TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/21 G314 2226889-1

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1

Spruch

G314 2226889-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des ungarischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX,

Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die am 17.12.2019 eingebrachte Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf acht Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt III.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich gerichtlich strafbare Handlungen begangen habe. Sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück.

Der BF erhob dagegen eine Beschwerde, mit der er die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheids beantragt. Hilfsweise strebt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots und die Einräumung eines Durchsetzungsaufschubs an und stellt auch eine Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er seit ca. dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet lebe und hier auch erwerbstätig gewesen sei. Sein früherer Arbeitgeber werde ihn nach der Haftentlassung wieder einstellen. Der BF unterstütze seine in Österreich lebende Schwester bei der Betreuung ihres Kindes. Er könne nach der Haftentlassung wieder in der zuvor von ihm bewohnten Wohnung wohnen. Das BFA habe die Dauer des Aufenthaltsverbots nicht nachvollziehbar begründet.

Feststellungen:

Der aktuell XXXX-jährige BF ist ledig und kinderlos. Er spricht Ungarisch. Er ist gesund und hat Familienangehörige in Ungarn. Er war von 09.05. bis 26.08.2016 mit Nebenwohnsitz und von 26.08.2016 bis 06.06.2017 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Seit 06.06.2019 besteht wieder eine Hauptwohnsitzmeldung in XXXX. Zwischen 12.01. bis 17.02.2016 stand der BF in XXXX als Arbeiter in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis. Eine Anmeldebescheinigung wurde ihm nie ausgestellt; er hat dies auch nicht beantragt.

Am 13.06.2019 versuchte er in XXXX einen anderen schwer zu verletzen, indem er ihm mehrere Faustschläge versetzte und anschließend mehrmals gegen den Kopf seines zu Boden gegangenen Opfers trat, welches dadurch eine blutende Nase, Abschürfungen am Bein und an den Fingern, Kratzverletzungen an den Unterarmen und eine Rissquetschwunde am linken Scheitelbein erlitt. Danach versuchte er Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Festnahme und Fixierung, zu hindern, indem er einen Polizisten wüst beschimpfte und dabei mit seinen zu Fäusten geballten Händen um sich schlug sowie mehrmals versuchte, insgesamt sechs Beamten Faustschläge und Fußtritte zu versetzen, und ein Messer ergriff. Dabei verletzte er eine Polizistin, die eine Prellung im Bereich des linken Knies sowie Hautabschürfungen erlitt, während der Erfüllung ihrer Aufgaben. Er wurde daraufhin festgenommen; in der Folge wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt.

Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, wurde er wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB und der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter und vierter Fall StGB sowie der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein 16-monatiger Strafteil für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Bei der Strafzumessung wurde das reumütige Geständnis als mildernd gewertet, außerdem, dass es teilweise beim Versuch geblieben war. Erschwerend wirkten sich die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die Verwirklichung des dritten und des vierten Falls des § 269 Abs 1 StGB und die brutale Vorgangsweise aus.

Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil (unter Berücksichtigung der Vorhaft) ab XXXX.2019 zunächst in der Justizanstalt XXXX; seit XXXX.2029 wird er im gelockerten Vollzug in der Justizanstalt XXXX angehalten. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX.2020.

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister. Es bestehen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und den Strafzumessungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien und dem Strafregister. Ungarische Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und ergeben sich insbesondere aus der Vollzugsinformation, zumal offenbar keine Verständigungsprobleme mit der im Strafverfahren beigezogenen Ungarischdolmetscherin aufgetreten sind. Der Strafvollzug geht aus der Vollzugsinformation und den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR hervor.

Der in der Beschwerde behauptete dreieinhalbjährige Inlandsaufenthalt des BF kann nicht festgestellt werden, zumal er laut ZMR nach einem Aufenthalt 2016/17 erst wieder seit Anfang Juni 2019 im Bundesgebiet eine Wohnsitzmeldung aufweist und in seiner Stellungnahme vom 24.09.2019 behauptet, er sei ein Jahr davor eingereist. Eine Erwerbstätigkeit im Inland nach Februar 2016 ist nicht nachvollziehbar.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier aufgrund der schwerwiegenden und von besonderer Brutalität geprägten Aggressionsdelinquenz des BF, die sich auch gegen die Staatsgewalt richtete, erfüllt.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Solche Gründe wurden hier nicht vorgebracht. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des BF (Ungarn) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich um einen Mitgliedstaat der EU handelt.

Bei Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des gesunden, alleinstehenden und erwerbsfähigen BF im Bundesgebiet hält er sich - selbst unter Zugrundelegung der Beschwerdebehauptungen - erst seit deutlich weniger als fünf Jahren im Bundesgebiet auf, wo auch noch seine Geschwister leben sollen. Die Kontakte zu ihnen, die aktuell ohnedies haftbedingt eingeschränkt sind, können nach seiner Entlassung auch durch Besuche außerhalb Österreichs und durch diverse Kommunikationsmittel (Telefon, Internet etc.) gepflegt werden. Eine Erwerbstätigkeit des BF im Inland kann derzeit nur für einen ganz kurzen Zeitraum im Jahr 2016 nachvollzogen werden. Daher begründet die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in seine von Art 8 EMRK geschützten Rechte, zumal er familiäre Anknüpfungen in Ungarn hat und dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der strafbaren Handlungen gegen die körperliche Integrität anderer und gegen die Staatsgewalt ein großes Gewicht beizumessen ist. Der BF wird seinen Gesinnungswandel erst durch einen längeren Wohlverhaltenszeitraum in Freiheit nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen.

Im Ergebnis ist die sofortige Ausreise des BF nach seiner Haftentlassung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich; die vom BFA vorgenommene Interessenabwägung ist (trotz der insoweit äußerst knappen Begründung) nicht zu beanstanden. Es ist dem BF zumutbar, den Verfahrensausgang allenfalls auch in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Der Beschwerde ist derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226889.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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