Entscheidungsdatum
06.11.2019Norm
AsylG 2005 §55Spruch
I422 2114543-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2019, Zl. 830725207/190486738, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen die belangte Behörde mit Bescheid vom 27.08.2015 abwies. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde in der Folge mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2015 als unbegründet abgewiesen.
2. Am 08.03.2018 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welchen die belangte Behörde mit Bescheid vom 15.03.2018 erneut abwies und darüber hinaus ein Einreiseverbot erließ. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14.08.2018 wiederum als unbegründet ab.
3. Am 14.05.2019 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG"). Seinen Antrag legte er ein Sprachzertifikat A2, diverse Unterstützungsschreiben sowie eine Bestätigung eines Vereins zur Förderung einer Straßenzeitung in Vorarlberg bei.
4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 27.08.2019, Zahl:
830725207/190486738, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK zurück.
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 23.09.2019. Begründend führte der Beschwerdeführer darin aus, dass er seit 02.06.2013 in Österreich lebe. Er lebe vom Verkauf einer Straßenzeitung und habe inzwischen beträchtliche Kenntnisse in der deutschen Sprache erworben. Sein Aufenthalt sei bis 14.08.2018 legal gewesen. Der Verkauf der Straßenzeitung "Marie" werde durch die Vorlage eines Schreibens des Vereins zur Förderung einer Straßenzeitung in Vorarlberg nachgewiesen und habe der Beschwerdeführer Unterstützungserklärungen zahlreicher Personen vorlegen können. Das vorgelegte Sprachdiplom sei auf Niveau A2.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige, ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.
Er leidet an keinen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig.
Es leben keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich und führt der Beschwerdeführer keine Beziehung.
Der Beschwerdeführer ist seit Februar 2016 Verkäufer der Vorarlberger Straßenzeitung "Marie". Er bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Er besuchte Deutschkurse und absolvierte eine Sprachprüfung auf A2 Niveau.
Der Beschwerdeführer hat am 02.06.2013 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der nach einem Rechtsgang zum Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 01.12.2015 rechtskräftig negativ entschieden wurde.
Am 08.03.2018 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welchen die belangte Behörde mit Bescheid vom 15.03.2018 erneut abwies und darüber hinaus ein Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren erließ. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14.08.2018 als unbegründet ab.
Der Beschwerdeführer ist trotz der aufrechten rechtskräftigen Ausweisung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich wiederholt nicht freiwillig nachgekommen. Er hält sich seit rechtskräftiger Abweisung seiner Beschwerde mit Erkenntnis vom 14.08.2018 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Der vom Beschwerdeführer am 14.05.2019 bei der belangten Behörde gestellte Antrag, ihm gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" - "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 27.08.2019 zurückgewiesen.
Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.08.2018 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.
Die Verhältnisse in Nigeria haben sich seit der Rückkehrentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018 - in welchem bereits geprüft und festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde - nicht maßgeblich verändert. Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.
Das Strafregister der Republik Österreich weist keine Eintragung über den Beschwerdeführer auf.
1.2. Zur Situation in Nigeria:
Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 27.08.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden und ist der Beschwerdeführer den Länderberichten in seiner Beschwerde auch nicht entgegengetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie in die Einsichtnahme in die vorangegangenen Asylverfahren des Beschwerdeführers zu GZ: W103 2114543-1 und W184 2114543-2. Auskünfte aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Volljährigkeit, die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen aufgrund einer Identitätsfeststellung durch die nigerianische Delegation fest.
Die Feststellungen betreffend seinen Gesundheitszustand und seine Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers aus dem vorangegangenen und abgeschlossenen Asylverfahren. Diesbezüglich erfolgten im gegenständlichen Verfahren keinerlei und vor allem auch keine anderslautenden Angaben seitens des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers in seinem Asylverfahren und den darin vorgelegten und berücksichtigten Dokumenten. Neu vorgelegt wurde im gegenständlichen Verfahren insbesondere ein Konvolut aus zwölf Unterstützungsschreiben von Personen, welche den Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer kennen.
Dass der Beschwerdeführer seit Februar 2016 Verkäufer der Straßenzeitung "Marie" ist, ergibt sich aus einer Bestätigung der Vorarlberger Straßenzeitung "Marie".
Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruht darauf, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.03.2018 abgewiesen wurde sowie gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rezenter Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018 als unbegründet abgewiesen.
Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und somit auch dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt. Sohin besteht gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot, und er hält sich seit somit 14.08.2018 illegal im Bundesgebiet auf, zumal er auch sonst über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt und sich vor dem Hintergrund des § 58 Abs. 13 AsylG 2005 und des § 16 Abs. 5 BFA-VG weder aus der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch aus der Beschwerdeerhebung gegen den Administrativbescheid ein Aufenthalts- oder Bleiberecht für den Beschwerdeführer in Österreich ableiten lässt.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes und ergibt sich aus der Einholung einer aktuellen Strafregisterauskunft.
Insoweit der Beschwerdeführer in seinem Antrag und in weiterer Folge auch in seiner Beschwerde im Hinblick auf seine Integration vorbringt, dass er sich seit 02.06.2013 in Österreich aufhalte, er als Zeitungskolporteur ein Einkommen erwirtschafte und er ein Sprachdiplom auf Niveau A 2 vorweisen könne, ist zu konstatieren, dass diese integrationsbegründenden Aspekte bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung der belangten Behörde am 15.03.2018 bzw. spätestens bei der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.08.2018 evident und in den jeweiligen Entscheidung bereits berücksichtigt worden waren. Neu vorgelegt wurde lediglich das zuvor erwähnte Konvolut an Unterstützungserklärungen.
Weder der Antragsbegründung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG noch den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt zugesonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt ist zwischen der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018, mit dem die Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot bestätigt wurden und dem Zeitpunkt der Antragsstellung nach § 55 AsylG (14.05.2019) bzw. dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen.
Die von dem Beschwerdeführer neu vorgelegten Unterstützungsschreiben von Personen, welche diesen aufgrund seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer kennen, sind für sich alleine nicht dazu geeignet eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu begründen.
Die Feststellung, dass keine maßgebliche Veränderung in den abschieberelevanten Umständen eingetreten ist, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus festzuhalten, dass die Entwicklungen in Nigeria in den asyl- und abschieberelevanten Aspekten einer ständigen Beobachtung des Bundesverwaltungsgerichtes unterliegen. In Ansehung der im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2018 getroffenen Feststellungen ist zur Lage in Nigeria gerichtsnotorisch bekannt, dass seit diesem Zeitpunkt keine maßgebliche Veränderung im Heimatstaat des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zulässigkeit seiner Abschiebung eingetreten ist. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus nicht vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen zwischenzeitlich nicht mehr möglich wäre.
Schließlich bleibt festzuhalten, dass die belangte Behörde ein mängelfreies Verfahren geführt und sie in der Begründung die Ergebnisse, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Maßgebliche Ermittlungslücken oder Verfahrensfehler sind nicht erkennbar und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht substantiiert behauptet.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Die zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid stellen eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen dar. Es handelt sich hierbei sowohl um Quellen staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0210).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, sowie aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insbesondere kann gegenüber dem abgeschlossenen Asylverfahren und gegenüber dem Zeitpunkt der nunmehr angefochtenen Entscheidung keine maßgebliche Veränderung der politischen, ökonomischen oder sozialen Lage festgestellt werden. Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation in seinem Herkunftsland in seiner Beschwerde auch nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Zurückweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK:
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß §§ 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2).
Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 vorliegt.
Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
Die vorliegende Regelung des § 58 Abs. 10 AsylG folgt dem früheren § 44b NAG nach und ist § 68 AVG nachempfunden. Die Notwendigkeit einer ergänzenden, respektive neuen Abwägung nach § 9 BFA-VG verbietet bereits die Anwendung dieser Bestimmung. Vergleichsmaßstab ist die erste inhaltliche Entscheidung.
Erkennt das Bundesverwaltungsgericht eine Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 Asylgesetz für rechtswidrig, kann es nur mit einer Behebung vorgehen, nicht etwa in einem (im Sinne einer inhaltlichen Entscheidung) den Titel zuerkennen.
Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ist unter anderem ein Antrag wie der vorliegende als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung eines Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann maßgebliche Sachverhaltsänderungen im Sinne des § 44b Abs. 1 Z 1 vorliegen, herangezogen werden.
Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 Z.1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind hier die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit miteinzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Blick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (VwGH vom 03.10.2013, 2012/22/0068).
Im Grunde des § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG haben nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde (VwGH vom 22.01.2014, 2013/22/0007). Folglich wurden die Integrationsschritte, welche der Beschwerdeführer nach der erstinstanzlichen Entscheidung gesetzt hat dieser Entscheidung nicht zugrunde gelegt.
Bei folgenden Konstellationen ging der VwGH von keiner wesentlichen Änderung des Sachverhaltes aus:
* Erkenntnis vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094: Weder ein Zeitablauf von ca. 2 Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen stellen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne des § 44b NAG idF vor 2012/I/087 dar.
* Erkenntnis vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0108: Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (dem in Hinblick darauf, dass der Fremde mangels entsprechender Deutschkenntnisse keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, die Relevanz abgesprochen wurde) und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses durch die Fremde können keine umfassende Neubeurteilung iSd. Art. 8 EMRK nach sich ziehen.
* Erkenntnis vom 19.11.2014, 2012/22/0056: Die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Fremden und die Einstellungszusage ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde in diesen Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhaltes sah, die eine Neubeurteilung in Hinblick auf Art. 8 EMRK erfordert hätte.
* Erkenntnis vom 19.11.2014, 2013/22/0017: Mit Patenschaftserklärungen wird letztlich nur die finanzielle Unterstützung des Fremden dokumentiert und keine im Sinne des Art. 8 EMRK relevante Integration dargelegt.
Diesen exemplarisch dargelegten höchstgerichtlichen Entscheidungen ist zu entnehmen, dass nicht jede Änderung in Bezug auf die privaten und familiären Anknüpfungspunkte zur Erforderlichkeit einer neuerlichen meritorischen Prüfung des Antrags führt, sondern dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Änderung eine nicht nur eine bloß untergeordnete Tatsachenrelevanz zukommt (siehe auch VwGH vom 19.2.2009, 2008/01/0344). Dem Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2010, Zl. 2009/21/0367 ist auch zu entnehmen, dass durch den nunmehrigen § 58 Abs. 10 AsylG hintangehalten werden soll, dass durch "Kettenanträge" in der Absicht, die Durchsetzung bestehender Rückkehrentscheidungen zu unterlaufen, die Behörde gehindert wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu effektuieren.
3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass gegen den Beschwerdeführer seit 14.08.2018 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot besteht und seit Erlassung dieser Entscheidung eine maßgebliche und substantiierte Änderung des Sachverhaltes vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen wurde, sodass eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK - wie von der belangten Behörde zu Recht angenommen - für den Zeitraum zwischen der Erlassung der Rückkehrentscheidung und dem Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG nicht erforderlich war.
Daran vermag auch das Faktum nichts zu ändern, dass sich die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführer nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet um einige Zeit verlängert hat, während ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden nicht festzustellen war. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt wurde vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht substantiiert behauptet. Daran vermag die seit August 2018 verlängerte Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet nichts zu ändern.
Hinsichtlich seiner sozialen Verfestigung konnten keine weiteren, über die bereits bestehenden und bekannten Integrationsbemühungen festgestellt werden. So war der Beschwerdeführer insbesondere auch schon zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses vom 14.08.2018 als Zeitungsausträger tätig. Auch aus den von dem Beschwerdeführer neu vorgelegten zahlreichen Unterstützungsschreiben, ergibt sich keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen.
Ebenso ist - wie oben ausgeführt - auch im Hinblick auf die abschieberelevanten Umstände kein maßgeblich veränderter Sachverhalt anzunehmen.
Hervorzustreichen ist in diesem Kontext, dass sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts spätestens seit der ersten negativen Asylentscheidung vom 27.08.2015 bewusst war und sohin einem allfällig entstandenes Privat- und Familienleben ohnehin ein entsprechend geringes Gewicht zuzumessen wäre. Dies gilt umso mehr für Integrationsaspekte, die erst nach einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung entstanden sein mögen, welche durch sein beharrliches illegales Verbleiben im Bundesgebiet (trotz rechtskräftiger Ausweisungsentscheidung) weiter vermindert werden. Zudem bewirkt der Umstand, dass der Beschwerdeführer über einen gesicherten Unterhalt verfügt und er nicht straffällig geworden ist keine relevante Verstärkung seiner persönlichen Interessen (vgl. VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190).
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und ist die Beschwerde daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 58 Abs. 10 AsylG abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht knapp acht Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Er ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer zudem auch nicht beantragt.
Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur wurde sich im gegenständlichen Fall eingehend mit der Thematik auseinandergesetzt, wann und ob ein geänderter Sachverhalt im Sinne des § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, aufrechteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I422.2114543.3.00Zuletzt aktualisiert am
08.05.2020