Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in Horn, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl Rechtsanwalt GmbH in Wiener Neustadt, wider die beklagten Parteien 1. J*, 2. A*, beide *, beide vertreten durch Steiner Rechtsanwalts KG in Wien, wegen 12.227,81 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 8.212,29 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 5. Juli 2019, GZ 21 R 151/19g-52, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 27. Februar 2019, GZ 12 C 2065/16s-46, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:
„1. Die Klagsforderung besteht gegenüber der erst- und der zweitbeklagten Partei mit 8.212,29 EUR und gegenüber der zweitbeklagten Partei mit weiteren 4.015,52 EUR zu Recht.
2. Die eingewandten Gegenforderungen bestehen bis zur Höhe der zu Recht bestehenden Klagsforderungen nicht zu Recht.
3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 8.212,29 EUR samt 4 % Zinsen aus 8.179,10 EUR von 10. 1. 2015 bis 24. 3. 2017, aus 7.019,97 EUR von 25. 3. 2017 bis 3. 1. 2018 sowie aus 8.212,29 EUR seit 4. 1. 2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die zweitbeklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei 4.015,52 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 11. 2017 binnen 14 Tagen zu zahlen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache vorbehalten.“
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten beauftragten die Klägerin im Zuge der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Holzbau- und Dacharbeiten. Die Klägerin vereinbarte mit den Beklagten, statt dem für die Gewährleistungsdauer (bis 31. 3. 2019) zustehenden Haftrücklass (von 3 % der Schlussrechnungssumme) eine Bankgarantie beibringen zu können, und zwar indem die Parteien im Werkvertrag (Beilage ./7) unter der Rubrik „2.3. Haftungsrücklass“ ankreuzten, dass die Sicherstellung durch „abstrakte Bankgarantie“ erfolgt.
Nach Fertigstellung der Arbeiten legte die Klägerin Schlussrechnung, welche die Beklagten bis auf den Betrag von 9.371,42 EUR beglichen.
In der Folge ließ die Klägerin von der G* Versicherung AG eine „abstrakte Bankgarantie“ für Gewährleistungsansprüche aus dem gegenständlichen Bauvorhaben bis zum Höchstbetrag von 9.371,42 EUR ausstellen und den Beklagten übermitteln.
Diese „Sicherstellungsurkunde/Haftungsrücklass“ vom 11. 12. 2014 (Beilage ./A bzw ./C) lautete auszugsweise:
„Unser Kunde ... [die Klägerin] steht mit Ihnen bezüglich des oben angeführten Bauvorhabens in Geschäftsverbindung. Gemäß den vertraglichen Bedingungen sind Sie berechtigt, einen Haftungsrücklass in Höhe des oben
angeführten Haftungsbetrages einzubehalten. Sie haben sich jedoch bereit erklärt, diesen Haftungsrücklass gegen Beibringung einer Haftrücklassgarantie auszubezahlen.
In diesem Zusammenhang übernehmen wir im Auftrag der … [Klägerin] zur Sicherstellung aller Rechte, die Ihnen als Auftraggeber gegenüber unserem Kunden aus dem Titel der Gewährleistung aus diesem Bauvorhaben zustehen, die Haftung bis zum Höchstbetrag in Höhe des oben angeführten Haftungsbetrages und verpflichten uns unwiderruflich, auf Ihre erste Aufforderung hin, welche die Behauptung enthalten muss, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist und dass unser Kunde die ihm aus der Gewährleistung obliegenden Pflichten nicht erfüllt, unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses innerhalb von vierzehn Werktagen Zahlung bis zur Höhe des oben genannten Haftungsbetrages an Sie zu leisten.
...
Die gegenständliche Garantie wird erst dann wirksam, wenn der Haftungsbetrag auf dem Konto unseres Kunden gutgeschrieben ist. Sie erlischt – soweit die Zahlungsverpflichtung nicht schon vorher bis zum Höchstbetrag in Anspruch genommen wurde – am 30. 4. 2019; ….“
Nach Übermittlung dieser Garantie stellte die Klägerin den Haftrücklass fällig und forderte diesen mehrfach ein. Der Zweitbeklagte erklärte sich in einem Email vom 10. 6. 2015 auch dem Grunde nach bereit, den Haftrücklass zu begleichen.
Die hier Beklagten als Kläger machten in einem gegen mehrere Beklagte, unter anderem die Klägerin in diesem Verfahren, geführten Vorverfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt Schadenersatzansprüche aus der mangelhaften Errichtung des Hauses, insbesondere auch wegen mangelhafter Verklebungen der Attikakonstruktion, geltend. Die Klägerin als dort Zweitbeklagte wandte unter Bezugnahme auf das Schreiben der G* Versicherung AG vom 11. 12. 2014 (dort Beilage ./9) einen fälligen Haftrücklass von 9.371,42 EUR als Gegenforderung ein. Die hier Beklagten (dort Kläger) replizierten darauf mit Schriftsatz vom 13. 1. 2016 wie folgt:
„Außer Streit gestellt wird, dass die Kläger vom verrechneten Werklohn der zweitbeklagten Partei einen Betrag von 9.371,42 EUR einbehalten haben. Die Haftrücklassgarantie gemäß Beilage ./9 der zweitbeklagten Partei wurde von den Klägern nicht gezogen. Die diesbezügliche Kompensandoforderung wird anerkannt.“
Am 11. 10. 2016 zogen die hier Beklagten die Klage gegen die Zweitbeklagte in dem Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt unter Anspruchsverzicht zurück.
Die Klägerin begehrte von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung eines Haftrücklasses von zuletzt 8.212,29 EUR sA. Die Beklagten seien mit der übermittelten Bankgarantie vom 11. 12. 2014 bezüglich des gesamten vereinbarten Haftrücklasses ausreichend sichergestellt. Der Anspruch werde auch auf das von den Beklagten im Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt abgegebene Anerkenntnis gestützt. Das darüber hinaus nur gegenüber dem Zweitbeklagten erhobene Zahlungsbegehren von 4.015,52 EUR sA ist nicht revisionsgegenständlich.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Haftrücklass sei nicht fällig. Bei der Sicherstellungsurkunde Beilage ./G (Anm: ein während des Verfahrens von der Klägerin vorgelegtes Duplikat von Beilage ./A) handle es sich um keine „abstrakte Bankgarantie“, weil diese von keinem inländischen Kreditinstitut ausgestellt worden sei. Die Ansprüche aus der Garantie müsste zudem gegenüber einer unbestimmten dritten Person geltend gemacht werden. Die Garantiegeberin sage Zahlung erst innerhalb von 14 Werktagen ab Abforderung zu, behalte sich sohin eine Prüffrist von 14 Tagen vor. Die Garantie sei überdies noch nicht wirksam, weil die Beklagten aufgrund der den Garantiebetrag übersteigenden Gewährleistungsansprüche den Haftrücklass nicht an die Klägerin ausbezahlt hätten.
Zudem wandten sie als Gegenforderungen 8.268 EUR an Kosten für den Nachbau nicht ausgeführter Notüberläufe, 1.159,13 EUR an USt aus Kosten und 10.965,76 EUR an Preisminderung ein, weil die von der Klägerin hergestellten Attikahochzüge insuffizient gewesen seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang zur Gänze statt, ohne im Spruch über die eingewandten Gegenforderungen abzusprechen. Der Haftrücklass sei fällig, weil die Klägerin die ihr zustehende Möglichkeit der Erbringung einer abstrakten Bankgarantie erfüllt habe. Die vorgelegte Bankgarantie sei zwar nach ihrem Wortlaut mit der Zahlung des Haftungsrücklasses bedingt, dies schade aber nicht, da die Erfüllung der Bedingung einzig von den Beklagten abhänge. Zudem liege ein konstitutives Anerkenntnis vor. Aus dem Vorbringen der hier Beklagten im Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt ergebe sich eindeutig, dass die dort gegen die Klägerin geltend gemachten Ansprüche unter anderem auch sämtliche bei der Sanierung des Gebäudes entstandenen Schäden inkludiert hätten. Die Klagsrückziehung habe daher auch die die Attikakonstruktion betreffenden Ansprüche umfasst. Die Einwände der Beklagten hinsichtlich der mangelhaften Ausführung der Leistung der Klägerin bestünden nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Klagsforderung von 4.015,52 EUR sA gegen den Zweitbeklagten und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren von 8.212.29 EUR sA gegen beide Beklagte ab.
Bei dem – eine Kompensandoforderung betreffenden – Anerkenntnis im Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt handle es sich insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klagsforderung gegenüber der dort Zweitbeklagten (hier Klägerin) in der Folge unter Anspruchsverzicht zurückgezogen worden sei, um kein konstitutives – einen neuen Verpflichtungsgrund schaffendes – Anerkenntnis. Ein entsprechender Parteiwille sei den erstinstanzlichen Feststellungen auch nicht zu entnehmen.
Aus der Sicherstellungsurkunde gehe sehr wohl konkret hervor, gegen wen die Ansprüche aus der – von der G* Versicherung AG ausgestellten – Garantie geltend zu machen seien. Die monierte Prüfpflicht könne der Urkunde hingegen nicht entnommen werden. Bei der genannten Frist von 14 Werktagen handle es sich vielmehr um eine Zahlungs- bzw Leistungsfrist. Auch wenn Formulierungen wie Zahlungspflicht „auf erstes Anfordern“ oder „unter Verzicht auf alle Einwendungen“ in der Urkunde darauf hindeuteten, dass dem Begünstigten eine „abstrakte“ Rechtsposition eingeräumt werden solle, vermöge dies nichts daran zu ändern, dass die Sicherstellungsurkunde im vorliegenden Fall nicht, wie zwischen den Streitteilen vereinbart, von einer Bank, sondern von einer Versicherung stamme. Da somit keine Bankgarantie im Sinne der festgestellten Vereinbarung gelegt worden sei und die Fälligkeit des Haftrücklasses erst per 31. 3. 2019 (Schluss der Verhandlung erster Instanz am 11. 6. 2018) eingetreten sei, seien die Beklagten mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 27. 2. 2019 auch nicht zur Zahlung des Haftrücklasses zu verpflichten gewesen. Ausführungen zu dem gegenüber dem Zweitbeklagten erfolgten Zuspruch von 4.015,52 EUR enthalte die Rechtsrüge nicht.
Die Gegenforderungen bestünden – wie das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung im Ergebnis zutreffend ausgeführt habe – nicht zu Recht. Auch die Notüberläufe seien Gegenstand des Verfahrens vor dem Landesgericht Wiener Neustadt gewesen, bevor die Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht gegenüber der dort Zweitbeklagten erfolgt sei.
Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die ordentliche Revision zu, weil – soweit überblickbar – keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob im Zusammenhang mit der Vereinbarung, dass die Klägerin statt einem Haftrücklass auch eine Bankgarantie legen könne, die Übermittlung einer (abstrakten) Garantie einer Versicherung als der Vereinbarung entsprechend anzusehen sei.
Gegen den klagsabweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im zur Gänze klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird im Anfechtungsumfang ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil sich die Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht als korrekturbedürftig erweist. Sie ist auch berechtigt.
Die Klägerin wendet sich in ihrer Revision mit dem Argument gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, sie habe keine Bankgarantie im Sinne der getroffenen Vereinbarung beigebracht, dass der Begriff „abstrakte Bankgarantie“ nur auf die inhaltlichen Anforderungen, nicht aber auf den Aussteller der Sicherstellungsurkunde abstelle
Rechtliche Beurteilung
Dazu war zu erwägen:
1.1 Auch Garantieverträge sind Rechtsgeschäfte, die gemäß den §§ 914, 915 ABGB auszulegen sind (RIS-Justiz RS0033002). Bei der Auslegung einer Haftungserklärung ist auf die konkreten Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht zu nehmen. (RS0033002 [T5]).
1.2 Bei einer abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, wobei die Abstraktheit durch Formulierungen wie „auf erstes Abfordern“ oder „ohne Einwendung“ oder „ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses“ besonders betont wird (vgl RS0016992).
1.3 Der Sicherungszweck der Bankgarantie ergibt sich regelmäßig aus dem Hinweis auf das Grundgeschäft in ihrer Präambel. Die Präambel stellt hierdurch klar, welche Ansprüche aus welchem Vertrag die Bank garantiert (9 Ob 28/19m mwN).
1.4 Der Zweck einer Bankgarantie, die an Stelle eines sonst vereinbarten Haftrücklasses gegeben wird, besteht nicht nur darin, dem Begünstigen eine Sicherheit zu geben. Vielmehr soll der Begünstigte so gestellt werden, als ob er (im gegebenen Zusammenhang) die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte (RS0017002). Der Parteiwille bei Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie ist regelmäßig allein darauf gerichtet, dass die Haftrücklassgarantie den Haftrücklass ersetzt, während sonst keine Veränderung der Rechtsposition des Werkbestellers herbeigeführt werden soll (10 Ob 62/16i).
2. Auch die Beklagten ziehen nicht in Zweifel, dass die „Sicherstellungsurkunde/Haftungsrücklass“ vom 11. 12. 2014 eine abstrakte – nicht akzessorische – Garantie darstellt. Nach ihrer Ausgestaltung gibt diese (auch als solche bezeichnete) Garantie den Beklagten die Möglichkeit, einen Teil des bereits vollständig gezahlten Werklohns zurückzuerlangen und damit den bei einer reinen Haftrücklassvereinbarung bestehenden Zustand (wieder) herzustellen. Damit erfüllt sie den Sicherungszweck einer Haftrücklassgarantie.
3.1 Um die Frage zu beantworten, ob diese Haftrücklassgarantie die vereinbarten Voraussetzungen erfüllt, auch wenn ein Versicherungsunternehmen Garant ist, bedarf es einer Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags, unter dessen Punkt „2.3. Haftungsrücklass“ die Parteien als Sicherstellung „abstrakte Bankgarantie“ ankreuzten. Es gilt zu klären, wen die Parteien als Garanten zulassen wollten.
3.2 Dabei ist davon auszugehen, dass eine reine Wortinterpretation keine völlige Klarheit bringt. Weder der Begriff Bankgarantie noch der Begriff Bank sind legal definiert (vgl Wenusch, Bankgarantien in der Baubranche, ZRB 2012, IV).
§ 1 Abs 1 BWG definiert den Begriff Kreditinstitut (und nicht Bank). Demnach ist Kreditinstitut, wer auf Grund der §§ 4 oder 103 Z 5 BWG oder besonderer bundesgesetzlicher Regelungen berechtigt ist, Bankgeschäfte zu betreiben. § 1 Abs 1 Z 8 BWG vertypt das Garantiegeschäft als Bankgeschäft. Allerdings können nicht nur Kreditinstitute die im Bankgeschäftskatalog genannten Geschäfte betreiben. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Regelung des § 3 Abs 3 Z 1 BWG, die Unternehmen der Vertragsversicherung von der Anwendung der Bestimmungen des BWG (mit Ausnahme der § 31 Abs 2, § 38 Abs 4, § 41 Abs 1 bis 4, 6 und 7 sowie § 75) und der VO (EU) Nr 575/2013 ausnimmt, soweit sie Bankgeschäfte betreiben, die gleichzeitig zu den ihnen eigentümlichen Geschäften gehören (Laurer/Kammel in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 § 3 Rz 17).
3.3 Die Beklagten haben nun weder behauptet, mit der Klägerin ausdrücklich vereinbart zu haben, dass die Haftrücklassgarantie gerade von einem Kreditinstitut stammen muss, noch lässt sich Derartiges den Feststellungen entnehmen. Aus der Verwendung des Begriffs „Bankgarantie“ alleine ergibt sich nicht eindeutig, dass die Parteien nur eine von einem Kreditinstitut ausgestellte Haftrücklassgarantie als Sicherstellung gelten lassen wollten. Auch der Zweck der Abrede gebietet diese Annahme nicht, weil es für den Begünstigten wirtschaftlich gesehen keinen Unterschied macht, ob Garant ein Kreditinstitut oder – wie hier – ein inländisches Versicherungsunternehmen ist (Unterschiede wirken sich allenfalls im Deckungsverhältnis aus).
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass nach § 8 Abs 1 BTVG allfällige Rückforderungsansprüche des Erwerbers durch eine ihm eingeräumte Garantie oder eine geeignete Versicherung gesichert werden können. Nach Abs 3 leg cit müssen Garanten Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen, die zur Geschäftsausübung im Inland berechtigt sind, oder inländische Gebietskörperschaften sein. Das BTVG betrachtet damit die wirtschaftliche Kraft bzw Verlässlichkeit von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen als gleichwertig.
Im Hinblick auf die Gleichwertigkeit ist die Haftrücklassgarantie einer inländischen Versicherung im vorliegenden Kontext unter den Begriff „abstrakte Bankgarantie“ zu subsumieren.
3.4 Für das Ergebnis spricht im konkreten Fall auch, dass die Beklagten die ihnen übermittelte Sicherstellung nicht zurückgewiesen haben. Im Gegenteil, sie haben sogar die auf Zahlung des einbehaltenen Haftrücklasses im Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt gerichtete Gegenforderung unter Hinweis auf die Haftrücklassgarantie anerkannt, mag es sich hierbei auch nur um ein deklaratives Anerkenntnis gehandelt haben. Der Zweitbeklagte hat sich zudem in der Korrespondenz mit der Klägerin dem Grunde nach bereit erklärt, den (einbehaltenen) Haftrücklass zu zahlen.
Aus all dem ist jedenfalls zu schließen, dass die Beklagten die von der G* Versicherung AG gelegte Haftrücklassgarantie akzeptiert haben.
4. Damit verfügten die Beklagten seit Übermittlung der Haftrücklassgarantie über eine (über die Vereinbarung hinausgehende) doppelte Sicherstellung hinsichtlich allfälliger Gewährleistungsansprüche. Da sie einen Teil des Werklohns trotz geeigneter Haftrücklassgarantie vereinbarungswidrig weiter zurückbehalten haben, besteht die Klagsforderung von 8.212,29 EUR – entgegen der Meinung des Berufungsgerichts – zu Recht. Die angefochtene Entscheidung war daher in diesem Sinne abzuändern, ohne dass noch auf die weiteren Revisionsgründe eingegangen werden muss.
5. Die Beklagten machen in ihrer Revisionsbeantwortung geltend, dass sie den Haftrücklass am 25. 9. 2019 bezahlt hätten. Dabei handelt es sich um eine Neuerung, auf die im Revisionsverfahren nicht Bedacht genommen werden kann. Für die Beurteilung maßgeblich ist die Situation im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz (vgl RS0036969).
6. Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben.
Da sich das Erstgericht die Entscheidung über die Kosten nach § 52 Abs 2 ZPO vorbehalten hat, war im Revisionsverfahren keine Kostenentscheidung zu treffen (§ 52 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E127932European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:E127932Im RIS seit
08.05.2020Zuletzt aktualisiert am
03.02.2022