TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 G308 2188815-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G308 2188821-1/17E

G308 2188830-1/14E

G308 2188815-1/13E

G308 2188826-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde 1.) des XXXX, geboren am XXXX, 2.) der XXXX, geboren am XXXX, 3.) des minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, sowie 4.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, alle Staatsangehörigkeit: Irak, die minderjährigen Beschwerdeführer (3. bis 4.) gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, alle vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Martin SAUSENG in 8010 Graz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 02.02.2018, Zahlen: zu 1.) XXXX, zu 2.) XXXX, zu 3.) XXXX, sowie zu 4.) XXXX, betreffend die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.07.2019, zu Recht:

A) I. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen

Bescheide wird stattgegeben und XXXXgemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie XXXX, mj. XXXX und mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt XXXX, XXXX, mj. XXXX und mj.

XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.

III. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX, XXXX, mj. XXXX und mj. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

IV. In Erledigung der Beschwerden werden die jeweiligen Spruchpunkte

II. bis VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 04.12.2015 im Bundesgebiet für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder (den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin) die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

2. Am 05.12.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Asylverfahren statt.

Begründend brachten die Beschwerdeführer zu ihren Fluchtgründen befragt zusammengefasst vor, dass der Erstbeschwerdeführer als Journalist im Irak mangels Medienfreiheit mit dem Tode bedroht worden sei. Aus Angst um ihr Leben hätte die Familie den Irak verlassen. Die Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährigen Beschwerdeführer hätten keine eigenen Fluchtgründe.

3. Die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, fand am 03.08.2017 statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen vor, seit 1999 in Sulaimaniyya journalistisch tätig zu sein und dabei insbesondere Kritik an der kurdischen Regierung in der autonomen Region Kurdistan, vor allem auch am Präsidenten Barzani und dessen Partei, der KDP, geübt zu haben. Er habe etwa auch kritisch über die Verfolgung der Jesiden durch den IS in Sinjar und die Mitschuld Kurdistans daran berichtet. Er wünsche sich, dass der Irak ein demokratisches, ziviles und säkulares, freies Land werde. Es solle keine Korruption herrschen und er wünsche keinen Präsidenten in Kurdistan, der das Parlament suspendiere und seit 25 Jahren alleine herrsche. Er habe nicht für staatliche Medien bzw. für Medien von Parteien gearbeitet und deswegen als freier Journalist schon immer Probleme gehabt. Die Situation sei eskaliert, als er eine eigene Zeitschrift herausgebracht habe. Kollegen hätten ihn gewarnt, dass die Zeitschrift zu kritisch sei und der Präsident sowie die KDP dies nicht akzeptieren würden. Nach Erscheinen der zweiten Ausgabe habe er am 16.11.2015 einen Drohanruf erhalten. Der Erstbeschwerdeführer habe sich deswegen an die kurdische Sicherheitsbehörde "Asayish" gewandt. Diese hätte ihm lediglich geraten, seine Kritik einzustellen. Mehr könnten sie für den Erstbeschwerdeführer nicht tun. Daraufhin habe er sich mit der Zweitbeschwerdeführerin und den beiden Kindern in einem Ferienhaus eines Freundes außerhalb von Sulaimaniyya versteckt. Er habe dann einen Anruf von Nachbarn seines eigenen Hauses erhalten, dass nachts bewaffnete, maskierte Männer die Haustüre eingetreten und in das Haus der Beschwerdeführer eingedrungen seien. Die Schwester des Beschwerdeführers und ein Freund hätten bei Nachsicht im Haus festgestellt, dass alles durchwühlt worden sei. Die Männer hätten den Laptop, Computer, Fotoapparate und Unterlagen mitgenommen. Danach hätte er sich zur Flucht entschieden. Eine Rückkehr in den Irak sei nicht möglich. Es seien bereits viele Journalisten getötet worden. Ein regierungskritischer Journalist sei vor vier oder fünf Jahren bei einem Besuch im Irak zehn Jahre nach Verfassung eines kritischen Artikels über die Familie Barzani festgenommen und gefoltert worden. Nur wegen dessen österreichischer Staatsbürgerschaft und des Einsatzes der diplomatischen Vertretung und von NGOs sei der Mann wieder freigelassen worden. Ein Umzug in den Zentralirak sei mangels funktionierender Regierung und wegen der Milizen nicht möglich. Er selbst habe keine Probleme mit kurdischen Behörden oder Gerichten, aufgrund seiner Religion oder Volksgruppe, mit Privatpersonen oder aufgrund einer politischen Tätigkeit bzw. Mitgliedschaft in einer politischen Partei gehabt.

Zur Untermauerung seines Vorbringens legte der Erstbeschwerdeführer unter anderem nachfolgende Unterlagen/Beweismittel vor:

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irakischer Personalausweis im Original

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irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis im Original

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irakischer Führerschein im Original

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Arbeitsausweis im Original (Radiosender XXXX)

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zwei Zeitschriften im Original - Erstbeschwerdeführer als Chefredakteur

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sieben Fotos als Nachweis zur Tätigkeit als Journalist

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MP3 Player mit Interviews und Videos - alter Ausweis der Journalistenkammer

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Buch "XXXX" - Erstbeschwerdeführer habe dieses aus dem Arabischen in das Kurdische übersetzt

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zwei weitere Zeitungen aus 1999, wo der Erstbeschwerdeführer Chefredakteur gewesen ist

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Teilnahmebestätigung VHS für Deutschkurs

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acht DIN-A4 Seiten von vom Erstbeschwerdeführer auf verschiedenen Internetplattformen und Zeitungen verfassten Artikeln

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Zeitung aus 2015

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Ehevertrag vom XXXX2002

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte zu den Fluchtgründen befragt vor, dass weder sie noch der Drittbeschwerdeführer oder die Viertbeschwerdeführerin eigene Fluchtgründe hätten. Der Erstbeschwerdeführer habe die Zweitbeschwerdeführerin glaublich am 16.11.2015 vormittags angerufen und ihr gesagt, sie müsse von der Arbeit dringend nach Hause kommen, wo er ihr dann erklärt habe, dass er einen Drohanruf wegen seiner journalistischen Tätigkeit erhalten habe. Man habe ihn mit dem Tode bedroht. Er sei bei der "Asayish" gewesen, welche wegen der unbekannten Rufnummer nichts hätten unternehmen können. Die Familie wäre dann drei bis vier Tage zu einem Freund des Erstbeschwerdeführers nach XXXX (im Folgenden: M.) geflüchtet. Währenddessen sei das Haus der Familie in Al-Sulaimaniyya durchsucht worden. Ein Nachbar habe sie deswegen angerufen und erzählt, es habe sich um vermummte Männer gehandelt. Diese hätten auch Computer, Laptop und Unterlagen des Erstbeschwerdeführers mitgenommen. Eine Rückkehr sei nicht möglich, man würden den Beschwerdeführern, insbesondere dem Erstbeschwerdeführer, etwas antun. Es sei im gesamten Irak nicht sicher, die KDP sei überall, auch in Bagdad, vertreten. Sie selbst habe keine Probleme mit kurdischen Behörden oder Gerichten gehabt, sei nicht politisch tätig oder Mitglied einer Partei gewesen und habe weder aufgrund der Volksgruppe, Religion oder mit Privatpersonen Probleme gehabt.

Von der Zweitbeschwerdeführerin wurden zudem die nachfolgenden Dokumente/Beweismittel vorgelegt:

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irakischer Personalausweis im Original

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irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis im Original

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irakischer Führerschein im Original

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irakischer Personalausweis des Drittbeschwerdeführers

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irakischer Personalausweis der Viertbeschwerdeführerin

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medizinischer Befund - Facharzt für Inneres (Zweitbeschwerdeführerin)

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Konvolut medizinischer Unterlagen - CT-MR Institut LKH XXXX (Zweitbeschwerdeführerin)

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zwei Teilnahmebestätigungen VHS Deutschkurs, Lesen, Schreiben Rechnen - Frauenkurs (Zweitbeschwerdeführerin)

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irakischer Arbeitsausweis für Kindergärtnerinnen (Zweitbeschwerdeführerin)

4. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes vom 02.02.2018 wurden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürden Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und den Beschwerdeführern eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es feststehe, dass der Erstbeschwerdeführer keine Probleme mit den Behörden des Herkunftsstaates gehabt habe. Er habe weiters nicht glaubhaft machen können, dass er sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch Milizen oder Dritte verlassen habe. Eine den Erstbeschwerdeführer individuell drohende Verfolgung im Irak habe nicht festgestellt werden können. Auch im Falle einer Rückkehr habe weder eine Bedrohung oder Verfolgung von staatlicher Seite noch von Dritten festgestellt werden können. Die Rückkehr sei den Beschwerdeführern zumutbar; sie würden in keine existenzbedrohende Notlage geraten. Die Aussagen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zum Ablauf der Geschehnisse wären widersprüchlich. Es sei weiters nicht nachvollziehbar, weshalb der Erstbeschwerdeführer, der hauptberuflich Beamter und somit Staatsbediensteter gewesen sei, über Jahre regierungskritische Zeitungsartikel veröffentlichen hätte können, ohne, dass ihm viel früher Konsequenzen gedroht hätten. Bei der vorgebrachten Bedrohung durch die KDP handle es sich lediglich um Vermutungen. Es sei auch unverständlich, weshalb der Erstbeschwerdeführer nach dem Einbruch in sein Haus nicht die Polizei verständigt habe. Wäre der Erstbeschwerdeführer als Regimekritiker ernsthaft von der KDP oder der Regierung verfolgt worden, wäre eine legale Ausreise über den Flughafen Sulaimaniyya kaum möglich gewesen. Eine staatliche Verfolgung liege daher augenscheinlich nicht vor, zumal in Suleimaniyy die PUK die Mehrheitspartei darstelle und die KDP dort nur über geringe Dominanz verfüge. Den vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Beweismitteln, insbesondere der von ihm herausgegebenen regierungskritischen Zeitschrift könne aufgrund der im Irak herrschenden Lage zu Dokumenten/Drucksorten seitens der Behörde kein Beweiswert beigemessen werden. Die Zeitschriften seien bereits mit einfachen EDV-Kenntnissen leicht herstellbar. Der Inhalt könne auch bereits im Irak oder auch später verfälscht worden sei. Ein Herausgeberfoto könne mit einfachen Computerkenntnissen leicht eingefügt werden. Der Erstbeschwerdeführer habe eine individuell gegen ihn gerichtete Gefahr einer Verfolgung im Irak nicht glaubhaft machen können. Auch die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin seien unglaubwürdig. Außerdem hätten weder die Zweitbeschwerdeführerin noch der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin eigene Fluchtgründe. Eine Rückkehr sei zumutbar, zumal es amtsbekannt sei, dass die Anzahl der freiwilligen Rückkehrer in den Irak stetig ansteige, weshalb das Bundesamt davon ausgehe, dass die Lage im Irak nicht derart gravierend schlecht sein könne. Der Erstbeschwerdeführer sei vor seiner Ausreise in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie zu befriedigen und sei davon auszugehen, dass er dies auch bei einer Rückkehr wieder bewerkstelligen könnte. Eine maßgebliche Integration der Beschwerdeführer im Bundesgebiet liege nicht vor.

Zudem traf die belangte Behörde umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.

5. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz ihrer damaligen bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 02.03.2018, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme der Beschwerdeführer durchführen und den angefochtenen Bescheid beheben sowie den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten, in eventu von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu feststellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassenen Rückkehrentscheidungen gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig sind und den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG erteilen; in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und den Beschwerdeführern eine solche erteilen; in eventu die angefochtenen Bescheide ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt zurückverweisen.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichte nur unzureichende Informationen zur besonders vulnerablen Berufsgruppe der Journalisten enthalten würden, zumal daraus hervorgehe, dass der Irak eines der gefährlichsten Länder für Journalisten sei. Es werde diesbezüglich auf näher angeführte Berichte zur Lage von Journalisten und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus dem Irak vom 31.05.2012 und den dort angeführten Schutzbedarf für tatsächliche oder vermeintliche Gegner der kurdischen Regionalregierung verwiesen. In den Bescheiden des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin wären keine Länderberichte enthalten. Diese wären daher bereits deswegen (Verweis auf BVwG vom 05.04.2016, W161 2123629-1) rechtswidrig. Das Bundesamt habe zudem trotz Zustimmung des Erstbeschwerdeführers keine weiteren Ermittlungen zu seinem Vorbringen durchgeführt. Die Beweiswürdigung des Bundesamtes sei unschlüssig. Es sei die Situation nicht nur zum Zeitpunkt der Flucht, sondern auch aktuell bei Rückkehr zu beurteilen. Die Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin seien lediglich selektiv gewürdigt und verfahrenserhebliche Widersprüche konstruiert worden. Sulaimaniyya werde mehrheitlich von der PUK kontrolliert. Es sei daher durchaus plausibel, dass diese den Erstbeschwerdeführer bei seiner Kritik an der (gegnerischen) KDP nicht einschränkt hätte oder den Erstbeschwerdeführer als Beamten in Sulaimaniyya entlassen hätten. Die Behörde verkennte das Gesamtvorbringen des Erstbeschwerdeführers bezogen auf die Vermutungen zu seinen Bedrohern. Der Vorhalt, der Erstbeschwerdeführer habe sich nicht an die Polizei gewandt, sei vor dem Hintergrund, dass er sich an die Asayish gewandt habe, nicht nachvollziehbar. Der Erstbeschwerdeführer verfasse auch in Österreich weiterhin KDP-kritische Texte. Diesbezüglich habe er dem Bundesamt einen USB-Stick mit Videos und Beiträgen, die er verfasst habe, vorgelegt. Außer seiner Schwester bestehe kein soziales Netz mehr in Kurdistan. Der Erstbeschwerdeführer gehöre zur sozialen Gruppe der Journalisten und treffe die daraus resultierende Verfolgung auch seine Familie. Das Bundesamt habe weiters das Kindeswohl nicht berücksichtigt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 12.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

7. Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 wurde die Vertretungsvollmacht des nunmehrigen Rechtsvertreters der Beschwerdeführer bekanntgegeben. Die Vertretungsvollmacht der vorherigen Vertretung wurde mit Schreiben vom 20.04.2018 zurückgezogen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 23.07.2019 eine mündliche Verhandlung an. Gemeinsam mit der Ladung an die Beschwerdeführer wurde vorab das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018 mit Stand 09.04.2019, die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen [...], Verfügbarkeit von Medikamenten gegen Bluthochdruck bzw. Herzprobleme [a-10861] vom 12.02.2019 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: Diabetes vom 08.02.2017 übermittelt und in das Verfahren eingebracht.

9. Mit am 17.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangender Beschwerdeergänzung vom 10.07.2019 wurde die Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Sorani für die mündliche Verhandlung beantragt und weiters ausgeführt, dass sich das Bundesamt in den angefochtenen Bescheiden ausschließlich einer antizipierenden Beweiswürdigung bedient und es unterlassen habe, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Der Erstbeschwerdeführer habe sich im Irak, einschließlich Kurdistan, als Journalist kritisch sowohl gegenüber den politischen Geschehnissen im Irak sowie auch explizit in Kurdistan geäußert. Deswegen werde der Erstbeschwerdeführer und in weiterer Folge auch die Zweit- und Viertbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer im Irak sowohl von staatlicher als auch nichtstaatlicher Seite verfolgt. Die vom Erstbeschwerdeführer im Zuge seiner journalistischen Tätigkeit geäußerte Kritik an den politischen Verhältnissen im Herkunftsstaat erfülle damit zum einen den Fluchtgrund der politischen Verfolgung sowie den der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe der regierungskritischen Journalisten. Das widerspruchsfrei und sowohl zeitlich wie örtlich geordnete Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers sei auch aufgrund dessen Intensität geeignet, im Herkunftsstaat wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zu begründen. Es werde zum Recht auf freie Meinungsäußerung auch auf näher zitierte Berichte von Amnesty International vom 22.02.2018 und von Reportern ohne Grenzen, sowie auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln vom 19.01.2018, Zahl 18 K 3183/2017.A, verwiesen. Obwohl der Erstbeschwerdeführer bereits vor dem Bundesamt von ihm verfasste Zeitungsartikel in Printmedien bzw. Originalzeitschriften vorgelegt habe, habe das Bundesamt in seiner Beweiswürdigung lediglich auf die Möglichkeit zur Fälschung/Verfälschung verwiesen. Nach der Rechtsprechung des VwGH genüge ein allgemeiner Verdacht aber nicht, um im Verfahren vorgelegt Urkunden generell den Beweiswert abzusprechen (Verweis auf ua VwGH vom 18.11.2018, Ra 2018/19/0356, ua). Relevante Unterlagen würden unter einem ein weiteres Mal vorgelegt werden. Es werde weiters darauf verwiesen, dass der Erstbeschwerdeführer auch nach seiner Flucht weiterhin regierungskritisch-journalistisch tätig sei und über seinen Herkunftsstaat berichte.

Es wurden nachfolgende Unterlagen/Beweismittel vorgelegt:

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Heft Nr. 1 der regierungskritischen Zeitschrift "XXXX" (im Folgenden: ZS) mit Herausgabedatum Oktober 2015

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Heft Nr. 2 der regierungskritischen Zeitschrift "ZS" mit Herausgabedatum November 2015

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selbstständige Übersetzung wesentlicher Berichtspassagen der in den beiden Heften befindlichen Beiträge

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verfasste Berichte des Erstbeschwerdeführers auf der Internetseite "XXXX" (im Folgenden: kp) vom 09.05.2013, 17.08.2013, 21.08.2013, 31.08.2013, 11.05.2013, 18.04.2014, 06.02.2017, 24.05.2017, 07.05.2017, 13.06.2017, 22.06.2017, 17.08.2017

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.07.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführer, ihr bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Behördenvertreter des Bundesamtes sowie ein Dolmetscher für die Sprache Kurdisch-Sorani teilnahmen.

Die Beschwerdeführer gaben auf Befragen der erkennenden Richterin an, sie hätten früher der Religionsgruppe der sunnitischen Muslime angehört, seien inzwischen aber zum Christentum konvertiert. Sie würden sonntags alle die Kirche besuchen, der Erstbeschwerdeführer auch dienstags. Eine Taufe sei noch nicht durchgeführt worden, sie würden jedoch einen Taufkurs besuchen und die Zweitbeschwerdeführerin treffe sich regelmäßig mit Freundinnen in der Christengemeinde in einem Nebengebäude der Kirche um zu kochen, zu backen und Handarbeiten durchzuführen.

Die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin gab an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe hätten, jedoch von den Bedrohungen und der Verfolgung des Erstbeschwerdeführers als Familie genauso betroffen wären.

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, er sei seit 2009 bis zur Flucht im November 2015 Beamter in der Landesdirektion für Kultur in Sulaimaniyya, Jugend und Sportabteilung in XXXX (im Folgenden: B.) gewesen. Er habe den Status einer einfachen Schreibkraft gehabt und habe in dem Amt nicht viel zu tun gehabt, den Job habe ihm eine gute Freundin besorgt, die die Direktorin der Behörde gewesen sei. Er habe monatlich rund USD 700,-- verdient. Die täglichen Arbeitszeiten wären von 08:00 bis 15:00 Uhr gewesen. Zuvor hätte er einige Jahre als Nachrichtenchef eines Radiosenders gearbeitet. Zusätzlich sei er Journalist gewesen und habe sich mit der Kritik gegen das politische System im Nordirak/Kurdistan, insbesondere mit Präsident Marsud BARZANI und dessen Clan, befasst. Er habe beide führenden Parteien, sowohl die PUK als auch die KDP kritisiert. Im Jahr 2015 habe er schließlich, gemeinsam mit drei weiteren Journalisten (davon zwei von der Schweiz aus und ein weiterer vor Ort in Sulaimaniyya), eine Zeitschrift, ZS., herausgegeben. Die erste Ausgabe sei am 15.10.2015 erschienen, die zweite am 15.11.2015, jeweils in einer Auflage von 1000 Stück. Die Zeitschriften hätte er bei der Einvernahme vor dem Bundesamt im Original vorgelegt. Der damalige Dolmetscher habe diese jedoch nicht lesen und damit nicht übersetzen können. Das Titelblatt habe jeweils eine Karikatur von Marsud Barzani gezeigt. Der Erstbeschwerdeführer habe auch Fernsehinterviews gegeben, zuletzt am 13.11.2015. Die Interviews könnten auf YouTube abgerufen werden. Er habe dort etwa öffentlich dargelegt, dass Waffen, welche an die Peshmerga hätten geliefert werden sollen, tatsächlich am Schwarzmarkt verkauft worden wären, wie Akteure der Parteien heimlich mit dem IS um Erdöl gehandelt hätten, sowie welche tatsächlichen Hintergründe die Besetzung der Stadt Shangal [auch: Sinjar, Anm.] gehabt hätten. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er sich damit Probleme mit den Parteien einhandeln könnte, es sei ihm jedoch wichtig gewesen, die Bevölkerung "wachzurütteln" und sie dazu zu motivieren, etwas dagegen zu unternehmen. Nach Erscheinen der ersten Ausgabe der ZS. habe ihn ein früherer Studienkollege angerufen und um ein Treffen gebeten. Dieser habe bei der Medienabteilung der KDP gearbeitet. Er habe dem Erstbeschwerdeführer gesagt, er wisse, dass der Erstbeschwerdeführer ein guter Journalist sei, aber er wolle ihm als Freund sagen, dass er bitte - auch in seinem eigenen Interesse - nichts Schlechtes über Barzani schreiben solle, dieser sei ein Heiliger. Der Erstbeschwerdeführer habe seine Meinung geäußert, daraufhin sei es zum Streit gekommen und der Erstbeschwerdeführer sei gegangen. In weiterer Folge habe er SMS-Nachrichten mit Drohungen erhalten (er dürfe ja nicht über Barzani schimpfen und schlecht über ihn schreiben, sonst würde man ihn töten). Schließlich habe er am 16.11.2015, nach Erscheinen der zweiten Ausgabe der ZS., gegen 09:00 Uhr früh im Büro einen Anruf erhalten. Der Anrufer habe ihn beschimpft und gemeint, der Erstbeschwerdeführer könne über alles Schreiben, der Barzani-Clan sei eine ehrenwerte Familie, aber er solle die rote Linie nicht übertreten. Sie würden ihn wie einen Hund aus dem Verkehr ziehen und töten. Sie würden die Ehegattin und die Kinder in Brand setzen, damit ihn keiner erkenne. Den Drohanruf habe er schließlich ernst genommen, weil er von anderen Journalisten, die solche Anrufe erhalten haben, wisse, dass diese getötet worden seien. Er habe sich nach dem Anruf gleich dazu entschlossen, sich an die Sicherheitsdirektion der Stadt (Asayish) zu wenden um eine Anzeige zu machen. Der Offizier der Asayish habe um die SMS und die Anrufnummer gebeten. Diese sei jedoch unterdrückt worden, sodass man ihm nicht habe helfen können. Außerdem hätten sie ihm gesagt, dass sie für seine Sicherheit nicht zuständig seien, da er sich (sinngemäß) durch seine Aktionen selbst gefährde. Die Polizei habe nicht viel Macht und sei die Zeitschrift des Erstbeschwerdeführers auch nicht genehmigt gewesen. Er habe gefürchtet, deswegen Probleme zu bekommen. Nachdem er bei den Asayish gewesen sei, habe er die Zweitbeschwerdeführerin (diese sei Kindergärtnerin) im Kindergarten angerufen und die mit dem Auto von dort abgeholt. Dazu habe sie sich frei genommen. Der Erstbeschwerdeführer habe ihr von der Bedrohung erzählt. Die Beschwerdeführer hätten sich daraufhin noch am 16.11.2015 im Haus eines Freundes des Erstbeschwerdeführers im Dorf M. versteckt, um zu überlegen, was sie weiter tun sollten. Dazu hätten sie ihre Personalausweise und Staatsbürgerschaftsnachweise zum Passieren der Checkpoints von Zuhause mitgenommen, den Reisepass jedoch nicht. Am späten Abend hätten sie einen Anruf vom Nachbarn in B. erhalten. Dieser habe ihnen mitgeteilt, dass zwei Fahrzeuge mit schwer bewaffneten, vermummten Insassen in Zivilkleidung (kurdischer Tracht) zum Haus der Beschwerdeführer in B. gekommen seien und nach anfänglichem Klopfen die Eingangstüre aufgebrochen hätten. Der Erstbeschwerdeführer hätte dann den Freund angerufen, in dessen Ferienhaus sie sich gerade aufhielten, und ihn gebeten, zu ihnen nach M. zu kommen und hier mit ihnen zu übernachten. Am nächsten Tag habe der Erstbeschwerdeführer seine Schwester angerufen und sie gebeten, gemeinsam mit dem Freund des Erstbeschwerdeführers zum Haus in B. zu fahren um Nachschau zu halten. Sie hätten dabei festgestellt, dass das ganze Haus durchsucht worden sei und der PC, eine Kamera und andere Sachen mitgenommen worden wären. Die Reisepässe sowie andere Dokumente jedoch nicht. Diese habe die Schwester mitgenommen und den Beschwerdeführern übergeben. Sie hätten diesbezüglich großes Glück gehabt. Einige Tage später seien die Beschwerdeführer dann in die Türkei ausgereist. Im Falle einer Rückkehr in den Irak würde der Erstbeschwerdeführer mit Sicherheit getötet werden, da er auch in Österreich nicht aufgehört habe, weitere Artikel zu veröffentlichen. Er schreibe für die Online-Zeitung KP in kurdischer Sprache. Er habe etwa zehn Artikel veröffentlicht, mit seinem Namen und Foto. Einige seiner Artikel seien Online kommentiert worden, negativ als auch positiv. Er habe weiters Facebook-Postings verfasst und in Österreich ein Buch geschrieben, dass er in Kurdistan geheim drucken und verkaufen lasse. Er stelle im Buch dar, dass vieles, was im Koran stehe von der christlichen Bibel gestohlen und dann aber anders (negativ) dargestellt worden sei. Könnte er es sich leisten, würde er das Buch auch in Österreich drucken lassen. Der Erstbeschwerdeführer habe er seit der namentlichen Kritik von Marsud Barzani wirkliche Probleme bekommen. Die Jahre davor (2003-2015) habe er allgemein Kritik geübt ohne konkrete Personen zu nennen. Beschimpft sei er jedoch immer wieder worden. Eine Rückkehr in den Irak wäre auch zum Schwager in Bagdad nicht möglich. Dieser könnte aufgrund seines geringen Einkommens nicht für die Beschwerdeführer bürgen. Außerdem wären die KDP und die PUK auch dort, wie im gesamten Irak, aktiv. Er würde überall verfolgt werden.

Zur (bevorstehenden) Konversion gab die Zweitbeschwerdeführerin weiters an, dass ihre Eltern im Irak, seit sie davon wüssten, nicht mehr mit ihr sprechen. Erst seit ihre Mutter erfuhr, dass die Zweitbeschwerdeführerin kürzlich eine Fehlgeburt erlitten habe, habe sie mit ihr wieder gesprochen. Auch ihr Bruder sei über die Konversion sehr unglücklich. Aber da sie sich in Europa aufhalten, hätten die Beschwerdeführer beschlossen sich auch diesbezüglich zu integrieren.

Das vom Erstbeschwerdeführer verfasste Buch wurde in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und auszugsweise in Kopie zum Akt genommen.

Weiters legten die Beschwerdeführer vor:

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Konvolut medizinischer Befunde und Unterlagen der Zweitbeschwerdeführerin

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Urkunden der Stadt XXXX für den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin über die Absolvierung aller Module des Integrationspasses im Zeitraum 2017-2018

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Deutschkurs-Teilnahmebestätigungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin

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Unterstützungsschreiben des stellvertretenden Leiters der gesetzlich anerkannten Freikirche der Beschwerdeführer vom 23.06.2019

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Unterstützungsschreiben Soziale Tagesstätte XXXX vom 18.07.2019

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Empfehlungsschreiben/Bestätigung ehrenamtliche Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers vom Juli 2019

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Unterstützungsschreiben von Freunden/Bekannten

Seitens des Bundesamtes wurde ein Länderinformationsblatt zum Irak des deutschen BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) aus dem Jahr 2017 vorgelegt und unter anderem darauf basierend ausgeführt, dass den Beschwerdeführern eine Rückkehr in den Irak möglich sei. Es lägen keine asylrelevanten Flucht- bzw. Nachfluchtgründe vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden zudem aktuelle Länderberichte zum Irak, darunter ein Bericht über Drohungen gegen irakische Journalisten nach Veröffentlichung von Artikel zu politischer Korruption vom 29.05.2019 in das Verfahren eingeführt.

Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

11. Auf Anfrage des erkennenden Gerichtes wurden seitens des Bundesamtes mit Schreiben vom 24.07.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am 25.07.2019 einlangend, die vom Erstbeschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesamt vorgelegten Originaldokumente, darunter jeweils ein Exemplar der vom Erstbeschwerdeführer im Oktober/November herausgegebenen Zeitschrift ZS., zwei Exemplare der vom Erstbeschwerdeführer im Jahr 1999 herausgegebenen Zeitschrift "XXXX" (im Folgenden: PN.) übermittelt.

12. Am 29.07.2019 langte zudem seitens der bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführer eine schriftliche Bekanntgabe der YouTube-Links mit den TV-Interviews des Erstbeschwerdeführers ein.

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YouTube-Channel des TV-Senders XXXXTV:

o XXXX

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Interview mit dem Erstbeschwerdeführer, im TV ausgestrahlt am 16.11.2015:

o XXXX

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Interview mit dem Erstbeschwerdeführer, im TV ausgestrahlt am 13.06.2015:

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13. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.10.2019 wurde den Beschwerdeführern und dem Bundesamt das nunmehr aktuelle Länderinformationsblatt zum Irak vom 20.11.2018 samt eingefügter Kurzinformation vom 25.07.2019 sowie eine Information zur Lage bezüglich der im Irak stattfindenden Proteste der Staatendokumentation vom 04.10.2019 zur Stellungnahme sowie aktuelle Berichte von "Reporter ohne Grenzen" (RSF-Reporters Sans Frontièrs) binnen einer Frist von zwei Wochen übermittelt.

Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch jeweils angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Kurden und gehörten im Irak formal der sunnitisch-moslemischen Glaubensgemeinschaft an, übten diese Religion jedoch nicht aus. Sie bezeichneten sich selbst diesbezüglich als "ohne Bekenntnis". Ihre gemeinsame Muttersprache ist Kurdisch-Sorani. Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin seit XXXX2002 verheiratet. Aus dieser Ehe stammen der minderjährige Drittbeschwerdeführer und die minderjährige Viertbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer sind alle in Sulaimaniyya, Autonome Region Kurdistan, geboren und haben dort auch bis zur Ausreise aus dem Irak in der Stadt Al-Sulaimaniyya, Stadtteil B., gelebt (vgl Erstbefragungen vom 05.12.2015, AS 15 ff Erstbeschwerdeführer und AS 1 ff Zweitbeschwerdeführerin; aktenkundige Kopien der irakischen Personalausweise, AS 109 f Erstbeschwerdeführer, AS 187 f Zweitbeschwerdeführerin, AS 191 f Zweitbeschwerdeführerin, AS 189 f Zweitbeschwerdeführerin; aktenkundige Kopien der irakischen Staatsbürgerschaftsnachweise, AS 111 f Erstbeschwerdeführer, AS 181 f Zweitbeschwerdeführerin; Niederschriften vor dem Bundesamt vom 03.08.2017, AS 39 ff Erstbeschwerdeführer und AS 167 ff Zweitbeschwerdeführerin; aktenkundige Kopie der irakischen Ehevertrages, AS 119 Erstbeschwerdeführer; Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 3 ff).

Der Erstbeschwerdeführer hat die Schule nach zwölf Jahren mit Matura und danach ein vierjähriges Studium für Journalismus und Medienkommunikation in Sulaimaniyya im Studienjahr 2001/2002 abgeschlossen (Bachelor). Bereits seit 1999 bis zu seiner Ausreise im November 2015 war der Erstbeschwerdeführer als freier Journalist tätig. Im Zeitraum 2004 bis 2008 war er beim Radiosender "XXXX" als Nachrichtenchef tätig. Von 2009 bis zur Ausreise aus dem Irak war der Erstbeschwerdeführer zudem beamtete Schreibkraft in der Landesdirektion für Kultur in Sulaimaniyya, Jugend- und Sportabteilung im Stadtteil B., wo er monatlich etwa USD 700,00 ins Verdienen brachte. Die Stelle erlangte er durch die Freundschaft zur Direktorin des Amtes. Tatsächlich hat der Erstbeschwerdeführer dort nur wenige Arbeiten verrichtet (vgl Erstbefragung vom 05.12.2015, AS 15 f Erstbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 43 ff Erstbeschwerdeführer; Kopie Arbeitsausweis des Radiosenders, AS 105 f Erstbeschwerdeführer; Fotos, AS 101 Erstbeschwerdeführer; Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 6 ff; Konvolut aktenkundiger, vom Erstbeschwerdeführer verfasster Zeitungsartikel und Berichte).

Die Eltern des Erstbeschwerdeführers sind bereits verstorben. Sein Bruder lebt seit 20 Jahren in den USA, seine Schwester lebt mit ihrem Ehegatten und Kindern nach wie vor in Sulaimaniyya, nunmehr im ehemaligen Haus der Beschwerdeführer (das Elternhaus des Erstbeschwerdeführers) im Stadtteil B., zu welcher der Erstbeschwerdeführer regelmäßig Kontakt über Viber oder WhatsApp hat (vgl Erstbefragung vom 05.12.2015, AS 15 ff Erstbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 46 f Erstbeschwerdeführer; Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 7 f und 25).

Der Erstbeschwerdeführer leidet an insulinpflichtigem Diabetes, der die Einnahme von Tabletten (Diabetex 1000 mg) und die regelmäßige ärztliche Kontrolle erfordert. Darüber hinaus liegen keine weiteren Erkrankungen vor und ist der Erstbeschwerdeführer arbeitsfähig (vgl Erstbefragung vom 05.12.2015, AS 17 Erstbeschwerdeführer;

Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 40 Erstbeschwerdeführer;

Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 4; Kopie Medikamentenpackung, AS 137 Erstbeschwerdeführer).

Die Zweitbeschwerdeführerin hat ebenfalls die Schule nach zwölf Jahren mit Matura abgeschlossen und danach ein zweijähriges Sprachstudium Kurdisch absolviert, welches sie 2001 abschloss. Seit 2003 bis 16.11.2015 war die Zweitbeschwerdeführerin als Sprachlehrerin im Kindergarten erwerbstätig (vgl Erstbefragung vom 05.12.2015, AS 1 ff Zweitbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 172 ff Zweitbeschwerdeführerin; Berufsausweis Kindergarten, AS 183 f Zweitbeschwerdeführerin;

Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 6).

Die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin leben in Sulaimaniyya. Der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin ist mit einer Kurdin verheiratet und lebt mit dieser in Bagdad. Die Zweitbeschwerdeführerin hat mit der Mutter als auch dem Bruder im Irak Kontakt, jedoch ist die Beziehung wegen der Konversion zum Christentum angespannt. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin spricht nicht mit ihr. Die Zweitbeschwerdeführerin hat auch zwei Schwestern, wovon eine in den Niederlanden und eine in Deutschland lebt (vgl Erstbefragung vom 05.12.2015, AS 1 ff Zweitbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 172 ff Zweitbeschwerdeführerin;

Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 7 f und 25).

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an schweren Arthrosen beider Kniegelenke, wobei bereits zwei Arthroskopien des linken Kniegelenks durchgeführt werden mussten und ein Gelenksersatz des linken Kniegelenks in naher Zukunft nötig ist. Sie befindet sich wegen ihrer Kniebeschwerden regelmäßig in ärztlicher und physiotherapeutischer Behandlung und erhält Schmerzmittel. Die Kniegelenksprobleme schränken die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Beweglichkeit ein, sie benötigt zur Entlastung Krücken. Weiters bestehen Nieren-, Gallen- und Leberveränderungen, hinsichtlich derer jedoch keine medizinische Behandlung erforderlich ist. Weitere Erkrankungen der Zweitbeschwerdeführerin konnten nicht festgestellt werden (vgl Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 170 Zweitbeschwerdeführerin; Aktenvermerk Bundesamt vom 26.01.2018, AS 201 Zweitbeschwerdeführerin; Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 4; Konvolut der in der mündlichen Verhandlung am 23.07.2019 vorgelegten medizinischen Befunde der Zweitbeschwerdeführerin).

Der Drittbeschwerdeführer ist gesund. Die Viertbeschwerdeführerin litt bereits in Kurdistan zeitweise unter Atembeschwerden und wurde dort mit Tabletten behandelt. In Österreich wurde ihr ein Atemspray (Salbutamol) bei Bedarf verordnet. Sie benötigt aktuell weiters eine Zahn-OP. Sonst ist auch die Viertbeschwerdeführerin gesund (vgl Niederschrift Bundesamt vom 03.08.2017, AS 177 Zweitbeschwerdeführerin; Verhandlungsprotokoll vom 23.07.2019, S 24).

Der Erstbeschwerdeführer hat sich bereits seit Beginn seiner journalistischen Tätigkeit gegenüber der Regierung und den Parteien kritisch geäußert und versucht, seiner Meinung nach bestehende Missstände aufzuzeigen. Er hat deswegen immer indirekte Drohungen erhalten, auch bereits als Nachrichtenredakteur beim Radiosender oder über Facebook. Seine Kritik hat sich jedoch aufgrund der Ereignisse im Irak und in Kurdistan im Jahr 2015 insofern verschärft, als der Erstbeschwerdeführer direkt Marsud Barzani kritisierte und diesem, nach Ansicht des Erstbeschwerdeführers berechtigt und durch Beweise untermauert, illegale Geschäfte mit Waffen und Öl, auch mit dem IS, zur persönlichen Bereicherung seines Clans und ihm nahestehender Personen sowie die Führung einer Quasi-Diktatur in Kurdistan unterstellte. Der Erstbeschwerdeführer wurde zu seinen Ansichten von einem kurdischen Fernsehsender interviewt. Die Interviews wurden am 13.06.2015 und am 16.11.2015 im Fernsehen gesendet und sind nach wie vor auf dem YouTube Channel des Senders abrufbar. Das Interview vom 16.11.2015 wurde am 13.11.2015 im Studio aufgezeichnet. Der Erstbeschwerdeführer hat weiters gemeinsam mit drei weiteren, von ihm namentlich genannten, kurdischen Journalisten, wobei zwei von der Schweiz aus agierten, am 15.10.2015 und am 15.11.2015 zwei Ausgaben der von ihnen selbst erstellten und gedruckten Zeitschrift "ZS." herausgebracht, deren Titelseite jeweils eine Karikatur von Marsud Barzani aufweist und in welchen der Erstbeschwerdeführer, dessen Foto sich auf der Impressumsseite befindet, und seine Kollegen in den dort angeführten Artikeln Marsud Barzani und dessen Partei, die KDP, wie auch immer wieder die PUK und generell das politische System in Kurdistan kritisieren. Der Erstbeschwerdeführer hat weiters auch für die kurdische Online-Zeitung KP immer wieder Artikel geschrieben, unter Anführung seines Namens und Fotos. Nach Herausgabe der ersten Zeitschrift am 15.10.2015 wurde der Erstbeschwerdeführer von einem früheren Studienkollegen kontaktiert, der ihn um ein Treffen bat. Dieser arbeitete, wie dem Erstbeschwerdeführer bekannt war, für die Medienabteilung der KDP und hat dem Erstbeschwerdeführer darum gebeten, in seinem eigenen Interesse nichts Schlechtes mehr über Barzani zu schreiben. Der Erstbeschwerdeführer hat daraufhin seine Meinung geäußert und kam es in der Folge zu einem Streit. Der Erstbeschwerdeführer hat das Treffen verlassen und dann von einer unbekannten Telefonnummer SMS-Nachrichten mit Drohungen erhalten (er dürfe ja nicht über Barzani schimpfen und schlecht über ihn schreiben, sonst würde man ihn töten). Schließlich hat er am 16.11.2015, einen Tag nach Erscheinen der zweiten Ausgabe der ZS., gegen 09:00 Uhr früh im Büro im Kulturamt einen Anruf erhalten. Der Anrufer hat ihn beschimpft und gemeint, der Erstbeschwerdeführer soll mit seiner Kritik über Barzani die "rote Linie" nicht überschreiten, sonst würden er und seine Familie getötet werden. Am selben Vormittag ging der Erstbeschwerdeführer zur Sicherheitsbeh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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