Entscheidungsdatum
13.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W159 2181823-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2018, Zahl: 1097547104 - 151912299/BMI-BFA_KNT_RD, nach Durchführung einer mündlichen
Verhandlung am 28.11.2019, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt.
III. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 13.12.2020 erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile III.-VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte am spätestens am 01.11.2015 nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am folgenden Tag einer Erstbefragung durch die Polizei unterzogen wurde. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, in Afghanistan herrsche Krieg. Es sei dort nicht mehr sicher für seine Familie. Sie hätten beschlossen, von Afghanistan in den Iran zu fliehen. Dort sei ihr Aufenthalt illegal gewesen. Sie hätten daher Angst gehabt, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, weshalb sie aus dem Iran geflohen wären. Sie hätten Angst um ihr Leben gehabt.
Am 18.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, eines Tages habe er von einem Großhändler Lebensmittel gekauft. Er sei mit seinem Auto auf dem Weg zum Basar unterwegs gewesen. Im Dorf Mirak habe er einen Radfahrer überfahren. Dieser sei verletzt worden. Der Beschwerdeführer habe ihn sofort ins Krankenhaus gebracht. Dort sei dann der Radfahrer verstorben. Sie hätten dann vom Handy des Radfahrers dessen Vater angerufen. Der Vater sei ins Krankenhaus gekommen. Der Beschwerdeführer habe ihm alles erzählt, dass der Unfall ein Versehen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe sich dann beim Vater des Unfallopfers entschuldigt. Er habe dem Beschwerdeführer dann gesagt, dass er später deswegen mit ihm reden würde. Sie seien dann mehrmals bei ihm zu Hause gewesen und der Beschwerdeführer habe sich dann bei ihm entschuldigt. Der Vater des Beschwerdeführers habe ihn gefragt, wie sie alles wieder gut machen könnten. Ein Monat später habe der Vater des Unfallopfers der Familie des Beschwerdeführers gesagt, dass für die Wiedergutmachung die Schwester des Beschwerdeführers einen von seinen Söhnen heiraten sollte. Die Schwester des Beschwerdeführers habe das nicht akzeptieren wollen. Sie habe gesagt, dass sie auf keinem Fall jemanden gegen ihren Willen heiraten würde. Sie hätten das dann der Familie des Verunfallten mitgeteilt. Der Vater der anderen Familie habe dann gesagt, dass er sich rächen würde. Sie hätten Angst bekommen, weil er Kontakte mit den Taliban gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei zwei- oder dreimal auch von seinen Söhnen geschlagen worden. Sie seien auch in seinem Geschäft und hätten vom Beschwerdeführer auch Geld verlangt. Er sei auch bedroht worden, deshalb hätten sie beschlossen, das Land zu verlassen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 13.12.2018, Zl. 1097547104 - 151912299/BMI-BFA_KNT_RD wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchteil IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchteil V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchteil VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 (Tagen) festgelegt.
In der Begründung des Bescheides wurden die bisherigen Einvernahmen dargelegt, weiters festgehalten, dass aus seiner Kernfamilie, zu der auch sein Sohn XXXX , geb. am XXXX gehöre, auch die Eltern und die beiden Brüder seiner Ehefrau in Österreich aufhältig seien. In der Folge wurden Länderfeststellungen zu Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass in dem Verfahren keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan habe festgestellt werden können, weder aufgrund der Religion noch aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit. Nach den Angaben des Beschwerdeführers könne ferner nicht festgestellt werden, dass sie ein in Österreich über den vorgegebenen Integrationsprozess hinaus selbstbestimmtes Leben führen würde.
In der rechtlichen Beurteilung wurde zunächst festgehalten, dass im vorliegendem Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vorliege. Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde insbesondere hervorgehoben, dass aus dem gesamten Verfahren keine Bedrohung oder Verfolgung wegen der Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Religion oder politischen Gesinnung vorgegangen wäre. Die vorgebrachten Verfolgungsgründe seien nicht als glaubhaft befunden worden.
Zu Spruchteil II. wurde darauf hingewiesen, dass die Herkunftprovinz Ghazni als volatil gelte und eine Rückkehr nach Ghazni nicht zugemutet werden könne, die Städte Kabul, Herat und Mazar e-Sharif jedoch als relativ friedlich und sicher gelten würden und für eine inländische Fluchtalternative zu Verfügung stehen würden. Es sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgewachsen sei, gearbeitet habe und auch mit Unterstützung von Verwandten rechnen könne, würde er daher bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wieder in der Lage sein, eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden. Es lasse sich insgesamt aus den individuellen persönlichen Verhältnissen keine Gefährdung im Sinne des Art. 8 AsylG ableiten und hätten auch noch weitere Rückkehrhindernisse nicht festgestellt werden können. Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass es keine Hinweise auf das Bestehen der Zuerkennungsvoraussetzung nach § 57 AsylG gäbe. Zu Spruchteil IV. wurde zunächst festgehalten, dass er sich in Österreich mit seiner Familie und überdies mit den Verwandten seiner Ehefrau befinde, die aber gleichsam von Rückkehrentscheidungen betroffen seien und daher eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Hinsichtlich des Privatlebens sei festzuhalten, dass keine schützenswerten, privaten und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich bestünden und auch keine Hinweise auf besondere Integrationsaktivitäten erkennbar sein. Der Beschwerdeführer habe den Großteil ihres Lebens in Afghanistan verbracht und dort auch die Sozialisierung erfahren. Er habe durch seine illegale Einreise den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen, denen hohe Bedeutung zukomme, widersprochen und sei daher nach einer Gesamtabwägung eine Rückkehrentscheidung als gerechtfertigt anzusehen.
Da auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche auszusprechen gewesen. Auch Gründe für eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen.
Gegen diesen (und die Bescheide des der Ehefrau und des Sohnes XXXX) erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In der Beschwerde wurde vor allem auf die vorgebrachten Fluchtgründe und die Beweiswürdigung eingegangen, die die Unglaubwürdigkeit vor allem an Differenzen zur Erstbefragung festmachte. Weiters wurde auch ein Vorbringen hinsichtlich der Zuerkennung des Status als subsidiäre Schutzberechtiger, insbesondere wegen der volatilen Sicherheitslage in Afghanistan erstattet. Dem Beschwerdeführer stehe auch eine inländische Fluchtalternative nicht zur Verfügung, da er ein familiäres Netzwerk nur in ihrer Heimatprovinz Ghazni habe, welche, wie das Bundesamt festgestellt habe, eine äußerst volatile Provinz sei und ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden könne. Ausdrücklich wurde auch die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine solche für den 28.11.2019 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichterscheinens entschuldigen ließ. Unmittelbar davor ist auch der Verfahrensakt des am XXXX geborenen Sohnes XXXX eingelangt, hinsichtlich dessen eine analoge Entscheidung wie beim Beschwerdeführer durch das BFA getroffen wurde.
Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer eindeutig zu, dass sein bisher angegebener Fluchtgrund eine erfundene Geschichte sei, er aber die Beschwerde aufrechterhalte. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, habe aber Afghanistan bereits im Alter von neun Jahren verlassen, er sei Moslem/Schiit und gehöre der Volksgruppe Sayed an, welche eine Untergruppe der Hazara sei. Er sei von 24 Jahren im Dorf Jangalak in der Provinz Ghazni geboren worden, das genaue Geburtsdatum wisse er nicht. Nachdem er als 9jähriger mit seinen Eltern und Geschwistern Afghanistan verlassen habe, sei er nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Seine Eltern hätten Afghanistan wegen des Krieges verlassen. Er selbst habe aber nie Probleme mit staatlichen Behördenorganen, bewaffneten Gruppierungen, mit den Taliban oder Privatpersonen in Afghanistan gehabt. Er habe bis zum 18. Lebensjahr in Form eines häuslichen Unterrichtes die Schule besucht. Sein Vater habe im Iran ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Ab dem 11. oder 12. Lebensjahr habe er dort geholfen. Er sei nicht nach Afghanistan abgeschoben worden, aber wenn ihn die Polizei erwischt hätte, wäre das der Fall gewesen. Im Alter von ca. 21 oder 22 Jahren habe er seine Ehefrau, die weitschichtig mit ihn verwandt sei, geheiratet. Im Iran habe er keine offizielle Ausbildung machen können, er sei von der Bevölkerung als Afghane diskriminiert und beleidigt worden. Im Jahre 2015 habe er mit seiner Ehefrau den Iran verlassen und gelangte auf dem Landweg nach Österreich. Er sei gesund, auch seine Kinder seien gesund. Bis zur Verlegung nach Klagenfurt habe er bei der Gemeinde Ferlach Freiwilligenarbeit geleistet, er habe Deutschdiplome A1 und A2 erworben und einen B1-Kurs besucht. Weiters sei er auch Mitglied beim Roten Kreuz und beim Fußballverein DSG Ferlach, aber nach der Übersiedlung nach Klagenfurt könne er dort nicht mehr trainieren. Wenn er in Österreich bleiben dürfe, möchte er gerne als Verkäufer arbeiten.
Nach Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers und Vorhalt des aktuellen Strafregisterauszuges, in dem keine Verurteilung aufscheint, wurde gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 (soweit verfahrensrelevant) mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer Woche zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerdeführervertreterin machte von dieser Gelegenheit Gebrach und wies auf rezente Judikatur des VfGH hin, wo im Hinblick auf die besondere Vulnerabilität von Kleinkindern die Gewährung von subsidiären Schutz für die afghanische Kernfamilie gefordert wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Moslem/Schiit und Angehöriger der Volksgruppe der Sayed. Er hat Afghanistan bereits im Kindesalter verlassen.
Nicht glaubhaft sind die behaupteten Fluchtgründe des Beschwerdeführers. Nicht erkannt werden kann eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in Afghanistan. Weiters können weder das genaue Alter des Beschwerdeführers noch der genaue Zeitpunkt der Ausreise aus Afghanistan festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat nach seiner Ausreise aus Afghanistan eine nicht feststellbare Zeit im Iran gelebt und diesen einerseits aus mangelten Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten (für afghanische Staatsbürger) und anderseits aus Furcht vor einer Zurückschiebung nach Afghanistan verlassen.
Der Beschwerdeführer hat am 01.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, diesen wies das BFA vollinhaltlich ab. Die Beschwerde der Ehefrau des Beschwerdeführers gegen den sie betreffenden Bescheid des BFA wird mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zahl W159 2181825-1, hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt A I.), ihr gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt A II.) und ihr gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.10.2019 erteilt (Spruchpunkt A III.).
Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau und seinen Kindern im Familienverband.
Zu Afghanistan wird verfahrensrelevant folgendes festgestellt:
1. Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).
Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).
Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (15.4.2019):
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2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))
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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit
29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:
Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
2016
2017
2018
2019
Jänner
2111
2203
2588
2118
Februar
2225
2062
2377
1809
März
2157
2533
2626
2168
April
2310
2441
2894
2326
Mai
2734
2508
2802
2394
Juni
2345
2245
2164
2386
Juli
2398
2804
2554
2794
August
2829
2850
2234
2443
September
2493
2548
2389
-
Oktober
2607
2725
2682
-
November
2348
2488
2086
-
Dezember
2281
2459
2097
-
insgesamt
28.838
29.866
29.493
18.438
Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o. D.))
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Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staate