Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin I***** P*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner R***** P*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Dezember 2019, GZ 43 R 586/19y-81, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Oktober 2019, GZ 29 Fam 7/18w-71, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS-Justiz RS0079235 [T1]). Die nach diesem Grundsatz vorzunehmende Aufteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn dargetan wird, dass die zweite Instanz bei Beurteilung des Einzelfalls in Überschreitung des Ermessensbereichs von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen ist (RS0113732; vgl RS0108755). Das vermag die Revisionsrekurswerberin, die im Wesentlichen den Inhalt ihres Rekurses wiederholt, nicht aufzuzeigen.
2. Das Rekursgericht berücksichtigte bei Ausmittlung der von der Frau an den Mann zu leistenden Ausgleichszahlung den „abgerundeten Wert des halben Fahrzeugs“ – erkennbar in der Höhe von 15.000 EUR – zu ihren Gunsten. Das Fahrzeug, das der Mann benützt, war im April 2017 um 39.000 EUR gekauft worden. Dass das Rekursgericht unrichtig die Voraussetzungen des § 34 AußStrG zur Ermittlung des Werts des Kraftfahrzeugs (im Zeitpunkt der Auseinandersetzung) angenommen hätte, macht die Frau nicht geltend. Soweit sie behauptet, ihr hätte die Hälfte der seinerzeitigen Anschaffungskosten für das Fahrzeug von 19.500 EUR angerechnet werden müssen, zeigt sie keine Fehlbeurteilung auf, sind doch die Anschaffungskosten nicht maßgeblich (RS0057818).
3. Die Verschuldensentscheidung im Scheidungsverfahren ist nicht unter den bei der Aufteilung zu berücksichtigenden Gründen genannt. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie bei der Billigkeitsentscheidung des § 83 EheG überhaupt zu berücksichtigen ist, jedenfalls kann ihr gegenüber den ausdrücklich genannten Umständen nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Der Gesetzgeber wollte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nicht zu einem Instrument der Bestrafung bzw Belohnung für ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten machen (RS0057387). Der Aufteilungswunsch des völlig schuldlosen Teils kann daher nur dann Berücksichtigung finden, wenn nicht Umstände des Einzelfalls eine andere Regelung billig erscheinen lassen (RS0057753). Das Verschulden an der Auflösung der Ehe ist nur dann ein Kriterium für die Billigkeitsentscheidung nach § 83 EheG, wenn es für die vermögensrechtliche Entwicklung während der Ehe im weitesten Sinn bedeutsam war, zB Verschwendungssucht, eine kostenverursachende Vernachlässigung der Kindererziehung oder der Haushaltsführung oder Setzung von Scheidungsgründen in der Absicht, bei der Aufteilung „gerade jetzt“ besonders gut abzuschneiden (RS0057630).
Umstände wie die zuletzt genannten stehen hier nicht fest. Der Mann hat sich an einem Immobilienprojekt, das von einer GmbH & Co KG verwirklicht wird, beteiligt. Die Frau strebte im Rahmen eines von ihr behaupteten „Wahlrechts“ als schuldlos Geschiedene (zusätzlich) die Übertragung seiner Beteiligung auf sie an; dies hält sie allerdings im Abänderungsantrag ihres Revisionsrekurses nicht mehr aufrecht, sondern begehrt insoweit (ohne Begründung) eine Reduktion der ihr auferlegten Ausgleichszahlung um rund 6.000 EUR. Zu den Argumenten der Vorinstanzen, sie behaupte über ein sehr geringes Einkommen zu verfügen, sodass es nicht sinnvoll erscheine, die ihr aufzuerlegende Ausgleichszahlung dadurch zu erhöhen, dass ihr die (werthaltige) Unternehmensbeteiligung des Mannes übertragen werde, nimmt sie im Übrigen nicht Stellung und zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.
4. Die Frau erhält die Liegenschaft mit dem früheren ehelichen Haus ins Alleineigentum übertragen und kann dadurch ihr dringendes Wohnbedürfnis befriedigen. Sie ist als Angestellte beschäftigt und verdient ohne Sonderzahlungen monatlich 1.283 EUR netto. Warum die festgesetzte Ausgleichszahlung wegen der Höhe ihres Einkommens um 17.000 EUR gekürzt werden soll, vermag sie nicht plausibel zu begründen.
5. Die durchgehend anwaltlich vertretene Frau behauptete im erstinstanzlichen Verfahren, dass sich die aufzuteilenden Philharmoniker-Münzen im vormaligen ehelichen Haus befinden. Das Erstgericht stellte fest, dass die Parteien insgesamt 20 solcher Münzen kauften und übertrug zehn dieser Münzen der Frau und zehn dem Mann. Ihr erstmals im Rekurs erstattetes Vorbringen, dass sich sämtliche Münzen nunmehr beim Mann befänden, weil dieser sie – offenbar bereits vor der erstgerichtlichen
Entscheidung – aus dem ehelichen Haus entnommen und verbracht habe, verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 49 Abs 2, § 66 Abs 2 AußStrG) und ist daher unbeachtlich. Zudem liegen für diese Behauptung auch keine Beweisergebnisse vor und nicht einmal sie selbst tätigte
– entgegen ihrer Behauptung im Rechtsmittelverfahren – eine solche Aussage.
6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E127937European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00029.20A.0226.000Im RIS seit
08.05.2020Zuletzt aktualisiert am
08.05.2020