Entscheidungsdatum
03.10.2019Norm
AVG §57 Abs1Spruch
I406 2129978-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. IRAK, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Das Kostenbegehren wird gemäß § 17 VwGVG iVm. § 74 Abs. 2 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 11.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2016, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019, GZ. L502 2129978-1/19E, abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer verlieb illegal in Österreich.
3. Mit Mandatsbescheid vom 04.07.2019, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung "XXXX" zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen. Der Beschwerdeführer leistete der Wohnsitzauflage nicht Folge.
4. Gegen den Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.07.2019 Vorstellung. Die Wohnsitzauflage greife unzulässiger Weise in sein Privat- und Familienleben ein, er verfüge über Deutschkenntnisse auf A2-Niveau, habe einen Kochkurs absolviert, die Integrationsvereinbarung erfüllt und eine Gewerbeberechtigung erlangt und lebe in Österreich in einer Lebensgemeinschaft. Der Vorstellung beigefügt war ein XXXX-Zertifikat - Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft vom 14.12.2018, eine Erklärung gemäß § 4 bzw. 5a iVm § 4 Neugründungs-Förderungsgesetz vom 06.06.2019 und eine Erklärung betreffend das Nichtvorliegen von Gewerbeausschlussgründen vom 06.06.2019.
5. Mit Parteiengehör vom 19.07.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass die Verhängung einer Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs. 1 FPG geplant sei und gewährte ihm eine 14-tägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme. Eine solche langte am 06.08.2019 ein.
6. Mit dem nunmehr angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheid vom 19.08.2019, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung "XXXX" zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).
7. Mit Verfahrensanordnung vom 19.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.
8. Der Beschwerdeführer erhob gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid fristgerecht am 18.09.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Entscheidung sei inhaltlich falsch und aufgrund mangelhafter Verfahrensführung rechtswidrig. Die belangte Behörde habe unzutreffende gesetzliche Grundlagen verwendet und die Rechtsmittelbelehrung sei verfassungswidrig. Man habe den Beschwerdeführer nicht eingeladen, um ihn zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Privat- und Familienleben zu befragen, in welches die Wohnsitzauflage unzulässiger Weise eingreife. Zudem sei sein Verfahren zu seinem Antrag auf internationalen Schutz momentan beim Höchstgericht anhängig. Weiters sei der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Mandatsbescheid zur Wohnsitzauflage verfassungswidrig und die Kostenvorschreibung unzulässig, da das gegenständliche Verfahren im Rahmen des Asylverfahrens geführt werden. Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben, der belangten Behörde Kostenersatz auftragen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
9. Die belangte Behörde nahm mit Schreiben vom 19.09.2019 dazu Stellung.
10. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 26.09.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer befindet sich nach illegaler Einreise seit mindestens 11.01.2015 im österreichischen Bundesgebiet.
Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2016 als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, seine Abschiebung in den Irak für zulässig erklärt und eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019, Zl. L502 2129978-1/19E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Der Beschwerdeführer verblieb illegal im Bundesgebiet und weigerte sich bis dato, der rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Beim Rückkehrberatungsgespräch am 27.02.2019 erklärte er jedoch, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachzukommen.
Der Beschwerdeführer leistete der am 04.07.2019 erlassenen Wohnsitzauflage nicht Folge.
Eine aufrechte Duldung gemäß § 46a FPG liegt nicht vor.
In Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers haben sich seit Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019 über seinen Asylantrag keinerlei Änderungen ergeben.
Er ist strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz und zu seiner rechtlichen Position ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ L502 2129978-1/19E.
Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Rechtskraft erwachsen ist. Der Beschwerdeführer selbst hatte in seiner Stellungnahme vom 06.08.2019 angegeben, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliege, allerdings ein Antrag auf die Gewährung von Verfahrungshilfe beim VfGH eingebracht worden sei. Es entspricht nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Beschwerdeführer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019 ein Rechtsmittel erhoben hätte, auch wenn dies in der Beschwerde unsubstantiierter Weise behauptet wird.
Die Feststellung zur Weigerung des Beschwerdeführers, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus einer Mitteilung der Rückkehrberatungsorganisation (AS 3) sowie aus der vom Beschwerdeführer am 18.07.2019 erhobenen Vorstellung (AS 53). Aus dem gesamten Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer mittlerweile beabsichtigt auszureisen, zumal er sich nach wie vor im Bundesgebiet aufhält und erst kürzlich die Erteilung einer Gewerbeberechtigung beantragte. Dies wurde auch in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid nicht bestritten. In Zusammenschau war somit der Feststellung der belangten Behörde zu folgen.
Die Feststellung, dass sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens mit 26.04.2019 keine wesentlichen Änderungen im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben haben, ergibt sich insbesondere aus der Kürze der seither verstrichenen Zeit. Der Beschwerdeführer moniert, die belangte Behörde habe ihn nie eingeladen, um ihn zu seinen persönlichen Verhältnissen zu befragen, ohne jedoch in der Beschwerde Umstände vorzubringen, die auf eine maßgebliche Verfestigung seiner Integration schließen ließen. Im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren wurde bereits berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse auf A2-Niveau verfügt, die Integrationsvereinbarung erfüllt, soziale Kontakte und eine Lebensgefährtin hat, mit der er jedoch nicht zusammenwohnt; ebenso bestand zu diesem Zeitpunkt bereits seine nun vorgebrachte Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft. Einzig eine Gewerbeberechtigung lag damals noch nicht vor, wobei daraus allein noch keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes im Sinne einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung erblickt werden kann.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug vom 26.09.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
§ 57 FPG lautet auszugsweise:
"Wohnsitzauflage
§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn
1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder
2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.
(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige
1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;
2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;
3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;
4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;
5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.
(3) [...]
(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange
1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,
2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder
3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.
(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.
(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."
Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich, dass die Erlassung einer Wohnsitzauflage nicht systematisch erfolgen soll, sondern jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen hat. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.
Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.
Der Beschwerdeführer hat sich - wie von der belangten Behörde festgestellt - im bisherigen Verfahren unkooperativ verhalten und ist der ihm auferlegten Ausreiseverpflichtung, durchsetzbar seit 11.05.2019, nicht nachgekommen; dies obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand und der Beschwerdeführer nachweislich darüber informiert und belehrt wurde. Er hat bei seinem Rückkehrberatungsgespräch angegeben, Österreich nicht verlassen zu wollen. Die Weigerung des Beschwerdeführers, Österreich verlassen zu wollen, wurde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.
Daher ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird - die Voraussetzungen gemäß § 57 Abs. 1 FPG sind gegeben.
Wird durch eine Wohnsitzauflage in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Es ist daher zu prüfen, ob der Eingriff verhältnismäßig und auch mit Art. 8 EMRK vereinbar ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anders kann bezüglich der Verhängung von Wohnsitzauflagen nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.
Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG liegt hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042).
Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.
Im rechtskräftigen Bescheid zur Rückkehrentscheidung vom 17.06.2016 wurde bereits eingehend auf den Kriterienkatalog des § 9 Abs. 2 BFA-VG im konkreten Fall des Beschwerdeführers eingegangen und es wurde eine Rückkehrentscheidung sowie eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak für zulässig erklärt. Über die Zulässigkeit eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wurde erst vor wenigen Monaten, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019 abgesprochen. Seit Rechtskraft dieser Entscheidung sind keinerlei Änderungen seiner privaten und familiären Verhältnisse hervorgekommen.
Es ist somit in Zusammenschau von keiner derart engen Bindung des Beschwerdeführers an seinen bisherigen Wohnort auszugehen, die einer Wohnsitzauflage entgegenstehen würde.
Demgegenüber wiegt die beharrliche Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nach Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten.
Der Beschwerdeführer muss sich spätestens seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.04.2019 aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung und der verstrichenen Frist für die freiwillige Ausreise dessen bewusst sein, dass er seinen Lebensmittelpunkt in XXXX nicht aufrechterhalten wird können. Bei der Interessenabwägung ist unter anderem auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, S. 282ff).
Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher abzuweisen.
Die Beschwerde war daher gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist auszuführen, dass die belangte Behörde einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkennen kann, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
Wie unter Punkt 3.1 aufgezeigt, ist ein sofortiger Vollzug des Bescheides im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend erforderlich.
Anhaltspunkte dahingehend, dass im gegenständlichen Fall konkret zu berücksichtigende private Interessen vorliegen würden, die das öffentliche Interesse an einer raschen Durchsetzung der Wohnsitzauflage allenfalls überwiegen würden, sind nicht hervorgekommen.
Hinzu kommt, dass sich aufgrund der unter einem ergehenden Entscheidung in der Sache selbst eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung faktisch erübrigt.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 BFA-VG sind daher erfüllt, womit die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.
3.3 Zum Kostenbegehren:
Den Ersatz von Verfahrenskosten sieht das VwGVG nur in den besonderen Fällen der Maßnahme- oder Verhaltensbeschwerde vor (§§ 35, 53 VwGVG). Das - in Ermangelung sonstiger Regelungen des VwGVG zum Kostenersatz anzuwendende - AVG (§ 17 VwGVG) normiert als Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (§ 74 Abs. 1 AVG). Dieser Grundsatz gilt für sämtliche Parteienkosten, also etwa Anwaltskosten, Kosten für Privatgutachten etc (VwSlg. 16.636 A/2005 mwN).
Von diesem Grundsatz abweichende Regelungen können in den Verwaltungsvorschriften zwar vorgesehen sein (§ 74 Abs. 2 AVG), sind aber für die im Beschwerdefall strittige Materie nicht vorhanden. Das gegenständliche Verfahren wird entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht im Rahmen eines Asylverfahrens geführt. Seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens mit 26.04.2019 handelt es sich um den Beschwerdeführer um keinen Asylwerber iSd § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG mehr. Das Kostenersatzbegehren ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im gegenständlichen Fall wurden die für die Entscheidung maßgeblichen Feststellungen (weder im Mandatsbescheid noch im nunmehr angefochtenen Bescheid) substantiiert bestritten. Es sind im Verfahren vor dem BFA auch keine neuen, in Beurteilung zu ziehenden Aspekte hervorgekommen. Zudem bestreitet die Beschwerde den von der Behörde festgestellten Sachverhalt nur völlig unsubstantiiert, sodass sich daraus kein relevanter bzw. über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinausgehender Sachverhalt ergibt.
Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, aufschiebende Wirkung - Entfall,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2129978.3.00Zuletzt aktualisiert am
08.05.2020