Entscheidungsdatum
22.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I412 2138360-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Mag. Manuel DIETRICH gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Vorarlberg vom 09.12.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise ins Bundesgebiet am 10.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid der belangten Behörde abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt. Dieser Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2019 bestätigt und ist rechtskräftig.
Seiner Ausreiseverpflichtung kam der Beschwerdeführer innert der gewährten 14-tägigen Frist nicht nach. Stattdessen stellte er am 30.08.2019 gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs 1 AsylG 2005.
Nach Gewährung eines Parteiengehörs und eingebrachter Stellungnahme durch seinen gewillkürten Rechtsvertreter wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 58 Abs 10 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung vor knapp sechs Monaten hinsichtlich seiner Lebensumstände nichts geändert habe. Aus dem begründeten Antragsvorbringen sei ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen.
Mit rechtzeitiger und zulässiger Beschwerde wurde moniert, dass die in § 56 Abs 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen sowie auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 AsylG 2005 für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vorliegen würden. Es wurde neuerlich auf das Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich verwiesen. Die Integrationsverfestigung in beruflicher, sprachlicher und persönlicher Sicht habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wurde am 27.06.2019 rechtskräftig negativ entschieden. Seither besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer. Seiner Ausreiseverpflichtung kam er nicht nach.
Zur Person und zum Privatleben des Beschwerdeführers wurde im Erkenntnis des BVwG vom 27.06.2019, ausgefertigt am 31.07.2019, festgehalten und wird im gegenständlichen Verfahrens mangels Anhaltspunkte einer Änderung darauf verwiesen:
"Der Beschwerdeführer ist ledig und volljährig, gesund und daher auch erwerbsfähig. Er ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er hält sich in Österreich spätestens seit 10. August 2014 auf; er ist Mitglied in einem Chor und schneidet ehrenamtlich Haare. Seit April 2016 verkauft er eine Straßenzeitung und seit 2017 ist er Mitglied in einem Handballverein. Im November 2017 trat der Beschwerdeführer zur Pflichtschulabschluss-Prüfung vor der Externistenprüfungskommission an, wobei er nur die Teilprüfungen "Englisch - Globalität und Transkulturalität" und "Berufsorientierung" mit dem Kalkül "Befriedigend" bzw. "Erfolgreich abgelegt" absolvierte; bei den anderen Teilprüfungen erreichte er nur ein "Nicht genügend", im Übrigen auch bei der Teilprüfung "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft". Am 30. Mai 2019 schloss der Beschwerdeführer einen Arbeitsvertrag als Herrenfriseur ab.
Er verfügt hier über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen mit dem Vornamen S. eine Beziehung führt, die eine maßgebliche Intensität aufweist.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 4. März 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des gewerbsmäßigen Verkaufes von Suchtmitteln nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt."
Dem gegenständlichen Antrag wurden dieselben Unterlagen zu seinem Privatleben beigelegt, die auch schon im Verfahren auf internationalen Schutz eingebracht wurden. Darüber wurde rechtskräftig am 27.06.2019 abgesprochen. Außerdem wurden ein weiteres Empfehlungsschreiben und ein Aktenvermerk einer Handelskette vorgelegt, die den Beschwerdeführer bei Vorliegen der Voraussetzungen beschäftigen würde. Diese Unterlagen sind allerdings mit 19.06.2019 und 08.12.2018 datiert und liegen somit zeitlich vor der letzten Entscheidung über sein Privatleben. Ein Familienleben in Österreich kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer wohnt seit 22.03.2017 an derselben Adresse in Vorarlberg und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren, der Rückkehrentscheidung und der nicht nachgekommenen Ausreiseverpflichtung ergeben sich aus dem Zentralen Fremdenregister und Einsicht in den Gerichtsakt zu I409 2138360-1 und dem mündlich verkündeten Erkenntnis vom 27.06.2019. Dass er seiner Ausreisverpflichtung nicht nachgekommen ist ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem ZMR, wonach er seit knapp drei Jahren an derselben Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.
Aus dem Erkenntnis vom 27.06.2019 konnten die Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben getroffen werden. Dass sich diesbezüglich nichts geändert hat, ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen und den beigebrachten Unterlagen. Ein Abgleich mit dem Gerichtsakt zu seinem Asylverfahren hat ergeben, dass im gegenständlichen Verfahren dieseleben Unterlagen vorgelegt wurden. Neu ins Verfahren eingebracht wurden Unterlagen, die schon älterem Datums sind und im Wesentlichen auch schon in der Entscheidung vom 27.06.2019 mitberücksichtig wurden. Die Unterstützungserklärung stammt von einem Chormitglied. Seine Aktivität im Singverein wurde miteinbezogen. Die "Einstellungszusage" in Form eines Aktenvermerks bewirkt keine maßgebliche Änderung des Sachverhalts, zumal ein Arbeitsvertrag mit einem Friseur auch schon Eingang in die Beurteilung gefunden hat. Die Bestätigungen und Unterlagen wurden im angefochtenen Bescheid auch aufgelistet und ausgeführt, dass sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung nicht geändert hat. Das Vorbringen in der Beschwerde, die belangte Behörde habe seine Integrationsverfestigung nicht gewürdigt, geht daher ins Leere, da schlichtweg nichts vorgebracht wurde, was nicht bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren Eingang gefunden hat.
Aus dem einzeiligen Vorbringen in der Stellungnahme, dass er sich in einer Lebensgemeinschaft befinde, ohne irgendwelche Angaben zum/r PartnerIn zu machen, lässt sich kein Familienleben feststellen. Ein solches wurde auch in der letzten rechtskräftigen Entscheidung verneint.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Anzuwendende Rechtsnormen:
3.1.1. § 58 AsylG bestimmt (auszugsweise):
"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) [...]
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
[...]
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) [...] Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
[...]
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
[...]"
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:
"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."
3.1.2. § 10 Abs. 3 AsylG lautet:
"(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
3.1.3. § 52 Abs. 3 FPG lautet:
"(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird."
3.2. Rechtsprechung:
3.2.1. Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).
3.2.2. Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG 2005 vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG 2005: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).
3.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).
3.3. Anwendung im Beschwerdefall:
3.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153;
23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083;
12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde gestellten Antrag des Beschwerdeführers, in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK stattgegeben wird nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.
3.3.2. Eine Sachverhaltsänderung ist dann als wesentlich anzusehen, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung als in der bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides müsste als zumindest möglich sein. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt demnach dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Artikel 8 EMRK erforderlich machen. In der Beschwerde wird es allerdings unterlassen aufzuzeigen, inwieweit in den neu vorgebrachten Umständen eine wesentliche Sachverhaltsänderung erkannt werden könnte.
3.3.3. Wie bereits in der Beweiswürdigung aufgezeigt wurde, kann die Verlängerung des Inlandsaufenthaltes seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nicht als wesentliche Änderung angesehen werden, da damit weder die nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung relevante "Zehn-Jahres-Grenze" erreicht wird noch dieser Aufenthalt rechtmäßig war.
Soweit im Vorbringen des Beschwerdeführers ein Element geltend gemacht wird, das als "Änderung" in Betracht kommt (Einstellungszusage für den Fall des Erhalts einer Arbeitsberechtigung, Empfehlungsschreiben), ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der Rückkehrentscheidung vergangene Zeit, den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass damit Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; vgl. dazu auch, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses keine umfassende Neubeurteilung iSd Art 8 EMRK nach sich ziehen [VwGH, 10.12.2013, 2013/22/0362; VwGH 29. 05.2013, 2011/22/0013]). Ein Arbeitsvorvertrag und einige Empfehlungsschreiben erfolgten im Übrigen auch schon vor Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Juni 2019. Seither ist nur knapp ein halbes Jahr vergangen, sodass im Beschwerdefall auch in Betracht zu ziehen ist, dass der Beschwerdeführer seine bereits in der rechtskräftigen Entscheidung berücksichtigten Schritte zur Integration in Österreich allenfalls einfach fortgesetzt hat, dies obwohl ihm gegenüber nunmehr eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung besteht; diese Schritte erfolgten insofern daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Sachlage wirkt auch das in der getroffenen Entscheidung festgestellte öffentliche Interesse mit zumindest gleichem Gewicht unverändert fort und steht dem fortgesetzten Ausleben der im Wesentlichen bereits bisher berücksichtigten Interessenslage des Beschwerdeführers auch weiterhin entsprechend entgegen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das BFA den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass "nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert hätte, dass eine erneute Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre".
Die Zurückweisung des gemäß § 56 AsylG 2005 gestellten Antrags erfolgte daher zu Recht.
3.3.4. Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war. Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 56 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG 2005 jedoch - im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt."). Das Gericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 relevant sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde - vgl. oben Pkt. 3.2.3.) für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs. 8 AsylG nicht zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - soweit ersichtlich - für diesen Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der Zurückweisung, z. B. wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2
AsylG; vgl. VwGH, 14.04.2016, Ra 2016/21/0077 [=VwSlg. 19.347
A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 [=VwSlg. 19.482 A/2016];
17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).
Zudem würde eine allfällige Säumnis mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK führen. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom Beschwerdeführer unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die -unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als vom BFA. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ("Die Verhandlung kann entfallen, wenn [...] der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei [...] zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).
Daran vermag auch das Faktum nichts zu ändern, dass sich die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführer nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet um etwas mehr als ein halbes Jahr verlängert hat, während ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden nicht festzustellen war. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt wurde vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht substantiiert behauptet. Daran vermag das vorgelegte weitere Empfehlungsschreiben und eine Einstellungszusage nichts zu ändern; vgl. dazu auch, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses keine umfassende Neubeurteilung iSd Art. 8 EMRK nach sich ziehen [VwGH, 10.12.2013, 2013/22/0362; VwGH 29. 05.2013, 2011/22/0013]).
Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und die Beschwerde war demnach spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, entschiedene Sache, geänderte Verhältnisse,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2138360.2.00Zuletzt aktualisiert am
08.05.2020