TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/10 I419 2227060-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2020
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Entscheidungsdatum

10.01.2020

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs6
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z2
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2227060-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.12.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der erste Satz des Spruchpunkts I wie folgt lautet: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin nigerianischer Staatsangehörigkeit reiste Mitte Mai 2019 und am 05.06.2019 per Bahn von Italien nach Wien, um dorthin Cannabiskraut zu liefern.

2. Mit dem bekämpften Bescheid hat das BFA der Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 Asylgesetz 2005" nicht erteilt und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I), festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt sowie einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III) und ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot über sie verhängt (Spruchpunkt IV).

3. Die Beschwerde bringt vor, die Beschwerdeführerin lebe in Italien, könne dort legal arbeiten und habe dort Familie, zu der sie sofort nach Haftende zurückwolle, sowie eine Aufenthaltsberechtigung. Es sei nicht zu erwarten, dass sie wieder straffällig werde, weil sie erst einmal verurteilt worden sei. Wenn die Behörden Italiens sie deshalb für eine Gefahr für die dortige öffentliche Ordnung und Sicherheit hielten, dann sei es deren Sache, ihr den Aufenthaltstitel abzuerkennen und eine Rückkehrentscheidung wider sie zu erlassen.

Beantragt wurde, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin spricht Englisch, ist volljährig, ledig und kinderlos. Sie hat eine bis 22.04.2020 gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis Italiens inne. Dort lebt sie seit gut 7 Jahren, unterbrochen von Aufenthalten im Herkunftsstaat, und verkauft Kleidung sowie andere Waren, "afrikanische Sachen". In Italien lebt seit 20 Jahren ihr Vater, im Herkunftsstaat die Stiefmutter der Beschwerdeführerin sowie ihre Schwester und fünf Halbgeschwister. Sie hat Kontakt mit der Schwester und ihrem Vater.

In Italien hat ihr die dortige Botschaft des Herkunftsstaats 2017 einen Reisepass ausgestellt. Zuletzt hielt die Beschwerdeführerin sich im Frühling 2019 vier Wochen lang im Herkunftsstaat auf, davor den ganzen September 2018. Dort hat sie 12 Jahre lang Grund- und Mittelschule sowie zwei Jahre lang eine HTL besucht, anschließend ein Jahr eine "Bibelschule". Bei ihren Aufenthalten dort trifft sie ihre Familie und treibt Handel.

Sie leidet an Bluthochdruck, wogegen sie Medikamente nimmt, ist ansonsten aber gesund in arbeitsfähig. In Österreich verfügt sie über keine privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen, abgesehen von der Justizanstalt seit ihrer Einreise auch über keine eigene Unterkunft und keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung ihres Lebensunterhalts. Ihr Privatleben beschränkt sich auf die Kontakte zu Mithäftlingen und Justizpersonal sowie Behördenverfahren.

Das LGS XXXX hat die Beschwerdeführerin am 19.08.2019 wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels durch Ein- und Ausfuhr einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge und des Suchtgifthandels durch Überlassen, sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel in Bezug auf eine große Menge zu 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, 16 davon bedingt nachgesehen, weil sie im Mai 2019 rund 1,9 kg Cannabiskraut mit Wirkstoff in der 6,6-fachen Grenzmenge von Rom nach Wien brachte und dort einem Landsmann und Bestimmungstäter übergab, sowie am 05.06.2019 rund 9,9 kg Cannabiskraut mit Wirkstoff in der 20,5-fachen Grenzmenge ebenso nach Wien transportierte.

Als mildernd berücksichtigte das Gericht dabei das umfassende Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgifts, den Beitrag zur Tataufklärung und Wahrheitsfindung sowie die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin, erschwerend dagegen die Tatwiederholung und das Zusammentreffen von Verbrechen.

In Italien bestehen betreffend die Beschwerdeführerin weder kriminalpolizeiliche Erkenntnisse noch Vormerkungen.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auf Stand 12.04.2019 zitiert. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

1.3 Zum Vorbringen:

Die Beschwerdeführerin kann in Italien einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Das BFA hat sie bisher nicht aufgefordert, dorthin auszureisen.

Die Beschwerdeführerin hat betreffend eine Rückkehr in den Herkunftsstaat keine auf diesen Staat bezogenen Bedenken geltend gemacht. Auch sonst wurde im Verfahren nichts bekannt, was fallbezogen gegen einen neuerlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin dort spräche.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen der Beschwerdeführerin gründen sich auf deren diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des BFA, sowie auf die vorliegende Auskunft des Koordinationszentrums mit den italienischen Behörden (AS 53), den Reisepass der Beschwerdeführerin und die Feststellungen des Strafgerichts.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin gründen sich auf deren Haftfähigkeit, die bekundete selbständige Arbeitstätigkeit und das Fehlen gegenteiliger Behauptungen in der Beschwerde. Daraus und aus dem Alter ergibt sich die Arbeitsfähigkeit.

Die Verurteilung und die vorgeworfenen Handlungen leiten sich aus dem Strafregister und dem Protokollsvermerk des Strafgerichts samt gekürzter Urteilsausfertigung ab (AS 18 ff). Die festgestellte Mittelosigkeit der Beschwerdeführerin bei deren Einreise ergibt sich daraus, dass sie damals festgenommen € 80,-- bei sich hatte und ihrer Aussage nach erwartete, im Gegenzug für die Übergabe des Pakets an den "Freund" von diesem Unterstützung und Geld für die Heimreise zu erhalten (AS 44).

2.3 Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Beschwerdeführerin trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland, wie sie sich im Bescheid finden (S. 11 ff, AS 65 ff), nicht entgegen und gab beim keine Stellungnahme zur Länderinformation ab (AS 42).

2.4 Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Das auch vom BFA als wahr angenommene (S. 34, AS 88) Vorbringen zur familiären Anknüpfung und dem Privatleben in Italien wurde in die Feststellungen übernommen. Aus der Aussage der Beschwerdeführerin, wonach sie in Italien selbständig arbeiten dürfe (AS 43) und der Auskunft des Koordinationszentrums (AS 53), wonach ihr Aufenthaltszweck mit Arbeit angegeben ist ("Motivo: LAVORO"), ergibt sich, dass diese dort arbeiten darf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Abweisung der Beschwerde):

3.1 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt I, 1. Satz)

Im ersten Satz des Spruchpunkts I im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass der Beschwerdeführerin ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 Asylgesetz 2005" nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint (S. 33 des Bescheids, AS 87). Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt. Die Beschwerdeführer hätte zudem im Falle des § 57 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 den Ausschlussgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen sich gelten zu lassen.

3.2 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I, 2. Satz)

Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Drittstaatsangehöriger sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG halten sich Fremde unter anderem dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat - z. B. also Italien - ausgestellten Aufenthaltstitels sind, und zwar solange sie keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen und höchstens bis zu drei Monate, wobei Art. 21 SDÜ gilt.

Letztere Bestimmung regelt in ihrem Abs. 1, dass Drittausländer, die Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels einer Vertragspartei sind, sich auf Grund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen dürfen, soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 lit. a, c und e SDÜ genannten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.

Zu diesen Einreisevoraussetzungen gehören, neben dem Besitz allenfalls nötiger weiterer Dokumente, ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für den Aufenthalt als auch die Rück- oder die Durchreise in einen Drittstaat, in dem die Zulassung gewährleistet ist, oder die Fähigkeit, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben. Die Person darf zudem keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, nationale Sicherheit oder internationalen Beziehungen einer Vertragspartei sein.

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass für einen rechtmäßigen Aufenthalt schon bei der Einreise der Beschwerdeführerin zwei erforderliche Voraussetzungen fehlten. Sie hatte weder die genannten ausreichenden Mittel, noch war sie - mangels Arbeitserlaubnis - in der Lage, sich diese hier legal zu verschaffen. Zudem war die Beschwerdeführerin seit ihrem ersten Drogengeschäft im Mai 2019 zweifellos eine Gefahr für die öffentliche Ordnung.

Damit erweist sich der gegenwärtige Aufenthalt der Beschwerdeführerin als von Beginn an unrechtmäßig, weil die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 SDÜ nicht vorlagen, konkret der lit. c und e dieser Bestimmung. Er wäre aber auch andernfalls zwischenzeitlich unrechtmäßig geworden, weil die Beschwerdeführerin haftbedingt das Limit von 90 innerhalb von 180 Tagen nach Art 21 Abs. 1 SDÜ überschritten hat.

Im Ergebnis ist damit die Voraussetzung des § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erfüllt. Die Sonderbestimmung des § 52 Abs. 6 FPG ordnet an, dass bei Fremden, die eine Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedsstaates haben, die Rückkehrentscheidung zudem nur unter der Voraussetzung zu erlassen ist, dass diese ihrer Pflicht nicht nachkommen, unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates auszureisen, oder ihre sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Unverzüglich bedeutet ohne unnötigen Aufschub. Die Tatsache der Inhaftierung hindert die Beschwerdeführerin an der Ausreise und bewirkt deren notwendigen Aufschub. Allerdings ist unmittelbar anschließend an ihre Entlassung die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, wie sich aus der massiven, nach kurzer Zeit wiederholten Delinquenz zusammen mit der Unterkunfts- und Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin ergibt.

Auch aus § 53 Abs. 3 Z. 1 f FPG folgt, dass fallbezogen ihre Verurteilung die Annahme rechtfertigt, dass der Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ist. Die Beschwerdeführerin wurde nämlich zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten (nämlich 24) verurteilt (Z. 1), und zwar wegen (sogar: mehr als) einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat (Z. 2).

Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen. Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin durch ihre Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Die Beschwerdeführerin verfügt über kein Familienleben in Österreich und hat ein solches auch nicht behauptet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in ihr Privatleben. Unter diesem Aspekt ist auf die Feststellung zu verweisen, dass ein solches über die genannten Alltags- und Behördenkontakte hinaus nicht vorliegt.

Gleichzeitig hat die Beschwerdeführerin zu ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen ist und den Großteil ihres Lebens verbrachte, sprachliche, familiäre und kulturelle Verbindungen sowie die Möglichkeit, dort alte oder neue soziale Kontakte zu pflegen.

Dem allenfalls bestehenden Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Im konkreten Fall kommt dazu, dass die Beschwerdeführerin durch das strafgerichtlich festgestellte Fehlverhalten ihre geringe Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten ausgedrückt und sich durchwegs ohne die erforderlichen Voraussetzungen im Inland aufgehalten hat.

Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot verpflichten Drittstaatsangehörige zur Ausreise in den Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet derjenigen Mitgliedsstaaten einzureisen, für welche die Rückführungs-RL gilt, und sich dort nicht aufzuhalten (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151 mwH). Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf daher nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, vielmehr muss auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten mitberücksichtigt werden (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).

Was die Rückkehrentscheidung alleine anbelangt, wird dabei der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Vater in Italien angesichts der vorangehenden Trennung durch die Strafhaft in Österreich an Gewicht verloren haben. Der Eingriff ist in seiner Schwere auch dadurch relativiert, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Verbrechen die räumliche Trennung bewusst riskierte, sodass er gegenüber der Notwendigkeit, die von der Anwesenheit der Beschwerdeführerin ausgehende Gefahr zu bannen, keine solche Bedeutung erlangt, dass von der - grundsätzlich nicht im Ermessen stehenden (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) - Rückkehrentscheidung abzusehen wäre. Diese Gefahr ergibt sich schon aus der zitierten gesetzlichen Vermutung des § 53 Abs. 3 Z. 1 f FPG.

Sollten die italienischen Behörden den Aufenthaltstitel der Beschwerdeführerin entziehen, wäre der Kontakt mit dem Vater außer im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin z. B. mittels Treffen in Drittländern, telefonisch, durch Austausch von Videoaufnahmen und Fotos sowie über elektronische Medien möglich. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig betont die Rechtsprechung des VwGH jedoch unter Hinweis auf jene des EGMR, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin, die ihrem Beruf bereits bisher auch im Herkunftsstaat nachgeht, und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch ihre Schwester, die Stiefmutter oder die Halbgeschwister ausbleiben sollte. Die Beschwerdeführerin ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig und hat sich auch bisher zu beruflichen sowie familiären Zwecken wochenlang im Herkunftsstaat aufgehalten, wozu sie sich Unterkunft und Verpflegung verschaffen musste.

Sie spricht die Landessprache Englisch, verfügt über eine langjährige Ausbildung und hat in Nigeria bereits bisher ihr Auskommen gehabt, auch jahrelang nachdem ihr Vater ausgereist war, weshalb sie dort zweifelsfrei die Möglichkeit hat, am Arbeitsmarkt fündig zu werden, ob als Händlerin von Textilien und afrikanischen Produkten wie derzeit oder mit anderer Arbeit.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Beschwerdeführerin möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann, genügt nicht für die Annahme, sie würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben der Beschwerdeführerin oder ihre Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Aufgrund all dessen ist letztlich in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.4 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III)

3.4.1 Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit den im folgenden Punkt zu erörternden Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 BFA-VG begründet. Wie zu zeigen sein wird, hat es diese Bestimmung zu Recht angewendet.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 4 FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festzulegen ist, wenn die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde, was hier -nach dem zweiten Satz in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides - der Fall ist.

Es besteht daher - im Anschluss an die Haftentlassung (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) - keine Frist für die freiwillige Ausreise.

3.4.2 Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Nach § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise eines Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist oder Fluchtgefahr besteht.

Die sofortige Ausreise erweist sich als nötig in diesem Sinne, da die Beschwerdeführerin zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse auf kriminelle Art eingereist ist. Verurteilt wurde sie nicht nur wegen geschmuggelter Drogen in großer Menge, sondern auch wegen deren teilweiser Weitergabe, konkret wegen mehrerer Verbrechen nach dem SMG, zu zwei Jahren teilbedingter Freiheitsstrafe, obwohl sie als unbescholten galt. Sie verfügt über keine Unterkunft und keine familiären Bindungen im Inland und, abgesehen von dem bei der Entlassung auszuzahlenden Teil der Arbeitsvergütung, über kein Arbeitseinkommen.

Dem BFA ist aus diesen Gründen beizupflichten, dass bei der Beschwerdeführerin das sofortige Ausreiseinteresse wegen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu bejahen ist.

Daher war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Antragsrecht, das auf diese Entscheidung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos.

3.5 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV):

Mit einer Rückkehrentscheidung kann auch dann ein Einreiseverbot verbunden werden, wenn der Betroffene über einen Aufenthaltstitel oder eine Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaats verfügt (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht II, Anm. 3 zu § 53 FPG), wobei mit "Mitgliedstaaten" jene gemeint sind, für welche die Rückführungs-RL gilt (VwGH 22.05.2013, 2013/18/0021). Zu diesen zählt Italien.

Bei der Erlassung und Bemessung eines Einreiseverbots sind demnach in Bezug auf das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein seine Verhältnisse in Österreich "in den Blick zu nehmen", sondern auch die Situation des Fremden in den anderen Mitgliedstaaten (VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037 mwH).

Der räumliche Geltungsbereich eines Einreiseverbots umfasst die genannten Staaten, eine Einschränkung ist nicht möglich (VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037). Weder steht aber die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) der Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels entgegen, noch muss sie ein Mitgliedstaat unter allen Umständen aufrechterhalten (VwGH 13.09.2012, 2011/23/0413).

Die rechtlich gebotene Vorgehensweise beschreibt Art. 25 Abs. 2 f SDÜ: Stellt sich heraus, dass ein Drittausländer, der über einen gültigen Aufenthaltstitel einer der Vertragsparteien verfügt, zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist, konsultiert die ausschreibende Vertragspartei jene, die den Aufenthaltstitel erteilt hat, um zu prüfen, ob ausreichende Gründe für dessen Einziehung vorliegen. Ist der Aufenthaltstitel nicht eingezogen, dann zieht die ausschreibende Vertragspartei die Ausschreibung zurück, wobei es ihr unbenommen bleibt, den Betroffenen in die nationale Ausschreibungsliste aufzunehmen. Das Fortbestehen der Ausschreibung hängt also davon ab, ob der Aufenthaltstitel "verlängert" wird (vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht II, Anm. 3 zu § 53 FPG).

Der Betroffene kann sich auf die Rechtswirkungen, die sich aus diesem vom ausschreibenden Vertragsstaat einzuleitenden Konsultationsverfahren ergeben, sowie auf die sich daraus ergebenden Verpflichtungen berufen (EuGH 16.01. 2018, C-240/17, E).

Ob die italienischen Behörden den Aufenthaltstitel entziehen oder auch - nach seinem Ablaufen in Kürze - ihn wieder erteilen, werden sie unter Wahrung des Art. 8 EMRK entscheiden können, wie oben dargelegt, auch wenn das Einreiseverbot in Kraft tritt. Je nach Inhalt der Entscheidung ist der Beschwerdeführerin dann eine Fortsetzung des Familienlebens in Italien oder auch in Drittländern möglich, auch mit kürzeren Trennungsphasen als durch die aktuelle Strafhaft, welche die Beschwerdeführerin durch ihre Verbrechen riskiert hat. Ergänzend dazu besteht weiterhin die oben beschriebene Kontaktmöglichkeit.

Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, und zwar grundsätzlich für bis zu 10 Jahre. Eine solche Tatsache, die auch bei der Bemessung der Dauer zu berücksichtigen ist, ist nach Abs. 3 Z. 1 die gerichtliche Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten, eine solche zu einer unbedingten von mindestens drei Monaten, aber auch nach Z. 2 seine Verurteilung wegen einer innerhalb von drei Monaten nach Einreise begangenen Vorsatztat.

Die Verurteilung der Beschwerdeführerin erfüllt damit den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG und auch jenen des § 53 Abs. 3 Z. 2 FPG. Damit liegen die Voraussetzungen mehrfach vor, was sich auch auf die Dauer eines Einreiseverbots auswirkt. Die verhängte Freiheitsstrafe erreichte zudem mehr als das Doppelte (bezogen auf den "unbedingten" Teil) bzw. das Vierfache der eben genannten Strafhöhen von drei und sechs Monaten.

Damit steht die Rechtmäßigkeit des Einreiseverbots dem Grunde nach außer Zweifel, sodass dessen Dauer auf ihre Angemessenheit zu prüfen ist.

Wie festgestellt, hat die Beschwerdeführerin mehrmals Verbrechen nach dem SMG begangen und dabei mit Cannabiskraut im zweistelligen Kilogramm-Bereich die Volksgesundheit gefährdet.

Der VwGH hat im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der ein nach Verurteilung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verhängtes Einreiseverbot von zehn Jahren bekämpfte, entschieden, dass die dadurch entstehenden Beeinträchtigungen seines in Deutschland ablaufenden Privat- und Familienlebens wegen seines großen Gefährdungspotentials im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Kauf genommen werden müssen (15.12.2011, 2011/21/0237).

Später hat der VwGH im Fall eines mit einer Österreicherin verheirateten, zweifach einschlägig nach dem SMG vorbestraften Drittstaatsangehörigen, der sodann wegen Suchtgifthandels zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe, davon zwölf Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden war, das vom BVwG von zehn auf sieben Jahre herabsetzte Einreiseverbot als nicht unvertretbar angesehen. (07.03.2019, Ra 2019/21/0001)

Die hier zu prüfende vom BFA verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von sechs Jahren erweist sich in Anbetracht dieser Rechtsprechung und dessen, dass von § 53 Abs. 3 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind, sowie angesichts des Fehlverhaltens unter Berücksichtigung der Milderungs- und Erschwerungsgründe als nachvollziehbar, auch wenn die Frist erst nach Entlassung aus der Strafhaft zu laufen beginnen kann.

Die Beschwerdeführerin befindet sich gegenwärtig in Strafhaft, sodass die Zeit noch zu wenig weit fortgeschritten ist, um ihr einen - in der Beschwerde angedeuteten - Gesinnungswandel zu attestieren.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind auch keine Umstände zutage getreten, die dem Gericht eine Reduzierung der Befristung von sechs Jahren nahelegen würden. Nach all dem war die Beschwerde auch betreffend diesen Spruchpunkt IV abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen oder zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Der Sachverhalt weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund fünf Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall,
berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot, freiwillige
Ausreise, Frist, Gefährdung der Sicherheit, Gefährdungsprognose,
Haft, Haftstrafe, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit, private Interessen,
Rückkehrentscheidung, Straffälligkeit, Strafhaft, strafrechtliche
Verurteilung, Straftat, Suchtgifthandel, Suchtmitteldelikt,
Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2227060.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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