TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/4 VGW-151/081/807/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.02.2020

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NAG §19 Abs1
NAG §19 Abs1
NAG §23 Abs1
AVG §13 Abs7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde der Frau A. B., geb. 1967, StA: Ukraine, Wien, C.-gasse, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 15.11.2019, Zahl …, mit welchem der Antrag vom 03.10.2019 auf Rückziehung der Antragsrückziehung vom 03.10.2019 gemäß § 13 Abs. 1 und 7 AVG, § 56 AVG und § 73 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991) zurückgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. Oktober 2019, eingelangt am 7. Oktober 2019, auf Entscheidung über ihren Antrag vom 18. Juli 2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückgewiesen wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. November 2019, Zl. …, wurde der Antrag der nunmehrigen Rechtsmittelwerberin vom 3. Oktober 2019 auf Zurückziehung der Antragszurückziehung vom 3. Oktober 2019 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2019 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und legte Nachstehendes dar:

„1.

ich bin seit 2016 ohne Unterbrechung im Bundesgebiet aufhältig, aufrecht gemeldet und tatsächlich wohnhaft an obiger Adresse.

2.

es gibt keine Wohnadresse

         82100 W i e n, D. …

ich bin seit 24.05.2016 in Wien an der Wohnadresse

         Wien C.- Gasse,

tatsächlich aufhältig und aufrecht amtlich angemeldet.

3.

Ich habe k e i n e Wohnadresse an einer Wohnung, wie dies am im Protokoll vom 03.10.2019 angeführt ist.

4.

es wurde mir eine "Wohnung" zugeordnet, welche Wohnung nicht besteht und welche ich auch niemals bewohnt habe.

Es ist daher kein Anknüpfungspunkt für die Begründung einer anderen örtlichen Zuständigkeit gegeben.

Auf Grund dieser von mir nicht bewohnten Wohnung in "82100 W i e n" ist daher die "Antragsrückziehung" unter vollkommen unrichtigen Tatsachen erklärt worden.

5.

A n t r a g auf Stattgebung dieser Beschwerde, ersatzlose Aufhebung des Bescheid und Rückverweisung an LH von Wien, MA 35, zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung sowie Antragsstattgebung.

6.

für meine Vernehmung ist Gerichtsdolmetsch für Ukrainisch erforderlich.“

Nach Durchführung des Beweisverfahrens ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Die 1967 geborene Beschwerdeführerin ist ukrainische Staatsangehörige und brachte mit Eingabe vom 18. Juli 2019 bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein, wobei sie den Aufenthaltszweck im Zuge des Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ präzisierte.

Im Zuge einer Vorsprache bei der belangten Behörde am 3. Oktober 2019 zog die Rechtsmittelwerberin ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 18. Juli 2019 ausdrücklich zurück.

Mit Eingabe vom selben Tag, eingelangt bei der Behörde am 7. Oktober 2019, brachte die Beschwerdeführerin Folgendes vor:

„Obwohl ich in Wien, C.- Gasse, aufrecht wohnhaft und amtlich angemeldet bin, habe am 03.10.2019 meine u r s p r ü n g l i c h e Heimatadresse angegeben, obwohl ich dort nicht mehr wohnhaft bin.

Da ich in Wien wohnhaft und amtlich angemeldet bin, muß ich daher meine Erklärung vom 03.10.2019 auf “Rückziehung“ meines Antrag vom 18.07.2019 hiemit z u r ü c k z i e h e n.

Mein Antrag vom 18.07.2019 bleibt somit aufrecht, über diesen Antrag ist nach Durchführung des Verfahrens mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden, der Bescheid ist an meine Wohnanschrift

         Wien, C.- Gasse,

zuzustellen.“

Nachdem der Rechtsmittelwerberin seitens der belangten Behörde mitgeteilt worden war, dass es nicht möglich ist die Zurückziehung eines Antrags zu widerrufen, beantragte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 22. Oktober 2019 die Erlassung eines Bescheides betreffend ihre „Erklärung der Rückziehung“ ihres Antrags.

In weiterer Folge erging der nunmehr angefochtene Bescheid.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen gründen sich auf den unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, zumal der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen war und sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollumfänglich der Aktenlage entnehmen lässt. Des Weiteren konnte von einer Verhandlung abgesehen werden, zumal die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegensteht.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter persönlich einzubringen.

Gemäß § 19 Abs. 2 NAG ist im Antrag der Grund des Aufenthalts bekannt zu geben; dieser ist genau zu bezeichnen. Nicht zulässig ist ein Antrag, aus dem sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz einschließlich jener bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts. Die für einen bestimmten Aufenthaltszweck erforderlichen Berechtigungen sind vor der Erteilung nachzuweisen. Besteht der Aufenthaltszweck in der Ausübung eines Gewerbes, so gilt die von der Gewerbebehörde ausgestellte Bescheinigung, dass die Voraussetzungen für die Gewerbeausübung mit Ausnahme des entsprechenden Aufenthaltstitels vorliegen, als Nachweis der erforderlichen Berechtigung. Der Fremde hat der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.

Gemäß § 13 Abs.7 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz sind grundsätzlich auf Antrag einzuleiten, wobei gemäß § 19 Abs. 1 dieses Gesetzes Anträge durch den Bewilligungswerber – soweit dieser handlungsfähig ist - persönlich bei der zuständigen Behörde einzubringen sind. § 19 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes regelt betreffend diese Anträge weiters, dass in einem solchen Antrag der Grund des Aufenthaltes anzugeben und genau zu bezeichnen ist. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert diesbezüglich in ständiger Rechtsprechung, dass zum Verfahrensgegenstand eines Antrages im Anwendungsbereich des NAG nach dessen Bestimmungen eine amtswegige Umdeutung eines Antrages nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich nicht nur aus der aus § 19 Abs. 2 NAG hervorgehenden strengen Antragsbindung, sondern auch aus § 23 Abs. 1 NAG, wonach die Behörde den Antragsteller zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Fremde einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel benötigt. Die Richtigstellung (Änderung) des Antrages - innerhalb einer von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu setzenden Frist - ist Sache des Antragstellers (vgl. VwGH, 16. Oktober 2007, 2006/18/0199, VwGH, 15. April 2010, 2008/22/0071).

Somit handelt es sich bei Verfahren betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im hier relevanten Zusammenhang um streng antragsbezogene Verfahren, solche also, welche lediglich auf Grund eines Antrages eingeleitet werden dürfen. Feststeht jedoch auch, dass es dem Antragsteller nach den relevanten Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes frei steht, über diesen verfahrenseinleitenden Antrag insoweit zu disponieren, als er diesen in jeder Lage des Verfahrens in gewissem Umfang abändern oder diesen auch zurückziehen kann. Anträge also, welche auf Erlassung eines Bescheides abzielen, können in jeder Lage des Verwaltungsverfahrens zurückgezogen werden. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert diesbezüglich konsequent, dass die Zurückziehung eines Antrages so lange zulässig ist, als dieser noch unerledigt ist und daher noch zurückgezogen werden kann (vgl. dazu zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit etwa VwGH, 25. Juli 2013, Zl. 2013/07/0099). Dies bedeutet für jene Fälle, in denen der verfahrenseinleitende Antrag auf die Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides, möglich ist (vgl. VfGH, 30. November 1999, B 2098/98, sowie VwGH, 29. März 2001, Zl. 2000/20/0473). Im zuletzt genannten Fall ist der auf Grund des Antrages erlassene erstinstanzliche Bescheid ersatzlos aufzuheben. Diese zum früheren Berufungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden ergangene Rechtsprechung ist auf das seit 1. Jänner 2014 bestehende Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen (vgl. - implizit – bereits VwGH, 5. März 2015, Ra 2014/02/0159, sowie zuletzt VwGH, 6. Juli 2016, Zl. Ra 2016/08/0041).

Wie oben bereits dargelegt, zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 18. Juli 2019 im Zuge einer Vorsprache bei der belangten Behörde am 3. Oktober 2019 ausdrücklich zurück, wobei dieser Umstand niederschriftlich festgehalten wurde. Durch diese Prozesshandlung entzog die Einschreiterin dem vorliegend antragsgebundenen Verwaltungsverfahren während dessen Anhängigkeit die Prozessvoraussetzung eines aufrechten Erledigungsantrages.

Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat ist die Zurückziehung eines Antrages als prozessuale Willenserklärung empfangs-, jedoch nicht annahmebedürftig. Sie wird mit Einlangen bei der zuständigen Behörde wirksam. Damit wird sie auch unwiderruflich (vgl. VwGH vom 13. August 2003, Zl. 2001/11/0202, VwGH vom 2. Februar 2012, Zl. 2011/04/0017).

Da eine einmal ausgesprochene Zurückziehung eines Antrags somit nicht mehr widerrufen werden kann, stellte die belangte Behörde zu Recht das diesbezügliche Verwaltungsverfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mangels Vorliegens eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein. Die Zurückweisung des gegenständlichen Antrags auf Erlassung eines Bescheides betreffend den Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 18. Juli 2019 erging somit zu Recht.

Soweit die Einschreiterin in ihrer Beschwerde sinngemäß darlegte, dass sie keine Wohnadresse, wie die in der Niederschrift vom 3. Oktober 2019 angeführte, habe und auf Grund dieses Umstands die Zurückziehung ihres Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter vollkommen unrichtigen Tatsachen erklärt worden wäre, ist anzumerken, dass das Anführen einer falschen Anschrift der Beschwerdeführerin in der Niederschrift vom 3. Oktober 2019 keinerlei Relevanz betreffend die von ihr getätigte Zurückziehung ihres Antrags hat.

Abschließend ist festzuhalten, dass öffentlich-rechtliche Willenserklärungen frei von Willensmängeln sein müssen, um Rechtswirkungen zu entfalten. Auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zur Abgabe der Zurückziehung ihres Antrags gegenüber der Behörde veranlasst haben, kommt es aber nicht an, solange keine Anhaltspunkte vorliegen, dass sie dazu von der Behörde durch Druck, Zwang oder Drohung bewogen wurde (vgl. dazu etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG (2009), § 63 Rz 76, wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; vgl. weiters VwGH vom 2. Februar 2012, Zl. 2011/04/0017). Dazu ist anzumerken, dass von der Rechtsmittelwerberin kein diesbezügliches Vorbringen erstattet wurde und sich diesbezügliche Anhaltspunkte dem Verwaltungsakt ebenso nicht entnehmen lassen.

Letztlich ist der Vollständigkeit halber zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie seit dem 24. Mai 2016 durchgehend an der Anschrift Wien, C.-gasse, hauptgemeldet und tatsächlich aufhältig ist, darauf hinzuweisen, dass sie sich als Staatsangehörige der Ukraine visumsfrei lediglich für einen Zeitraum von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen in Österreich aufhalten darf, zumal sie das ihr ausgestellte Visum D lediglich zur Einreise und zum Aufenthalt in Polen im Zeitraum von 3. Jänner 2019 bis 2. Jänner 2020 berechtigte.

Da die Einschreiterin am 3. Oktober 2019 ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unbestrittenermaßen ausdrücklich zurückzog, war spruchgemäß zu entscheiden, wobei die Abänderung des Spruches lediglich der Präzisierung des Abspruchs diente.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Prozessvoraussetzung; Prozessvoraussetzung eines aufrechten Erledigungsantrages; antragsbezogenes Verfahren; Zurückziehung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.151.081.807.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten