TE OGH 2020/4/16 11R49/20m

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Hradil-Miheljak als Vorsitzende sowie den Richter und die Richterin des Oberlandesgerichts MMMag. Frank und Mag. Istjan, LL.M., in der Rechtssache der klagenden Partei M***, vertreten durch die Winternitz Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***, verteten durch MMag.Dr. Susanne Freyer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert EUR 35.000), über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 2.424,30) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 10. Februar 2020, GZ 10 Cg 37/19d-17, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung abgeändert, sodass sie lautet:

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 5.384,88 bestimmten Prozesskosten (darin EUR 896,68 USt und EUR 4,80 Barauslagen) zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 280,54 (darin EUR 46,76 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO).

B e g r ü n d u n g:

Text

Die Klägerin erhob eine Stufenklage gegen den Beklagten und forderte Rechnungslegung aus einem Vertrag über Vermögensveranlagung.

Das Erstgericht wies in der Hauptsache das Rechnungslegungsbegehren ab und das noch unbestimmte Zahlungsbegehren wegen Streitanhängigkeit zurück. Es verpflichtete die Klägerin zum Ersatz der gesamten vom Beklagten verzeichneten Prozesskosten von EUR 7.809,18, bevor die Einwendungsfrist nach § 54 ZPO abgelaufen war und die Klägerin ihre rechtzeitigen Einwendungen eingebracht hatte.

Gegen die im Urteil enthaltene Kostenentscheidung wendet sich der Kostenrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, ihre Kostenersatzpflicht um EUR 2.424,30 zu reduzieren.

Der Beklagte beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist berechtigt.

1. Richtig weist die Klägerin darauf hin, dass der ERV-Zuschlag zur Klagebeantwortung (ON 3) nur EUR 2,10 beträgt, weil es sich um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz handelt (§ 23a RATG).

2. Ebenfalls zuzustimmen ist der Klägerin, dass die Äußerung des Beklagten vom 15.11.2019 (ON 7) zum Fristerstreckungsantrag der Klägerin nicht zu honorieren ist.

Das Erstgericht hatte mit Beschluss vom 23.102019 die vorbereitende Tagsatzung für den 2.12.2019 anberaumt und beiden Parteien gemäß § 180 Abs 2 ZPO aufgetragen, allfälliges weiteres Vorbringen binnen drei Wochen zu erstatten (ON 4).

Die Klägerin beantragte am 14.11.2019, sohin am vorletzten Tag der dreiwöchigen Frist, ihr die Frist bis 25.11.2019 zu verlängern (ON 6). Das Gericht gab dem Antrag mit Beschluss vom nächsten Tag statt (ON 7) und verlängerte die Frist damit bis zum laut § 257 Abs 3 ZPO letztmöglichen Termin für die Einbringung vorbereitender Schriftsätze.

Die Äußerung des Beklagten langte offenbar erst nach dieser Beschlussfassung ein oder gelangte dem Richter zumindest erst danach zur Kenntnis. Dazu kommt, dass eine Gegenäußerung zu einem Fristerstreckungsantrag im Gesetz nicht vorgesehen ist, zumal diese Fristerstreckung nach § 141 ZPO nicht einmal anfechtbar wäre. Sie war daher nicht iSd § 41 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.

3. Offenbar nach Zustellung der Fristerstreckung brachte der Beklagte seine Vertagungsbitte vom 19.11.2019 (ON 8) ein. Er begründete sie mit einer Verletzung der Waffengleichheit, weil der Klägerin nun eine um 11 Tage längere Frist für ihren vorbereitenden Schriftsatz zur Verfügung stand und er darauf nicht mehr mit einem Schriftsatz, sondern nur mündlich replizieren könnte.

Vertagungsbitten sind grundsätzlich nicht zu honorieren, wenn deren Ursache in der Sphäre der obsiegenden Partei lag (RIS-Justiz RW0000196, vgl auch RS0121621). Dies gilt auch hier. Der Wunsch des Beklagten, in einer nicht übermäßig komplexen Rechtssache nach einem vorbereitenden Schriftsatz der Klägerin nochmals selbst einen Schriftsatz einbringen zu können, obwohl er selbst bereits einen vorbereitenden Schriftsatz eingebracht hatte und das Gericht nie einen gestaffelten Schriftsatzwechsel aufgetragen hatte, entstammt allein seiner Sphäre. Der Antrag ist daher nicht zu honorieren.

4. Auch die Stellungnahme des Beklagten vom 26.11.2019 (ON 12) zum Unterbrechungsantrag der Klägerin samt neuerlichem Antrag auf Klagszurückweisung war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich.

Richtig ist zwar der im Schriftsatz enthaltende Hinweis, dass eine mündliche Verhandlung nicht Voraussetzung für die Zurückweisung einer Klage wegen wegen Streitanhängigkeit wäre (Mayr in Fasching/Konecny3 III/1 § 230 ZPO Rz 5 [Stand 1.8.2017, rdb.at]). Abgesehen davon, dass der Beklagte diese Rechtslage beim Erstgericht als bekannt voraussetzen durfte, lag für das Rechnungslegungsbegehren eben keine Streitanhängigkeit vor, sodass die Verhandlung jedenfalls nicht unterbleiben konnte.

Das Erstgericht hätte dem Beklagten außerdem vor einer Unterbrechung Gelegenheit zur Äußerung einräumen müssen (Höllwerth in Fasching/Konecny3 II/3 § 190 ZPO Rz 86 [Stand 1.10.2015, rdb]), sodass eine unaufgeforderte Stellungnahme nicht erforderlich war.

5. Schließlich war auch der gesonderte Antrag des Beklagten vom 2.1.2020 auf Klagszurückweisung wegen Streitanhängigkeit (ON 14) nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, hatte er doch bereits in der Klagebeantwortung (ON 3 S 1) auf das Parallelverfahren hingewiesen.

6. Zusammenfassend war die Kostenersatzpflicht der Klägerin wie im Rekurs im Detail berechnet zu reduzieren.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 11 RATG iVm §§ 41 Abs 1, 50 ZPO. Da es sich bei einem Rechtsmittel um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz iSd § 23a RATG handelt, steht jedoch nur ein ERV-Erhöhungsbeitrag von EUR 2,10 zu (RIS-Justiz RS0126594).

Textnummer

EW0001024

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2020:01100R00049.20M.0416.000

Im RIS seit

08.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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