Entscheidungsdatum
20.11.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
I414 2224250-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2019, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2019, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und IV. als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (kurz BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 04.09.2006 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, dass er XXXX heiße, am XXXX geboren und Staatsangehöriger von Sudan zu sein.
Am 23.01.2007 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des gewerbsmäßigen Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt.
Am 15.02.2007 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt.
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.03.2007, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Asylantrag des BF wurde am 25.05.2007, verbunden mit einer Ausweisung, rechtskräftig negativ entschieden.
Am 11.09.2008 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 achter Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 01.04.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.
Am 27.01.2010 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen Sachbeschädigung, gefährlicher Drohung, Betrug, Nötigung und unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 125, 107 Abs 1, 146, 105 Abs 1StGB und § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 17.10.2011, Zl. XXXX, wurde aufgrund einer Änderung des Fremdenpolizeigesetztes (FPG) das unbefristete Rückkehrverbot auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren abgeändert.
Am 10.01.2012 wurde zwecks Sicherung der Abschiebung des BF die Schubhaft verhängt. In der Folge wurde der BF am 19.01.2012 aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.
Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates XXXX vom 08.05.2012, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft als unbegründet abgewiesen.
Am 25.09.2013 heiratete der BF eine österreichische Staatsangehörige in Piacenza/Italien.
Bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 15.05.2014 in Wien gab der BF erstmals an, dass er XXXX heiße und Staatsangehöriger von Nigeria sei. Den Sicherheitsbeamten wurde anschließend ein spanischer Aufenthaltstitel sowie der nigerianische Reisepass des BF vorgelegt.
Am 19.12.2014 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG und § 15 StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs 2 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.
Am 04.01.2016 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten rechtskräftig verurteilt.
Am 28.01.2016 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde oder kurz BFA bezeichnet) niederschriftlich einvernommen.
Im November 2016 reiste der BF nach Nigeria, um seine Mutter zu besuchen. In der Folge reiste er erneut im Februar 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.
Am 27.08.2018 wurde der BF vom Landesgericht XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 15 StGB, 27 Abs 2a zweiter Fall und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten rechtskräftig verurteilt.
Mit Schreiben des BFA vom 05.11.2018 wurde der BF von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot verständigt.
Mit Stellungnahme vom 12.11.2018 teilte der BF mit, dass er mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bei ihr wohnen könne. Er dürfe in Österreich nicht arbeiten, seine Ehefrau sei erwerbstätig und sorge für die Familie. Bis zu seiner Inhaftierung habe er bei seiner Frau gelebt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.09.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und gleichzeitig gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Zuletzt wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
Die dagegen erhobene, rechtzeitige Beschwerde vom 27.09.2019 wurde mit Mangelhaftigkeit des Verfahrens infolge unrichtiger Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung begründet.
Mit Schriftsatz vom 03.10.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 14.10.2019, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.10.2019, Zl. 2224250-1/3Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.11.2019 in Anwesenheit des BF und seiner Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei wurde der BF über seine familiären und privaten Verhältnisse im Bundesgebiet sowie in ihrem Herkunftsstaat einvernommen. Die Ehefrau des BF wurde als Zeugin einvernommen. Im Rahmen der Verhandlung wurden nachfolgende Unterlagen vorgelegt:
-
ÖSD Zertifikat A1 Prüfung 02.12.2015
-
Bestätigungsschreiben Verein "Neustart" vom 28.10.2019
-
Betreuungsbestätigung der Drogenberatung XXXX vom 08.10.2019 und vom 05.11.2019.
-
Schreiben des Landesgerichtes XXXX zu Zl. XXXX vom 17.09.2019
-
Fotos, die den BF mit seiner Ehefrau und den in die Ehe eingebrachten Kindern zeigen
-
Unterstützungserklärung der Großmutter des BF vom 12.11.2019
-
Brief seiner Ehefrau vom 25.11.2015
-
Einzahlungsbestätigung vom 13.11.2019
-
Auszug aus dem Heiratseintrag vom 31.01.2014;
Am Schluss der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG vom erkennenden Richter für geschlossen erklärt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF ist Staatsangehörige von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Der BF ist volljährig, gesund, arbeitsfähig und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht fest.
Der BF hat in Nigeria 6 Jahre die Primary School und in der Folge 6 Jahre die Secundary School absolviert. Er hat in Nigeria keinen Beruf erlernt, aber als Rezeptionist bei einem Zahnarzt gearbeitet.
Der BF reiste unter Angaben einer Aliasidentität spätestens am 04.09.2006 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.03.2007, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Asylantrag des BF wurde am 25.05.2007, verbunden mit einer Ausweisung, rechtskräftig negativ entschieden.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 01.04.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 17.10.2011, Zl. XXXX, wurde aufgrund einer Änderung des Fremdenpolizeigesetztes (FPG) das unbefristete Rückkehrverbot auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren abgeändert.
Am 10.01.2012 wurde zwecks Sicherung der Abschiebung des BF die Schubhaft verhängt. In der Folge wurde der BF am 19.01.2012 aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes wegen eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen.
Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates XXXX vom 08.05.2012, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft als unbegründet abgewiesen.
Am 25.09.2013 heiratete der BF eine österreichische Staatsangehörige in Piacenza/Italien. In die Ehe wurden zwei Kinder eingebracht. Die Kinder stammen aus vorhergehenden Beziehungen seiner Ehefrau. Die Väter der Kinder sind beide Staatsangehörige von Gambia.
Bei einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 15.05.2014 in Wien gab der BF erstmals an, dass er XXXX heiße und Staatsangehöriger von Nigeria sei. Den Sicherheitsbeamten wurde anschließend ein spanischer Aufenthaltstitel sowie der nigerianische Reisepass des BF vorgelegt.
Im November 2016 reiste der BF nach Nigeria um seine Mutter zu besuchen. In der Folge reiste er erneut im Februar 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.
Der BF war zuletzt in der Zeit vom 03.12.2017 bis zum 06.09.2019 in Strafhaft. In der Folge wurde der BF aus der Strafhaft entlassen.
Die BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Er geht bzw. ging keiner Beschäftigung nach und wird von seinen Geschwistern, welche in Kanada und in den Vereinigten Staaten leben, sowie von seiner Ehefrau unterstützt.
Der BF wurde mehrfach strafgerichtlich verurteilt. Im Strafregister der Republik Österreich scheinen nachfolgende Verurteilungen auf:
01) LG XXXX vom 19.12.2014 RK 19.12.2014
§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB
§§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG
Datum der (letzten) Tat 20.10.2014
Freiheitsstrafe 15 Monate
zu LG XXXX RK 19.12.2014
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre
LG XXXXvom 21.11.2016
zu LG XXXX RK 19.12.2014
Bedingte Nachsicht wird widerrufen
LG XXXX vom 27.08.2018
02) LG XXXX vom 04.01.2016 RK 19.05.2016
§ 27 (1) Z 1 8. Fall SMG
Datum der (letzten) Tat 26.09.2015
Freiheitsstrafe 8 Monate
zu LG XXXX RK 19.05.2016
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre
LG XXXX vom 28.11.2016
zu LG XXXXRK 19.05.2016
Bedingte Nachsicht wird widerrufen
LG XXXX vom 27.08.2018
zu LG XXXX RK 19.05.2016
zu LG XXXX RK 19.12.2014
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 08.09.2019, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG XXXX vom 08.07.2019
zu LG XXXX RK 19.05.2016
zu LG XXXX RK 19.12.2014
Zuständigkeit gemäß § 179 Abs. 1 STVG übernommen
LG XXXX vom 27.09.2019
03) LG XXXX vom 27.08.2018 RK 27.08.2018
§ 27 (1) Z 1 8. Fall SMG
§ 15 StGB §§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG
Datum der (letzten) Tat 02.12.2017
Freiheitsstrafe 16 Monate
Vollzugsdatum 02.04.2019
1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Grundversorgung
Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).
Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).
Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).
Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
-
AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790, Zugriff 22.11.2018
-
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Nigeria - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 11.4.2019
-
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
Medizinische Versorgung
Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden (GIZ 4.2019b). Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 4.2019b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 12.4.2019). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor (AA 10.12.2018).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 10.12.2018). Krankenhäuser sind bezüglich Ausstattung, Qualifikation des Personals und Hygiene nur in städtischen Zentren vereinzelt mit europäischem Standard vergleichbar. In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2018).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 10.12.2018).
Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2018). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 2.2019). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 109 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die Prozentsätze der Unterernährung (Global Acute Malnutrition) liegen in den nördlichen Staaten konstant über der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen mehr als 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2018).
Psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen werden in der großen Mehrheit der Bevölkerung immer noch als spiritueller Natur entspringend angesehen. Dementsprechend werden die entsprechenden Patienten besonders im ländlichen Bereich spirituellen Heilern zugeführt. Betreut werden sie in der Regel in der Familie, wenn vorhanden. Viele psychisch Kranke leben auf der Straße, in abgelegenen Regionen werden als gefährlich angesehene Personen in den Dörfern auch gelegentlich noch angekettet. Für die stationäre Unterbringung gibt es in ganz Nigeria acht staatliche psychiatrische Kliniken, die einen Langzeitbereich haben, außerdem sind zahlreiche psychisch Langzeitkranke in gesonderten Bereichen in Gefängnissen untergebracht. Im Wesentlichen findet dort eine reine Verwahrung unter ausgesprochen ärmlichen Bedingungen statt (WPA o.D.). Es existiert also kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 10.12.2018).
Insgesamt gibt es für die inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Laut anderen Angaben gibt es psychiatrische Abteilungen in 15 Universitätskliniken, acht staatlichen psychiatrischen Spitälern und sechs Allgemeinen Spitälern sowie 15 psychiatrischen Privatkrankenhäusern (WPA o.D.). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 10.12.2018).
Nigeria verfügt über 110 registrierte Psychiater (WPA o.D.); nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 10.12.2018). Nur weniger als sieben Millionen der 180 Millionen Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 4.2019b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 10.12.2018). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, sofern vorhanden (ÖB 10.2018). Eine basale Versorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019).
Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 10.12.2018). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 10.12.2018). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2018).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 10.12.2018). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2018).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 4.2019b). Gerade im ländlichen Bereich werden "herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2018).
Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden (GIZ 4.2019b). Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 4.2019b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 12.4.2019). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor (AA 10.12.2018).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 10.12.2018). Krankenhäuser sind bezüglich Ausstattung, Qualifikation des Personals und Hygiene nur in städtischen Zentren vereinzelt mit europäischem Standard vergleichbar. In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2018).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 10.12.2018).
Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2018). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 2.2019). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 109 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die Prozentsätze der Unterernährung (Global Acute Malnutrition) liegen in den nördlichen Staaten konstant über der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen mehr als 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2018).
Psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen werden in der großen Mehrheit der Bevölkerung immer noch als spiritueller Natur entspringend angesehen. Dementsprechend werden die entsprechenden Patienten besonders im ländlichen Bereich spirituellen Heilern zugeführt. Betreut werden sie in der Regel in der Familie, wenn vorhanden. Viele psychisch Kranke leben auf der Straße, in abgelegenen Regionen werden als gefährlich angesehene Personen in den Dörfern auch gelegentlich noch angekettet. Für die stationäre Unterbringung gibt es in ganz Nigeria acht staatliche psychiatrische Kliniken, die einen Langzeitbereich haben, außerdem sind zahlreiche psychisch Langzeitkranke in gesonderten Bereichen in Gefängnissen untergebracht. Im Wesentlichen findet dort eine reine Verwahrung unter ausgesprochen ärmlichen Bedingungen statt (WPA o.D.). Es existiert also kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 10.12.2018).
Insgesamt gibt es für die inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Laut anderen Angaben gibt es psychiatrische Abteilungen in 15 Universitätskliniken, acht staatlichen psychiatrischen Spitälern und sechs Allgemeinen Spitälern sowie 15 psychiatrischen Privatkrankenhäusern (WPA o.D.). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 10.12.2018).
Nigeria verfügt über 110 registrierte Psychiater (WPA o.D.); nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 10.12.2018). Nur weniger als sieben Millionen der 180 Millionen Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 4.2019b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 10.12.2018). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, sofern vorhanden (ÖB 10.2018). Eine basale Versorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019).
Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 10.12.2018). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 10.12.2018). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2018).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 10.12.2018). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2018).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 4.2019b). Gerade im ländlichen Bereich werden "herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
-
AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019
-
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019
-
Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians,
https://punchng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/, Zugriff 3.4.2019
-
VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (23.1.2019): medizinische Stellungnahme