TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/29 G313 1266085-2

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Veröffentlicht am 29.10.2019
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Entscheidungsdatum

29.10.2019

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52

Spruch

G313 1266085-2/36E

Schriftliche Ausfertigung des am 25.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch RA Mag. Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2015, Zl. XXXX, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 18.09.2019 und 25.09.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen und der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) wurde der Antrag des BF vom 12.05.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen, und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Kosovo gemäß § 46 FPG zulässig ist. Zudem wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 28.09.2015 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.08.2016 wurde die Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid des BFA als unbegründet abgewiesen.

5. Gegen diese Entscheidung wurde außerordentliche Revision erhoben.

6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.02.2019, Ra 2016/22/0015-14, wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

7. Am 18.09.2019 und 25.09.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, jeweils eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo.

1.2. Er hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen. Seine Familie lebt im Kosovo.

1.3. Der BF reiste am 11.03.2005 in das Bundesgebiet ein, wo er sich seither ohne Unterbrechung aufhält.

1.4. Der BF stellte am 11.03.2005 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, über den letztlich mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 02.04.2008, Zl. 266.085/0/4E-XI/38/05, negativ entschieden wurde.

Der BF wurde im März 2008 wegen bestimmter strafbarer Handlungen zu einer teilweise unbedingten und teilwiese bedingten Freiheitsstrafe strafrechtlich verurteilt.

Daraufhin wurde gegen den BF mit Bescheid der BPD Wien vom 19.04.2008, Zl. III-1249021/FrB/08, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid der SID Wien vom 26.05.2008, Zl. E1/206.762/2008, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen wurde.

Die gegen den Bescheid der SID eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.03.2012, Zl. 2011/23/0280-6, als unbegründet abgewiesen.

Das gegen den BF erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot war in weiterer Folge aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 19.09.2013, C-297/12, wonach alle vor dem 01.07.2011 in Rechtskraft erwachsenen Aufenthaltsverbote (und Einreiseverbote), die für eine Dauer von mehr als fünf Jahren oder unbefristet ausgesprochen wurden, nur für die Dauer von fünf Jahren ab Durchsetzbarkeit gelten sollten, nicht mehr gültig und daher zu löschen.

1.5. Am 12.05.2015 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG. Mit im Spruch angeführtem Bescheid des BFA wurde dieser Antrag abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Kosovo zulässig ist.

1.6. Der BF hat in Österreich viele Freundschaften geschlossen, seit zwei Jahren auch eine Freundin, mit der er regelmäßig Zeit verbringt, und zahlreiche Integrationsschritte gesetzt, konnte sich einige Deutschkenntnisse aneignen - die erkennende Richterin merkte etwa in der mündlichen Verhandlung am 18.09.2019 an, dass der BF Deutsch spricht und sämtliche an ihn gerichtete Fragen versteht, hat im Mai 2015 ein ÖSD Zertifikat B2 erworben, zuletzt von 01.03.2016 bis 28.06.2016 einen Deutschkurs C1 besucht, geht seit Oktober 2015 fortlaufend einer ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Pflege- und Sozialzentrum nach, hat von September 2016 bis Jänner 2017 einen Einführungskurs in Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung und von Februar 2017 bis April 2018 einen Einführungskurs "Demenzbegleitung" absolviert.

Der BF ist in Österreich einen Tag im Dezember 2005 und von Mitte Mai 2008 bis Ende Juli 2009, ansonsten jedoch keiner legalen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mehr nachgegangen. Er ist nunmehr im Besitz eines "Arbeitsvorvertrages" vom 19.09.2019 und hat nachweislich beim zuständigen Krankenversicherungsträger einen Antrag auf Krankenversicherung gestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt und dem Ermittlungsergebnis vor dem BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung:

3.2.1. Der mit "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" betitelte § 10 Abs. 3 AsylG lautet wie folgt:

"§ 10. (...)

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1)

(...)

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(...)."

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(...)."

3.2.2. Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.08.2016 wurde im Wesentlichen der Antrag des BF vom 12.05.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, und festgestellt, dass die Abschiebung des BF zulässig ist.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 18.02.2019, Zl. Ra 2016/22/0115-14, wurde dieses Erkenntnis des BVwG vom 25.08.2016 wegen "Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensvorschriften" behoben.

Der VwGH hielt unter anderem fest:

"Sollte im fortgesetzten Verfahren der beantragte Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 1 AsylG nicht zu erteilen sein, wäre (auch) eine - nach der Aktenlage bislang nicht erfolgte - Entscheidung über den Eventualantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 durch die belangte Behörde herbeizuführen (vgl. dazu VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0086)."

Im gegenständlichen Fall hält sich der BF seit März 2005, somit mehr als 14 Jahre lang, ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Das gegen den BF 2008 unbefristet verhängte Aufenthaltsverbot ist mit EuGH-Entscheidung vom 19.09.2013, C-297/12, weggefallen.

Am 12.05.2015 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Fest steht, dass der BF sich während seines Aufenthalts im Bundesgebiet außergewöhnlich gut integrieren konnte, sowohl sozial, hat er doch zahlreiche Freundschaften geschlossen und seit zwei Jahren eine Freundin, mit welcher er regelmäßig Zeit verbringt, als auch durch weitere Integrationsschritte wie seiner ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit in einem Pflege- und Sozialzentrum seit Oktober 2015 und seinen Weiterbildungsmaßnahmen, hat der BF doch von September 2016 bis Jänner 2017 einen Einführungskurs in Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung und von Februar bis Juni 2017 einen Einführungskurs "Demenzbegleitung" absolviert, als auch in sprachlicher Hinsicht, nicht nur in Zusammenhang mit seiner sozialen Integration in Österreich, sondern auch über den Besuch von Deutschkursen, konnte der BF doch im Mai 2015 ein ÖSD Zertifikat B2 erwerben.

Der BF möchte, sobald es ihm möglich ist, einer Arbeit nachgehen, und hat aktuell einen "Arbeitsvorvertrag" bzw. "Einstellungszusage" einer Firma von September 2019. Er ist auch krankenversichert, hat er doch nachweislich im September 2019 beim zuständigen Krankenversicherungsträger einen Antrag auf Krankenversicherung gestellt.

In Gesamtbetrachtung aller Umstände, der langen seit Einreise und Asylantragstellung im März 2005 14-jährigen Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet, seiner ausgezeichneten sozialen und sprachlichen Integration und seines nachweislich besonderen Engagements im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in Zusammenhang mit alten Menschen, ist im gegenständlichen Fall von die öffentlichen Interessen überwiegenden privaten Interessen des BF auszugehen.

Mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelter § 55 AsylG lautet wie folgt:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 9 und 11 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2019, lauten wie folgt:

"Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) (...)

(...)

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

(...) oder

(...)."

"Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(...)."

Mit dem Erwerb des ÖSD Zertifikats B2 im Mai 2016 hat der BF das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nach § 9 Abs. 4 Z. 1 iVm § 11 Abs. 2 Integrationsgesetz idgF erfüllt.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG sind somit erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G313.1266085.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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