TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 I417 2147499-2

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §58 Abs13
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I417 2147499-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Zanier als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Ghana, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Alexander Fuchs, 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2019, Zl. 1017625902 - 190354823, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.06.2017, Zl. W184 2147499-1/6E rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde. Mit diesem Erkenntnis wurde überdies eine gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ghana bestätigt.

2. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und brachte am 08.04.2019 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ("Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK") beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) ein.

3. Am 25.06.2019 wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner verfahrensgegenständlichen Antragstellung niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Zu den Gründen seiner Antragstellung gab er insbesondere an, in Österreich mit seiner Lebensgefährtin zwei minderjährige Töchter zu haben. Zudem spreche er Deutsch auf A2-Niveau, betätige sich ehrenamtlich in einem Seniorenheim sowie als Verkäufer einer Straßenzeitung und habe zudem einen Arbeitsvorvertrag mit einem Geschäft abgeschlossen.

4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27.08.2019, Zl. 1017625902 - 190354823 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 08.04.2019 "gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" zurückgewiesen.

5. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 24.09.2019 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich seit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.06.2017, Zl. W184 2147499-1/6E, mit welchem gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, sehr wohl ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliege.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde am 08.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 09.10.2019) vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ghana, gesund und erwerbsfähig, Angehöriger der Volksgruppe der Brong-Ahafo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Er reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher rechtskräftig negativ entschieden wurde.

Der Beschwerdeführer führt in Österreich eine Beziehung mit der in Ghana geborenen, österreichischen Staatsangehörigen F.A., mit welcher er die beiden Töchter P.A. (geb. 14.06.2015) sowie A.A. (geb. 30.09.2016) hat (beide österreichische Staatsangehörige). Der Beschwerdeführer lebt seit dem 12.03.2018 nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit der Kindesmutter und seinen Töchtern, ist seinen Töchtern gegenüber nicht obsorgeberechtigt und leistet auch keinen Unterhalt. Zudem verfügt er nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte - insbesondere zwei weitere Kinder - in Ghana.

Der Beschwerdeführer ging in Österreich, abgesehen vom Verkauf einer Straßenzeitung, zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Er hat sich ehrenamtlich in einem Seniorenheim betätigt und einen Arbeitsvorvertrag mit einem Geschäft geschlossen.

Er hat diverse Bekanntschaften geschlossen und spricht Deutsch auf A2-Niveau. Zudem ist er Mitglied in einer Kirchengemeinde sowie eines afrikanisch geprägten Kulturvereines.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist trotz aufrechter rechtskräftiger Rückkehrentscheidung (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.06.2017, Zl. W184 2147499-1/6E) seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 09.06.2017 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Ergänzend wurde Einsicht genommen in den Gerichtsakt W184 2147499-1 hinsichtlich des vorangegangenen Asylverfahrens des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Konfession und Volksgruppenzugehörigkeit, seinen Familienverhältnissen in Ghana, seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellungen zu seinem vorangegangenen Asylverfahren ergeben sich aus dem entsprechenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin F.A. in Österreich zwei gemeinsame Töchter hat, ergibt sich aus den bereits in seinem Asylverfahren rechtskräftig getroffenen Feststellungen, seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie der in Vorlage gebrachten Geburtsurkunden der Töchter, wenngleich der Beschwerdeführer lediglich in der Geburtsurkunde der erstgeborenen Tochter P.A. als Vater aufscheint. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit F.A. und seinen Töchtern seit dem 12.03.2018 nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik Österreich vom 21.11.2019.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich, abgesehen von seiner Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäufer, zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 21.11.2019.

Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers auf A2-Niveau ergeben sich aus einem diesbezüglich in Vorlage gebrachten ÖSD-Zertifikat vom 27.04.2018.

Sein geschlossener Arbeitsvorvertrag mit einem Geschäft ergibt sich aus der Vorlage desselben, datiert mit 28.03.2019, wenngleich dem Schriftsatz nicht die in Aussicht stehende Tätigkeit entnommen werden kann.

Die ehrenamtliche Betätigung des Beschwerdeführers in einem Seniorenheim, seine Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäufer sowie seine Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinde sowie einem afrikanisch geprägten Kulturverein ergeben sich aus diesbezüglich in Vorlage gebrachten Bestätigungsschreiben.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich diverse Bekanntschaften geschlossen hat, ergibt sich aus einem Konvolut an vorgelegten Unterstützungsschreiben.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem entsprechenden Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruht darauf, dass dem Beschwerdeführer - abgesehen von dem vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Verfahrens über seinen letztlich unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz - im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen ist. Dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.06.2017, Zl. W184 2147499-1/6E; dieser Umstand blieb auch vom Beschwerdeführer unbestritten.

Im Beschwerdeschriftsatz wird vorgebracht, dass sich seit rechtskräftiger Erlassung der gegen den Beschwerdeführer gerichteten Rückkehrentscheidung ein maßgeblich geänderter Sachverhalt ergeben habe. Zu dieser Frage erscheint es angebracht, die Feststellungen, welche im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.06.2017, Zl. W184 2147499-1/6E zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich getroffen wurden, heranzuziehen:

"Die beschwerdeführende Partei führt seit dem 19.01.2015 eine Lebensgemeinschaft mit F.A., geb. XXX, einer gebürtigen Ghanaerin mit österreichischer Staatsbürgerschaft. In der von der Lebensgefährtin für monatlich EUR 664,- angemieteten Wohnung von 85 m² in Linz leben auch die zwei gemeinsamen Töchter der beiden, P.A., geb. 14.06.2015, und A.A., geb. 30.09.2016, sowie vier Kinder der Lebensgefährtin aus einer früheren Beziehung im Alter von elf, zehn, sieben bzw. fünf Jahren, alle sechs Kinder sind österreichische Staatsbürger. Die beschwerdeführende Partei hat keine Obsorge für die Kinder und zahlt keinen Unterhalt. Die beschwerdeführende Partei hat noch zwei weitere Kinder, die in Ghana bei ihrer Mutter leben.

...

Die Integration der beschwerdeführenden Partei in die österreichische Gesellschaft beschränkte sich bisher auf den Verkauf einer Obdachlosenzeitung. Der Besuch eines Deutschkurses oder Erwerb eines Sprachzertifikates wurde nicht einmal behauptet. Die beschwerdeführende Partei ist Mitglied einer Kirchengemeinschaft und eines Vereines. Die beschwerdeführende Partei ist mit seiner Lebensgefährtin in der Krankenversicherung mitversichert, bezieht keine Leistungen der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten."

Sowohl die Familienverhältnisse des Beschwerdeführers in Österreich hinsichtlich seiner beiden Töchter und der Kindesmutter - ungeachtet dessen, dass zwischenzeitlich auch kein gemeinsamer Wohnsitz mehr vorliegt - als auch seine Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde und dem afrikanischen Kulturverein sowie seine Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäufer waren bereits verfahrensgegenständlich in seinem Asylverfahren W184 2147499-1, in welchem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde, sodass diesbezüglich keine Sachverhaltsänderung vorliegt. Ergänzend führte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Antragsverfahren lediglich seine nunmehrigen Deutsch-Kenntnisse auf A2-Niveau sowie sein ehrenamtliches Engagement in einem Seniorenheim ins Treffen. Auch der seitens des Beschwerdeführers nunmehr vorgelegt Arbeitsvorvertrag verleiht seinen persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht, ungeachtet dessen, dass diesem ohnehin nicht einmal die konkret in Aussicht stehende Tätigkeit entnommen werden kann. Auch diesbezüglich liegt kein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor, zumal die ersten vier Wochen stets als Probezeit gelten und sich aus einem Arbeitsvorvertrag keinerlei Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten lässt (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2011, 2011/22/0065, mwN).

Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens zwar kleinere Schritte zur Integration gesetzt, etwa durch den Erwerb des A2-Deutsch-Zertifikates oder seine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Seniorenheim, doch ergibt sich dadurch, ebenso wenig wie durch das Schließen von Bekanntschaften oder eines Arbeitsvorvertrages, keine nachhaltige Verfestigung im Bundesgebiet. Letztlich werden die genannten Integrationsbemühungen dadurch relativiert, dass diese überhaupt erst durch die Missachtung der gegen den Beschwerdeführer ergangenen Rückkehrentscheidung erreicht werden konnten (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, Rn 24).

Weder der Antragsbegründung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG noch den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt zugesonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 55 sowie § 58 Abs. 10 und Abs. 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. Nr. 56/2018, lauten:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1.-dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.-der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. [...]

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten."

A) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK:

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (§ 44b Abs. 1 NAG idF BGBl. I Nr. 38/2011) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153;

23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083;

12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Aus diesem Grund ist auf den in der Beschwerde gestellten Antrag des Beschwerdeführers, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, "dass ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erteilt wird", nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 leg. cit. kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG stehen daher der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. § 16 Abs. 5 BFA-VG macht die Bestimmung des § 58 Abs. 13 AsylG auch für das Beschwerdeverfahren anwendbar und erklärt zudem: Eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag begründet kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Es ist daher gesetzlich normiert, dass eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegensteht.

Eine Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG ist dann als wesentlich anzusehen, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung als in der bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115). Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides müsste also zumindest möglich sein. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt demnach dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK erforderlich machen. Es wird in der Beschwerde allerdings unterlassen aufzuzeigen, inwieweit in den neu vorgebrachten Umständen eine wesentliche Sachverhaltsänderung erkannt werden könnte.

Die in der Beschwerde aufgezeigte, bloße Verlängerung des Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers um weitere zwei Jahre und fünf Monate kann nicht als wesentliche Änderung angesehen werden, da damit weder die nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung relevante "Zehn-Jahres-Grenze" erreicht wird noch dieser Aufenthalt rechtmäßig war.

Soweit im Vorbringen des Beschwerdeführers ein Element geltend gemacht wird, das als "Änderung" in Betracht kommt (im konkreten Fall fanden lediglich der nunmehr vorgelegte Arbeitsvorvertrag, ein Deutsch-Zertifikat für das Niveau A2 sowie Bescheinigungen über ein ehrenamtliches Engagement in einem Seniorenheim noch keine Würdigung im vorangegangenen Verfahren, in welchem eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen wurde), ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der Rückkehrentscheidung vergangene Zeit, den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass damit eine Sachverhaltsänderung vorläge, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; vgl. dazu auch, dass ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag und auch der Besuch eines Deutschkurses keine umfassende Neubeurteilung iSd Art. 8 EMRK nach sich ziehen [VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362; VwGH 29. 05.2013, 2011/22/0013], ebenso wenig wie vorgelegte Empfehlungsschreiben sowie eine ehrenamtliche Betätigung [VwGH 30.07.2017, 2013/22/0205, VwGH 11.11.2013, 2013/22/0250 und 2013/22/0217]). Hinsichtlich des nunmehr vorgelegten Arbeitsvorvertrages ist an dieser Stelle erneut darauf zu verweisen, dass dieser seinen persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht verleiht, ungeachtet des Umstandes, dass diesem nicht einmal die konkret in Aussicht stehende Tätigkeit für den Beschwerdeführer entnommen werden kann. Da die ersten vier Wochen stets als Probezeit gelten, lässt sich aus der Einstellungszusage auch keinesfalls eine Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2011, 2011/22/0065, mwN).

Im vorliegenden Beschwerdefall ist überdies in Betracht zu ziehen, dass der Beschwerdeführer seine nunmehr ergänzend dargelegten Schritte zur Integration durchwegs über einen Zeitraum gesetzt hat, in welchem ihm eine Ausreiseverpflichtung zukam; diese Schritte erfolgten insofern weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Sachlage wirkt auch das in der rechtskräftig getroffenen Rückkehrentscheidung festgestellte öffentliche Interesse mit zumindest gleichem Gewicht unverändert fort und steht dem fortgesetzten Ausleben der im Wesentlichen bereits bisher berücksichtigten Interessenslage des Beschwerdeführers auch weiterhin entsprechend entgegen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass "keine maßgebliche Sachverhaltsänderung stattgefunden hat".

Die Zurückweisung gemäß § 55 Abs. 10 AsylG des seitens des Beschwerdeführers gestellten Antrages erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abzuweisen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, entschiedene Sache,
geänderte Verhältnisse, Privat- und Familienleben, Prozesshindernis
der entschiedenen Sache, res iudicata, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I417.2147499.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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