Entscheidungsdatum
25.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I403 2228757-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2020, Zl. 1244301507/191134473, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Kosovo, verfügt über einen deutschen Aufenthaltstitel. Er wurde am 01.11.2019 im Bundesgebiet wegen des Verdachts der Körperverletzung in Untersuchungshaft genommen. Mit Parteiengehör der belangten Behörde, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), wurde der Beschwerdeführer über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes informiert. Mit Stellungnahme vom 14.11.2019 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass er sich in Österreich nur aufhalte, um seine Lebensgefährtin zu besuchen.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 02.12.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Zudem wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer zudem ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 12.02.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.02.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Kosovo. Seine Identität steht fest. Er verfügt über eine am 09.05.2008 ausgestellte, unbefristete Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Er lebt seit 1990 in Deutschland, wo sich seine frühere Ehefrau sowie die 1998 und 2000 geborenen Kinder befinden, die alle deutsche Staatsbürger sind. In Deutschland wurde der Beschwerdeführer bereits sieben Mal wegen Körperverletzung verurteilt. Er befand sich im Dezember 2019 noch unter Bewährungshilfe in Deutschland.
Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.
Vom 20.05.2019 bis 04.09.2019 hatte der Beschwerdeführer einen Hauptwohnsitz in Österreich angemeldet, wobei es sich bei der Unterkunftgeberin um seine Lebensgefährtin, eine österreichische Staatsbürgerin, handelte. Seit 01.11.2019 befindet er sich in einer Justizanstalt; über einen sonstigen Wohnsitz in Österreich verfügt er nicht mehr.
Der Beschwerdeführer ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach und weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale auf.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 02.12.2019, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB und wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, versucht zu haben, seine Lebensgefährtin schwer zu verletzen. Er hatte ihr am 01.07.2019 einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzt, so dass sie rückwärts auf eine Couch fiel, und ihr dann mehrere weitere Faustschläge gegen das Gesicht und gegen den Rücken versetzt, wodurch sie ein Hämatom am rechten Auge, eine Schwellung an der Lippe und zahlreiche weitere Prellungen und Hämatome erlitt. In der Nacht vom 20. auf den 21.07.2019 hatte er ihr zudem zwei Faustschläge gegen das Gesicht versetzt, wodurch sie zu Boden fiel. Dann hatte er sie an den Haaren erfasst und durch die Wohnung gezerrt und sie zu Boden gestoßen, als sie aufzustehen versuchte, und ihr mehrfach Fußtritte gegen Rücken und Beine versetzt, wodurch sie eine Schädelprellung, zahlreiche Prellungen und Hämatome am gesamten Körper erlitt. Unmittelbar danach versuchte er sie zum Öffnen der Tür eines Zimmers, in das sie sich geflüchtet hatte, zu nötigen, indem er heftig gegen die Tür schlug und angab diese aufbrechen zu wollen, wenn sie sie nicht öffnen würde.
Am 20.07.2019 hatte sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers an den Polizeinotruf gewandt. Nach Eintreffen der Polizei wurde die Lebensgefährtin in ein Krankenhaus gebracht, wo sie sich vom 21.07.2019 bis 27.07.2019 in stationärer Behandlung befand. Am 09.08.2019 wurde vom Bezirksgericht XXXX gegen den Beschwerdeführer ein Betretungsverbot für die Wohnung der Lebensgefährtin (6 Monate) und für die Wohnung von deren Eltern (12 Monate) ausgesprochen. Das Gewaltschutzzentrum wurde informiert.
Der Beschwerdeführer führt seit etwa einem Jahr eine Beziehung mit der österreichischen Staatsbürgerin, zu der er Anfang Mai 2019 zog. Die Beziehung ist trotz der genannten Vorfälle aufrecht.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
Es besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Kosovo einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt ist. Es sind keine Umstände hinsichtlich etwaiger staatlicher Repressalien oder anderweitig gearteter Probleme bekannt bzw. wurden keine solchen vorgebracht.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines kosovarischen Personalausweises fest; seine deutsche Niederlassungserlaubnis ergibt sich durch die entsprechende Aufenthaltstitelkarte, die ebenfalls in Kopie dem Akt beiliegt.
Die Feststellungen zu seinem Leben in Deutschland und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus seiner Stellungnahme vom 14.11.2019. Dass er sich seit 1990 in Deutschland aufhält, ergibt sich aus der Beschwerde.
Die Feststellungen zu den Meldeadressen des Beschwerdeführers in Österreich sowie zu seiner Inhaftierung ergeben sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik vom 20.02.2020.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht nachhaltig integriert ist, ergibt sich daraus, dass er hier nur wenige Monate gemeldet war und selbst wiederholt, so etwa in seiner Stellungnahme vom 14.11.2019, erklärte, sich in Österreich nur aufzuhalten, um seine Lebensgefährtin zu besuchen.
Dass der Beschwerdeführer in Deutschland als gewalttätig gilt und sieben Mal wegen Körperverletzung verurteilt wurde, ergibt sich aus einer im Akt einliegenden und über Europol ergangenen Nachricht der deutschen Polizeibehörden und aus dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 02.12.2019, Zl. XXXX. Dass er der Bewährungshilfe unterstellt war, ergibt sich aus einem Schreiben der Bewährungs- und Gerichtshilfe XXXX vom 10.12.2019.
Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Die Umstände hinsichtlich der seiner Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung.
Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung am 21.07.2019 bestritt der Beschwerdeführer, seine Lebensgefährtin geschlagen zu haben. Er gab an, die Beziehung mit ihr beenden und nach Deutschland zurückkehren zu wollen. Seine Lebensgefährtin erklärte in ihrer Befragung am 21.08.2019, dass sie den Beschwerdeführer Anfang 2019 über soziale Medien kennengelernt habe. Anfang April, Anfang Mai sei er dann zu ihr gezogen.
Der Beschwerdeführer verließ Österreich nach der Begehung der Straftaten Ende Juli 2019 und kehrte dann, wie er in seiner Stellungnahme vom 14.11.2019 erklärte, immer wieder nach Österreich zurück, um seine Lebensgefährtin zu besuchen. Zuletzt besuchte er sie am 31.10.2019; am 01.11.2019 wurde er aufgrund eines internationalen Haftbefehls in ihrer Wohnung festgenommen und in Untersuchungshaft genommen.
Die Feststellung, wonach die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich lebenden Lebensgefährtin aufrecht ist, ergibt sich aus der schriftlichen Stellungnahme vom 14.11.2019 und dem Umstand, dass sie den Beschwerdeführer laut Besucherliste vom 16.01.2020 regelmäßig in der Justizanstalt besucht und dass sich der Beschwerdeführer bei seiner Festnahme (trotz Betretungsverbots) in ihrer Wohnung befand.
Der Umstand, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, ergibt sich aus seinem gewalttätigen Verhalten in Österreich wie auch in Deutschland.
Eine Gefährdung des Beschwerdeführers für den Fall seiner Rückkehr in den Kosovo wurde von diesem nie vorgebracht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung sowie zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien (Spruchpunkt I. - zweiter Spruchteil - sowie Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 31 FPG in Verbindung mit Art 21 SDÜ kann sich ein Drittstaatsangehöriger, der wie der Beschwerdeführer Inhaber eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedsstaates ist, bis zu 3 Monate im Bundesgebiet aufhalten. Art 21 SDÜ verweist allerdings auf die Notwendigkeit, die Voraussetzungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a), c) und e) SDÜ zu erfüllen.
Art 5 SDÜ (Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985) lautet:
"(1) Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:
a) Er muss im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuss bestimmt werden.
b) Er muss, soweit erforderlich, im Besitz eines gültigen Sichtvermerks sein.
c) Er muss gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.
d) Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.
e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen."
Der Beschwerdeführer stellt aber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar (siehe dazu Punkt 3.3.), so dass von keinem rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet auszugehen ist und sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen hat.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich. Allerdings geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass er trotz seines an ihr verübten Verbrechens weiterhin eine Beziehung zu der österreichischen Staatsangehörigen D.H. führt. Allerdings besteht die Beziehung erst seit etwa einem Jahr und war der Beschwerdeführer auch nur einige Monate bei ihr gemeldet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen ("marriage-based relationships") beschränkt, sondern erfasst auch andere faktische Familienbindungen ("de facto family ties"), bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (vgl. VwGH 23.2.2011, 2011/23/0097, und 8.9.2010, 2008/01/0551, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0101 mit Verweis auf das Urteil des EGMR 2.11.2010, Serife Yigit gegen die Türkei, Große Kammer, Beschwerde Nr. 3976/05, Rn. 93 und 96). Der Beschwerdeführer wohnt seit September 2019 weder mit seiner Freundin zusammen noch gibt es gemeinsame Kinder. Auch besteht keine wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen ihm und seiner Freundin. Im Lichte dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass diese Beziehung nicht als Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu qualifizieren ist (VwGH, 17.12.2019, Ro 2019/18/0006).
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts des nur wenige Monate währenden Aufenthaltes im Bundesgebiet davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.
Es liegen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor; der Beschwerdeführer ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Beschäftigung nach, und es liegen keinerlei Indizien für eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung vor. Vielmehr gab er immer wieder an, dass er Österreich immer nur besucht habe, um seine Lebensgefährtin zu besuchen und dass sein eigentlicher Lebensmittelpunkt in Deutschland liege.
Zu Lasten des Beschwerdeführers ist zudem sein strafgesetzwidriges Fehlverhalten zu berücksichtigen.
In der Beschwerde wurde moniert, dass nur eine Einvernahme des Beschwerdeführers ein umfassendes Bild ermöglicht hätte, um dann in weiterer Folge auszuführen, dass der Beschwerdeführer seit 1990 in Deutschland lebe, dass er eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung dort habe, dort auch gearbeitet habe, inzwischen geschieden sei und mit seiner Lebensgefährtin in Österreich noch immer eine Beziehung führe. Diese "vom Bundesamt nicht ordnungsgemäß ermittelten Informationen" seien "unerlässliche Grundlage für die Beurteilung der Gefährlichkeit des BF". All diese Informationen wurden von der belangten Behörde aber berücksichtigt, so dass es für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar ist, was aus einer Einvernahme diesbezüglich zu gewinnen gewesen wäre.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben, zumal er gesund und somit auch erwerbsfähig ist.
Außerdem hatte der Beschwerdeführer im ganzen Verfahren nie vorgebracht, dass er im Kosovo Menschenrechtsverletzungen zu erwarten hätte; der in der Beschwerde erwähnte Umstand, dass sich seine Familie nicht mehr im Kosovo, sondern in der Schweiz befinde, reicht nicht aus, um eine Gefährdung seiner Person aufzuzeigen.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, und dem Beschwerdeführer auch im Falle einer Abschiebung in den Kosovo keine reale Gefahr einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt I. - im Umfang des zweiten Spruchteiles - sowie hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Erlassung eines auf die Dauer von sechs Jahren befristeten Einreiseverbotes (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom BFA mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs. 3 kann ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG hat als "bestimmte Tatsache", die (u.a.) bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes von Relevanz ist, insbesondere zu gelten, wenn "ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist". Mit seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten überschreitet der Beschwerdeführer die Tatsache einer Verurteilung "zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten" um das Dreifache. Dabei wurden mildernd das umfassende und reumütige Geständnis berücksichtigt (wobei in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen ist, dass er die Tatvorwürfe bei der Beschuldigtenvernehmung noch gänzlich abgestritten und auf den instabilen psychischen Zustand seiner Lebensgefährtin verwiesen hatte) und erschwerend das Zusammengehen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen und das Vorliegen von sieben einschlägigen Vorstrafen.
Auch die erkennende Richterin kommt aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers kurze Zeit nach seiner Einreise in das Bundesgebiet und dem Umstand, dass er auch in Deutschland wiederholt in Verbindung mit Körperverletzungen in Erscheinung trat, zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer längerfristig eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche durchaus ein Einreiseverbot zu rechtfertigen vermag bzw. dieses sogar notwendig erscheinen lässt..
Als erschwerend ist insbesondere anzusehen, dass der Beschwerdeführer auch schon in Deutschland wiederholt, laut Strafurteil sieben Mal, als Täter einer Körperverletzung in Erscheinung getreten ist.
Im Ergebnis zeigt sich im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers ein Charakterbild, das die Achtung der österreichischen Rechtsordnung sowie die hiesigen gesellschaftlichen Werte vermissen ließ und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin für einen längeren Zeitraum vermissen lässt. Das sich daraus abzeichnende Charakterbild rechtfertigt daher aus Sicht der erkennenden Richterin die Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
Die belangte Behörde verhängte über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot und sah davon ab, das Höchstmaß von zehn Jahren heranzuziehen; sie begründete dies mit den Milderungsgründen und dem nicht ausgeschöpften Strafrahmen. Angesichts seines schwerwiegenden Fehlverhaltens und dem Umstand, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Wiederholungstäter handelt, besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung, die von der belangten Behörde festgesetzte Befristungsdauer des Einreiseverbotes zu reduzieren. Soweit auf die Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin verwiesen wurde, ist dem entgegenzuhalten, dass auch diese Beziehung den Beschwerdeführer nicht davon abhielt, ein Verhalten zu setzen, dass den Grundwerten des österreichischen Rechtsstaates zuwiderläuft bzw. dass gerade seine Lebensgefährtin das Opfer der von ihm gesetzten Körperverletzung wurde. Es ist seiner Lebensgefährtin möglich, den Beschwerdeführer in Deutschland bzw. im Kosovo zu besuchen und die Beziehung über moderne Kommunikationsmittel am Leben zu erhalten.
Soweit das Familienleben in Deutschland betroffen ist (wobei seine beiden Kinder bereits volljährig sind und er von seiner früheren Ehefrau geschieden ist), steht es dem Beschwerdeführer frei, vom Kosovo wieder nach Deutschland einzureisen, worauf auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinwies.
Das SDÜ sieht für diesen Fall in seinem Art. 25 Abs. 2 zwar die Möglichkeit der "Einziehung" eines Aufenthaltstitels durch die ausstellende Vertragspartei vor, unter welchen Voraussetzungen eine solche "Einziehung" erfolgen kann, ist in diesem Übereinkommen jedoch nicht geregelt. Insbesondere findet sich darin keine Bestimmung, wonach die Ausschreibung eines Drittausländers zur Einreiseverweigerung per se einen Grund für die "Einziehung" eines Aufenthaltstitels darstellt. Unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel entzogen werden kann, richtet sich vielmehr weiterhin - ebenso wie vor der Ausschreibung des Drittausländers zur Einreiseverweigerung - ausschließlich nach der jeweiligen nationalen (hier: deutschen) Rechtsordnung.
Im konkreten Fall wird die Gültigkeit des unbefristet erteilten deutschen Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers von einer allfälligen Ausschreibung des Beschwerdeführers zur Einreiseverweigerung auf Grund des vorliegenden Einreiseverbots nicht berührt. Damit ist mit dieser Maßnahme ein Eingriff in das in Deutschland geführte Privat- und Familienleben ohnehin nicht verbunden.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls als unbegründet abgewiesen.
3.4. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil "die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist".
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz sind im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt [vgl. dazu die Ausführungen zur Verhängung des Einreiseverbotes unter Punkt A) 3.3.], sodass das Bundesamt der vorliegenden Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte. Es lag für das Bundesamt auch kein Grund vor, im Rahmen der Ermessensübung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen.
Aus dem Gesagten war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu den vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, sind nämlich unbestritten geblieben. Vor diesem Hintergrund hätten weder die behaupteten integrationsverstärkenden Gesichtspunkte (konkret die in Österreich geführte Beziehung) noch die (in der Regel freilich gebotene) Verschaffung eines persönlichen Eindrucks zu einem anderen Ergebnis der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessensabwägung führen können. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden (vgl. VwGH, 15.03.2016, Ra 2015/19/0302; VwGH, 12.11.2015, Ra 2015/21/0184).
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2228757.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.05.2020