TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/27 I417 1411421-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.12.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46 Abs1
FPG §46 Abs2
FPG §46 Abs2a
FPG §46a
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §46a Abs3 Z1
FPG §46a Abs5
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I417 1411421-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Zanier als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Unbekannt, alias Nigeria, alias Sudan, alias Südsudan, vertreten durch Dr. Farhad PAYA, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2019, Zl. "13-472458607/180643763/BMI-BFA_KNT_AST_01", zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.11.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er vorbrachte, Staatsangehöriger des Sudan zu sein.

Ein im Rahmen dieses Verfahrens eingeholtes Sprachgutachten vom 07.12.2009, sowie ein weiteres linguistisches sowie landeskundliches Sachverständigengutachten vom 02.07.2010 gelangten zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer entgegen seiner Behauptungen nicht aus dem Sudan sondern aus Nigeria stammt.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.11.2008 wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 18.08.2010, Zl. 411.421-2/2010/4E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria rechtskräftig als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

2. Am 03.03.2011 wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft verhängt. Am selben Tag beantragte er im Stande der Schubhaft eine freiwillige Rückkehr in den Sudan.

3. Am 11.03.2011 wurde der Beschwerdeführer einer nigerianischen Delegation zur Feststellung seiner Identität vorgeführt, wobei er nach wie vor behauptete, Staatsangehöriger des Sudan zu sein. Die nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers konnte im Zuge dieser Vorführung nicht bestätigt werden.

4. Mit Schreiben an das Bundesasylamt vom 21.03.2011 bestätigte die Botschaft der Republik Sudan, dass es sich bei den seitens des Beschwerdeführers genannten Personendaten definitiv nicht um einen Staatsbürger der Republik Sudan handle und ausgeschlossen werden könne, dass dieser aus dem Sudan stammt.

5. Am 06.04.2011 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Karte für Geduldete. Diesem Antrag wurde mit Bescheid der BPD

XXXX vom 16.05.2011 entsprochen. Die Karte für Geduldete des Beschwerdeführers wurde jährlich, zuletzt bis zum 10.05.2018, verlängert.

6. Am 07.05.2018 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verlängerung seiner Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 5 FPG.

7. Mit Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 19.10.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer Identitätsprüfung für den 09.11.2018 vor eine nigerianische Delegation nach Wien geladen. Der Beschwerdeführer kam diesem Ladungstermin nach, behauptete hierbei jedoch abermals, aus dem (heutigen) Südsudan zu stammen. Die nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers konnte auch im Rahmen dieses Ladungstermines nicht bestätigt werden, da für die Feststellung der nigerianischen Staatsangehörigkeit zusätzliche Anhaltspunkte notwendig gewesen wären.

8. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 02.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Karte für Geduldete vom 07.05.2018 "gemäß § 46a Abs. 5 iVm Abs. 1 Z 3 FPG" ab.

9. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 18.01.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

10. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden von der belangten Behörde am 06.02.2019 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 07.02.2019) vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist ungeklärt. Seine Identität steht nicht fest und verschleiert er diese.

Er hält sich nach seinem rechtskräftig mit Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 18.08.2010, Zl. 411.421-2/2010/4E abgeschlossenen Asylverfahren samt ergangener Ausweisung unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers konnte im Rahmen zweier Ladungstermine vor einer nigerianischen Delegation, am 11.03.2011 sowie am 09.11.2018 nicht bestätigt werden. Ebenso bestätigte die Botschaft der Republik Sudan mit Schreiben an das Bundesasylamt vom 21.03.2011, dass es sich bei dem seitens des Beschwerdeführers genannten Personendatensatz definitiv nicht um einen Staatsbürger der Republik Sudan handelt und ausgeschlossen werden kann, dass dieser aus dem Sudan (bzw. der heutigen, unabhängigen Republik Südsudan) stammt.

In der Schweiz trat der Beschwerdeführer zudem unter vier weiteren, von seiner gegenständlichen Verfahrensidentität abweichenden Alias-Identitäten in Erscheinung.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer kein Reisedokument vorgelegt hat und aus eigenem keinerlei Veranlassungen getroffen hat, um Dokumente zu erlangen, die seine Identität zwecks Erlangung von Heimreisezertifikaten nachweisen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem unzweifelhaften Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten. Ergänzend wurde Einsicht genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zl. I417 1411421-4, betreffend ein anhängiges Verfahren des Beschwerdeführers hinsichtlich eines beantragten Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht fest.

Der Beschwerdeführer behauptet, Staatsangehöriger der (seit 09.07.2011 unabhängigen) Republik Südsudan zu sein, was seitens der Botschaft der Republik Sudan mit Schreiben an das Bundesasylamt vom 21.03.2011 im Hinblick auf seine im Verfahren angegebenen Personendaten jedoch ausgeschlossen werden konnte.

Ein im Rahmen seines Asylverfahrens eingeholtes Sprachgutachten vom 07.12.2009 durch das Sprachinstitut "XXXX" gelangte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer eine Variante des Englischen und Pidgin-Englischen spreche, welche offensichtlich nicht dem Sudan zuzuordnen sei, sich jedoch dem südlichen Nigeria zuordnen ließe und typisch für Personen mit der Muttersprache Igbo sei. Überdies demonstriere er mangelhafte Kenntnisse zum Sudan.

Ein weiteres linguistisches sowie landeskundliches Sachverständigengutachten des nicht-amtlichen Sachverständigen Dr. XXXX vom 02.07.2010 gelangte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keine Kompetenz in einer südsudanesischen Varietät des Englischen, jedoch eindeutig eine Kompetenz in einer südnigerianischen Varietät des Englischen als auch einer anderen südnigerianischen Sprache, dem Igbo, demonstriere. Auch demonstriere er zu alltäglichen Objekten, zu den Lagebeziehungen seines angeblichen Heimatortes Tambura und zu wichtigen ökologischen Gegebenheiten des Südsudan keinerlei landesspezifisches Wissen, ließe jedoch vielmehr einen westafrikanischen Erfahrungshintergrund erkennen, sodass seine Hauptsozialisierung im Südsudan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, während hingegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von seiner Hauptsozialisierung im Süden Nigerias auszugehen sei.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer vor den Schweizer Behörden bereits unter vier weiteren, von seiner gegenständlichen Verfahrensidentität abweichenden Alias-Identitäten in Erscheinung getreten ist, ergibt sich aus einem Schreiben des Bundeskriminalamtes - welchem dieser Umstand durch eine Mitteilung von Interpol Bern zur Kenntnis gebracht wurde - an das Bundesasylamt vom 20.08.2010.

Darüber hinaus ergibt sich unzweifelhaft aus den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Administrativ- sowie Beschwerdeverfahren, dass er nicht aus eigenem mit der Botschaft seines Herkunftsstaates oder mit seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat in Kontakt getreten ist, um einen Reisepass bzw. Dokumente, die er für die Ausstellung desselben benötigen würde, zu erhalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 46 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 2b, § 46a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 6 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) ...

Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) ...

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;

2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;

3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet".

3.2. Zur Abweisung des Antrages auf Verlängerung der Duldungskarte:

Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung bzw. Verlängerung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs. 1 dieser Bestimmung geduldet ist, was dann der Fall ist, wenn einer der dort genannten Tatbestände (alternativ) erfüllt ist. Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, ist die Karte, aus der sich die Duldung des Aufenthaltes der dort angeführten Person ergibt, auszustellen.

Der Beschwerdeführer stützte seinen Antrag im gegenständlichen Fall darauf, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine. Ein unter § 46a Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des Beschwerdeführers weder substantiiert vorgebracht, noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren. Hier wird auch auf das bereits durchgeführte asylrechtliche Verfahren verwiesen, in dem ein solcher Sachverhalt ebenfalls nicht festgestellt werden konnte.

Zu überprüfen ist daher gegenständlich, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich war. Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß § 46a Abs. 3 FPG jedenfalls vor, wenn er seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

Die belangte Behörde argumentiert im angefochtenen Bescheid damit, dass im vorliegenden Fall ein vom Beschwerdeführer zu vertretendes Abschiebungshindernis gemäß § 46a Abs. 3 Z 1 FPG vorliege, da er seine Identität verschleiert. Dieser Einschätzung wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes beigetreten. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zwar vorgibt, Staatsangehöriger der Republik Sudan (bzw. der nunmehr unabhängigen Republik Südsudan) zu sein, aus einem seitens der Botschaft der Republik Sudan an das Bundesasylamt übermittelten Schreiben vom 21.03.2011 jedoch unstreitig hervorgeht, dass es sich bei dem seitens des Beschwerdeführers genannten Personendatensatz definitiv nicht um einen Staatsbürger der Republik Sudan handelt und ausgeschlossen werden kann, dass dieser aus dem Sudan (bzw. der heutigen, unabhängigen Republik Südsudan) stammt, steht fest, dass der Beschwerdeführer was entweder seinen tatsächlichen Herkunftsstaat oder was seine Personendaten anbelangt, vor den österreichischen Behörden unrichtige Angaben getätigt und somit seine Identität im Verfahren verschleiert hat. Dieser Schluss wird durch die beiden im Rahmen des Asylverfahrens des Beschwerdeführers in Österreich eingeholten Gutachten, welche beide zur Feststellung gelangten, dass dieser entgegen seiner Behauptungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus dem Sudan bzw. Südsudan stammt, sowie durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits in der Schweiz unter vier weiteren, von seiner gegenständlichen Verfahrensidentität abweichenden Alias-Identitäten in Erscheinung getreten ist, noch bekräftigt.

Ergänzend ist überdies festzuhalten, dass ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, gemäß § 46 Abs. 2 FPG - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen hat, es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen.

Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag 2285/A vom 20.09.2017 (XXV.GP) zum FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) ergibt sich bezüglich § 46 Abs. 2 FPG Folgendes:

"Unabhängig davon, ob mit Erlassung der Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde oder nicht, haben ausreisepflichtige Fremde überdies an der Erlangung der für die Ausreise erforderlichen Dokumente mitzuwirken. Dabei soll sowohl die bereits nach geltender Rechtslage vorgesehene Mitwirkung an Maßnahmen des Bundesamts umfasst sein, die zwecks Erlangung von für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen gesetzt werden, als auch - gemäß der neuen Bestimmung des § 46 Abs. 2 FPG - Handlungen des Fremden selbst, die zur Vorbereitung für eine eigenständige Ausreise zu treffen sind, wie insbesondere die eigenständige Beantragung eines allenfalls erforderlichen Reisedokumentes und die insoweit notwendige Erstattung von Angaben gegenüber der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat)... Unbeschadet der Befugnis des Bundesamtes soll nämlich künftig auch der Fremde selbst explizit der Verpflichtung unterliegen, sich ein für die Ausreise erforderliches Reisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem zu beschaffen und bei dieser Behörde sämtliche für diesen Zweck erforderlichen Handlungen zu setzen, wobei hier insbesondere die Beantragung des Reisedokuments, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten umfasst sein sollen..."

Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat - auf Grundlage einer alten Rechtslage wurde auch der Aufenthalt des Beschwerdeführers ab dem 16.05.2011 zunächst geduldet - so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus eigenem, proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen.

Das Gesetz setzt es nunmehr als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. - in dessen Auftrag - der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.

Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er aus eigener Initiative Kontakt mit der südsudanesischen Botschaft zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes aufgenommen hat und verneint dies im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.07.2018 hinsichtlich seiner Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK sogar ausdrücklich mit dem Hinweis, dass es in Österreich keine Botschaft gebe. Im Beschwerdeschriftsatz wird lediglich darauf verwiesen, dass die nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Vorführung vor eine nigerianische Delegation am 09.11.2018 nicht bestätigt werden konnte und es ihm angesichts des seit dem Jahr 2013 im Südsudan stattfindenden Bürgerkrieges und des Umstandes, dass im Südsudan kein funktionierendes Melde- und Personenstandswesen vorhanden sei, auch nicht möglich gewesen sei, sich einen Identitätsnachweis aus seiner Heimat zu beschaffen. Jedoch hat der Beschwerdeführer - ausgehend von seinem Vorbringen - auch keinerlei Bemühungen walten lassen, etwa telefonisch oder schriftlich mit der südsudanesischen Botschaft in Berlin in Kontakt zu treten. Auch hat er keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er den Versuch unternommen hat, mit etwaigen Familienangehörigen oder Bekannten in seinem Heimatland Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Dokumente oder Unterlagen auf postalischem Wege schicken zu lassen, bzw. hat er im Verfahren auch nicht nachvollziehbar dargelegt, warum es ihm nicht möglich war, sich entsprechende Dokumente aus seinem Heimatland zu beschaffen. Mit dem schlichten Verweis auf eine Bürgerkriegssituation sowie ein fehlendes Melde- und Personenstandswesen im Südsudan begründet er jedenfalls nicht schlüssig, warum er von vornherein mit Niemandem in seinem Herkunftsstaat in Kontakt treten könne.

Da der Beschwerdeführer sohin im gegenständlichen Fall nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen und er offensichtlich auch keine Anstrengungen unternommen hat, mit Angehörigen oder Bekannten in seinem Herkunftsstaat Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Unterlagen schicken zu lassen, war die Beschwerde, da die Abschiebung aus von ihm zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen erwies sich, wie unter der "Beweiswürdigung" ausgeführt, als unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Duldung, falsche Angaben, Identität, Karte für Geduldete,
Mitwirkungspflicht, Nachweismangel, Reisedokument, Verlängerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I417.1411421.5.00

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten