Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei D***** E*****, vertreten durch Beck & Dornhöfer & Partner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen 5.515 EUR sA, über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei (Interesse 3.849,97 EUR) gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 28. Juni 2019, GZ 13 R 58/19f-37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Eisenstadt vom 11. Februar 2019, GZ 2 C 1046/17x-31, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision und dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Entscheidungen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wieder hergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.414,32 EUR (darin 235,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger kaufte vom Beklagten am 21. 9. 2017 einen Transporter VW T5 mit einem Kilometerstand von 304.000 zum Kaufpreis von 6.400 EUR. Beide Streitteile sind keine Unternehmer.
Im schriftlichen Kaufvertrag wurde festgehalten „Das Fahrzeug wurde besichtigt und probe gefahren. Der Zustand des Fahrzeuges ist mir bekannt, und wird hiermit akzeptiert. Für das Fahrzeug wird vom Verkäufer keine weitere Garantie oder Gewährleistung übernommen. Beide Teile verzichten auf die Anfechtung dieses Vertrages, aus welchem Titel immer.“
Vor Kaufabschluss besichtigte der Kläger das Fahrzeug, führte aber keine Probefahrt durch. Der Beklagte teilte ihm mit, dass das Motorlager kaputt sei und die Servopumpe einen Defekt aufweise. Der Turbolader sei nach der Angabe des Vorbesitzers einmal gewechselt worden, er wisse aber nicht, ob das stimme. Der Beklagte gab dem Kläger auch das Originalfahrwerk und zwei Reifensätze mit.
Zwei Wochen nach Übergabe traten eine defekte Zylinderkopfdichtung und ein Turboschaden zu Tage. Für die Reparatur bezahlte der Kläger 2.670 EUR. Eine Woche danach erlitt das Fahrzeug einen Getriebeschaden. Für dessen Behebung musste der Kläger 2.845 EUR bezahlen, davon entfielen 1.779,97 EUR auf das Getriebe, der Restbetrag auf den Austausch von diversen Verschleißteilen.
Bei einem Getriebeschaden handelt es sich um einen Mangel, mit dem man bei einem Fahrzeug mit diesem Alter und Kilometerstand rechnen muss. Er entwickelt sich über einen längeren Zeitraum und war hier bereits beim Kaufvertragsabschluss latent vorhanden. Die Betriebssicherheit war deswegen bei Kaufabschluss nicht mehr gegeben.
Der Kläger brachte vor, der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss habe sich nicht auf die Fahr- und Betriebssicherheit sowie auf die „Pickerltauglichkeit“ des Fahrzeugs erstreckt, und begehrte die in Ersatzvornahme aufgewendeten Reparaturkosten von insgesamt 5.515 EUR.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen Privatleuten könne die Gewährleistung ausgeschlossen werden, ausgenommen seien nur arglistig verschwiegene und ausdrücklich oder schlüssig zugesagte Eigenschaften. Mit dem Alter eines Gebrauchtfahrzeugs entsprechenden Verschleißerscheinungen müsse grundsätzlich gerechnet werden, sie gehörten zu dessen gewöhnlicher Beschaffenheit.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge.
Es sprach ihm 1.779,97 EUR samt Zinsen unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 1.065,03 EUR zu. Im Umfang des weiteren Klagsbetrags von 2.670 EUR wies es die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Auch beim Gebrauchtwagenkauf seien die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit mangels anderer Vereinbarung schlüssig zugesicherte Eigenschaften, die von einem Gewährleistungsverzicht nicht umfasst würden.
Die auf die Reparatur des Getriebeschadens entfallenden Kosten habe der Beklagte daher zu ersetzen. Zur Klärung, ob auch der Turboladerschaden die Verkehrssicherheit beeinträchtigt hatte, sei eine teilweise Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung erforderlich. Das die Reparatur von Verschleißteilen betreffende Klagebegehren sei nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht erklärte die Revision und den Rekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Erstreckung eines vereinbarten Gewährleistungsverzichts auf die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Mängel bisher nur für den Kauf vom gewerblichen Händler vorliege.
Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei streben die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an. Der Kläger hat eine Rechtsmittelbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision und der Rekurs sind zulässig und auch berechtigt.
1. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, die vom Berufungsgericht für seinen Standpunkt zitierte Rechtsprechung sei für den vorliegenden Fall eines privaten Fahrzeugverkaufs nicht einschlägig. Es treffe nicht zu, dass auch bei Geschäften dieser Art eine Fahrbereitschaft als schlüssig zugesichert gelte.
2. Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen (RS0018561). Nach gesicherter Rechtsprechung erstreckt sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht grundsätzlich auch auf geheime und solche Mängel, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen (RS0018564; RS0021116), aber nicht auch auf arglistig verschwiegene Mängel und auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften (RS0018523; RS0018555; RS0126093; Reischauer in Rummel³ § 929 Rz 51, 64; Binder/Ofner in Schwimann, ABGB³ § 929 Rz 14; P. Bydlinski in KBB³ § 929 Rz 6).
Diese Grundsätze gelten auch bei Geschäften zwischen Nichtunternehmern (vgl 9 Ob 50/10h; 9 Ob 3/09w).
3. Beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs müssen Mangelerscheinungen innerhalb eines gewissen Rahmens hingenommen werden, die dem Verschleiß und der Abnützung durch das Alter und die gefahrenen Kilometer entsprechen (RS0018466; 8 Ob 19/12w).
Im Allgemeinen gelten auch beim Gebrauchtwagenkauf die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit als zumindest schlüssig vereinbart (8 Ob 19/12w; 4 Ob 11/13s; RS0016189, RS0018502, RS0110191).
Diese in der Rechtsprechung aufgestellte Vermutung bezieht sich allerdings auf gewerbliche Kraftfahrzeughändler, was für den Beklagten nicht gilt (4 Ob 105/18x).
4. Im vorliegenden Fall kommt es vielmehr auf die Auslegung der konkreten Vereinbarung unter den festgestellten Umständen an. Ob eine Eigenschaft danach als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0018547 [T6]).
Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen (9 Ob 50/10h). Wird einem Käufer offen gelegt, dass bestimmte mögliche Negativeigenschaften des Kaufobjekts zu Tage treten könnten, dass er also diesbezüglich mit dem Abweichen von der ansonsten geschuldeten Qualität der Leistung rechnen muss, dann wird bei einer solchen Leistungsbeschreibung von vornherein nur die mindere Qualität Vertragsinhalt (vgl 2 Ob 176/10m; RS0127173).
5. Die hier vom Beklagten nach den Feststellungen ausdrücklich zugesagte und geschuldete Leistung bestand in der Lieferung eines (unstrittig) 2007 erstzugelassenen Nutzfahrzeugs mit einem Kilometerstand von 304.000, einem kaputten Motorlager und einer defekten Servopumpe.
Allein bei diesen beiden genannten Defekten handelt es sich aber um schwere Mängel gemäß Prüfnummern 2.1.5. und 6.1.8. der Anlage 6 zu § 10 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) BGBl II 78/1998. Das Fahrzeug war daher schon aufgrund seines ausdrücklich vereinbarten Zustands zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht verkehrs- und betriebssicher (§ 10 Abs 3 PBStV).
Die lediglich auf Rechtssätze zum Gewährleistungsumfang gewerblicher Fahrzeughändler gestützte Prämisse des Berufungsgerichts, der Beklagte hätte die Eigenschaft der Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs schlüssig zugesagt, findet im festgestellten Sachverhalt keine Deckung.
6. Der bei Übergabe des Fahrzeugs latent vorhandene und nach rund 3000 km Fahrt zutage getretene Getriebedefekt war nach den Feststellungen ein Mangel, mit dem bei Fahrzeugen dieses Alters und mit dieser Kilometerleistung zu rechnen ist. Es handelt sich dabei, so wie bei den übrigen nach dem Verkauf aufgetretenen Defekten, um eine Verschleißerscheinung, die mangels dem Beklagten vorwerfbarer Arglist und mangels gegenteiliger Zusage vom vereinbarten Gewährleistungsverzicht umfasst war.
Der Revision und dem Rekurs war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat die Revision und den Rekurs in demselben Schriftsatz erstattet. Es ist daher nur ein Schriftsatz zu honorieren, wobei als Bemessungsgrundlage der in dritter Instanz noch maßgebliche Streitwert von 3.849,97 EUR heranzuziehen ist (vgl RS0035774 [T5]). Im Revisionsverfahren wurde keine Pauschalgebühr verzeichnet.
Textnummer
E127913European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00111.19K.0227.000Im RIS seit
07.05.2020Zuletzt aktualisiert am
28.04.2021