TE OGH 2020/2/21 4Ob211/19m

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers K***** e.U., *****, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beklagten H***** L*****, vertreten durch Dr. Franz-Martin Orou, Rechtsanwalt in Wien, wegen Widerruf, Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren 10.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 24. Oktober 2019, GZ 2 R 145/19v-19, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 18. September 2019, GZ 69 Cg 77/19a-7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der antragsabweisende Beschluss des Erstgerichts samt Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

         Der Kläger hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen und ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen dessen mit 2.960,52 EUR (darin 254,92 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger vertreibt über die Plattform von A***** diverse Produkte aus Zirbenholz, etwa Sets bestehend aus Wasserkaraffen mit Verschlüssen aus Zirbenholz, die in unterschiedlicher Form gestaltet sind (Kugeln, Äpfel, Birnen etc.) und Würfel aus Zirbenholz, die zumeist eine Einfräsung aufweisen, in die Zirbenholzspäne hineingelegt und mit Zirbenöl beträufelt werden können.

Der Beklagte ist Inhaber der beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) registrierten Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGM) „ZirbenWürfel“ und „ZirbenKugel“. Die ausschießlichen Lizenzrechte daran räumte der Beklagte jeweils der Z***** GmbH ein. Mit Entscheidung vom 18. 4. 2019 erklärte das EUIPO das GGM „Zirbenkugel“ für nichtig. Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig, der Beklagte als Inhaber des angegriffenen Designs hat sie mit Beschwerde vom 9. 8. 2019 zur Gänze angefochten.

Zwischen der Z***** GmbH (als Klägerin) und dem Kläger (als Beklagtem) sind beim Handelsgericht Wien mehrere Verfahren anhängig. Dem Kläger wurde mit rechtskräftiger einstweiliger Verfügung untersagt, Wasserkaraffen mit Verschluss aus Zirbenholz, die keinen anderen Gesamteindruck erwecken als das GGM der Z***** GmbH, anzubieten. Das Hauptverfahren ist noch anhängig. Im Verfahren wegen des Eingriffs in das Zirbenwürfel-Design erfolgte eine Klagsabweisung.

A***** bietet (auch) Händlern im Rahmen eines Beschwerdemanagements die Möglichkeit, mit Hilfe eines standardisierten Formulars einen Beschwerdefall zu melden und eröffnet ihnen so die Möglichkeit, etwaige Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten durch andere Händler zu melden. Der Beklagte machte von dieser Beschwerdemöglichkeit Gebrauch und erstattete unter Bekanntgabe seiner GGM „ZirbenWürfel“ und „ZirbenKugel“ eine Meldung an A*****, wonach die Artikel des Klägers seine diesbezüglichen (Design-)Rechte verletzten. Daraufhin kündigte A***** dem Kläger die Entfernung seine Produkte aus dem Angebot an und forderte ihn zur Stellungnahme auf. In der Folge waren die betroffenen Artikel im Händlershop des Klägers auf A***** wieder verfügbar.

Mit Entscheidung des EUIPO vom 16. 5. 2019 wurde das zu Gunsten des Klägers eingetragene GGM „Holzwürfel“ für nichtig erklärt. Die Rechtskraft dieser Entscheidung ist nicht bescheinigt. Abgesehen davon ist der Kläger Inhaber weiterer GGM betreffend Karaffen samt Zirbenkugel.

Zur Sicherung seiner Unterlassungsbegehren beantragte der Kläger die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Beklagten aufgetragen werden möge, die Behauptung zu unterlassen, 26 in der Klage im Einzelnen bezeichnete Produkte aus Zirbenholz würden gegen seine GGM „ZirbenKugel“ und „ZirbenWürfel“ verstoßen. Der Beklagte habe gegenüber A***** unwahre Tatsachen, nämlich den Verstoß gegen zu seinen Gunsten bestehende Schutzrechte behauptet und dadurch das Unternehmen des Klägers nach § 7 UWG unzulässig herabgesetzt. Die Vorgangsweise des Beklagten sei überdies aggressiv. Es habe zwischen der Z***** GmbH als Lizenznehmerin des Beklagten und dem Kläger bereits einige Gerichtsverfahren gegeben. In einem Verfahren (betreffend das vom Kläger vertriebene Produkt des Zirbenwürfels) sei die Klage abgewiesen worden, in einem anderen Verfahren (betreffend die vom Kläger vertriebene Wasserkaraffe mit Holzkugel) sei der Klage in erster Instanz stattgegeben worden; die Entscheidung sei aber nicht rechtskräftig. Aufgrund dieses Verfahrens habe der Kläger beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des zugunsten des Beklagten bestehenden GGM „ZirbenKugel“ eingebracht; dem Kläger sei in erster Instanz Recht gegeben und das GGM für nichtig erklärt worden. Offenbar als Reaktion auf die Klagsabweisung im zuerst genannten Verfahren habe der Beklagte Beschwerde bei A***** über sämtliche vom Kläger dort verkauften Produkte eingelegt. Es sei bei A***** gängige Praxis, dass bei der Einbringung von derartigen Beschwerden die Produkte umgehend gesperrt und vom Markt genommen würden; erst im Anschluss werde ein Erhebungsverfahren geführt, ob die Beschwerde rechtens gewesen sei. Der Beklagte habe die Behauptungen wider besseres Wissen getätigt. Tatsächlich seien die Behauptungen unrichtig, zum Teil erweckten die Produkte des Klägers einen völlig anderen Gesamteindruck als jene der geschützten GGM, zum Teil sei das GGM, auf welches sich der Beklagte berufe, für nichtig erklärt, und zum Teil bestünden zugunsten des Klägers registrierte Schutzrechte.

Der Beklagte bestritt das Wettbewerbsverhältnis zum Kläger, weil der Vertrieb seiner Produkte über eine GmbH abgewickelt werde. Im Übrigen habe der Beklagte keine unwahren Tatsachen gegenüber A***** behauptet, weil er über aufrechte Schutzrechte verfüge, die mit den Produktangeboten des Klägers vergleichbar seien, soweit jeweils entweder Karaffen mit Verschlüssen aus Zirbenholz oder Würfel mit Ölfläschchen und Zirbenspänen hievon betroffen seien. Der Beklagte sei Inhaber der beim EUIPO aufrecht registrierten GGM „ZirbenWürfel“ und „ZirbenKugel“. Beide Schutzrechte seien A***** mitgeteilt und A***** dadurch in die Lage versetzt worden, eigene Vergleiche mit dem Produktangebot des Klägers vorzunehmen. Die Nichtigerklärung des „Zirbenkugel“-Designs sei nicht rechtskräftig, das Rechtsmittelverfahren sei anhängig. Gegen den Kläger bestehe wegen des unrechtmäßigen Gebrauchs des Zirbenkugel-Designs eine aufrechte einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien, das Hauptverfahren sei nicht rechtskräftig abgeschlossen, in erster Instanz habe der Beklagte obsiegt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, mit welcher das klagsstattgebende Teilurteil des Erstgerichts wegen des unrechtmäßigen Gebrauchs des Zirbenwürfel-Designs aufgehoben worden sei, sei nicht rechtskräftig. Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber A***** unwahre Tatsachen behauptet oder den Kläger herabgesetzt, sondern lediglich auf seine aufrecht bestehenden Schutzrechte hingewiesen; diesen Vorgang bei A***** in Gang zu setzen sei erlaubt. Der Beklagte könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass legitim A***** bekannt gegebene Schutzrechte dazu führen könnten, dass Produkte gesperrt werden; eine deratige Entscheidung treffe A***** und nicht der Beklagte. Jedenfalls sei die Mitteilung durch das Recht auf freie Meinungsäußerung bzw. als subjektives Werturteil des Beklagten zulässig. Das vom Kläger behauptete Schutzrecht an einem Holzwürfel sei am 16. 5. 2019 rechtskräftig für nichtig erklärt worden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Beklagte habe durch seine Meldung unter Bezugnahme auf seine GGM „ZirbenWürfel“ und „ZirbenKugel“ das Beschwerdemanagement von A***** in Gang gesetzt. Es sei nicht im Ermessen des Beklagten, sondern im Ermessen von A***** gelegen, wie hierauf reagiert werde. Im Übrigen liege eine rechtskräftige Nichtigerklärung durch das zuständige EUIPO bislang nicht vor, sodass sich der Beklagte sowohl hinsichtlich des Designs „ZirbenKugel“ als auch des „ZirbenWürfels“ auf aufrecht registrierte GGM berufen könne. Hinzu komme hinsichtlich des Designs der „ZirbenKugel“ die aufrechte einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien. Vor diesem Hintergrund liege es im Rahmen des Möglichen, dass der Kläger mit seinen Produkten Rechte des Beklagten verletze, sodass sich der Beklagte mit seiner Meldung an A***** innerhalb der Grenzen der Wahrnehmung berechtigter Interessen bewege.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung im beantragten Umfang und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der einzelnen Unterlassungsbegehren jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Beklagte habe nicht bescheinigt, dass seine Behauptung, dass der Kläger mit den hier verfahrensgegenständlichen Produkten gegen die zugunsten des Beklagten bestehenden Schutzrechte verstoße, richtig sei. Er habe lediglich behauptet, seine Schutzrechte seien mit den Produkten des Klägers vergleichbar. Dies sei für die Begründung eines Eingriffs in ein Schutzrecht nicht ausreichend. Die Behauptungen des Beklagten gegenüber A***** seien geeignet, den Betrieb des Klägers zu schädigen. Damit sei der Grundtatbestand des § 7 Abs 1 UWG erfüllt.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den Sicherungsantrag abzuweisen. Schutzrechtsverwarnungen enthielten im Allgemeinen die Behauptung, Inhaber eines bestimmten Schutzrechts zu sein, verbunden mit der Aufforderung, ein bestimmtes, dieses Schutzrecht angeblich beeinträchtigendes Verhalten zu unterlassen. Eine bloße Berechtigungsanfrage (ohne Unterlassungsaufforderung), welche – wie hier – nur dazu diene, einen Meinungsaustausch über die Rechtewahrnehmung einzuleiten, sei noch keine Schutzrechtsverwarnung. Im Übrigen habe der Beklagte die Schutzrechtsverletzung des Klägers durch die bezughabenden Gerichtsentscheidungen bescheinigt.

Der Revisionsrekurs ist nicht jedenfalls unzulässig, weil die Ansprüche aufgrund tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhangs zusammenzurechnen sind, zumal die beanstandeten Behauptungen des Beklagten in Bezug auf die Produkte des Klägers mittels einheitlicher Erklärung erfolgten. Der Sachverhalt ist daher als Einheit aufzufassen (vgl 4 Ob 96/19z mwN). Zur Klärung der Rechtslage ist der Revisionsrekurs zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Wird ein Dritter auf eine Störung eines Mitbewerbers hingewiesen, liegt eine sog „Abnehmerverwarnung“ vor. Diese wird so bezeichnet, weil sie sich idR an tatsächliche oder potenzielle Abnehmer wendet. In diesem Fall kommt als lauterkeitsrechtliche Anspruchsgrundlage § 7 UWG in Betracht, denn diese Norm soll Mitbewerber davor schützen, gegenüber Dritten in unzutreffender Weise schlecht gemacht zu werden. Allerdings gibt es keinen Grund, § 7 UWG auf Äußerungen gegenüber Personen zu beschränken, die eine (angeblich) in Schutzrechte eingreifende Ware im engeren Sinn „abnehmen“. Vielmehr erfasst diese Bestimmung jede (unwahre) Tatsachenbehauptung über geschäftliche Verhältnisse, die im konkreten Fall zu einem Schaden für den Kredit oder den Betrieb des davon Betroffenen führen kann (Handig in Wiebe/Kodek, UWG2 § 7 Rz 143 mwN).

1.2. Nach dem bescheinigten Sachverhalt teilte der Beklagte A***** mit, dass die Produkte des Klägers näher beschriebene Schutzrechte des Beklagten verletzten. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße „Berechtigungsanfrage“, sondern um die Behauptung einer Rechtsverletzung. Es ist daher zu prüfen, ob diese Behauptung als Tatsachenbehauptung iSv § 7 UWG zu qualifizieren ist, und falls dies zutrifft, ob sie wahr ist.

2.1. Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (RS0031883). Auch nach § 7 UWG zu beurteilende Mitteilungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden, nicht aber so, wie sie gemeint waren oder verstanden werden sollten (RS0079648 [T3,T7, T10]).

2.2. Nach der weitaus überwiegenden Rechtsprechung ist der Begriff der Tatsachenbehauptung weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilung („konkludente Tatsachenbehauptung“; RS0031810). Eine konkludente Tatsachenbehauptung liegt demnach immer dann vor, wenn der Äußerung entnommen werden kann, dass sie von bestimmten Tatsachen ausgeht, ihr Inhalt demnach objektiv auf seine Richtigkeit überprüft werden kann (RS0031810 [T2]). Im Anschluss an Zöchbauer (MR 2002, 152) wurde allerdings auch vereinzelt überlegt, diese weite Auslegung im Lichte der Judikatur des EGMR neu zu überdenken und den Begriff der Tatsachenbehauptung enger, den Begriff der Meinung hingegen weiter zu verstehen (6 Ob 265/03v = RS0031810[T4]).

2.3. Für Rechtsfolgenbehauptungen - wie die hier vom Beklagten aufgestellte Behauptung eines Eingriffs in ein Schutzrecht - gilt in dieser Allgemeinheit nicht, dass es sich dabei jedenfalls um Tatsachenbehauptungen handelt: Je nach der Lage des Einzelfalls können Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch reine Werturteile sein (RS0112210). Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher wird ein reines Werturteil vorliegen (RS0112211).

Ob zum Beispiel ein Verhalten in einem Vergabeverfahren wettbewerbswidrig ist oder eine Kontaktaufnahme auf Erlangung wettbewerbswidriger Vorteile gerichtet ist, kann nicht einfach aus dem Gesetz abgeleitet werden; eine Aussage darüber beruht daher auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung und gibt eine subjektive Überzeugung wieder, die nicht wahr oder unwahr sein kann (RS0112211 [T5]). Die Äußerung eines Arztes, eine bestimmte Klausel in einer von der Ärztekammer verfassten Mustervereinbarung sei „standeswidrig“, ist ein persönlicher Wertungsakt, da die Frage der Standeswidrigkeit hier nicht einfach und zweifelsfrei aus dem Gesetz abgeleitet werden kann (RS0112211 [T8]).

2.4. Die Behauptung, ein Mitbewerber verletze Immaterialgüterrechte, wurde von der Rechtsprechung wiederholt von vornherein als Tatsachenbehauptung gewertet (4 Ob 3/92, 4 Ob 72/99p, 4 Ob 249/06f). Dies steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur zuvor wiedergegebenen Judikatur zu Rechtsfolgenbehauptungen, weil danach die Einordnung als Tatsachenbehauptung oder Werturteil differenzierter vorgenommen wird.

2.5. In der deutschen Literatur wird zur Frage, ob eine Schutzrechtsverwarnung im Kern stets eine Tatsachenbehauptung enthält, vertreten, dass eine unrichtige Tatsachenbehauptung stets dann vorliegt, wenn der Sachverhalt unrichtig dargestellt ist (zB das Patent nicht oder für einen anderen eingetragen oder abgelaufen ist). Ist aber der Sachverhalt richtig wiedergegeben und lediglich die rechtliche Bewertung (über das Vorliegen einer Schutzrechtsverletzung), also die Subsumtion, unzutreffend, liegt ein bloßes Werturteil vor (Köhler in Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG38 Rz 4.178).

3.1. Die gegenständliche Behauptung des Beklagten, der Kläger verletze Musterrechte des Beklagten, hat insofern einen objektiv überprüfbaren Tatsachenkern, als er die implizite Behauptung umfasst, selbst im Besitz der fraglichen Schutzrechte zu sein. Die Wahrheit dieser Aussage ist nicht strittig. Das Rekursgericht führt auch zutreffend aus, dass sich der Beklagte auf seine Schutzrechte berufen darf, weil sein GGM noch nicht rechtskräftig gelöscht ist.

3.2. Darüber hinaus ist auch die ebenfalls implizite Behauptung, der Kläger vertreibe verwechselbar ähnliche Produkte, bis zu einem gewissen Grad einer objektiven Prüfung zugänglich: Überprüfbar ist, ob die Produkte des Klägers den Geschmacksmustern des Beklagten zumindest nicht offenkundig unähnlich sind. Diesen Umstand hat der Beklagte bescheinigt, sodass von einer unwahren Behauptung nicht die Rede sein kann. Dass die Produkte des Klägers dem GGM des Beklagten nicht offenkundig unähnlich sind, ergibt sich aus dem bescheinigten Sachverhalt und ist auch vom Vorbringen des Beklagten gedeckt, seine Schutzrechte seien mit den Produktangeboten des Klägers vergleichbar; darin kommt zum Ausdruck, dass eben Ähnlichkeit gegeben ist, weil mit „vergleichbar“ in der Äußerung des Beklagten offenkundig „ähnlich“ gemeint ist. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung des Vorbringens des Beklagten, das auch eine aufrechte einstweilige Verfügung gegen den Kläger in einem Parallelverfahren aufgrund desselben Schutzrechts und derselben Produkte des Klägers ins Treffen führt. Den Ausführungen des Rekursgerichts, der Beklagte habe gar nicht vorgebracht, seine Behauptung sei wahr, er habe den Wahrheitsbeweis nicht angetreten, ist vor dem dargestellten Hintergrund nicht beizutreten.

3.3. Die Behauptung des Beklagten, die Produkte des Klägers seien verwechslungsfähig, ist insofern als Werturteil zu qualifizieren, als es sich dabei um eine rechtliche Schlussfolgerung handelt, vergleichbar einer Rechtsfolgenbehauptung, die nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht.

3.4 Ein Werturteil, also eine Äußerung, die sich als Ausdruck der subjektiven Meinung darstellt, begründet keinen Anspruch nach § 7 UWG. Dennoch dürfen auch Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden, insbesondere dürfen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten und kein massiver Wertungsexzess geübt werden, sonst wird der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG erfüllt. Die Grenze zu einem massiven Wertungsexzess ist jedoch hoch anzusetzen: So wurde etwa weder die Wertung des Verlangens eines um mehr als die Hälfte überhöhten Anwaltshonorars als „Standesvergehen des höchsten Ranges“ (4 Ob 55/00t), noch die Bezeichnung der Überwachungsmethoden eines Arbeitgebers durch Berufsdetektive als „Stasi-Methoden“ (6 Ob 55/00d) als massiver Wertungsexzess angesehen (Handig in Wiebe/Kodek, UWG2 § 7 Rz 60 mwN).

3.5. Von einem Wertungsexzess und somit einem Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG kann auch hier nicht die Rede sein, findet doch die Behauptung des Eingriffs in Musterrechte des Beklagten in (wenn auch nicht rechtskräftigen) Gerichtsentscheidungen ihre Stütze.

Ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht (§ 7 oder § 1 Abs 1 Z 1 UWG) liegt daher nicht vor. Der Sicherungsantrag ist somit abzuweisen. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und der angefochtene Beschluss dahin abzuändern, dass die antragsabweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Zirbenwürfel II,

Textnummer

E127910

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00211.19M.0221.000

Im RIS seit

07.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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