TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/21 97/18/0175

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Veröffentlicht am 21.04.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §7;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der E in Wien, vertreten durch Mag. Andrea Eisner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Dezember 1996, Zl. SD 1340/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Dezember 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine mazedonische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei im Februar 1994 mit einem gültigen Reisepaß sichtvermerksfrei legal über Slowenien nach Österreich eingereist. Sie habe am 8. Februar 1994 einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 23. Februar 1994 abgewiesen worden sei. Schon damals sei das Ausweisungsverfahren eingeleitet worden. Der Berufung gegen diesen Asylbescheid habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 3. Mai 1995, zugestellt am 5. Mai 1995, keine Folge gegeben. Der dagegen eingebrachten Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zwar zuerkannt, dabei aber zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführerin während des Verfahrens jene Rechtsstellung zukomme, die sie als Asylwerberin im Verwaltungsverfahren gehabt habe.

Dem Standpunkt der Beschwerdeführerin, daß sie gemäß § 6 des Asylgesetzes 1991 eingereist und daher im Hinblick auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an ihre Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auch jetzt zum vorläufigen Aufenthalt gemäß § 7 des Asylgesetzes berechtigt wäre, könne nicht beigepflichtet werden. Die Beschwerdeführerin sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht direkt aus dem Staat eingereist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen sie behaupte und es sei ihr auch nicht die Einreise wegen eines "Zurückweisungsverbotes" formlos gestattet worden. Die Beschwerdeführerin habe deshalb keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 7 des Asylgesetzes erlangt, sodaß ihr auch der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die aufschiebende Wirkung keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verschafft habe. Die Beschwerdeführerin sei daher nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.

Aus dem Asylantrag ergebe sich, daß die Angehörigen der Beschwerdeführerin in ihrer Heimat lebten; weiters sei der Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise nicht rechtmäßig und nur während des Asylverfahrens "toleriert" worden. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin liege daher nicht vor und sei auch nicht geltend gemacht worden. Abgesehen davon wäre ein Eingriff zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit also zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, im Hinblick auf den hohen Stellenwert eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes "und/oder" Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß sie (das hätte sie bereits in ihrer Berufung gegen den Erstbescheid vorgebracht) gemäß § 6 des Asylgesetzes 1991 nach Österreich eingereist und somit gemäß § 7 leg. cit. zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Daß ihr Asylantrag vom Bundesminister für Inneres abgewiesen worden sei, sei unerheblich, weil der Verwaltungsgerichtshof ihrer dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 25. September 1995 aufschiebende Wirkung zuerkannt habe und die Frage ihrer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 7 leg. cit. ebenfalls Gegenstand des gegen den negativen Asylbescheid gerichteten Beschwerdeverfahrens sei. Entgegen der Behörde sei die Beschwerdeführerin in Slowenien - von wo aus sie nach Österreich eingereist sei - nicht im Sinn des "§ 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG" sicher gewesen, weshalb sie gemäß § 6 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 direkt aus einem Staat komme, in dem sie behaupte, Verfolgung befürchten zu müssen. Zwar könne gemäß "Artikel 34 Fremdengesetz der Republik Slowenien vom 25. Juni 1991 jeder ausländische Bürger in der Republik Slowenien den Status eines Flüchtlings zugesprochen erhalten, der seinen Heimatstaat verlassen habe, um vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung geschützt zu sein. Diese Bestimmung könnte jedoch auch dann nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgesetzt werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführerin in Slowenien rechtmäßig vollzogen worden wäre." Das in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehene Refoulementverbot habe "dem UNHCR zufolge" keine Entsprechung im slowenischen Fremdengesetz und wäre somit auf die Beschwerdeführerin auch nicht angewendet worden. Der Umstand, daß in Slowenien "dem UNHCR zufolge" zumindest bis zum 1. Juli 1994 keinem einzigen Antrag auf Gewährung von Asyl stattgegeben worden sei, spreche neben "zahlreichen anderen Mängeln" im slowenischen Asylrecht gegen die Auffassung, die Genfer Flüchtlingskonvention wäre in Slowenien eingehalten worden. Zur Untermauerung ihres Vorbringens verweist die Beschwerdeführerin auf eine der Beschwerde beigeschlossene "Stellungnahme des UNHCR vom 28. Dezember 1994".

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Zum einen bildet die Frage, ob der Beschwerdeführerin eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukam, nicht den Gegenstand des gegen den negativen Asylbescheid gerichteten Beschwerdeverfahrens; vielmehr hatte die belangte Behörde die Frage einer allfälligen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin nach § 7 des Asylgesetzes 1991 bei der Anwendung des § 17 Abs. 1 FrG eigenständig zu beurteilen.

Zum anderen kommt eine solche vorläufige Aufenthaltsberechtigung (nur) jenen Asylwerbern zu, die außer der Voraussetzung der rechtzeitigen Stellung eines Asylantrags auch die Voraussetzungen des § 6 des Asylgesetzes 1991 erfüllen. Letzteres trifft aber im Fall der Beschwerdeführerin nicht zu. Die Beschwerdeführerin ist nach den unbestrittenen Feststellungen aus Slowenien nach Österreich eingereist. Damit ist sie nicht direkt aus dem Staat (Mazedonien) eingereist, in dem sie behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991). Daß sie in Slowenien nicht vor Verfolgung sicher gewesen wäre und sie daher im Grunde des § 37 FrG nicht in diesen Staat, aus dem sie (wie erwähnt unbestritten) "direkt" eingereist ist, zurückgewiesen hätte werden dürfen (§ 6 Abs. 2 leg. cit.), hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht behauptet; ihr diesbezüglich erstmals in der Beschwerde erstattetes Vorbringen stellt daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführerin eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 des Asylgesetzes 1991 nicht zukomme und ihr der genannte hg. Beschluß eine solche daher auch nicht verschaffen habe können, ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.

1.3. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen die Auffassung der Behörde, daß vorliegend die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz gegeben sei, kein Einwand.

2.1. Die Beschwerdeführerin erachtet die ihr gegenüber erlassene Ausweisung nicht für dringend geboten im Lichte des § 19 FrG.

Sie sei zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich (als Folge der ihre Flucht ausgelöst habenden Vergewaltigung) schwanger gewesen und lebe in Österreich gemeinsam mit ihrem im Jahr 1994 geborenen Sohn, weshalb die Ausweisung "sehr wohl einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin" darstelle.

2.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung, § 19 FrG stehe der Ausweisung der Beschwerdeführerin auch unter Annahme eines damit verbundenen Eingriffs in ihr Privat- und Familienleben nicht entgegen, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerdeführerin hat nämlich durch ihren mehr als zweieinhalbjährigen unberechtigten Aufenthalt - den sie ungeachtet einer rechtskräftigen Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes fortgesetzt hat - gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH), verstoßen. Demgegenüber erreicht die gesamte Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin und eine daraus (allenfalls) abzuleitende Integration nicht ein Ausmaß, das ihren persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich ein erhebliches Gewicht verleihen könnte, zumal die Beschwerde auch nichts vorgebracht hat, was darauf schließen ließe, daß die Beschwerdeführerin nicht von ihrem Kind ins Ausland begleitet werden könnte. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich treten daher gegenüber dem besagten maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Erlassung der Ausweisung in den Hintergrund.

3. Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die Behörde hätte bezüglich der Frage des Schutzes der Beschwerdeführerin vor Verfolgung in Slowenien bzw. betreffend das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin den Sachverhalt näher zu ermitteln gehabt, nicht zielführend.

Ebenso verfehlt ist das Vorbringen, die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin im Rahmen der ihr obliegenden Manuduktionspflicht zu einem "entsprechenden Vorbringen" betreffend ihr Privat- und Familienleben anzuleiten gehabt, bezieht sich doch die Rechtsbelehrungspflicht nach § 13a AVG nicht auf die Frage, welches Vorbringen eine Partei in inhaltlicher Hinsicht zur Stützung ihres Standpunktes erstatten sollte (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Wien 1996, S 180 ff zitierte hg. Rechtsprechung, insbesondere etwa E 1, 2a, 2b, 3, 8, 10).

4. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997180175.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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