TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/21 98/11/0013

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FrG 1993 §80 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/11/0087 E 30. Juni 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in Mauthausen, Heindlkai 52, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. November 1997, Zl. VerkR-392.617/2-1997/Si, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm für die Zeit von zwei Jahren, gerechnet ab der (am 27. September 1996 erfolgten) Zustellung des Mandatsbescheides, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der entscheidungswesentliche Sachverhalt gehe aus dem Urteil des Landesgerichtes (richtig: des Schöffengerichtes beim Amtsgericht) Passau vom 18. März 1996 hervor und sei bereits im Mandatsbescheid dargelegt worden.

Mit diesem Urteil war der Beschwerdeführer der Einschleusung von Ausländern (§ 92a I Ziff. 1 dAuslG) schuldig erkannt worden, weil er gemeinsam mit einer anderen namentlich genannten Person in der Nacht vom 31. Dezember 1995 auf den 1. Jänner 1996 eine Familie, bestehend aus fünf Personen türkischer Staatsangehörigkeit, die für das (deutsche) Bundesgebiet keine Aufenthaltsgenehmigung besessen haben, von Österreich in das (deutsche) Bundesgebiet eingeschleust habe. Die Vollstreckung der in diesem Urteil festgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr wurde mit Urteil des Landgerichtes Passau vom 3. Juni 1996 zur Bewährung ausgesetzt.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde aus diesem Sachverhalt, die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung sei besonders verwerflich. Dies ergebe sich aus einem Vergleich der Strafdrohung des im § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 genannten § 84 StGB mit der Strafdrohung jener Bestimmung des (deutschen) Ausländergesetzes, die dem Urteil des Amtsgerichtes Passau zugrunde liege. Durch die strafbare Handlung des Beschwerdeführers werde die öffentliche Ordnung "außerordentlich" gestört. Außerdem gerieten dadurch sich in Not befindende Menschen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dubiosen Geschäftemachern. Die geschleusten Personen würden in die Illegalität geführt und einer ungewissen Zukunft ausgesetzt. Durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges werde die Schleppertätigkeit erleichtert. Im Rahmen der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967, deren Kriterien auch bei der Festsetzung der Entziehungszeit maßgebend seien, sei die seit der Tat verstrichene Zeit ebenso berücksichtigt worden wie der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer in Deutschland in Haft befunden habe und während dieser Zeit sein Wohlverhalten nicht habe unter Beweis stellen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 1 KFG 1967 gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muß, daß sie aufgrund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe

a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

b) sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

§ 66 Abs. 2 leg. cit. enthält eine beispielsweise Aufzählung von gerichtlich strafbaren Handlungen und von Verwaltungsübertretungen, die als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten haben. Aus dem demonstrativen Charakter dieser Aufzählung ergibt sich, daß auch andere als die im § 66 Abs. 2 leg. cit. genannten strafbaren Handlungen als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 herangezogen werden können, wenn sie - unter dem Gesichtspunkt der aus ihnen erschließbaren Sinnesart einer Person - im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit den beispielsweise angeführten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt annähernd gleichkommen (siehe dazu u. a. die hg. Erkenntnisse vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0082, und vom 5. Dezember 1989, Zl. 89/11/0179, mwN). Insofern stellen die im § 66 Abs. 2 KFG 1967 genannten Tatbestände einen Maßstab für die Qualifizierung anderer Verhaltensweisen als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 dar.

Der von der belangten Behörde angestellte Vergleich allein der gesetzlichen Strafdrohungen ist von vornherein nicht geeignet, die Gleichwertigkeit mit den aufgezählten Tatbeständen zu begründen, hätte es doch andernfalls genügt, im Zusammenhang mit der Umschreibung bestimmter Tatsachen im Gesetz bei allen gerichtlich strafbaren Handlungen auf die Höhe der gesetzlichen Strafdrohung abzustellen. Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß der von der belangten Behörde angestellte Vergleich auch deshalb völlig ungeeignet ist, weil sie die Strafdrohung für schwere Körperverletzung (§ 84 StGB) - dieses Vergehen indiziert eine Sinnesart im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 - mit einer im Ausland bestehenden Strafdrohung für Einschleusung vergleicht und aus der von ihr angenommenen Gleichwertigkeit auf eine Sinnesart des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 schließt. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, das in der Bundesrepublik Deutschland zur Bestrafung geführt hat, ist aber darauf abzustellen, inwieweit dieses Verhalten auch nach der österreichischen Rechtsordnung verpönt ist. Das von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Verhalten des Beschwerdeführers (Förderung der rechtswidrigen Ausreise von fünf Fremden nach Deutschland) bildete eine mit Geldstrafe zu ahndende Verwaltungsübertretung nach § 80 Abs. 2 Fremdengesetz und kommt keinesfalls einer der im § 66 Abs. 2 KFG 1967 genannten gerichtlich strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt gleich.

Weiters ist zu beachten, daß die für die Annahme einer Sinnesart gemäß § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 in Betracht kommenden im § 66 Abs. 2 leg. cit. genannten gerichtlich strafbaren Handlungen - abgesehen von den wesentlich höheren Strafsätzen als sogar für gerichtlich strafbare Schlepperei nach § 81 Fremdengesetz - auch gegen völlig andere Rechtsgüter gerichtet sind - die im § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 genannten strafbaren Handlungen gemäß den §§ 201 bis 207 StGB richten sich gegen die Sittlichkeit; die im § 66 Abs. 2 lit. d KFG 1967 genannte erpresserische Entführung gemäß § 102 StGB richtet sich gegen die Freiheit und die weiteren in dieser Gesetzesstelle genannten strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen; das im § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 genannte Verbrechen gemäß § 12 Suchtgiftgesetz richtet sich gegen die "Volksgesundheit", vgl. dazu den Bericht des Verkehrsausschusses zur 5. KFG-Novelle, 793 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR XV. GP - als die Schlepperei nach den §§ 80 f Fremdengesetz, die sich gegen die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens richtet. Auch unter diesem Gesichtspunkt verbietet sich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auffassung, die Schlepperei - auch wenn mit ihr häufig die von der belangten Behörde genannten Umstände verbunden sind - komme den im § 66 Abs. 2 KFG 1967 genannten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt gleich. Die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung ist somit keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998110013.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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