoch ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 am 03.03.2017 erlangt. Sonstige Aus- Weiter- oder Fortbildungen oder Kurse hat er nicht absolviert. Der erste Asylerstreckungsantrag des Beschwerdeführers wurde im August 2010 rechtskräftig abgewiesen. Sodann ist der Beschwerdeführer weiterihin illegal im österreichischen Bundesgebiet geblieben und hat am 03.05.2014 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Seither bezieht er laufend Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist weder in einem Verein oder einer sonstigen Organisation tätig. Der Beschwerdeführer hat nie über einen legal erworbenen Aufenthaltstitel verfügt, der sich nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat. Es liegen keine Hinweise auf eine ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privatlebens des Beschwerdeführers, insbesondere in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, in Österreich vor. Der Beschwerdeführer lebt in keiner familienähnlichen Beziehung. Er ist nach der Scheidung von seiner in Österreich befristet aufenthaltsberechtigten Ehefrau noch in Kontakt mit seinem minderjährigen Sohn. Weiters ist er mit österreichischen Staatsbürgerin befreundet. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer war bislang mangels Aufenthaltstitel nicht zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berechtigt. Er ist mangels entsprechender Integration aber auch nicht in der Lage, seinen Aufenthalt vom Inland her zu legalisieren und hier künftig einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Damit ist er aber auch künftig nicht selbsterhaltungsfähig.

1.2. Zur Lage der Ukraine:

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen und Gruppen vertreten:

Partei

Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

135

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

38

Selbsthilfe (Samopomitsch)

25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

60

(AA 20.5.2019)

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

-

CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,

https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair,

https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

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Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

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UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,

https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

Ostukraine

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

In den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk kam es insbesondere 2014/15 zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl die Separatisten seither die öffentliche Ordnung und eine soziale Grundversorgung im Wesentlichen wiederhergestellt haben, werden zahlreiche Grundrechte (v.a. Meinungs- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Eigentumsrechte) weiterhin systematisch missachtet (AA 22.2.2019).

In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DPR) und Luhansk (LPR) gibt es seit 2014 keine unabhängige Justiz, und das Recht auf ein faires Verfahren wird systematisch eingeschränkt. Es werden Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit ohne gerichtliche Überprüfung und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren berichtet. Bei Verdacht auf Spionage oder Verbindungen zur ukrainischen Regierung werden von Militärgerichten geheime Gerichtsverfahren abgehalten, gegen deren Urteile es nahezu keine Beschwerdemöglichkeit gibt und die Berichten zufolge lediglich dazu dienen, bei der Verfolgung von Personen einen Anschein von Legalität zu wahren. Willkürliche Verhaftung sind in der DPR und der LPR weit verbreitet. In der LPR wurde die Möglichkeit der Präventivhaft für 30 bis 60 Tage geschaffen. Die Präventivhaft wird Angehörigen nicht mitgeteilt (incommunicado) und kein Kontakt zu einem Rechtsbeistand und Verwandten zugelassen. Der Zustand der Hafteinrichtungen in den separatistisch kontrollierten Gebieten verschlechtert sich weiter. Berichten zufolge existiert in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kellern, Abwasserschächten, Garagen und Industrieunternehmen ein umfangreiches Netz inoffizieller Haftstätten, die meist nicht einmal für eine kurzfristige Inhaftierung geeignet wären. Es gibt Berichte über schweren Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, Hitze, sanitären Einrichtungen und angemessener medizinischer Versorgung. Ein unabhängiges Monitoring der Haftbedingungen wird von den Machthabern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt. Es gibt Berichte über systematische Übergriffe gegen Gefangene, wie Folter, Hunger, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Einzelhaft sowie den umfangreichen Einsatz von Gefangenen als Zwangsarbeiter zur persönlichen Bereicherung der separatistischen Anführer (USDOS 13.3.2019).

In der Region Donbass unterdrücken die Separatisten die Rede- und Pressefreiheit durch Belästigung, Einschüchterung, Entführungen und Übergriffe auf Journalisten und Medien (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019, ÖB 2.2019). Die Separatisten verhindern auch die Übertragung ukrainischer und unabhängiger Fernseh- und Radioprogramme in von ihnen kontrollierten Gebieten. Mittlerweile haben die Separatisten im Osten des Landes ihre Bemühungen verstärkt, Online-Inhalte zu blockieren, welche angeblich die ukrainische Regierung oder die ukrainische kulturelle Identität unterstützen. Es sind nur Demonstrationen zulässig, welche von den lokalen "Behörden" unterstützt oder organisiert werden. In der DNR/LNR können nationale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei arbeiten. Es gibt eine steigende Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von den Separatisten gegründet wurden (USDOS 13.3.2019).

Es gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen waren und bleiben weiterhin betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen oder nur zeitweise gesichert, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit in den Separatistengebieten sind dort Frauen besonders gefährdet. Es gibt Berichte über Missbrauch, Sexsklaverei und Menschenhandel (ÖB 2.2019).

Die meisten LGBTI-Personen sind aus den separatistischen Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen oder verstecken ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität (USDOS 13.3.2019).

Die Separatisten in der Ostukraine haben Berichten zufolge einige religiöse Führer inhaftiert. Im Februar 2018 wurden in Luhansk religiöse Gruppen, die nicht den "traditionellen" Religionen angehören, darunter Protestanten und Zeugen Jehovas, verboten (FH 4.2.2019).

Die separatistischen Kräfte erlauben keine humanitäre Hilfe der ukrainischen Regierung, sondern nur solche internationaler humanitärer Organisationen. Infolgedessen sind die Preise für Grundnahrungsmittel angeblich für viele Bewohner der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der Ostukraine zu hoch. Menschenrechtsgruppen berichten auch über einen ausgeprägten Mangel an Medikamenten, Kohle und medizinischen Hilfsgütern. Es kommen weiterhin Konvois der russischen "humanitären Hilfe" an, die nach Ansicht der ukrainischen Regierungsbeamten aber Waffen und Lieferungen für die separatistischen Streitkräfte enthalten (USDOS 13.3.2019).

Durch die Kontaktlinie, welche die Konfliktparteien trennt, wird das Recht auf Bewegungsfreiheit beschnitten und Gemeinden getrennt. Jeden Tag warten bis zu 30.000 Menschen stundenlang unter erschwerten Bedingungen an den fünf Checkpoints auf das Überqueren der Kontaktlinie. Unzureichend beschilderte Minen entlang der Straßen stellen eine Gefahr für die Wartenden dar (ÖB 2.2019; vgl. PCU 3.2019). Es gibt nur unzureichende sanitäre Einrichtungen, speziell auf separatistischer Seite (HRW 17.1.2019).

Im Zuge der Kampfhandlungen zwischen der Ukraine und den Separatisten kam es 2014 in jenen Gebieten, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern Freiwilligenbataillone eingesetzt waren, mitunter zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese Bataillone wurden in der Folgezeit sukzessive der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt, nur das Bataillon Ajdar wurde in die Armee eingegliedert. Offiziell wurden Freiwilligenbataillone danach nicht mehr an der Kontaktlinie, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete eingesetzt. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen kam, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Infolge des Übergangs von der ATO (Anti-Terror-Operation in der Ostukraine, geführt vom SBU, Anm.) zu der nunmehr von der Armee koordinierten OVK (Operation der Vereinigten Kräfte) mit April 2018, wurden verbliebene Freiwilligenverbände endgültig in die regulären Streitkräfte eingegliedert oder haben die OVK-Zone verlassen (AA 22.2.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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